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Full text of "Die Masai. Ethnographische Monographie eines ostafrikanischen Semitenvolkes"

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£,g83.l 



Harvard College 
Library 




FROM THE BEQUEST OF 

FRANCIS BROWN HAYES 

ClMi of iSj9 

OP LEXINCrON, lIAtUCHUSEm 



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Die Masai.. 



Von 



M. Merker, 

HaQptmanii und Kompanie-Chef In der Kaiierlicheo Schatitmppe (Br DenUch-Oitafiika. 



Mit 89 Pigona, 6 Tafeln, 61 Abbllduagen 
and einer Uebersichtskarte. 



BERLIN 1904. 
DIETRICH REIMER (ERNST VOHSEN) 



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.lUL 88 IC)06 



Alle Rechte, insbesandere UeberisCinni^ieclit in alle Sprachen, vorbehalten. 



Druck Ton Otlo Eimer. Berim S. 



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In Erinnerung an die gemeinsamen Streifzüge durch die Steppen 
der Masai in Kriegs- und Friedenszeiten 

Herrn Hauptmann Kurt Johannes und Frau Amely Johannes 

in alter Freundschaft und Ergebenheit 

gewidmet 

vom Verfasser. 



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Vorwort. 



Immer schneller schleift und feilt die fortschreitende Kultur an den Sitten 
der sogenannten wilden Völker. Was sie zuerst anfasst und wo sie am voll- 
ständigsten glättet, ist gerade das dem Wilden Ureigene, worin sich sein Tun und 
Treiben, sein Denken und Empfinden am klarsten spiegelt. Am meisten tTiflfc 
dies für solche Naturvölker zu, deren Sitten und Anschauungen mit unsern 
Grundsätzen von Zivilisation in scharfem Gegensatz stehen und die ein ganz neues 
Leben beginnen müssen, wenn sie nicht untei^ehen wollen. Dies gilt natürlich 
vor allem für die Nomadenvölker und besonders für die kriegerisch veranlagen 
unter ihnen, wie es die Masai sind. Immer dringender tritt daher an uns Europäer, 
die wir unter jenen Völkern leben, die Aufgabe heran, unser Wissen über sie 
zu vervollständigen und zu ergänzen, ehe es zu spat Ist. 

Ncrben diesem wissenschaftlichen Ziel verfolgt die Erforschung der Ein- 
geborenen unserer Kolonien auch noch einen praktischen Zweck. Die Zeiten, 
während welcher wir mit der Walle die Anerkennung der deutschen Herrschaft 
erzwingen und die Eingeborenen, welche durch ihre nahezu ununterbrochenen 
Kri^s- und Rauhzüge gegen einander das Land verwüsteten und die Bevölkerui^ 
verringerten, mit Gewalt zur Ruhe bringen mussten, sind nahezu vorüber. In 
ernster Friedensarbeit müssen sie nun zu dem erzogen werden, was sie zum 
eigenen und zu des Landes Nutzen werden sollen. Wo und wie der Erzieher 
zur Erreichung dieses Zieles aufklärend und belehrend wirken muss, lehrt ihn die 
Kenntnis vom Denlcen und Empfinden, vom Charakter und den Sitten der Leute. 

In der vorliegenden Studie bringe ich nur das, was ich mit Sicherheit 
feststellen konnte. Beim Zusammentragen ihres Inhaltes beobachtete ich den 
Grundsatz, die Leute frei erzählen zu lassen und erst dann direkte Fragen zu 
stellen, wenn es sich um eine Kontrolle der Richtigkeit des bereits Notierten 
handelte. Ich bin überzeugt, dass nur dieses — allerdings sehr zeitraubende 
und daher für den Forschungsreisenden oft genug unmögliche — Verfahren 
Resultate liefern kann, die durch das Denken des forschenden Europäers un- 
beeinflusst sind und daher das Empfinden des Wilden ungetrübt wiederspiegeln. 

Ueber die Entstehung der ersten beiden Kapitel des vierten Abschnittes, 
die Ueberliefening aus der Urzeit und eine vergleichende Betrachtung der 



ayCiOOglc 



— VI - 

Traditionen der Masai und Israeliten usw., sei noch gesagt, dass ich zuerst 
das ersterc in der Form, in welcher es vorliegt, als Resultat meiner 
Forschung fertigstellte und erst danach einem Vergleich mit den Ueber- 
lieferungen der Bibel näher trat. So verlockend es auch erschien, das mir von 
den Masai Erzählte sofort mit den biblischen Berichten zu vei^leichen, so musste 
ich doch dieser Versuchung widerstehen, um zu verhindern, mich in der Art 
der Fragestellung bei der Nachprüfung unbemisst beeinflussen zu lassen. Er- 
wähnt sei ferner, dass ich erst während des fünften Jahres seit Beginn der 
Arbeit an vorliegender Studie auf die Traditionen aus der Urzeit stiess. Diese 
sind nämlich durchaus nicht allgemein im Volksmund, sondern vererben sich in 
bestimmten Familien, so dass man auch In grösseren Masainiedcriassungen nur 
sehr wenige Greise findet, welche sie ausfuhrlicher zu erzählen wissen. Aber 
auch diese wenigen erzählen dem Forscher erst dann davon, wenn sie ihn genau 
kennen und wissen, dass auch er sie und ihre Psyche genau kennt Erst als 
ich so weit gekommen war, dass die Leute unter sich ernsthaft die Frage erörterten, 
ob ich nicht vielleicht aus der Zeit ihres Aufenthaltes in der Urheimat her einer 
der Ihrigen wäre, erfuhr ich von jenen Ueberlieferungen. Ein und ein halbes 
Jahr aber dauerte es noch, bis ich das im ersten Kapitel des vierten Abschnitts 
Gebrachte erlauscht hatte. Ich erwähne dies hier deshalb, damit andere Forscher, 
welche ihre Aufmerksamkeit den Masai in andern Gegenden zuwenden, sich 
nicht entmutigen lassen m<^en, wenn ihre Bemühungen lange Zeit ohne den 
erhofften Erfolg bleiben. 

In dem zweiten Kapitel desselben Abschnitts bringe ich u. a. eine Reihe — 
wie ich glaube, nicht unbegründeter — Vermutungen, welche durchaus keinen 
Anspruch auf ununistössliche Richtigkeit machen. Obwohl dies schon aus der 
Fassung klar hervoi^eht, sei es hier besonders für diejenigen, welche an allem 
etwas auszusetzen haben, ausdrücklich hervoi^ehoben. Ich brauche wohl kaum 
zu betonen, dass mir nichts ferner lag, als den Theologen und Assyriologen ins 
Handwerk pfuschen zu wollen. Ich stellte mich vielmehr lediglich auf den 
Standpunkt des Kenners der Masai und einiger anderer ihnen benachbarten 
Naturvölker, während ich die angezogenen Bibelstellen, ohne daran zu deuteln, 
so auffasste, wie sie für jeden klar im Fentateuch zu lesen stehen. 

Da der Hauptinhalt beider Kapitel ebenso neu wie ungeahnt ist und da 
ferner gerade die moderne Bibelforschung auf Grund der babylonischen Aus- 
grabungen nicht frei von sehr bestreitbaren Auslegungen ist, so lag der Gedanke 
nahe, die in jenen Kapiteln niedei^elegten Ergebnisse könnten die Vermutung 
erwecken, dass auch mir hier Spekulationen untergelaufen seien. Ich habe des- 
wegen meine Resultate nachprüfen lassen und dazu das von mir im ersten Kapitel 
Gebrachte dem zur Zeit hier weilenden Sprachwissenschaftler, Herrn Jos. Deeg, 
der über eine grössere Kenntnis der Sprache und des Denkens der Masai verfügt, 
übergeben. Nach der von ihm vorgenommenen Nachprüfung schrieb mir 
Herr Deeg: 



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— VII — 

>Es ist mir eine Freude, Ihnen mitteilen zu können, wie streng sich das 
von Ihnen gesammelte Material mit den Aussagen der Masai deckt, die ich — 
und zwar über alle in Ihrer Arbeit vorkommenden mythologischen und etymo- 
logischen Fragen — aufs ausfuhrlichste ausfragte. Ich habe Ihre Forschungen 
analytisch und synthetisch (letzteres durch zuTälliges Anführen mythologischer 
Namen und später durch ins einzelne gehendes Ausfragen im Gespräch mit 
Masai) geprüft und war überrascht von der Uebereinstimmung der Aussagen der 
Masai mit Ihren Resultaten. 

Diese schätze ich persönlich um so höher, als ich weiss, welches Ver- 
ständnis für die Denkungsweise der Masai, welche Ausdauer es erfordert, und 
welches Vertrauen seitens der Masai es voraussetzt, um überhaupt richtige Ant- 
worten zu bekommen.« 

Bei der Orthographie der Masaiworte war im allgemeinen die deutsche 
Aussprache massgebend. Es bleiben daher nur folgende Zeichen zu erläutern: 
e ist der deutsche ä-Laut in Wärme, oder in maison, to bear. 
a ist ein Mittellaut zwischen a und o. 
oi wie in Leu, boy. 
y ist ein deutsches j, fayance. 
n ist das nasale n in Wange, allons. 

Zur Grammatik sei bemerkt, dass ol, el, en (efi, eAg), n (A, ng) Artikel 
sind, deren Vokale des Wohllautes wegen die verschiedensten Klangfarben an- 
nehmen können; ol und en sind die Artikel des Singular, el und 'n die 
des Plural. 

Ehe ich diese Zeilen schliesse, habe ich noch eine Dankesschuld abzutr^en. 
Seiner Hoheit dem Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, als dem 
Präsidenten der Deutschen Kolonialgesellschaft, schulde ich untertänigsten Dank 
für die Bewilligung einer Summe, welche die Drucklegung dieses Buches er- . 
möglichte, und gleicherweise dem Vorstand und Ausschuss dieser Gesellschaft, 
Ferner habe ich zu danken Herrn Stabsarzt Dr. Skrodzki für seine gütige 
Unterstützung bei der Bearbeitung des gesammelten Materials, Herrn Marine- 
stabsarzt a. D. Dr. L. Sander, welcher in liebenswürdigem Entgegenkommen 
die Korrektur der Druckbogen leitete, woran ich durch meine Rückkehr nach 
Deutsch - Ostafrika verhindert war, sowie Herrn Professor Votkens, der den 
botanischen Anhang durchsah. Herzlichen Dank statte ich auch Herrn C. G. 
Schillings und Herrn Missionar Emil Müller, Herrn Oberleutnant i. d. Seh. 
Fonck II, Herrn Regierungsveterinärarzt Brauer und Herrn Kaufmann Mei- 
maridis (Moscht) ab, die mir in zuvorkommendster Weise eine grosse Zahl 
photc^raphischer Aufnahmen für die erläuternden Bilder überlassen haben. 

Der Verfasser. 



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Inhaltsangab e. 



s«» 

Vorwort V— VU 

Erster Abachnltl i — 15 

L Die semitische Einwanderung nach Afiika. — Von den ältesicn Einwajiderem 
leiyj^n Dur noch Spuren. — SpSiere Elnwanderei: Wahtnda und Wabuma, Tatoga, 
Masai, AegTpter. — Die Masai als Svmilen. — E^e Juden sind somatiach Iceine 

Semiten 1 — 5 

II. Die ostafrikaulKben Steppen als Wohngeblnt des Msialvolkei. — Seine Ein- 
wanderung in drei Heerhanfcn. — Deren Kämpfe. — Eintciluni; und Verteilunif 
des Landes unter Masai, W^uaR, Wandoiobbo und deren Slcllung lu einander. 
— EinfloM de* Masalvolkea auf die anaässi^n VolkstSmmc. • — VernuBcliung mit 
Negern. — Die aomatischeD Merkmale des Maaaivolks leigen ihre Rassen-, die 

ethnographischen Ihre VoIkSEemeinscIiaft 5 — 15 

Zweiter Abschnitt 16 — lao 

i. Stämme, Geschlechter, Untergeichlechler. — Das EA gidoA -Geschlecht. — Der 
Häuptling; seine Regierung und PoUiJb, Zaubcrmedlilnen, Stammbaum. Dorf, Cere- 
moniell, Speisen. — Die Zauberer. — Das El kiboröa-Gcschlcchl. — Die Regenmacher 16 — 32 
n. Kraal. — Bau und Einrichtung der Hütten. — Stand Iflr das Vieh. — Arten der 
Kraale. — Vielweiberei, die Hauptfrau. — VermÖgcnsverhältnisse, Austausch von 
Waren, Verdienst; Familienoberhaupt. — Ansstossung und Aussonderung von 
FamUtenangehÖTlgen. — Der FamilicnkraaL — TSgllcbet Leben. — Arbelt. — 

Speisen. — Tabak. — Hoitigbicr. — Spiel. — Hausgerät 33—41 

m. Engere Familien Tcrbfillnisse. — Verwandtschaftsbezeichnungen. — Anreden der 

Verwandten 41—44 

IV. Eheliche Verhältnisse. — Verlobung. -— Brautstand. — Brautptcii. — Umgehung des 

Brauipreises. — EhebiDdernlsae. — Hochielt. — Anfang der Ehe. — Trennung der Ehe 44—50 
V. Schwangerschalt. — Verhalten der Schwangeren und ihres Ehemannes. — Nieder- 
kunft. — Fest bei der Geburt. — Zwillinge, ~ Misagcitaltetes Kind, — Tötung 
Neugeborener. — Verhallen der Wöchnerin. — Das Neogcborene. — Kindliches 

Alter. — Kinderspiele S<*— 5S 

VL Namen. — Männliche und weibliche Namen. — Bedeutung der Namen. — Namen- 
gebong an männllclie Indiiiduen, Feste, Beispiele tod Namen. — Namengebung 

an weibliche Indirlduea, Feste, Beispiele von Namen : . . . 5S— ^^^ 

Vn. Beschneidung der Knaben. — Zeitpunkt. — Die Beschncidungsjahre. Fest am Ende 
derselben. — Beschneidungsiag. — Operation. — Gelage. — Verhalten der Be- 
schnittenen bis zur Heilung der Wunde. — Beschneidung der Mädchen. — 
Zeiiponki. — Operation. — Verbalten der Beiirhnittenen bis zur Hellung der Wunde. 60 — 66 
VUL Allersstnlen. — Bezeichnung der Angehörigen der verschiedenen Altersstufen beider 
Geschlechter. — Die durch die Zugehürlgkclt zn einer Altersstufe l>cdingtcn 
Anreden bei männbchen, weiblichen, sowie männlichen und weiblichen Indiriduen 

unter einander 66 — 70 

Di. Altersklassen. — Die Jahrgänge einer Altersklasse. — Allersklasseoverband. — 
Organisation der Beschnittenen. — Wahl des Sprechers und des ol aunoni; ihre 
Tätigkeit, — Fest bei der Bildung eines Altersklassen verband es. — Bedeutung der 
Altersklassen. — Teilung einer Altersklasse. — Namen von Altersklassen . . . Jo — 75 



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X. EinfUhraDg cler JUDglinKe ins Kriegerleben. — Ihr erster Kriei^Dg. — Der ol 

oiboni gibt ItmeD deo NamcD lUr die Altersklasse. — Schildwappeo : leine einielnen 

Bestandteile ond deren Bedeutung. — Die JünglJDge werden Krieger 

XI. Kriegerkraal, — Seine Bewohner. — Arbelt, — Speisen der Krieger. — Waldmahl- 
zeilen. — Organisation: der Sprecher, teine Abzeichen und Aufgaben; Anführer; 
Wohltäter. — Zweikampf. — Tägliches Leben. — Speiseieiten. — Tarn und 
Gesang. — Krieg: Erlaubnis dazu, Vorbereitung, Waldmahl, Abmarsch, Marsch, 
Lager, Wundarzt, Spione. — Formation des Kriegsmarsches zum Angriff. — 
Kampf, — Beute. — Gefangene, — Verteilung der Beute, — Rückkehr der 
Krieger. — Verl eidungs verfahren. — Ueberfall auf, KaraiFanen. — Fried cnschlusa. 

Marschleistung. — Austritt aus dem Kriegeratand 

\ll. Gruss. — Form und Art des Gnisses zwischen Individuen verschiedenen Alters 
um! GescWechls, ~ Grussformeln. — BegrUsaung beim Besuch. — Abschied sgruss, 

— Unterhaltung. — Schlmplworte. — Koseworle 

Xtll. Die Schmiede. — Eigene Kraale. — Ihre soiiale Stellung, — Verhallen gegen die 

Schmiede, — Werkstatt. — Werkzeuge. — Eisenge wiimung. — Technik. — 
Schmied eprodukte ; Ihfe Preise. — Drahiztehen 

XIV. Charakter. — National stolz, — Missachtung gegen Fremde, — Bezeichnimg der 
Fremden, — Der Masai im Dienst des Europäers, — Verhalten der im Volk 
lebenden Masai gegen den Europäer, — Der Masat gegen aeinesgleichen. — Gast- 
freundschaft. — Stellung der Frau, — Wie der Neger den Charakter der Masai 
illustriert, — Aeussening von Gemütsbewegungen und andere Gesten. — Seh- 
vermögen, — Kunstsinn. — Farbensinn. — Orientierungsvermögen, — Gesang, — 
Schönheitsideal des menschlichen Körpers 

XV, Waffen. — Speer. — Schwert, Scheide, Gurt. — ScWld, — Keule. — Bogen. — 
Pfeil, — Feuerwaffen 

X\'l. Bekieidntig und Schmuck. — Zeugstoffe. — Lederbercilung. — Die einzelnen Be- 
kleidungsstücke. — Die einzelnen Schmuckstücke. — i Verschönerung* des Körpers, 
Kopfhaar. Bart Kürperhaare. — Die Haartracht der Krieger. — Bemalung von 
Gesicht und Körper. — Aetz- und SchDiit-Zlemarbcn. — Zähne. — Fingernägel, 

XVil. Grundzahlen und die Fingeraeichen dafBr. — Rechenfähigkeit. — Die Finger. — 
Ordinalzahlen, — Bruchteile, — Zahladverbien, — Tageszeiten, — Woche, — 
Monatstage, Monate und Jahresielten. — Bestimmung der Jahre. — Mass . . . 

XVlll. Vieh. — Rinder. — Pflege. — Kastration. — Esel. — Ziegen. — Schafe. — 
Kamele. — Namen fUr Kühe. — Eigentumszelclien, — Brandnarben zur Ver- 
schönerung und von Krankheitsbehandlung hctrUhrend. — Ausbrennen der Hom- 
ansätze. — Geburtshilfe, — Kiankheiteo und ihre Behandlung- — Kuhglocken. — 
Hüten des Viehs. ~ Abzapfen von Blut. — Schlachten, — Zerteilen des Tieres 
und Verteilung des Fleisches, — Nomenklatur des Viehes, . — Weide in der Steppe. 

— Viehzucht durch den ouropäisohen Ansiedler. — Nlitiliche und schällliche 
Futterpflanien 

\1X. Iimerc Krankheiten. Infektionskrankheiten: Dysenterie, Malaiia, Windpocken, 
Pocken, Elephantiasis, poraslISrer Hautausschlag. — Krankheiten der Atmungs- 
organe: Schnupfen, Bronchialkatarrh. — Krankheiten der Verdauungsorgane : 
Uel)elkclt, Durchfall. Verstopfung. Tonicum roborans, Leberschmerz. Mllzsclimerr. 
Leber- und Milzabacess, Gallenfiebcr. Eingeweidewürmer. — Geschlechtskrankheiten: 
Lues, Gonorrhoe. Blasenkalarrh, Aphrodisiacuiu, — Nervenkrankheiten: Kopfschmerz, 
Ohrensclimerz , Zahnsclimerz . rheumatische Muskel schm erzen , nervenerregende 
Mittel, die cm boschona-Krankheit. — Aeussere Kmiikheiten: Wundärzte, Zahn- 
operationen, Aderlass imd Schröpfen, Anscli Weitungen, Abscesse. Die Ziegeo- 
geschwilrkrankheit. Die Drüsenkranklieit. Sclilangenbiss und Skorpionsticli. Con- 
j'unctirilis. Verrenkungen. Knochenbrütbe. Entfernung von Fremdkörpern aus 
Wunden. Verwundungen am Unterleib. Amputation. — Geburtsliilfe und Frauen- 
krankheiten: Hebammen, Steigerung der Webentätigkeit, Beckenenge. Stellung 



=,Li00gIe 



— XI — 

Seht 
äet Gebärenden. Nacbgeburt. Abnabelung-. Behandlunfr dea Neageitoiaxea und 
der WÖclinerin. Ernäbnmc. PHege, Wartung. Entwöhoang des Säuglings. — 

Uienisschmerzen. — AboituB. — Fniehc barkeit. — Kindersterblichkeit 174 — iga 

XX. Tod. — BeBUttung. — Erbfolge. — Letile Wünsche der Sterbende!). — Opfer 
inr Abwendong des drohenden Tode*. — Behandlung und Beatattong der Leiche. — 
TotenachmauB. — Trauer. — RegrfibDia. — Beerdigung de» HSuptling» Mbatyan. — 

Verteilung dei Erbe« 192^195 

— XXI. Religion. — MonotheiimuB. — GlAubenBlehre. — ErklSrongderNatareischeinongen.— ^ 
Getiete. — Biitfeste. — Opfer. — Die SchlaageQ. — Böse Geliter, — Zauberei. — 

Amulette. — Böser Blick 195—203 

XXn. Recht. — Ueber Familien- und Penoaenrecht, vergl. a. Abschnitt II, IV und XX. — 
Vermögemrecht — Fund. — Tauich beiw. Kauf. — Haftung der Verwandten für 
Schulden, Geschenk. — Strafrecht. — Mord und Totschlag. — Rache. — Kompo- 
sition. — Fahrlässige Tötung. — Körperverletiung Tertcbiedenen Gmdes, — 
BeihiUe. — SittlichkeltsvergeheQ. — Selbstmord. — Mensehcaraub. — Diebtiahl. — 
KiiegiTcrrat. — Brandstiftung. — Feigheit im Krieg. — TodesBtrafe, — Bussen. — 
Ebrensirafe der Krieger. — Entschädigung unschuldig Angeklagter. — Geiates- 
banlie. — Verwaninng. — Proiessrecht. — Instanzen. — Beispiel eines Straf- 
prozesses. — Ermittelung des unbekannten Täter«, — Verhandlung. — Beteuerung 
der Wahrheit. — Tortur zur Erpresiung der Wahrheit. — Gottesurteile zur Er- 
mlllelung der Wahrheil. — Zaubereivergehen. — Keine internationale Verfolgung 

von Straftaten 203—113 

XXIIL Erzählungen: Löwe und Ichneumon. — Hyäne und Schakal. — Hj^e, Schakal 
nod Ungeheuer. — Der menschenfressende Stier. — Der schlaue Alte. — Der 

. besorgte Valer. — Das Wild, — Die Strafe Gottes. — Sprichwörter 213—320 

Dritter Abschnitt 221 — 259 

I, Die Wandorobbo der drei Zweige des MaiaiToUce« 221 — 222 

■n. Anlage und Ehiteilung der Lager. — Die Hfltten. — Hausrat. — Tägliches Leben, 
Speisen. Arbeit. ^ Tontüpfe. — Körbe. — Lederbereitung. — Marktverkehr. — 
Honlggewinnung. — Herstellong Ton Bogen, Pfeilen. — Speere. — Tanz und Gesang. 222—229 

ni. Verwandtschaftsbezeichnungen und Anreden 229 — 331 

IV. Eheliche VerhältDisse. — Vielweiberei. — Verlobung. — Brautstand. — Uebertrilt 
der jungen Männer In den Stand der Verheirateten. — Braulprels. — Erzwingung 
der Einwilligimg des Vaters der Braut. — Austausch von Weibern. — Ehehiuder- 

nisae. — Eingehung der Ehe. — Lösung der Ehe 231 — 233 

V. Schwangerschaft. — Verhalten der Schwangeren und Ihres Ehemannes. — Pflege 
und Behandlimg der Schwangeren, der Kreissenden und der Wöchnerin. — Tötung 

Neugeborener. — Fruchtbarkeit. — Kindersterblichkeit 233—234 

VL Namengcbung bezw. Annahme von Namen: Knaben, Mädchen, Jäger, Ehefrau, Kltem. 234 — 235 
Vn. BeschneiduDg der Knaben. — Altersklassen. — Organisation der beschnittenen 

jungen Männer. — Bescimeldong der Mädchen 235^ — 336 

VIII. Jagd. — Die Waffen, Bogen, Pfeil, Jagdspeere. — Eigcntumsieichen, — Bereitung 
imd Wirkung des Pfdlgifts. — Behandlung ron Pfeilwunden. — PUrschgang. — 
Jagdhunde. — Anstand, — Treibjagd, — Ausübung der Jagd. — Wildprcl. — 

Aberglauben, — Fleischmahlzeilen der Jäger Im Busch 336 — 342 

IX. Kleidung und Schmuck. — Zeugsioffe. — Die einzelnen Bekleidusgs- und Schmuck- 
stücke, vergUchen mit denen der Maeai. — Kopf- und Körperhaarc. — Nägel. — 

Schminke. — Tätowierung 343 — 245 

X. Krankheiten 145 

XI. Bestattung der Leiche. — Erbfolge 245 — 246 

XII. Charakter der Aai. rerglichen mit dem der Maaai 246 — 347 

XIII. Sprache. — Zahlen. — Tageszeiten. — Bezeichnung der nächsten Tage in Ver- 
gangenheit und Zukunft 347 — 349 

XIV, Religion. — Gebet. — Btttfeste. — Amulette, — Zauberei. — Böser BUck . , 249 — 251 



=,doogIe 



— XII — 

XV, Recht. — AIlgemeineB. — EiRcntum. — Teilung der Jaedbeute. — Fund. — 
Tausch. — Schulden. — Hnftun^. — Schenkung. — BtuUfreundichnft. — Mord 
und TutBchlag. — Fahrläsgljre Tömng. — Kärperrerleiiaiii;. — Sittlicbkei ts- 
vergehen. — DiebBlahl. — ErmiKelnng unl>ekannler Misietälcr. — Gerichtliche 
VerhBDdlong. — BeteHerunE- — Tortur, — Gottt»urteUe. — Bahrprobe, — Frau 

vor Gericht. — Geisteskranke 251 — 155 

X\X EnähluDgeD und Fabeln. — Die EreühluD); von der ErfindunR des Pfeilififls. — 

Weitere Erzählungen und Fabehl SSS — 259 

Vierter Abschniti 260—339 

^ I, Die Ueberlieferung-en au> der Urieit. — Unuiland, — Drachen kämpf. — Paradies, — 

' Weltsctiöpfung — Das erste Menschenpaar. — Sündeafall. — Strafe der Schlange. — 

Vertreibang der Menschen aut dem Paradies. — Gott gibt den MeoBcheti Rinder. 
Eiel und Ziegen. — Die Menichen bekommen die Schaff. — Sindillo, Nabe, 
Sisia. — Ssrea. — Gott lehrt die Menschen, den lebenden Tieren Blut abzuzapfen. — 
Gott bestraft das Weib Sagatl flir ihren Ungehorsam. ~ Schagarda. — Der erste 
Schmied. — Lemajao. — Learin, — - Tumbaiiot, — Der erste Mord. — Die 
Siniflm, — El bari. — El mujalala, — EI dertim, — Damalige Tracht, — Naraba, — 
Die feurige Schlange. — Die lehn Gebote. — El bartauam. — Logota, — 
Mutaiia. — Die siebentägige Woche. — Gott befiehlt den nnbluiigen Kampf 
ge^D die Ungläubigen. — El malrab. — Der erste ol olbonL — El ginjoio. — 
Geriga, — Der erste Elkebruch. — Mutari. — Der Betrug um dat Recht der Erst- 
gebun. — Getaine-Eramram : Martimi, Labot, Mgria. — El gowai. — Gotl befiehlt 
die Beschneid uttg. — Gott beftebll den blutigen Krieg gegen die Unglüubigen. — 
Der erste Diebstahl — Es siawaL — Falirläasige Tötung eines weiblichen Tieres. — 
Kl gissali. — Absichtliche Tötung eines vreiblicheo Tieres, — El kigerie. — Der 
erste Mord nacli der Sintflut. ^ Gulale. — Eiinneruagen über fremde Völker aus 

der Urzeit. — Neuere Zeil 260 — 189 

II. Eine vergleichende Betrachtung der Traditionen der Masai tuid Igraeliten unter 
Berücksichtigung der in BabyloDien gefundenen Berichte der t'rzeitmjrthen: Well- 
Echüpfung, die ErschafEung der ersten Mensctten, Paradies und Sllndenfall, die 
Sintflut, die Keniter der Bibel, die Schmiede der Mss^, der Betrug am das 
Recht der Erstgeburt, Moses -Marumi- Musana usw., die Beschncidong, die Be- 
nennung Gottes, die feorlge Schlange, die zehn Gebote. — Einige weitere 

Berührungspuakte 190 — 317 

III, Die Masai und die ältesten Ebtäer eotstammen demselben Volk. — Die Spaltung 
in der Urheimat, — Die Ameroi. — Die El eberet. — Die El eberet = Ebräer. — 
Ihre Nachbarschaft mit den El dlnet, die den Gott Jau und das Verbot des Blut- 
genusses kennen. — Die Ameroi dürften die Amoriler sein. — Die biblischen 
Mythen der Urzeit stummen vom Volk der Amal und dürften durch die El eberet- 
Ebräer zu den Israeliten, durch die Amoritcr nach Kanaan und Ton dort nach Babel 

gekommen sein 3*7—33' 

' IV. Die Zukunft des Masaivolks. — Abwägung der Wirkung der volks erhaltend eu und 
volkszerstörenden Momente. — Polygamie. — Emähnm|r. — Fruchtbarkeit — 
Kindersterblichkeit. — Freie liebe. — Organisation, — Kriege. — Seuchen. — 
Nationalstolz. — Znsammenstoss der Kultur der Masai mit der der Europäer. — 
Die Unvereinbarkeit beider schädigt die Masai. — Schädliche Folgen der Ver- 
armung. — Schwieriglicit der Sesshaftwerdung 331 — 339 

Anhang I. > Masai -pharmakologiscbe« und andere Notizen Obei die bei den Masai als 

Heilung tjcwirkend, nützlich, schädlich oder anderweitig beachteten Pflanzen 340 — 349 
» 11. Beschreibung und Messung der Körper von 18 Männern und 43 Weibern . 350—409 

Register 411—421 



,y Google 



Verzeichnis der Figuren im Text. 



. Riuderhom mit Deckel, Oralcelspl«! des ol oiboni 

. Gmndrlu eines Knal» 

. Gmndiüs und Seltenansicht einer HUtte 

. Tabakpäckchen 

. Tabakpfeifen 

, Tabakdosen 

, Trog Eor Berdtang des Honlgblers 

. a) Brettspiel, b) Spielmarken 

, Käiblsfiaschen 

. HolzDipfe 

. Hooigtopf 

. Holischemel 

. Quirle 

, Alt 

. Messer 

. Ftatnatg . 

. Grosse Ledertasche 

. ol bul-Hfltte, Gnmdlist 

. Beinschelle 

. Fliegemredel 

. Hammer 

. Zang 

. Meisscl 

. Blasebalg 

. Werkteuge zum DrabliieheD 

■ Speere 

. Speerdorchscluiitte 

. Untere Blattenden der Speere 

, Unlere und obere Enden des Speerschnhs 

. Schwert; a) Klinge, b) Griff, c) Scheide 

. a) Dolch, b) Messer 

. Scheide a and b 

. KoDstruktloa des Schildes; a) alte SchÜdfoTm, b) jetilge Schildform 

. Bogen 

. Pfeilspitzen 

. Sitzleder 

. Sandale 

•, Kopfschmuck beim ol bul 



=,doogIe 



41. -Ue . . . 136 

41. a) Mutze aus Rindermagen, b) Krieger mit Mütze 136 

43. Ohrpilöeke a und b . . . 136 

44 — 49. Ohrschcnuck 136 — 13S 

50 — 51. KopfpericDband der Weiber 138 

51. Halsring der Mannet , 139 

53. • » Weiber 140 

S4- » > 140 

55. Obemonspange der Krieger ■ 140 

56. Unterarmschmuck der Wohltäter 140 

57. GUrtel der Weiber 142 

5S. Knieband der Koaben und JUngiUuge 143 

59. Kleine Beinschelle , 14z 

60. Fingerring der Weiber 141 

fli. FiDgerring fremden Ursprungs 143 

63. Raüiermeaser 143 

63. Pinzette 143 

64—66, ZopHrisuren 144 

67. Kärperbemalung der Krieger 145 

6S. Gesichisbemalung der Krieger 147 

69a— b. > » Weiber 147 

7oa^c. Tätovfierxing am Oberarm der Männer. 147 

71a— e. Tätovrlerung auf dem Bauch der Männer 147—148 

72a— k. Bauchtätowjenioe der Weiber 148—149 

73. Fingerielchen fQr die Zahlen 150 

74. Bockschürze . 159 

' 75. EUcD zum Brennen 164 

76. Pfeil zum Aderlaasen 166 

77. Kuhglocken 168 

75. Elfenbeinklöppel als Halsschmuck für Riader 168 

79. Stelzbein 1S8 

80. Sangflaaehe 191 

81. Töpfe 224 

83. Bienenstock itS 

83. Bogen 117 

84. PfeUe «8 

85. Köcher 236 

86. Wuriapeer für Jagdgebrauch 137 

87. Körperbcmalung der Jäger 244 

88. Tätowierung der Männer 244 

89au.b, 1 » Weiber 244 



Tafeln. 

Schild Wappen. 

Gesciüechtzeichen ao deo Schildern. 

Eigentums marken an den Körpern der Rinder. 

s 1 i Ohren der Rinder. 

» ■ > PieilspilieD. 

» 1 > Pfcilspitzdomen. 

Allgemeine Ueberslchtssklzzc der Wohngebiete des Masaivolkes. 



=, Google 



Verzeichnis der Abbildungen nach Photogrammen. 



Saite 

1. Hasaiwelb von unterhalb KiboDgoto. pholocraplüert too Missionar Emil Müller .... lo 

2. Drei Masaiweibcr. pholoi^pliiert von OberleulDant FoDcb II 11 

3. Jiuige Ma.sai, photogmphlert yon MUsloDar Eiult MWer 14 

4. Zendeo, der jeizif;e Iläuplllng der Masai, photogiaphiert vom Verlasser lo 

j, Kraal In der Si«ppe »wiaclien Killmandaeharo und MeruberR, plioiograpliiert vom Verfasser 23 

6. MasaihUtlc. pbotoKraphieit Tom Verfasser ij 

7. MasaihUtte. Bewurf mit RlntlermlsC, photograplilert Ton Kaufmann Meimaridls 36 

8. Stallchen an der Hütte, photOETaphiert vom Verfasser 27 

9. Ställcben auf der Hütte, Photographien vom Verfasser 38 

10. Hüttenkomplex, photo^rraphlert Tom VerfuBsrr 29 

1 1. Dornhecke der Kraale, pholograpliiert von Reg.-VeterinilTarn Snitter 19 

13. Kiaal der VerbelialeteB, Photographien vom Verfasser 31 

13. Weiber, den Kraal reliiipend, pliotoffr.iphiert von C. G. SchillinK» 33 

14. Weiber mit Ledertaschen und Gepäck lialturn, pholoji^phlert von Oberleutnant Ponck II . 39 

15. Weib mit Gepäcklialter, pbotoBraphlen vom Verfasser 40 

lA. Masalweib mit Kind auf dem Rücken, photographiert vom \'erfasser 53 

17. Tanzende Frauen, Photographien von C. G. Schillings 57 

iS. Masaiknaben. pbotographlerl von C, G, Schillings 61 

19. Junge Masalmädcheo, photograp liiert von C, G. Schillings 65 

30. Halberwachsenes MasaimSdchen, pbotographlert von Oberleutnant Fonck II 66 

II. Männer und Frau mit Kind, pholo^raphicrt vom Verfasser 67 

2i. Aeltere Männer, Photographien vom Verfasser 68 

sj. Masalmädclien vom Kind bis lur jungen Frau, Photographien vom Verfasser 68 

24. Mutter mit Kindern, Photographien vom Verfasser , 69 

15. Krteger. pholograplilert von C. G. Schillings 71 

26. Aeltere Männer, photographicrt von C. C. Schillings 74 

37. Sehr aller Mann, photographicrt vom Verfasser 75 

iS. Schildwappen der Masai. Photographien von Reg.-Veterinärarit Brauer 77 

=9- » > J > 1 . J 79 

2"- > junger Krieger pbotographlerl vom Verfasser 81 

31. Krieger im Kriegssebmuck, t . > 83 

31. Tani im Kriegerkraal I, pliotogiaphiert von C. G. Scliilllngs 87 



. Beiatiuig auf dem Kriegsiuge, photograpbiert lon Keg.-VeteilnäraTzt Brauer 
. Korporalschahsiager auf Kriegs marsch, Photographien vom Verfasser . . . 



=,Li00gIe 



— -xvi — 

Sehe 

38. Letzte Instruktion der Krieger vor dem Gefecht, pboiographiert vom Verfasser .... 95 

39. Gebet vor dem Gefecht, photographiert tom Verfasser 96 

40. Auf Posten, photographiert vom Verfasser 97 

41. Junger Masai mit Speer, photographiert von Missionar Emil Muller 135 

4z. Masatweib mit Näharbeit, photographiert tod Kaufmann Meimaridls 133 

43. Weibertrachten, photographiert von C. G. Schillings 133 

44. Tracht der Weiber und Kinder, pttotographieri vom Verfasser 134. 

45. Ohrachmuck der Männer, photographicrl vom Verfasser 137 

46. Hals- und Ohrschraucli der Weiber, photographiert ron Oberleutnant Foncli n . . . . 139 

47. Aim- und Beinschmuck der Weiber, photographiert vom Verfasser . 14I 

4S. Haartracht ol babet' obo. photograplilert vom Verfasser 144 

49. Haartrachten angehender Kiitger, photographiert vom Verfasser 145 

50. Haartracht der Krieger, photographiert vom Verfasser 146 

51. Masairinder, photograplilert Ton C. G. Scliillings 158 

Sa- » » . » s y 158 

53. Masai-Rinder und -Esel, photographiert von C. G. Schillings 159 

54. Masai-^egen und -Schafe 1 iii > 160 

55. » > » » » > » > 161 

56. Masaischafe, photographiert von C. G. Schillings 161 

57- ' > » » » » 162 

58. Stier mit Schmuckbrand, photographiert vom Verfasser 163 

59. Kuh, gegen Langenscuche auf dem Nasenrücken geimpft. Photographien vom Verfasser . 165 

60. Wandorobbo beim Zerteilen eines Flusipferdes, photographiert vom Verfasser 239 



=, Google 



ERSTER ABSCHNITT. 



Die semitische EinwaDdenine' nach Afrika. — Von den ältesten Einwanderern leuKen nur noch Spuren. 

— Spätere Einwanderer: Wahuma und Watmsi, TatO)t», Miisai, Aegypter. — Die MomI al» Semiten. 

— Die Jnden sind BOmntlscb keine Semiten. 

Die Masai gehören zu der grossen semitischen Völkerfamilie, deren Ur- 
heimat die arabische Halbinsel, als die Kinderstube der Semiten, ist. Hungers- 
- not, infolge von Uebervölkerung, mit der die Ertragsfahigkeit des armen Bodens 
nicht Schritt zu halten vermochte, war wohl, die Ursache, welche die einzelnen 
semitischen Völker nach und nach, im Laufe von Jahrtausenden, aus jenen alten 
Wohngebieten vertrieb und sie zwang, neue Weidegründe aufzusuchen. Der auf 
diese Weise aus dem Norden der arabischen Halbinsel herausgedrängte Völker- 
Strom nahm im wesentlichen zwei Wege: ein Teil wanderte über die afrikanisch- 
asiatische Landbrücke in den dunkeln Erdteil, der andere behielt die Nord- 
richtung bei und blieb in Asien. 

Nach dem Bild, das die innerafrikanischen Semitenvölker heute dem 
Forscher darbieten, kann man nicht annehmen, dass von den ältesten Ein- 
wanderern noch bestehende Gemeinwesen oder auch nur unvermischte Individuen 
erhalten sind. Dagegen steht zu erwarten, dass man bei einer gründlichen 
Durchforschung der ansässigen Negervölker') um den Aequator herum noch 
Spuren von ihnen finden wird. Solche Spuren*} dürften bestehen im Vor- 
handensein einer grösseren Anzahl von Individuen, in denen sich durch die 
Energie der Vererbung ein ausgesprochener semitischer Typus erhaltea hat; 
ferner im Vorhandensein oder wohl richtiger Ueberwiegen der den Semiten 
eigentümlichen ethnographischen Grundzüge und schliesslich auch von Resten 

') Als Neger oder Nigritier beielchne Ich die afrikanischen grobknochiiteii Völker, deren 
Körperbau eeil''""Kfii' b's plump ist, deren GegichtgiUne »negerhaft* sind, d. h. dicke aufgeworfene 
Lippen und breite niedriiie Nasen zeigen, und deren Schiktel zIemUch stark prognath ist. Ueber die 
Grenzen Afrika* hinaus kann man ihre Herkunft noch nicht verfolgen, weshalb sie vorläufig als Ur- 
einwohner AErlkas gellen. 

*j Solche Spuren fand ich in Iraku und L'mbugwe, doch lääst das gesammelte Material noch 
kdne Biclieren Schlüsse zu. 



=,Li00gIe 



ihrer Sprache. Letztere setze ich hier absichtlich erst an dritte Stelle, da ihr 
bisher noch bei der Rasseabestimmung, auch von Mischrassen, zu viel Wert 
beigelegt wird und die Linguistik die Entscheidung, welcher Menschenrasse ein 
Volk zuzuzählen ist, noch viel zu oft für sich allein in Anspruch nimmt Dass 
ein Volk seine Sprache wechselt, steht in der Geschichte durchaus nicht ver. 
einzelt da. Man denke nur an die Westgoten in Spanien oder — was uns 
näher liegt — an die Deutschen in Ungarn und in den Ostaeeprovinzen, um 
sich klar zu werden, was wenige Jahrzehnte in dieser Beziehung zu leisten ver- 
mögen. Was aber die Völker heutzutage tropfenweise verabfolgen, wurde im 
Altertum, wo oft genug das ganze geistige Leben von den Priestern der Staats- 
religion ausging, schneller und gründlicher erreicht. 

Doch kehren wir wieder nach dem Innern Afrikas zurück. 

Ueber die semitischen Völker Ost-Afrikas fehlen uns vorderhand noch die 
nötigen Grundlagen, um die Reihenfolge ihrer Einwanderung genau zu be- 
stimmen. 

Da sind z. B. die Wahinda und Wahuma, deren Einreihung in die semi- 
tischen Einwanderungen nach Afrika noch sehr unsicher ist. Die, welche sie 
als Semiten erkannt haben, halten sie für die ältesten nachweisbaren Einwanderer. 
Ich muss mich eines Urteils enthalten, da ich diese Völker nicht persönlich 
kenne, und beschränke mich darauf, folgendes zur Erw^ung zu geben. Die 
somatischen Merkmale beider Völkerschaften, die Energie in der Reinerhaltung 
ihres Blutes, ihre Herrscherstellung über niedriger stehende Völker, das ver- 
streute Wohnen der einzelnen Familien unter den Negern scheinen mir daraut 
hinzudeuten, dass sie nicht als die letzten Ueberreste eines in ihrer jetzigen 
Heimat oder nahe derselben untergegangenen Volkes aufgefasst werden können. 
Wenn man annehmen darf, dass sie etwa als Handelsagenten der bereits ansässig 
gewordenen ältesten Aegjpter den Nil aufwärts ins Herz Afrikas vordrangen 
und sich hier festsetzten, so würde dies meines Erachtens nicht nur ihre physi- 
schen und psychischen Eigenschaften, sondern auch den Umstand, dass sie einen 
Bantu-Dialekt sprechen und ferner ihr Verhältnis zu den andern afrikanischen 
Semiten erklären. Eine Analogie hierzu, die allerdings infolge der europäischen 
Okkupation nicht zu demselben Ausdruck kommen konnte, bildet die Stellung, 
welche sich arabische Händler an mehreren Stellen Inner-Afrikas erworben hatten 
und die ohne jenes Hindernis sich wohl zweifellos schnell zu der führenden Rolle 
von Häuptlingen entwickelt haben würde. Die soziale Stellung der Wahuma 
über den Watussi könnte dann darin begründet sein, dass erstere Aegypten 
später verliessen und infolge des Aufblühens der dortigen Kultur eine veredelte 
Bevölkerungsschicht vertreten, oder aber auch darin, dass sie einer höheren 
Kaste angehörten. 

Unter den übrigen Semitenvölkern Ost-Afrikas halte ich für eins der 
ältesten von den noch reinen bezw. wenig oder nur in gewissen Kasten mit 
Negern vermischten die Tatoga, von denen die bei Iraku und Ußomi wohnenden 



.ydOOglC 



von den Küstenleuten und den ansässigen Nachbarvölkern WatatÖrÖ, von den 
Masat El ataturu genannt werden, während man die in der Nachbarschaft Usu- 
kumas lebenden als Wagamrita oder El gamrit bezeichnet. Soweit ich fest- 
stellen konnte, sind sie die ältesten nachweisbaren Bewohner der ostafrikanischen 
Steppen, aus denen sie dann von den Masai verdrängt wurden. Ihres Viehs 
beraubt, wurden sie zu Jägern, und als dann die ersten Masaitrupps selbst ver- 
armten und die Viehzucht mit der J^d vertauschten, suchten sich die Tatoga 
ansässig zu machen. Leicht ist ihnen das nicht geworden. Nach der Erinnerung 
der Leute scheinen sie die ersten Versuche zur Sesshaftwerdung am Meruberg 
gemacht zu haben. Von da wurden sie durch die verarmenden Wakuafi, dem 
zweiten Einwandeningstrupp des Masai volkes verdrängt und suchten darauf neue 
Wohnplätze in der Nachbarschaft von Usukuma. Reibereien mit den dortigen 
Eingeborenen scheinen der Grund dazu gewesen zu sein, dass ein Teil von 
ihnen wieder nach Südosten zurückwanderte und sich nach einem vergeblichen 
Versuch, in Umbugwe einzuziehen, in der Nähe von Iraku und Ufiomi nieder- 
liess. Wie wenig es ihnen gelungen ist, den Uebergang vom Nomaden zum 
Ackerbauer zu vollenden, erhellt daraus, dass sie so ziemlich die in Schmutz 
verkommensten Schwarzen sind, die ich jemals angetroffen habe, und dass sie 
, noch immer von den altansässigen Nachbarvölkern schmarotzend leben. 

Später als die Tatoga sind, meines Erachtens, die Masai, deren Schilderung 
die vorliegende Studie gewidmet ist, nach Afrika eingewandert. Ich komme 
im zweiten Kapitel des vierten Abschnitts zu der Annahme, dass die Ein- 
wanderung der Masai nicht nach der Zeit der vierten Pharaonendynastie statt- 
gefunden haben dürfte. Aus dem Absatz >die Keniter der Bibel — die Sclimiede 
der Masaic desselben Kapitels geht hervor, dass die Masai bereits bei ihrer Ein- 
wanderung im Besitz des Eisens und der Schmiedekunst waren. Das Ende der 
Steinzeit in Aegypten setzt die Forschung jetzt, meines Wissens, um das Jahr 
5000 vor Christi. Da nicht anzunehmen ist, dass die Aegypter noch in der 
Steinzeit verharrten, nachdem Eisen besitzende Völker durch ihr Land oder 
nahe daran vorbei gewandert sind, wird man vermuten dürfen, dass der Einzug 
der Masai nach Afrika kaum vor jenem Jahr 5000 vor Christi erfolgte, voraus- 
gesetzt, dass diese Zeitbestimmung des ägyptischen Steinzeitendes richtig ist. 

Eine der letzten semitischen JEinwanderuugen auf dem Weg über die 
Landenge von Suez ist im Altertum die derjenigen Aegypter,') welche dort die 
Begründer jener hohen Kultur wurden. Sie verschlossen das Tor Afrikas für 
weitere Einwanderungen grosser Volksmassen. Von nun an ging daher der Völker- 
strom aus Arabien im wesentlichen nach Norden Wohl hat es nicht an Ver- 
suchen später aus Arabien gedrängter Semiten gefehlt, der alten Strasse folgend, 
nach Afrika einzudringen. Doch das mächtige Aegypten verhinderte dies — 

') Anch »prachlich ist die Zusebörifikeit der Aegypter lu dea Semiten nach den Ergebnissen 
Ton Ennan imd Seihe nunmehr gesichert. 



=, Google 



zum Heile jener Völker. Die alten Israeliten hätten daher den Aegyptem 
dankbar sein sollen, dass sie ihre Wanderung aufhielten, anstatt sich darüber 
zu beklagen, dass sie von jenen zur Arbeit herangezogen wurden, die ihnen als 
freien und arbeitsscheuen Nomaden ja allerdings nicht leicht geworden sein m:^. 

Im Punkte der Zugehörigkeit der Masai zu den Semiten erscheinen noch 
einige Worte nötig, zumal sie von früheren Reisenden — soweit ich deren 
Arbeiten kenne — stets fiir Hamiten angesprochen wurden. Ein Volk ist in 
Bezug auf seine Rasse nach drei Gesichtspunkten zu beurteilen: nach seinen 
somatischen Merkmalen, seiner Psyche und ihren sichtbaren Aeusserungen und 
schliesslich nach seiner Sprache. In ersterer Richtung hat Prof. Dr. v. Luschan 
bereits die Masai als Semiten erkannt. Im zweiten Punkt glaube ich es im 
folgenden nachzuweisen, und was die Sprache betrifft, so wird eine wohl gleich- 
zeitig erscheinende Studie Deegs darüber Klarheit schaffen. 

Es sei mir hier gestattet, einem noch ziemlich altgemeinen Irrtum ent- 
gegenzutreten. Wenn der Laie von Semiten hört, so denkt er in der Regel 
an Menschen, deren Aeusseres dem der heutigen Juden gleicht oder sehr ähnlich 
ist. Dies ist nun durchaus falsch, denn die Juden sind in ihrer Allgemeinheit 
keine Semiten mehr. Sie waren es, solange sie nicht ansässig waren; dann 
begann aber sofort eine enei^sche Rassenmischung, welche in der P'olge die 
Körperform sehr stark veränderte und zu einer neuen ausbildete.') 

Die Semiten sind hohe, schlanke Gestalten mit sympathischen, fein- 
geschnittenen Gesichtszügen, schmalen, oft grossen, aber nicht selten geradezu 
zierlichen Füssen und Händen. 

Unter den heutigen Juden ist der reine Semitentypus wohl nicht häufig 
vertreten. Am reinsten scheinen ihn mir noch die Juden von Aden aufzuweisen. 
Die Mehrzahl der jetzigen Juden dagegen zeigt mehr oder weniger deutlich 
charakteristische Merkmale der Hethiterrasse, von der wir wissen, dass eins der 
zu ihr gehörigen Völker, die Mitani, bereits zu Anfang des 2. Jahrtausends ein 
mächtiges Reich bildete, dessen Grenzen nach Süden bis zum Libanon reichten 
und die bereits früher schon Volksscharen nach Süden voi^eschickt haben 
dürften. Ueber das Schicksal dieser Vorläufer geben uns weder ägyptische 
noch assyrische Berichte noch eigene Denkmäler oder Urschriften Kunde, 
so dass wir vorläufig wohl annehmen dürfen, dass sie in fremden Völkern — 
der Semitenrasse — aufgegangen sind, wobei sie diesen ihre unschönen so- 
matischen Eigenschaften vererbten. Diese kennen wir in ihrer Ursprünglichkeit 
nur in den uns hlnterlassenen Denkmälern. Danach ist der Hethitertyp charak- 

') L'ebfv die VermiscliuiiK der Kbräer mit den Ilelhilern berichtet die Bibel qd Terschiedeaen 
Stelleii. ZüDächst führte die KinwandeTung der Kbräer in die Landeiricbe der Heibitec io Kanaan zu 
einet umfangreichen VermiBchung, die — wie Esra im 9. Kapitel bericlitcl — auch apäler noch all- 
gemein war, sowohl beim Volk, wie auch bei den Priestern und Leviten. Dass die VenniichuDC 
beider ^'ölker aber schon lunge vor der Sesshaftwerdung der Ebräer begann, wird Genesis 26. 24 
berichtet, wonach Kaaui Krauen Judith und Baamath Hethiterinnen waren. 



=, Google 



terisiert durch stark brachycephale Köpfe, dunkles Haar, dunkle Augen, grosse 
gebogene fleischige Nase, eine stark zurücktretende Stirn, hervortretende Backen* 
knochen, grobe Knochen und einen dadurch bedingten plumpen Körperbau. 

Die oben den Semiten zugeschriebenen somatischen Merkmale finden wir 
nun weder bei jedem Masai, noch ihre Gesamtheit in der Mehrzahl der Masai 
vertreten. Diese zeigt vielmehr den obigen Typu3 in einer mehr oder weniger 
vergröberten Form, die indes ein geübtes Auge unschwer als semitisch erkennt 
und von der der nigrito-semitischen oder semito-nigritiscben Mischvölker zu 
unterscheiden vermag und die auch der Neuhng nicht als »negerbaft« an- 
sprechen wird. 

Es sei schon hier vorausgeschickt, dass ich die Masai für die Nach- 
kommen desjenigen nomadisierenden Semitenvolkes halte, dem das 
Hirtenvolk der ältesten Ebräer angehörte. Diese Vermutung glaube ich 
ioo Folgenden — besonders im vierten Abschnitt der vorliegenden Studie ^ 
begründet zu haben. 

II. 

Dir ostafrikantscben Steppen ala Wohnsebiel de« MaiaivaUtes. — Seloe ElowanderunK in drei Heer- 
hanfen. — Deren Kämpfe. — Elnlellunj; and Verteilung des Landet unter Masai, Wakuafi, Wando- 
robbo und deren Slellnng la einander. — Einfluia des Masiiirolka auf die ansäitdi^eD VolkstSmme. 
— VennlBchaag mit Negern. — Die lomtUscbeD Merkmale der drei Zweige de* MaialvolhB zeigen 
ihre Rassen-, die ethnogra|i bischen Ihre VolksgemelnschiLft. 

Zwischen dem 34. und dem 3S. Längengrad, sowie dem $." nördlicher 
und dem 7.° südlicher Breite finden wir in Deutsch- und Britisch-Ostafrika grosse 
Steppen, die oft nach ihren Bewohnern als die Masaisteppen bezeichnet werden. 
Begrenzt werden sie durch Hügelländer, die besonders von ansässigen Neger- 
stämmen meist dünn bewohnt und mehr oder weniger gut bebaut sind. Die 
Terrainbildung der Steppen ist bald flach, bald wellig oder wogenhaft, bald 
hügelig und in diesem Fall meist durch vulkanische Tätigkeit bestimmt Be- 
sonders drastisch tritt dies am Kenia, Kilimandscharo, Meru und Ol Donjo 
l'EAg ai hervor, bei welch letzterem z. B. auf einem eng begrenzten Raum 
zwischen dem Steilabfall des Mutiek- Plateaus, den Gilei- und Timbati-Bergen 
sich Hügel an Hügel reiht und fast- jeder die Ruine eines Kraters trägt oder 
birgt, ein Landschaftsbild, wie wir es von Photographien des Mondes her 
kennen. 

Die Ausdehnung der Steppen machte sie in Verbindung mit dem vor- 
handenen Mass von Niederschlägen und Wasserplätzen zu einem für ein vieh: 
züchtendes Nomadenvolk mehr als ausreichenden Gebiet. Der sehr salzhaltige 
Boden bringt vorzügliche Futtergtäser hervor und liefert an unzähligen Stellen 
Salzlecken. 

Soweit die Geschichte, die Erinnerung und Ueberlieferung der Menschen 
dieser Gegenden zurückreicht, und sicher noch viele, viele Jahrhimderte länger. 



UigitecoayCiOOglc 



waren und sind jene Steppen bis auf den heutigen Tag der Tummelplatz des 
Masaivolkes. Auf der Wanderung, oder richtiger langsamen Schiebung, kam es 
von Norden aus der Urheimat, die im nördUchen Teile der arabischen Halb- 
insel zu suchen ist. Erst am Aequator hörte der Zug gen Süden auf. Die 
Masai fanden hier nicht nur Steppengebiete, wie sie solche für ihre Herden nötig 
hatten, sondern auch Volkstämme, wie sie sie als Opfer ihrer . Kriegazüge zu 
ihrem eigenen Fortbcstehen brauchten. 

Der Ackerbau findet seine Nahrung im Boden; der, welcher Ackerbau 
und Viehzucht treibt, tindet in ersterem genügend Lebensunterhalt auch zu 
Zeiten, welche der Viehzucht ungünstig sind, und kann durch die festeren 
Handelsbeziehungen, die er seiner Sesshaftigkeit verdankt, die zur Vermeidung 
einer zu weit gehenden Inzucht des Viehs nötigen neuen Zuchttiere erwerben. 
Ein kukurarmes Nomadenvolk, welches einzig und allein vom Vieh lebt, ist 
dagegen viel ungünstiger gestellt. Schon, um die Herden vor Degeneration zu 
schützen, ist die ständige Zufuhr von Zuchttieren in grösserem Umfang eine 
unabweisbare Notwendigkeit, Weiter droht durch die periodisch auftretende 
und in Afrika leider fast niemals ganz erlöschende Rinderpest und andere 
Seuchen dem Viehzüchter sehr oft der Untergang, wenn er keine Gelegenheit 
hat, in solchen Fällen seine Verluste möglichst rasch zu ersetzen und vorüber- 
gehend auch vegetabilische Nahrung zu erhallen. Steppenvölker sind aggressiv, 
und bei kulturarmen Völkern geht im allgemeinen Macht immer vor Recht. 
In den an den Rändern der Steppen gelegenen und in den von ihnen ein- 
geschlossenen Bergländern wohnen nun Negerslämme, die den durch feste 
Organisation und einen hervorragenden Grad von Stammesdünkel zusammen- 
gehaltenen und äusserst beweglichen Masai gegenüber einmal sehr unbeweglich, 
dann aber auch nur innerhalb ihrer eigenen Stämme durch einen grösseren 
oder geringeren Grad herdenhaften Gehorsams verbunden sind. Sie sind ge- 
wöhnt, auch in ihren ansässigen Nachbarn ihre geborenen Feinde zu sehen, 
leben unter einander auch auf kleinem Raum, da oft jedes Dorf selbständig 
ist, ständig im Kampf, und mussten so für die Masai erwünschte Nachbarn sein, 
von denen diese jederzeit sowohl Vegetabüien, als auch, was von besonderem 
Wert war, Vieh bekommen konnten. 

In drei mächtigen Heerhaufen, die 'sich in grossen Zeiträumen folgten, 
kam das Masaivolk von Norden zum Aequator gezogen. Die lange örtliche 
und zeitliche Trennung von einander, ihr verschieden langer Aufenthalt in der 
neuen Heimat Ostafrika und die dadurch bedingte verschiedene Gestaltung ihres 
Schicksals lassen sie uns heute als drei Zweige des Masaivolkes erscheinen. 

Die Reste des am frühesten eingewanderten Trupps sind die Asä, ali- 
gemeiner bekannt unter dem Namen Wandorobbo {eine Bantu-Büdung aus dem 
Masaiwort El dorobbo — die Armen), von denen sie nur einen Teil bilden. 

Obwohl die Ueberiieferung der Asä nichts von einem ehemahgen Vieh- 
besitz zu berichten weiss, muss man doch, besonders nach ihrer Ethnographie 



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annehmen, dass sie als viehzüchtende Nomaden einwanderten und als solche 
grosse Teile der Steppen in Besitz nahmen. Gegenseitige Kriege, Viehseuchen 
und schliesslich die Bedrängung durch die Tatoga schwächten die Asä derartig, 
dass es dem zweiten Masaitrupp, den El kuafi, deren erste Abteilungen 
die El lumbua und deren spätere die El muli waren, bei seiner Einwan- 
derung leicht wurde, die Abgewirtschafteten ganz zu verdrängen. Ein Teil 
von ihnen fand Zuflucht bei umwohnenden Ackerbauern, in denen sie auf- 
gingen, ein anderer bei seinen Bedrängern, die sie als Stammesgenossen auf- 
nahmen; der Rest dagegen zc^ sich in die Wälder und Büsche der Steppen 
zurück, wo er noch heute in grosser Dürftigkeit durch Jagd ein armseliges 
Leben fristet. 

Das Schicksal der Asä sollte aber auch den El kuafi nicht erspart bleiben. 
Nach einer längeren Periode, in der sie mit den Tatoga um die Herrschaft in 
den Steppen rivalisierten, stellte sich wieder zu mehreren Malen die Rinderpest 
ein und brachte wie damals Armut und Tod. Und wieder wie damals blieb 
das eine Unglück nicht allein. Von Norden her wanderte der dritte Trupp, 
die El mäsai (S. ol massanf), ein und es schien, als ob er schnell durch blutige 
Kämpfe das Vemichtungswerk der Seuchen vervollständigen wollte. Doch die 
Anwesenheit der Tatoga, die stellenweise noch ebenso mächtig als gefürchtet 
waren, lenkte die Kriegslust der Masai ab. Sie verbanden sich mit den El kuafi 
zum gemeinsamen Kampf gegen jene. Die El kuafi erkannten den Häuptling 
(ol oiboni] der Masai auch als den ihrigen an und scheinen lange Zeit mit jenen 
im besten Einvernehmen gestanden zu haben. Dann — so erzählt die Ueber- 
lieferung — fand ein Mädchen, Namens Matangö, aus der Familie des ol oiboni 
Sitonik — sie wird meist als Schwester, seltener als Tante desselben bezeichnet 
— Gefallen an dem Mitglied einer zu Sitonik gekommenen Gesandtschaft von 
Et kuafi-Kriegern und ging mit ihrem Liebhaber davon. Als sie ihm einen 
Sohn gebar, riefen die El kuafi diesen zu ihrem ol oiboni aus und kündigten 
gleichzeitig dem Sitonik den Gehorsam. Hiermit begannen die Kriege zwischen 
Masai und El kuafi. Sie fiillten — wie es scheint — die ganze erste Hälfte 
des 19. Jahrhunderts aus und fanden vereinzelt noch in dessen zweiter Hälfte 
statt. Einer der Entscheidungskämpfe war bei Kisongo, sechs Marschstunden 
westlich des Meruberges, wo nachher die Häuptlinge der Masai ihren ständigen 
Wohnsitz nahmen. Die Vertriebenen gingen in die zerklüfteten Wälder des 
Meruberges, wo sie lange in steter Fehde mit den Masai lebten, bis sie der 
Häuptling Mbatyan vollständig unterwarf und zu Frondiensten zwang. Andere 
Kämpfe fanden statt bei Nguruman, nördlich des Natronsees; die Reste der 
Besiegten leben noch dort, vermischt mit Wasegedju aus dem nahen Sonjo. 
Die Trümmer der in der Serenge li- Steppe Unterlegenen findet man in Taveta, 
Kahe, Aruscha-tschini. In der Nähe des Kenia, in und um Kikuyu, fanden 
wohl die ersten Kämpfe zwischen Masai und El kuafi statt und fiihrten zur 
Sesshaftmacfaung der letzteren. 



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Einer der letzten grossen Zusammenstosse war in der Steppenlandschaft 
Sogonoi; die Besiegten flohen nach Ngujuka und dann weiter nach Useguha 
und MaAga, wo sie unter dem Häuptling 'Lemä eine Niederlassung gründeten. 

Von den Unterl^enen nahmen die Masai einzelne wenige in ihrer Gemein- 
schaft auf. Die übrigen spalteten sich. Ein — grösserer — Teil wurde an- 
sässig und bildete in der Nachbarschaft fremder Stämme eigene Kolonien oder 
ging in andern Stämmen auf. Ein anderer — kleinerer — Teil fristete das 
Leben zunächst eine Zeitlang von der Jagd, bis es ihm gelang, durch Raub- 
züge gegen ansässige Völkerschaften wieder in den Besitz von Vieh zu kommen. 
Sie leben heute wieder ganz wie früher und unterscheiden sich von den Masai 
nur durch den Namen EI muH. Die ansässig gewordenen dagegen werden von 
den Masai als El lumbua und auch als El kuafi — wohl weil sie den Hauptteil 
der alten EI kuafi bilden — bezeichnet. Die Karawanenleuie nennen sie da- 
nach Wakuafl, während sie zwischen El muli und Masai keinen Unterschied 
machen und auch die ersteren mit dem Namen der letzteren belegen. 

Im Gegensatz zu den rein erhaltenen El muli sind die El lumbua aller 
Niederlassungen mehr oder weniger stark vermischt. Stellenweise ist der Grad 
der Vermischung so gross, dass man auf den ersten Blick kaum die dem Masai- 
volk charakteristischen somatischen Merkmale erkennt; stellenweise ist er aber 
auch noch so gering, dass eine Vermischung sich Überhaupt erst durch ein- 
gehende Untersuchung feststellen lässt. 

Ein letzter Teil schliesslich wurde zu Jägern, die El asiti. Dies ist der 
zweite Zweig der Wanderobbo; der dritte und jüngste, die El gasurek, ist aus 
den Masai selbst hervorgegangen, indem die durch Viehseuchen Verarmten zu 
einem neuen Nahrungserwerb gezwungen wurden. 

Noch bis vor zwölf Jahren waren die Masai die Herren der weiten Steppen 
in Deutsch- und Britisch-Oslafrika, als die europäische Okkupation darin Wandel 
schaffte. Das ganze von ihnen bewohnte Land ist in drei Provinzen geteilt. 
Die Provinz Kisohgo umfasst diejenigen Steppengebiete, welche südlich der nach 
Osten und Westen verlängerten Verbindungslinie der Bergspitzen des Kilima- 
ndscharo und Meru liegen. Nördlich davon liegt die Provinz Loita und noch 
weiter nach Norden, das Gebiet des Naiwascha-Sees einschliessend, die Provinz 
Ol bruggo. In früheren Zeiten scheint ein Es serenget genannter Teil von Loita 
vorübergehend eine eigene Provinz gebildet zu haben. Jede Provinz (ol oscho 
'bo = eine Provinz) ist in Distrikte {ch gob = das Land) eingeteilt, und diese 
wieder in Landschaften. Die meisten ihrer Namen sind Eigennamen, die sich 
nicht übersetzen lassen; andere sind nach örtlichen Eigentümlichkeiten gewählt 
2. R. Quellen, Bächen, Hügeln, Bergen, Bäumen. usw. Nach den einzelnen 
Provinzen oder Distrikten nennen sich ihre Bewohner häufig und sprechen dann 
von KisoAgo-Masai, Loita-Masai, Sereiigeti- oder auch Kiteto-, Moibo-, Sogonoi- 
Masai usw. Diese Bezeichnung hielten frühere Reisende oft irrtümlich für 
Stammesnamen. Aehnlich ist das Wort ol oikob missdeutet worden, indem 



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— 9 — 

man es für einen Stammesnanien hielt und von ol oikob-Masai und ol oikob- 
Wakuafi sprach. EI oikob (S. ol oikobani] heisst Totschläger, rohe, gewalt- 
tätige Menschen und ist ein Schimpfwort, womit die Wandorobbo, Wakuafi und 
die Masaischmiede (el konono) ihre Unterdrücker, die Masai benennen. Fischer 
übersetzt das Wort irrtümlich mit >Besitzer des Landes*; dies würde aber 
ol op^n 1 en gob heissen. 

Die Wakuafi leben in ihren Kolonien als mehr oder weniger friedliche 
sesshafte Ackerbauer. Wo sie nach ihren Niederlagen friedliche Nachbarn 
fanden, sind auch sie ruhig geworden. Wo sie dagegen in enger Berührung mit 
den Masai blieben und ihren fortwährenden Raubzügen ausgesetzt waren, erhielt 
sich in ihnen die alte Kriegslust. Ein Beispiel hierfür ist die Bevölkerung des 
Meruberges in den Landschaften Gross-Aruscha und Meru. Trotz einer sehr 
beträchtlichen Vermischung mit Wadschagga vom nahen Kilimandscharo haben 
sie ihre ursprünglichen Charaktereigenschaften vollständig behalten. Ihre Herrsch- 
sucht, Raublust und Verschlagenheit gleicht der der Masai, an Mut übertreffen 
sie sie dagegen noch. Ihre mehrfachen Ueberfalle auf die Lager von Europäern 
und Handelskarawanen zeigen sie als Räuber. Das Verhältnis zwischen Wakuafi 
und Masai ist im allgemeinen kein schlechtes. Diese betrachten die andern 
als Stamme^enossen, wenn auch als minderwenige, weil sie den Boden be- 
arbeiten und nur geringen Viehbesitz haben. Pack schlägt sich. Pack verträgt 
sich! und vertragen müssen sich beide immer wieder, da die Masai sie als 
Lieferanten von vegetabilen Lebensmitteln nicht mehr entbehren können, nach- 
dem die Rinderpest Ende der achtziger Jahre wieder so verderMich unter den 
Herden hauste. 

Während man bei den Wakuafi noch deutlich ihre einstige Macht und 
Grösse erkennen kann, ist dies bei den Asä ganz und gar nicht mehr der Fall. 
Die meisten von ihnen, ebenso wie die El «siti, leben scheu und versteckt im 
Steppenbusch in ärmlichen kleinen Gras- und Laubhütten, zu denen man nur 
auf verborgenen Pfaden gelangt. Ihre Nahrung besteht in Wild, welches sie 
durch Giftpfeile und vergiftete Wurfspeere erlegen, Honig, Ackerbauprodukten, 
die sie im Tauschverkehr einhandeln, verschiedenen wildwachsenden Beeren, 
Wurzeln und Kräutern. Wo sie in der Nähe der Masai wohnen, leben sie in 
einer gewissen Abhängigkeit von ihnen. Eine Karawane, die durch die Steppe 
zieht, bleibt den überall umherstreifenden Wandorobbo sicher nicht verborgen. 
Ihr Verrat lässt sie den beutedurstigen Masai bald zum Opfer fallen. Durch 
ihre Armut und das verächtliche Bestreben, durch Erlegung von Wild den 
Mangel an Schlachtvieh zu ersetzen, stehen die Wandorobbo zwar besonders 
tief in der Schätzung der Masai, doch verleugnen diese den Zusammenhang mit 
ihren alten Stammesgenossen nicht soweit, dass sie nicht einzelnen Wandorobbo, 
ebenso wie El lumbua und El muli eine Aufnahme in ihre Gemeinschaft gewährten. 

In jüngster Zeit rechnen sich noch allgemein zu den El dorobbo, ohne 
sich aber zu einem der drei Zweige — Asä, El asiti, El gasurek — zu zählen. 



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— 10 — 

solche Masai, die sich nach Verlust ihres Viehs von der grossen Gemeinschaft 
abgesondert haben und in kleinen Kraalen in verhältnismässiger Armut leben. 
Oft wohnen sie zusammen mit einigen Wakuafi, manchmal findet man auch 
eine oder einige Wandorobbo-Familien unter ihnen. Ihr Besitz besteht aus 
einigen Kühen und Eseln, ein paar Ziegen und Schafen. Da sie hiervon nicht 
leben können, so bauen sie noch stellenweise Mais, Bataten usw. an und liegen 
auch der Jagd mit Pfeil und Bogen ob. 

Der Einfluss, welchen das Masaivolk auf die ansässigen Völker, die an 



den Grenzen der von ihm durch Jahrhunderte beherrschten Steppen wohnen, 
au^eübt hat und noch ausübt, ist sehr gross. Waren es früher die Wandorobbo, 
so sind es jetzt die Wakuafi und Masai, deren Einfluss sich die Umwohnenden 
beugen müssen. Was das Masaivolk zu dieser Herrenstellung befähigte, ist 
seine relativ höhere Kulturstufe; was ihm die Erreichung dieser Stellung er- 
möglichte, seine straffe Organisation und sein Kriegssinn. Es ist hier nicht der 
Ort, zu untersuchen, weshalb die Kultur der Masai eine höhere ist, als die der 



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einzeloen umwohnenden Neger. Es sei nur darauf hingewiesen, dass bei fast 
allen diesen, im Gegensatz zu jenen, Geister- und Aberglaube in den krassesten 
Formen zu finden ist, ebenso wie alle daraus folgenden Verbrechen, wie Ab- 
treibung der Leibesfrucht, Kindesmord etc , alltägliche Erscheinungen sind. Aber 
auch ein kuhurlich höher stehendes Volk wie die Masai, mit ihrer absolut doch 
recht niedrigen Kultur, würde in friedlichem Nebeneinanderleben nie zu einer 
dominierenden Stellung gekommen sein. Das Mittel zu deren Erreichung waren 
die dauernd und rücksichtslos geführten Kriege. Ihre kühnen Raubzüge impo- 
nierten den Negern gewaltig, weshalb diese, um selbst für Masai gehalten und 
als solche gefürchtet zu werden, bei Kriegszügen deren Tracht annahmen. Der 
unfreiwillige Eintritt in diese Negerstämme seitens vieler Masaiweiber und -kinder, 
die bei den fortwährenden Kriegen den Nachbarn oft zur Beute fielen, sowie 
der no^drungene Verkehr derer, die bei angrenzenden Ackerbauern Hilfe und 
Unterschlupf fanden, wenn ihnen die periodisch wiederkehrenden Seuchen ihren 
Viehstand dahingerafft hatten, schufen Verhältnisse, die sich in dem Sinne einer 
allgemeinen Masaisierung gestalteten. Den jungen Negern schien das freie, faule, 
nur Krieg und Raubzügen gewidmete Dasein der iMasaikrieger erstrebenswert, 
und die Mädchen fanden die schönen schlanken Masaigestalten begehrenswerter 
als die Männer ihres eigenen Stammes, welche in ihrer oft abschreckend häss- 
licben und wilden Negerhaftigkeit und durch den häufig vollständigen Mangel 
an Haut- und Körperpflege in krassem Gegensatz zu den sympathischen, oft 
fein geschnittenen und hübschen Zügen und den gut geformten Gliedern jener 
stehen. So gaben die Masai viel von ihrem Blut an andere Stämme, und man 
findet heute beinahe in allen Völkerschaften, die mit ihnen in engere Berührung 
gekommen sind. Gestalten, die man auf den ersten Blick fast für reine Masai 
halten könnte. Dass auch verschiedene ihrer Sitten und Worte ihrer Sprache 
Eingang bei den Negern fanden, ergibt sich von selbst. 

Während einige Reisende wenigstens noch eine gewisse Venvandtschaft 
zwischen den drei Zweigen anerkennen, wollen andere zwischen ihnen derartig 
grosse somatische Unterschiede beobachtet haben, dass man an ihrer Rassen- 
einheit zweifelhaft werden könnte und sich fragt, ob nicht die Wandorobbo und 
die Wakuafi einzelner Kolonien zu den Negern zu rechnen seien. Dieser Irrtum 
erklärt sich daher, dass Jene Reisende nur oberfiächllch mit ihnen in Berührung 
gekommen sind, von einzelnen Individuen auf die Allgemeinheit zu weit gehende 
Schlüsse zogen, dass sie stark mit Negern durchsetzte Wakuafi für rein, und 
stark mit Masaiblut vermischte Neger für Wakuafi hielten. 

Bei der somatischen Betrachtung der drei Masaizweige ist folgendes zu 
berücksichtigen. Der zuletzt eingewanderte Trupp, die eigentlichen Masai, haben 
sich als Rasse recht rein erhalten. Sic huldigten so gut wie nie dem son.st 
iiberall in Afrika üblichen Raub von Weibern und Kindern im Kriege, sie ver- 
harateten sich nicht mit Negerinnen und nahmen auch keine Neger in ihre Ge- 
meinschaft auf. Daher zeigen sie die dem Masaivolk eigentümlichen Rassen- 



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merkmale am deutlichsten. Dasselbe galt von den Wakuafi bis zu dem Zeit- 
punkt, wo sie sesshaft wurden. Sie brauchten dann aber nicht nur Ersatz für 
das verlorene Vieh, sondern auch viele in der Bodenbereitung geübte Hände. 
Deshalb schleppten sie auf Kriegsiügen nicht nur wie bisher das Vieh des 
Feindes, sondern auch seine Weiber und Kinder mit. Der Grad der Vermischung 
zwischen WakuaB und Negern ist In den einzelnen Wakuafiniederlassungen sehr 
verschieden. Die Vermischung ist naturgemäss im Sllgemeinen dort am stärksten, 
wo die Wakuafi bereits am längsten sesshaft sind, am geringsten und oft kaum 



Abb. 2. Drei Maaaifrauen. 

oder noch gar nicht bemerkbar, wo sie erst in der letzten Hälfte des 19. Jahr- 
hunderts sesshaft wurden. Hemmend auf die Vermischung haben die Vieh- 
seuchen gewirkt, die den Wakuafi immer wieder neue Masaielemente zuführten. 
Ob und was für fremdes Blut das einzelne Individuum hat, kann man durch 
soi^faltigcs Ausfragen über den Stammbaum in vielen Fällen ziemlich genau 
feststellen. Bei den Wandorobbo, die fernab von den Negern, mitten im un- 
wirtlichsten Steppenbusch wohnen, hat zum grossen Teil wahrscheinlich über- 
haupt keine Vermischung mit Negerblut stattgefunden, wogegen allerdings eine 
solche mit den stammverwandten Tatoga aus Gründen historischer und linguisti- 



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— 13 — 

scher Natur angenommen werden muss. Auch eine Degeneration durch 
Inzucht erscheint von vornherein ausgeschlossen, da sie immer wieder Zuzug 
von Masaiweibern und -kindern hatten, deren Männer und Väter in der Hungers- 
not nach einer Viehseuche umgekommen waren. 

Untersucht man nach diesen Gesichtspunkten und unter Ausscheidung 
aller Fälle, in denen eine Vermischung nachgewiesen oder nicht auszuschliessen 
ist, die somatischen Merkmale der drei Masaizweige, so kommt man zu dem 
Schluss, dass man eine homogene Rasse vor sich hat. Ihre charakteristischen 
Merkmale sind die folgenden: die Körper sind gross und schlank. Sie erscheinen 
indes nicht unschön mager, sondern gewahren vielmehr den Eindruck eleganter, 
elastischer Beweglichkeit. Die dünnen feinen Knochen sind mit gut entwickelten 
Muskeln umgeben, die zwar deutlich, aber der Schlankheit entsprechend, nicht 
aufdringlich hervortreten. Besonders schöne Formen sieht man bei jungen 
Mädchen. Sie sind gracile, schlanke Gestalten, deren Glieder nur gerade soviel 
Rundung aufweisen, um sie anmutig erscheinen zu lassen. Ungegliederte, un- 
schöne Fülle fmdet man eigentlich nur bei älteren Frauen. Die Hautfarbe 
variiert zwischen tief dunkelbraun und hellem Schokoladenbraun. Die Köpfe 
sind hoch und schmal, das ovale Gesicht hat oft feingeschnittene, sympathische 
Züge und ist weniger prognath als bei Negern, nicht selten auch orthognath. 
Die hohe, schmale Stirn ist gut gewölbt, die Augen sind mandelförmig, gerade 
oder etwas schräg. Die Nase ist gestreckt, schmal und an der Wurzel flach 
oder sehr massig tief gegen die Stirn abgesetzt. Die Flügel sind dünn und 
sehr flach, die Löcher rundlich bis längsoval, seltener quer-oval. Der Nasen- 
rücken ist gerade, manchmal leicht konvex. Die Lippen sind voll, ohne direkt 
wulstig zu erscheinen. Wulstige, dicke Lippen sind etwas so seltenes und 
auffallendes, dass sie ihrem Besitzer den Namen Lebeleb = Dicklippe eintragen. 
Die Ohren sind, abgesehen von der durch das Tragen von schweren Schmuck- 
stücken hervorgerufenen Hyperplasie des oberen Ohrrandes und Ohrläppchens, 
klein. Das Haar ist über die Kopfhaut gleichmässig verteilt, was sich am 
deutlichsten bei kürzlich rasierten Köpfen zeigt. Oft scheint das Haar >büschel- 
ständig«, doch ist dies künstlich herbeigeführt. Erst in einer Länge von i bis 
3 cm kräuselt es sich leicht und gelangt fast nie zur vollkommenen Kräuselung. 
Die Arme und besonders die Beine sind sehr lang, die Handgelenke dünn, 
Hände und Füsse, besonders bei weiblichen Individuen, klein, schmal und zart, 
die Finger sind schlank und oft auffallend lang und schmal, die Fingernägel 
lang, schmal und leicht gewölbt. 

War die Rassenzugehörigkeit der drei Zweige anthropologisch nachzu- 
weisen, so kann man ethnographisch einen noch engeren Zusammenhang fest- 
stellen, der zu der Ueberzeugung führen muss, dass alle drei auch demselben 
Volk angehören. Die Verschiedenheit in ihren Hauptbeschäftigungen scheint 
allerdings auf den ersten Blick eine scharfe Trennung zu kennzeichnen. Wie 
oben bereits angedeutet, kann man diese Unterschiede aber leicht erklären 



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— 14 — 

durch das folgerichtige Verhalten eines Volkes von gleichen Sitten und Ge- 
wohnheiten unter ungleichen äusseren Verhältnissen. Der in der Gier nach 
Fleischnahrung begründete Hang zur Viehzucht und das daraus notwendig 
werdende Nomadenleben war gemeinsam. Mussten die Wandorobbo dulden, 
dass ihr Viehstand den Seuchen und Raubzügen der starken Wakuafi zum Opfer 
fielen, so mussten sich diese unter dem Druck der noch mächtigeren Masal 
aus der freien Ebene zu festen Wohnsitzen in die Berge flüchten. Sicherten 
die Wakuafi durch das Aufgeben des Wanderlebens die Reste ihres Viehstandes, 
so konnten die Wandorobbo durch das Opfer ihrer Herden ihr liebgewonnenes 



Eoil MUIer phoi. 
1 2 3 4 

Abb, 3. Junge Maiai, 2 und 4 teiiibllilig, 3 mit Ncgcrblut Ecniisoht. ( (weifclhaft. 

Nomadenleben als Jäger weiterführen; und beide brauchten der Fleischnahning 
nicht zu entsagen. 

Wenn man auch im allgemeinen in der Völkerkunde mit Schlussfolgerungen 
aus linguistischen Grundlagen sehr vorsichiig sein soll, so erscheint es hier doch 
gestaltet, (ur die Zusammengehörigkeit der drei Zweige zu einem Volk auch 
auf ihre Sprache hinzuweisen. 

In der Tat finden wir bei Masal und Wakuafi dieselbe Sprache mit der 
Einschränkung, dass letzteren bei der Menge von Masaidiaiekten je nach Lage 
ihrer Landschaft bald dieser, bald jener eigen ist, während der sehr viel wan- 
dernde Masai wohl fast alle Dialekte versteht. Nebenher ist den Wakuafi stellen- 



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- IS — 

weise noch, je nach dem Grad ihrer Vermischung mit Negerstämmen, eine 
Sprache dieser mehr oder weniger geläufig. Von den Wandor«bbo sprechen 
die El gasurek nur die Sprache der Masal, während die Asä und die El asiti 
noch ein eigenes Idiom haben, welches an späterer Stelle kurz besprochen 
werden soll. 

Entsprechend der Gleichheit in der Sprache, sind die Zahlworte bei Masai 
und Wakuafi dieselben, während die Asä und El asiti nur für wenige Zahlen 
eigene Worte haben, im allgemeinen aber immer die bei den andern beiden 
Zweigen gebrauchten anwenden. Eine vollkommene Uebereinstimmung aller 
drei Zweige findet man in ihren reli^Ösen Anschauungen und der bei beiden 
Geschlechtem üblichen Art der Beschneidung. Die eigentümliche Bescfaneidung 
der Knaben wird überhaupt bei keinem andern Volk geübt, mit Ausnahme 
eines Geschlechtes der dem Masaivolk nahe verwandten Tatoga. Auch bei 
Geburt und Tod haben alle drei dieselben Gebräuche, während sich in ihren 
übrigen Sitten nur unwesentliche Abweichungen finden, die lediglich in der 
Verschiedenheit ihrer äusseren Lebenslührung begründet sind. Der schlagendste 
Beweis für die Zusammengehörigkeit der drei Zweige liegt aber in ihrer Ab- 
stammung, 

Das Volk in seiner Gesamtheit teilt sich in drei grosse Stämme, die 'L aiser, 
die El muleiyan und die El meiigana, von denen sich jeder aus einer Anzahl 
Geschlechter zusammensetzt, »nd Vertreter eines dieser Geschlechter ist sowohl 
jeder Asä, wie jeder Ol kuafi und Ol massanf. 

Wenn wir uns nun weiterhin mit der Ethnographie der Masai im besonderen, 
die auch zugleich die der Wakuafi ist, beschäftigen, so fassen wir damit die 
ethnographischen Grundzüge des ganzen Volkes zusammen; das Hervorheben 
einzelner Unterschiede, die sieh im Laufe der Zeit und unter dem Einfiuss 
veränderter Verhältnisse bei den Wandorobbo herausgebildet haben, bleibt einer 
folgenden Ergänzung vorbehalten. 



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ZWEITER ABSCHNITT. 



Stämme, Geschlechler, UoterKMchlechier. — Da» Eö ^doä- Geschlecht. — Der Häuptling: teine 

Regierang uad Politik, ZaubermeiliiiDCD, Stammbauni, Dorf, Zeremaniell, SpeiKD. — Die Zsaberer. 

— Das El kiborön-GeicUecht. — Die Regenmacher. 

Jeder Stamm (eii gischomi) teilt sich, wie schon erwähnt, in eine Anzahl 
Geschlechter (ol gelata, el gelat). Bei diesen unterscheidet man wieder Haupt- 
(ol gelata kitok) und Untergeschlechter (ol gelat' ate). Nach der religiösen 
Legende ist das Verhältnis der drei Stamme zu einander das von Brüdern. 
während die Geschlechter eines Stammes zu diesen im Verhältnis der Söhne 
zum Vater stehen. Hierin liegt der Grund für die Anschauung, wonach die zu 
einem Stamm gehörigen Personen in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu 
einander stehen, weshalb z. B, eine Heirat zwischen Angehörigen des Haupt- 
und eines seiner Untergeschlechter, sowie zwischen deren der Untergeschlechter 
desselben Hauptgeschlechtes unstatthaft ist. 

Die Einteilung, wie sie nach den übereinstimmenden Mitteilungen von Asä, 
Wakuafi und Masai den grössten Anspruch auf Richtigkeit zu haben scheint, ist 
die folgende: 

Stamm: 'L aisör. 

Geschlecht: Efi gidoA oder El oibonok, 
> El bat^enetti, 

• EI bartimaro; 

Untergeschlecht; El bedes, 

• El dibiliti, 
» El egoio, 

» El barsabuggo, 

' El morinjero, 

» El barsanga 

• 'L engadjinanjugi, 

• El gumarin, 
y El barsingo. 

Geschlecht; El ugumoi; 
Untergeschlecht: Es sidaio. 



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- 17 ~ 

Stamm: El mfileljan. 

Geschlecht: El mägurSre; 
Untergeschlecht: El barsindi, 

> El barsereftgo, 

> El barsSgero, 

> El bartelle, 

> £1 kibujuni, 

> El barmaguani. 
Geschlecht: El masaAgua; 
Untergeschlecht: EI muJAgo. 

An den Stamm der El mfileljan angeschlossen: 
Geschlecht: El mamasita; 
Untergeschlecht: El monai, 

> El gejanl, 

> Ei marawasch, 

> El bar-laAata. 
Geschlecht: El m^esan; 
Untergeschlecht: El kiborän, 

* El bartelele. 
Geschlecht: 'N darasero; 
Untergeschlecht: El mebon{, 

> EI gtdogu, auch 'L aisi genannt 
Stamm: EI meAgana. 

Geschlecht: 'L oitajuk; 
Untergeschlecht: Es seroigtnigi, 
» El barsois, 

> 'L endjage, 

> El gissikol, 

> El mohono oder El moschono, 

* £1 magarau, 

> El barmafigig, 

> Es sumaga, 
El barsell^; 

Geschlecht: El marumai; 
Unter|[eschlecht: El gor^, 

■ El mi^uberia, 

» El bodjus, 

* El gurä, 

. El eberet, 

> El meräni, 

* El mossedjua, 
» Es siria. 



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— I8 — 

Die 'L aisir und EI mäleljan stehen in einem gewissen Gegensatz zu den 
El meAgana, die sie halb spöttisch, halb schimpfend auch 'N dalata-gutok ') 
üder Efig-adji-nagul-alai*) nennen, und bezeichnen sich zum Unterschied von 
diesen als Eftg adji el masai. Als Grund dafür erzählt die Ueberlieferung, dass ' 
einst die El mcAgana eine grössere Zeitspanne hindurch von den beiden andern 
Stämmen getrennt gewesen seien und bei der Wiedervereinigung unangenehm 
aufgefallen waren, weil sie das göttliche Gebot, welches das Töten weiblichen 
Viehs für den Genuss verbietet, nicht mehr tieachtet hätten. Daher entstanden 
obige Spitznamen, die, frei übersetzt, »gierige Vielfrassec bedeuten. 

Die El bedfs und El gor^ werden nicht selten als £1 aisegela bezeichnet, 
ein Name der nach dem eines Kriegerfiihrers, Os segSl, gebildet ist. Als Grund 
(lir die Zusammenfassung wird angegeben, dass Angehörige der zwei Unter- 
geschlechter einst berüchtigte Viehdiebe waren. 

Das hervorragendste Geschlecht, nicht nur des 'L aiserstammes, sondern 
des ganzen Masaivolkes, sind die EA gidoA, weil zu ihnen sowohl die Familie 
des Häuptlings (ol oiboni], als auch die der Zauberer (el goiatek) gehören. Die 
Bezeichnung »Häuptlinge ist eigentlich nicht ganz richtig, da der ol oiboni 
nicht unmittelbar herrscht und keine wirkliche Staatsgewalt ausübt. Er regiert 
nur mittelbar; der feste Glaube seiner Untertanen an sein Prophetentum und 
seine überirdische Fähigkeit der Zauberei gibt ihm einen Einfluss auf die 
Geschicke des Volkes. Despotismus und Grausamkeit, wie wir sie bei allen 
Negerherrschern linden, ist ihm fremd. Er ist weniger ein Regierender, als viel- 
mehr ein Nationalheiliger oder ein Patriarch, in dem auch die Wakuafi und 
Asä ihr Oberhaupt sehen. Von seiner geheiligten Person spricht das Volk in 
scheuer Ehrfurcht, und kein Unberufener wagt es, dem Gewaltigen unter die 
Augen zu treten. So hielten sich die auf der Militärstation Moschi lebenden 
Masai während der Anwesenheit Zendeos, als dieser sie Anfang 1896 besuchte, 
versteckt, und mein Masaidiener w^te es nicht, weder eine Bestellung an 
Zendeo, noch an einen bei diesem sitzenden Begleiter auszurichten. 

Das Ziel der Politik des Häuptlings ist die Einigkeit und Stärkung der 
Masai. Indem er die Raublust der Krieger sich in Zügen gegen fremde Stämme 
austoben lässt, schützt er das eigene Volk vor verheerenden Bürgerkriegen, zu 
denen die endlosen Reibereien der Distrikte untereinander dauernd Anlass geben 
würden. Diesen Einfluss ermöglicht ihm der Glaube, dass ein Sieg nur durch 
die geheime Macht der Kriegsmedizin, welche nur er allein herzustellen versteht, 
erreichbar ist und eine Niederlage unfehlbar kommen muss, wenn er sie vor- 
aussagt. Weder er noch seine nächsten Verwandten ziehen mit in den Krieg. 
Gegen Seuchen und Krankheiten gibt er Heilmittel — in der Regel in Form 
von Zaubermedtzinen — und ordnet Bittfeste zu Ehren des Masaigottes 'Ng ai 

') 'N dalata Vlel(rass<!, eo pitok der Mund, durch die ZusanunenilelluDg beider Worte soll 
der B*ßriff dea ersten yeratärkt wenleD. 

'3 ^L= dai Haas der HartzShne; nagiil = hnrt, el alal die Zähne. 



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— 19 — 

an. Die Weissagungen liest er aus einem Orakelspiel 
nach Art des Abzählens an den Knöpfen. Aus einem 
mit ledernem Deckel versebenen Rinderhom (Fig. i) 
nimmt er eine Handvoll kleiner Flusskiesel, legt einen 
oder einige davon beiseite und wirft den Rest zurück. 
Nachdem er dies mehrere Male wiederholt hat, ver- 
kündet er seinen Seherspruch, der oft genug mit py- 
^'e- '' thischer Zweideutigkeit al^efasst ist. Das Spiel beisst 

ebenso wie das Geschlecht cA gidoii. Die Würde des 
ol oiboni ist eiblich und hat sich bis auf die jüngste Zeit vom Vater auf den 
ältesten Sohn der Hauptfrau vererbt. Das Zeichen seiner Würde ist eine 
eiserne Keule. 

lieber den Stammbaum der El oibonok wissen die Masai nicht viel zu 
erzählen. Die ersten vier oder fünf Namen, welche er enthält, gehören Häupt- 
lingen, welche in der Urzeit herrschten. Diese Namen sind: Kidofloi, Geriga, 
Bargumbe (Barnjumbe) und Lesigirieschi. Die folgenden Häuptlinge sind ge- 
schichtlich und entstammen der Neuzeit. Der erste von ihnen Kibebete scheint 
zu Anfang des 19. Jahrhunderts regiert zu haben; ihm folgte sein Sohn Sitonik, 
diesem folgte Subet und diesem Mbatyan. Nach dessen Tode spalteten sich 
die Masai. Ein Teil stellte sich unter Lenana, den ältesten Sohn der Haupt- 
frau, der vor dem Regierungsantritt Mbatyans geboren wurde, der andere unter 
Zendeo, der des Alten Lieblingssohn und von ihm zu seinem Nachfolger 
bestimmt war. Die Leute erzählen, dass Lenana den Zendeo in ähnlicher Weise 
um die Erbfolge betrogen hat, wie Jakob den E^au um das Recht der Erst- 
geburt. Wurde die Täuschung hier durch das umgebundene Ziegenfell erreicht, 
so ermöglichte sie dort das Dunkel der Hütte, in der der alte, schwache Mbatyan 
auf dem Krankenlager ruhte. Er glaubte den Zendeo vor sich zu haben und 
unterrichtete den Lenana in den geheimen Künsten des ol oiboni. Beide sind 
nun erbitterte Feinde, die zum Unheil des Masaivolkes einen dauernden Bürger- 
krieg unterhalten. Lenana, ein jetzt ungefähr 45 Jahre alter Mann, lebt mit 
seinem Anhang in Brttisch-Ostafrika in der Nähe der Bahnstation Nairobi, 
während der zehn Jahre jüngere Zendeo mit seinen Horden die Steppen Deutsch- 
Ostafrikas bewohnt. Beide sind nur Scheingestalten Im Vergleich zu ihrem 
Vater, der in der Reihe der Häuptlinge einen hervorragenden Platz eingenommen 
hat. Unter ihm haben die Masai ihre letzte Blütezeit erlebt. Nachdem seine 
Vorfahren Sitonik und Subgt die Wakuati bezwungen hatten, galt es für ihn, 
die sich immer wieder Erhebenden niederzuhalten und so zu schwächen und zu 
knechten, dass von ihnen den Masai keine Gefahr mehr drohen konnte. Durch 
ein gut organisiertes Spioniersystem hielt sich Mbatyan dauernd über die Ver- 
hältnisse der Gegner unterrichtet, so dass die raublustigen Krieger immer gerade 
in diejenige Wakuaüniederlassung einfallen konnten, in weichu* ein Kriegszug 
gegen die Masai vorbereitet wurde. Am meisten machten hier die WakuaB des 



ayCiÜOglc 



Merubergcs zu schafTen, welche in den zerklüfteten Bergwäldern sichere Ver- 
stecke für Weiber und Vieh fanden, während die Männer Ueberfölle auf be- 
nachbarte Masaikraale unternahmen. Schliesslich gelang es aber doch, der 
Meruleute Herr zu werden ; ja sie wurden sogar so mürbe, dass sie ihren Unter- 
drückern Frondienste leisteten. Man muss berücksichtigen, mit welch tiefer 
Verachtung alle Männer des Masaivolkes auf jede Art von Arbeit Wicken, die 
sie für etwas schimpfliches, mit der Manneswürde nicht zu vereinbarendes halten, 
um zu verstehen, was ein solcher Erfolg bedeutet. Tausende von Arbeitern 
forderte Mbatyan, und gehorsam zogen sie in endlos langen Reihen, Männer, 
Weiber und Kinder, nach der westlich des Beiges liegenden Steppenlandschaft 
Kisongo, wo der Mächtige gleich seinen Vorfahren residierte. Dort mussten 



Abb. 4. Zendeo, der jetzige Hluptling der Masai, 

sie einen langen Wasserkanal graben, wobei — noch eine besondere Ernie- 
drigung — die Männer in Reih und Glied mit den Frauen zu arbeiten hatten. 
Immer mehr schwoll den Masai, durch diese und andere Erfolge ermutigt, der 
Kamm, und immer weiter dehnten sie ihre Kriegszüge aus. Es waren nicht nur 
die Negerstämme des Innern, die unter ihrer Kaub- und Mordlust zu leiden 
hatten, sie drangen sogar bis ins unmittelbare Hinterland der Küste und kamen 
direkt an die Küstenstädte Mombasa, Tanga, Bagamoyo und andere heran. 

Der Glaube an die Zaubermittel zu Heilzwecken, welche Mbatyan den 
Hilfeauchenden gab und deren quantitativer Hauptbestandteil das nach Vanille 
riechende gepulverte Holz der ol mogofigora- Liane war, sass so tief im Volke, 



.yClÜÜglC 



dass es den Leuten oft wirkliche Heilung ihrer Leiden gebracht haben soll. 
Ein hervoiTagei)des Verdienst hat sich Mbatyan durch Erfindung einer Schutz- 
impfimg gegen Lungenseuche der Rinder erworben. Nach den übereinstim- 
menden Erzählungen Zendeos und vieler alter Masai hat Mbatyan schon mehrere 
Jahre vor seinem Tode das erst nach demselben erfolgte Auftreten der Rinder- 
pest und die darauf folgende Bekämpfung der Masai durch die Europäer vor- 
au^esagt. Im Aeusseren dieses Mannes verriet nichts seine Macht Auf einer 
hageren, mittelgrossen Figur sass ein unschöner Kopf, dessen Gesicht noch 
besonders durch das Fehlen eines Auges — angeblich ein Geburtsfehler — 
verunstaltet wurde. Dieser letztere Umstand hat zur Entstehung der Sage geführt, 
dass der Häuptling stets einäugig sein müsse und der Vater dem ihm später 
folgenden Sohn schon im Kindesalter ein Auge zerstöre. Noch abstossendcr 
wurde das Gesicht durch einen spärlichen, leicht ergrauten Vollbart Im Gegen- 
satz zu den andern Männern darf sich nämlich der ol oiboni ebensowenig wie 
die weiter unten erwähnten el goiatek und el kiborön den Bart auszupfen, weil 
sie durch das Entfernen der Barthaare ihre überirdischen Kräfte verlieren würden. 

Das Häuptlingsdorf besteht aus einer grossen Anzahl nahe zusammen 
liegender Kraale, von denen mehrere dem ol oiboni mit seinen zahlreichen 
Weibern zur Wohnung dienen. Mbatyan hatte ungefähr 200 Frauen, der noch 
junge Zendeo hat deren erst 20. Kein fremder Mann darf diese Wohnkraale 
des Häuptlings und seiner Frauen betreten oder sich in ihrer nächsten Nähe 
zeigen. Dicht daneben befinden sich die übrigen Kraale, deren einer für Be- 
ratungen und Empfange bestimmt ist und in dem einige ältere, dem Häuptlii^ 
nahestehende Männer als seine Gehilfen und Ra^eber (el duAgana oirorie ol 
oiboni) mit ihren Famihen wohnen, während die andern von Kriegern bewohnt 
sind, die den Schutz des Dorfes und auf den Märschen des Häuptlings dessen 
Leibwache bilden. In seinen letzten Lebensjahren, während deren Mbatyan 
geistig gestört war, brachte er oft monatelang in freier Steppe, in einer kleinen 
Laubhütte, zu, um die in grösserem Kreis die ihn begleitenden Krieger lagerten. 
Das Zeremoniell im Häuptlingslager ist sehr einfach. Der Ankommende wird 
von einem der im Dorf herumlungernden Männer in den Beratungskraal geführt, 
wo er den Häuptling erwartet. Sobald dieser erscheint, erhebt sich der Fremde, 
geht ihm entgegen und reicht ihm mit dem üblichen Gruss die Hand, wobei 
aber nicht diese, sondern deren Gelenk umfasst wird. Nach beendeter Be- 
sprechung, für die keine besonderen Förmlichkeiten bestehen, verabschiedet er 
sich mit dem allgemeinen Abschiedsgruss. 

An Speisen nimmt der ol oiboni nur am Feuer geröstete Ziegen- 
leber, Milch und Honig zu sich, da er durch jede andere Nahrung idie 
Fähigkeit des Weissagens und der Bereitung wirksamer Zaubermittel einbüssen 
würde.« Von diesen Künsten soll auf seinen Sohn Lenana sehr wenig und auf 
Zendeo noch weniger übergegangen sein, wodurch es um so erklärlicher wird, 
dass die Masai heute von hunderterlei Wundertaten, die Mbatyan angeblich 



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verrichtet hat, erzählen. Danach konnte er grosse Bäume durch seinen blossen 
Willen umwerfen, oder er liess durch seine Begleiter die Hütte, in der er sich 
befand, anzünden und stand, nachdem sie abgebrannt war, unversehrt aus der 
Asche auf. 

Aus dem En gl dofi- Geschlecht ergänzen sich ferner, wie bereits erwähnt, 
die Zauberer oder Medizinmänner (ol goiadki, el goiatek) deren mehrere in 
jedem Distrikt wohnen. Auch ihre Würde vererbt sich vom Vater auf den 
Sohn, der indes meistens erst nach seiner Verheiratung in die ganze Geheim- 
kunst eingeweiht wird. Das im Leben der Masai wichtigste Zaubermittel, die 
Kriegsmedizin, versteht der ol goiatiki nicht zu machen. An ihn wendet man 
sich vielmehr nur bei Krankheitsfällen von Menschen und Vieh, in denen die 
bekannten Heilmittel versagen, oder die man auf Zauberei böser Nachbarn zu- 
rückfuhrt, sowie zur Ermittelung unbekannter Missetäter (Diebe, Mörder usw.). 

Eine besondere Besprechung verlangt noch vom El mfileljan-Stamm das 
das Geschlecht der El kiborön, die nach der Anschauung des ganzen Volkes 
bei 'Ng ai, dem Gott der Masai, in besonderer Gunst stehen, die sie in erster 
Linie zu den Trägern der religiösen Ueberlieferungen gemacht hat Entsprechend 
ihrer Stellung bei 'Ng ai zeichnen sie sich durch eine relative Friedfertigkeit 
aus. Die jungen Krieger ziehen zwar auch mit denen anderer Geschlechter auf 
Raubzüge aus, doch scheinen sie dabei jede unnötige Roheit oder Grausamkeit, 
worin die andern oft wetteifern, zu vermeiden. Die Sucht nach Streitigkeiten, 
Händeln und Schimpfereien, ein hervorstechender Zug im Charakter des jungen 
Masai, ist ihnen fremd. Für ihre Tugend lohnt sie Gott, indem er ihre Herden 
gegen Raubtiere und Diebe schützt. Dass eines ihrer Rinder von einem Löwen 
geschlagen oder sonstwie gestohlen wird, soll noch nicht vorgekommen sein. 
Besonders geschätzt werden die El kibor6n von allen andern Masai wegen 
ihrer Fähigkeit, Regen herbeizuführen. Verfasser sah eines T^es in der Nähe 
eines Masaikraais einen solchen Regenmacher bei der »Arbeit«. Er lag auf dem 
Erdboden unter einem grossen Lederschurz, wie ihn die Greise tragen, so dass 
man nur ein schwaches Bewegen der Arme sehen und ab und zu ein leises 
Murmeln hören konnte. Nach einer Weile stand er auf und erklärte, dass 
■bald« Regen kommen würde. Da ich In dem sechs Stunden davon entfernten 
Lager während der vcc^ngenen Nacht Regen gehabt hatte, so ist es sehr 
wahrscheinlich, dass er auch hier nicht mehr lange ausgeblieben ist und dadurch 
die Ehre jenes Regenkünstlers rettete. 

Die nur geringfügigen Abweichungen in den Sitten des El kibor6n-Ge- 
schlechtes, verglichen mit denen der andern Geschlechter, sollen bei den ein- 
zelnen Abschnitten besprochen werden. 



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II. 

Kraal. — Bau acd Kinrichtune der Hütten. — Stand für dai Vieh, — Artea der Kraale. — Viel- 
weiberei; die Hauplfrau. — Vermöt-enBTerhiiltniMe, AD»taa»ch von Waren, Verdlensl; Famillenober- 
haapt. — AuMtoMune; nnd AuBioDdeinnK von FamilieDanKehöllKen. — Der Famillenliiaal. — Täg- 
liches Leben. — Arbeit. — Speiaeo. — Tabak. — Honl^bier. — Spfel. — HauBgerät. 

In der Nähe einiger Schattenbäume und eines kleinen Baches liegen in 
der glühend heissen Steppe die Masaidörfer verstreut. Es sind kreisrunde Kraale 
(ehg iA, Ag afifti oder ehg anisa, rtg anäs [Fig. 2)), die durch einen Ring eng 
aneinander gebauter Hütten (eng adji, Ag adjidik) gebildet werden. Ein Kraal 
enthält zwanzig bis fünfzig Hütten. An zwei gegenüber liegenden Stellen be- 
finden sich die drei bis vier Meter breiten Eingänge (en gischomi). Da die 
Masai als Nomaden an einem Ort immer nur so lange wohnen bleiben, als sie 
gute Weide für ihr Vieh haben, so werden die Hütten aus überall erhältlichem 



Abb. 5. Kraat in der Sieppe ztrisclien Kilimandscharo und Meriilierg. 



Material leicht und flüchtig gebaut. Der Huttenbau liegt, wie Jede Arbeit im 
Kraal, den Weibern ob. Nachdem der Platz für die einzelne Hütte (Fig. 3) von 
Gras und Gestrüpp gesäubert und dann geebnet ist, , wird der spiralig-ovale 
Grundriss festgelegt, indem ihn das Weib mit dem Fuss in den Erdboden kratzt. 
Hilfsmittel zum Messen werden dazu nicht gebraucht; dem Weib, welches 
schon als Kind der Mutter bei dieser Arbeit geholfen hat, genügt das Augen- 
mass In den Grundriss werden in fusslangen Abständen ungefähr l'/s m 
lange Prähle (ol ömi, el öm) in den Erdboden gesteckt und mit daumendicken 
Querruten (ol gereni, el gerenen) bis zu Meterhöhe gitterartig verbunden. Dann 
werden in der Längsdiagonale sieben bis acht Stützen (em bogischi) eingegraben 
über die man von einem Ende der Hütte bis zum andern eine Längsstange (ol 
ereschena, el ereschenan) legt. Ueber diese werden die Pfähle gewölbt und die 
einander gegenüberstehenden Enden mit Papyrus-Gras (es sedja) zusammen- 



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— 24 — 

gebunden. Durch Zwischenflechten fingerdicker Ruten (en jaschoi, n jascho) 
werden Wände und Decke dichter gemacht. Das gitterartige Gestell ist unge- 
fähr i'/i bis 1^4 m hoch, 4 bis 5 m lang und 3 m breit. Zum ^ndecken 







FiB.3- CA")- 

I. Laßet des Mannes. 1, Lager der Frau. 3. Hciil 4. Stand für jun((e Kälber. $. Hausrat. 

6. Stand für junge Ziegen und Schafe. 7. Brennholi. 

dienten, bevor die Rinderpest ums Jahr 1890 unter dem Vieh wütete, haupt- 
sächlich Rinderhäute. Jetzt, wo die Masaiherden gegen früher verschwindend 
klein geworden sind, wird das Rutengestell zuerst mit einer 15 bis 20 cm dicken 



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— 25 — 

Schicht von trockenem, langhalmi^m Gras (ol gudjeda oder ol godjeda] bepackt 
und dies dann zolldick mit frischem Rindermist (e modje'i, modiok) bestrichen. 
Zum Schutz g^en starke Regen legt man zeitweise noch getrocknete und ent- 
haarte Rioderhäute darauf. Dem durch die TürötTnung (eii gutok eng adji ^ der 
Mund der Hütte) Tretenden strömt dicker Rauch vom nahen Herd (en gema) 
entgegen, den drei in Kleebtattform zu einander liegende Steine bilden. Gutes 
Brennholz ist rar in der Steppe, man muss daher das qualmende Reisig be- 
nutzen. Am en^egengesetzten Ende der Hütte ist die Schlafstätte für das Weib 
(e ruat kStS = kleines Bett) und daneben die für den Mann (e ruat kitok = grosses 



Merk« phoc 
Abb. 6, MaKiihQIIe. (Der an der Hütte stehende Karabiner gehört einem Soldaleo der Scbutitmppe.) 

Bett). Beide sind durch ein Gitterwerk von Pfählen und Ruten, welches mit 
Gras und Rindermist wie die Hüttenwände bekleidet ist, von einander und -von 
dem übrigen Hüttenraum abgeschlossen. Von letzterem führt in jeden dieser 
Verschlage ein besonderer Eingang. Das Lager besteht aus einem Polster von 
trockenem Gras, worüber zwei enthaarte und getrocknete Rinderhäute gebreitet 
sind. Gegenüber der Tür befindet sich ein kleines Gehege (ol ale 1 el ascho), 
wohinein junge Kälber während der Nacht gebracht werden. Oft findet sich 
neben der Tür noch ein zweites Gehege (ol ale 1 ol balelon) tiir junge Ziegen 
und Schafe, wenn diese nicht in kleinen an oder auf die Hütte gebauten Ställchen 



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— 26 - 

untergebracht sind. Die Türöffnung der Hütte wird nachts durch eine davor 
gehängte Rinderhaut oder einen halb hereingezogenen Domenast verschlossen. 
Die einzelnen Hütten stehen sehr eng aneinander. Der Raum zwischen 
zweien beträgt kaum 7» •". so dass der ganze Hüttenring bis auf die Eingänge 
geschlossen erscheint. Zum Schutze gegen wilde Tiere und Feinde wird der 
Kraai mit einem starken Verhau von domigen Akazienästen umgeben, womit 
auch die Eingänge verbaut werden, nachdem das Vieh von der Weide zurück- 



Abb. 7. MaKiihiHtc, Bewurf mit Rin<l 



gekehrt ist. In dem von den Hütten eingeschlossenen Platz findet sich ein 
ringförmiger Dornenverhau, in dem das Vieh während der Nacht steht; Gross- 
vieh, Kälber und Kleinvieh werden durch Dornenverhaue von einander getrennt, 
und die Hütten werden oft durch herumgelegte Dornenäste vor Beschädigung 
durch die Rinder geschützt. 

Man unterscheidet Kraale für die Verheirateten (eftg ad el moruak) und 
solche für die Krieger (ol manjata). Im ersteren wohnen die verheirateten 



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— 27 — 

Männer (ol moruo, el moruak) mit ihren Familien, in letzterem die Krieger (ol 
moräni, el mÖran] mit ihren Müttern und den halb erwachsenen unbeschnittenen 
Mädchen (en dito, n doje). Manchmal findet man auch mehrere Kraale in einen 
zusammen gebaut. Verfasser fand ein Dorf, das aus fünf aneinander gebauten 
Kraalen bestand, wovon drei El moruo-Kraale waren. Um den ganzen Kraal- 
kompiex zog sich ein dichter Dornenverhau. 

Der Verheiratete hat im ganzen fünf bis sechs Frauen, reiche Männer 
haben ausserdem noch einige Nebenfrauen, mit denen sie rechtlich nicht ver- 
heiratet sind. Die Nebenfrauen ergänzen sich aus Witwen, die sich nicht wieder 



Abb. 8. Slällchcn nn der Hütte. 

verheiraten dürfen oder sich noch nicht wieder verheiratet haben und in ihrer 
Stellung als Nebenfrau eine dauernde oder vorübergehende Versorgung sehen- 
Jede Frau hat ihre eigene Hütte, in welcher sie mit einem oder einigen kleinen 
Kindern wohnt und einen selbständigen Haushalt führt. Die zuerst geheiratete 
Frau ist die Hauptfrau (en aitero eAg afi) '] und bleibt es bis zum Tod ; dann 
tritt die zunächst nach ihr geheiratete Frau in diese Stellung. Die Hauptfrau 
wird am besten gehalten, indem ihr der Mann einen grösseren Teil seiner Rinder 
zur Nutzniessung übergibt und sie auch vor den andern Frauen durch Ge- 



>) z= die Ente im Kranl. 



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— 28 — 

schenke an Schmuck und Kleidung wie durch bessere Bedienung auszeichnet 
Ihr ältester Sohn hat Vorrechte im Erbrecht. Die Hauptfrau übt eine Aufsicht 
über die andern Frauen und halt diese zur Arbeit an, wenn sie solche ver- 
nachlässigen. 

Ein gemeinsames Vermögen hat die häusliche Gemeinschaft nicht Als 
Besitztum kommen in erster Linie Rinder, Ziegen, Schafe und Esel in Betracht 
Die Grösse der Herde ist der Massstab für die soziale Stellung ihres Eigen- 
tumers, des Familienvaters. Die von ihm jeder seiner Frauen zur Pflege und 
Nuizniessung übergebenen Rinder bleiben sein eigen und gehen mit seinem 
Einverständnis erst dann, wenn die Frau einen ungefähr zehn- bis zwölijährigen 



Abb. 9. Stallchen auf der Hütte. 

Sohn hat, in dessen Besitz, manchmal auch in dessen Eigentum, über. Voraus- 
setzung für letzteres ist aber, dass der Knabe beim Hüten der väterhchen Herde 
entbehrlich ist. Denn sobald er das Vieh bekommt, muss er mit seiner Mutter 
den Kraal des Vaters verlassen, um selbst in Entfernung von mehreren Kilo- 
metern einen neuen kleinen Kraal anzulegen. Es soll hierdurch vermieden 
werden, dass beide Herden zusammen kommen, eine Gelegenheit, die der Sohn 
sonst oft genug zum Bestehlen des Vaters benutzen würde, Hütten und Haus- 
rat, beides nur von geringer Dauerhaftigkeit und geringem Wert, gehört theore- 
tisch auch dem Familienvater, praktisch aber derjenigen seiner Frauen, welcher 
diese Sachen dienen. Die Frau baut die Hütte, wobei ihr die Kinder oder 



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Abb. lo. Hüttenkomplex 



Abb. II. Domhecke der Kinalc. 



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— 30 — 

andere Frauen behilflich sind. Was an Milch, Fleisch und Fellen nicht im eigenen 
Haushalt verbraucht wird, ist ihr Wirtschaftsgeld, mit dem sie vegetabilische 
Lebensmittel und solche Haushaltungsgegenstände einkauft, welche sie nicht 
selbst fertigt. Sie wird hierin von ihrem Mann in keiner Weise beaufsichtigt. 
Es ist unter seiner Wurde, sich in diese Angelegenheiten zu mischen. 

Ungefähr alle drei bis sechs Tage treffen in den Masaikraalen Karawanen 
von alten Weibern, begleitet von einigen alten Männern und beladen mit Mais, 
Bananen, Bataten usw., ein. Ein stundenlanges Feilschen und Handeln mit dem 
üblichen Marktweibergeschrei beginnt dann. Jede sucht ihre Ware so vorteil- 
haft wie möglich zu verkaufen, d. h., gerade die Gegenstände dalUr einzutauschen, 
deren sie bedarf. Oft kommen die Karawanen vier bis fünf Tagemärsche weit 
her und bleiben dann ein paar Tage im Kraal, ehe sie den Heimweg antreten. 

Das Verdienst der zu Kriegern herangewachsenen Söhne besteht in er- 
beutetem Vieh und fliesst in der Hauptsache zur Herde des Vaters. Wirkliche 
Sondergüter sind für die einzelnen Familienglieder nur Kleidung und Schmuck, 
fiir die Söhne noch ihre Waffen und ferner für Knaben das ihnen vom Vater 
geschenkte Vieh, für Jünglinge und Krieger der Teil der erbeuteten Rinder, 
den sie für sich behalten. 

Das Familienoberhaupt ist der Familienvater. Lebt bei ihm oder in dem- 
selben oder einem nahe benachbarten Kraal noch ein älterer Mann seiner Fa- 
milie, so teilen sich beide in die Würde des Oberhauptes in der Weise, dass 
man in allen Entscheidungen den Rat des älteren hört und berücksichtigt. 
Rechtlich kann das Oberhaupt von seinen Brüdern wegen Misswirtschaft und 
Unfähigkeit abgesetzt werden, doch scheint dies nur ganz ausnahmsweise vor- 
zukommen. Das Oberhaupt entscheidet in allen Famtlienangel^enheiten. Ein 
Recht zur Tötung und Züchtigung der Angehörigen steht dem Familienvater 
nicht zu; ebensowenig, wie er für ihre Schulden und Missetaten haflet, darf er 
sie verkaufen oder verpfänden. Dass in der durch zwei in kurzem Zwischen- 
räume folgende Rinderseuchen hervorgerufenen Hungersnot, ums Jahr 1890, 
Kinder und Frauen von ihren Angehörigen in Sklaverei gegeben worden sind, 
beweist fiir das Gegenteil nichts. Wo die Leichen vieler lausender von Ver- 
hungerten in den Steppen lagen und für die Ueberlebenden keinerlei Nahrung 
vorhanden war, blieb diesen keine andere Rettung mehr, als sich oder ihre 
Angehörigen solchen Leuten zu eigen zu geben, die sie ernährten. 

Die einzelnen Mi^lieder können sich wegen schlechter Behandlung aus- 
sondern. Wer sich aussondert, flieht zu einem andern seines Geschlechts oder 
desjenigen, aus welchem seine Mutter stammt und erkauft sich Aufnahme durch 
einige Rinder, die er aus der Herde seines Vaters gestohlen und mitgenommen 
hat. Fand er in letzterem Aufnahme, so muss er zu seinem eigenen zurück- 
kehren, sobald er Vater wird, 

Wird ein Mädchen ausgestossen, so kann es seinen zukünftigen Aufenthalt 
unbekümmert um Stamm oder Geschlecht frei wählen. Wo es Aufnahme findet, 



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_ 31 — 

bleibt es meistens auch dauernd. Wer wegen schlechter Aufluhrung aus der 
Familie ausgestossen ist, wird in der Regel wieder gegen Zahlung eines Rindes 
oder einer Ziege aufgenommen. Er übei^ibt hierzu das Tier einem befreun- 
deten Mann seines Geschlechts. Dieser bringt es zum Vater des Ausgestossenen 
und bittet für diesen um Wiederaufnahme. Wird sie verweigert, so sucht und 
findet der Ausgestossene in derselben Weise wie der Ausgesonderte Aufnahme. 
Auf das Erbrecht hat Aussonderung oder Ausstossung keinen Einfluss. Die 
Rechte des Oberhauptes über die einzelnen Familienmitglieder erloschen bei 
deren Verheiratung. 



Ueber dem Kraal der Verheirateten (eiig aii ol moruak) liegt meistens 
eine Atmosphäre von Stumpfsinn und Langeweile. Nur an mondhellen Abenden 
unterhalten sich die Frauen mit Gesang, besonders wenn einige Krieger zum 
Besuch da sind und den Anstoss zur Fröhlichkeit geben, Frauen und Krieger 
tanzen in getrennten Gruppen. Beim Tanz stellen sich die Frauen in Linie auf, 
bewegen sich eine kurze Strecke vorwärts, machen dann »Rechtsumc und 
tanzen in kurzen Schritten in Reihe auf den alten Platz zurück. Nur bei 
Festlichkeiten tanzen auch die verheirateten Männer, doch für sich allein. Der 
Text des begleitenden Gesanges nimmt naturgemäss auf das hier herrschende 
Leben Bezug. 



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— 32 — 

Sonst herrscht im Famtlienkraal nach Eintritt der Dunkelheit Ruhe; die 
Leute sitzen bei gutem Wetter noch eine Weile vor den Hütten, schweigend 
oder sich leise unterhaltend und begeben sich schon gegen 8 oder tt'/i Ubr 
zur Ruhe. 

Noch vor 12— 14 Jahren, ehe die Masai durch zwei grosse Seuchen ihren 
ungeheuren Viehbesitz verloren, hatte jede Familie ihren eigenen Kraal; jetzt 
wohnen dagegen fast überall mehrere Familien zusammen. 

Morgens beginnt das Leben gegen 4 Uhr, zu welcher Zeit die Weiber 
die ganz jungen Kälber aus den Verschlagen holen und zu deti Kühen bringen, 
wo sie bis zum Austrieb bleiben. Mit Tagesanbruch fängt dann das Melken 
an, wozu sich alle Frauen einfinden. Nach Beendigung desselben wird das aus 
frischer Milch bestehende Frühstück eingenommen. Milch, Suppen und dünnen 
Brei trinkt man aus Kiirbisflaschen ; konsistentere Speisen fuhrt man mit der 
Hand in den Mund. Fleisch wird mit einem Messer halb abgeschnitten und 
mit den Zähnen vollends abgerissen. Die Hände werden vor der Mahlzeit nicht 
gewaschen. Schnalzen und Aufstossen während des Essens gehört zum guten 
Ton. Männer und Frauen essen getrennt, haben auch ihre besonderen Ess- 
und Trinkgefässe. Die der letzteren werden von den Kindern mitbenutzt. 
Will der Mann in der Hütte essen, so hat die Frau dieselbe vorher zu 
verlassen. 

Ist das Vieh aus dem Kraal auf die Weide getrieben, so beginnen die 
Weiber und Kinder mit dessen Reinigung. Dann wird in den Hütten Feuer 
angemacht und darauf werden die mit Wasser gefüllten Töpfe, in denen Vege- 
tabilien gekocht werden sollen, gestellt. Diese Töpfe (e modi, 'modio) fertigen 
die Masai nicht selbst, sondern kaufen sie von ansässigen Volkstämmen oder 
auch von Wandorobbo, die die Töpferkunst vermutlich von jenen lernten. Sie 
sind ein Fuss hoch und kugelförmig. Im Gegensatz zu den Kriegern essen die 
Bewohner des FamiÜenkraals, besonders seit jenen Viehseuchen, alle vegetabi- 
lische Nahrung, welche sie, da sie selbst gar keinen Ackerbau treiben, von 
den umwohnenden Völkern kaufen. Ihre Lieblingsspeisen sind aber natüriich 
Milch, Fleisch und Blut Milch wird von Gesunden stets ungekocht als frische 
(efig ule) oder saure (eAg ule naoto) getrunken; gekochte Milch ist Krankenkost 
und wird als solche meist mit gepulverten ol lodoa-Kömern (Maesa lanceoiata) 
vermischt. Schafsmilch ist wegen ihres sehr hohen Fettgehaltes besonders be- 
liebt. Blut von Rindern, Schafen und Ziegen wird frisch getrunken oder in 
geronnenem Zustand gegessen. Sehr geschätzt ist Milch mit frischem oder ge- 
kochtem Blut vermischt (enjiwÖt); als Krankensuppe für Verwundete steht dies 
Getränk in hohem Ansehen, Käsebereitung ist unbekannt Butter wird durch 
Schütteln des Rahms in einer grossen Kürbisflasche (en diagolgol) hergestellt. 
Fett, in einem Topf ausgelassen, dient als Zutat zu andern Speisen, besonders 
zu Fleischbrühe, wird aber auch ohne ii^end welche Betmischung getrunken. 
Fleisch bereitet man stets ohne Zusatz von Salz zu; es wird entweder mit ver- 



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- 33 — 

schiedcnen Gewürzen gekocht oder am offenen Feuer, an einen Stock gesteckt, 
gebraten. Gekochtes Fleisch und Milch geniesst man nicht an einem Tage zu- 
sammen, da diese im Verein mit dem beim Kochen des Fleisches immer ver- 
wendeten ol mokot an-Gewürz (Rinde von Albizzia anthelmintica) schweren 
Durchfall erzeugen soll. Oft wird daher dargebotene Milch abgelehnt, in der 
Hoffnung, noch am selben T^ eine Reischmalzeit zu erhalten. Wer beide 
Speisen an einem T^e geniessen will — und wo gäbe es einen Masai, der der 
Einladung zu einem Fleischessen widerstehen könnte?! — bricht erst vor dem 
Genuss des Fleisches, wozu er durch einen in den Hals gesteckten Grashalm 



C G. SchilliD^ phot. 
Abb. 13. Welb«r, äca Kiaal reinigcad, 

den nötigen Reiz erzeugt. Hat man heute gekochtes Fleisch gegessen, so 
trinkt man morgen vor der Milch erst etwas Blut, nicht aus Gesundheitsrück- 
sichten, sondern weil man glaubt, dass infolge Unterlassung dieses Brauches das 
Vieh weniger Milch geben würde. Man vermeidet es auf das peinlich.ste, Milch 
mit Fleisch in Berührung zu bringen, da nach der allgemeinen Ansicht dadurch 
das Euter der Kuh, von welcher jene Milch stammt, dauernd krank werden 
würde. Aus diesem Grund verkaufen die Masai nur höchst ungern und selten 
Kuhmilch, denn der Käufer könnte ja damit in gedachter Weise ihre Kühe 
krank machen. Die Masai verschmähen jede Art von Wildfleisch, ebenso Vögel 



aydOOglc 



— 34 — 

und auch Fische, von welch letzleren fast überall in grösseren Bächen Arten 
von Barbus, Chromis, Ciarias und dem welsartigen Synodontis vorkommen. 

Die Zubereitung der hauptsächlichsten Vegetabilien ist folgende: Bataten 
(ol murungu, el murunguni — Ipomoea batatas) werden mit wenig Steppen- 
salz (e munjän) in Wasser gekocht, dann abgegossen, mit einem Quirl (ol gibere, 
el giberen) zerquetscht und mit frischer Milch verrührt. Die fertige Speise helsst 
el muruAguni. Unreife Bananen (ol marigoi, el marigo — Musa paradisiaca) werden 
geschält, zerschnitten und mit Salz in Wasser gekocht. Nachdem sie abgegossen 
sind, setzt man etwas Butter (eA gorno) zu. Unreife getrocknete Bananen (ol 
kitauo, el kitauön) werden in Wasser gekocht, abgegossen und dann mit Milch 
und Butter durchgerührt. Maiskörner (ol baiegi, el baieg) werden in Wasser 
ohne Zusatz von Salz gekocht. Bohnen kocht man mit Salz. Man unterscheidet 
ol bomboi — el bombo (Dolichos lablab), en giü — eA gidn (womit sowohl 
Cajanus indicus als auch Vigna sinensis bezeichnet wird) ferner os sigorioi — 
es sigorio (Phaseolus vulgaris), ol gämuri — el gämuri (Phaseolus radiatus). 
Eleusine coracana (en dabä — 'n dabän, oder en drigä — 'n drigän oder auch 
eil guruma — 'n guruman genannt) und Sorghum vulgare (ol birirf — el birirfn) 
werden zu dickem Brei gekocht und schwach gesalzen. Dioscorea abessynica 
(ol ger^ — el ger^n) und Colocasia antiquorum (welche die Masai am 
Kilimandscharo mit dem Dschagga-Wort maduma bezeichnen) werden in Salz- 
wasser gekocht. 

Honig (en aischo — 'n aischi) wird unvermischt gegessen und auch als 
Beimengung zu verschiedenen Medikamenten benutzt. Den Tabak (ol gumbau), 
welchen die Masai in Mengen konsumieren, kaufen sie von ansässigen Negern, 
die ihn in losen, mit Bast umwickelten Päckchen (Fig. 4) 
verschiedener Grösse oder in Form fester Kugeln von un- 
gefähr 5 cm Durchmesser in den Handel bringen. Zur Her- 
rtchtung werden die reif gepflückten Tabakblätter fest zu- 
sammengepackt, mit andern Blättern, z. B. von Bananen, 
umschnürt und so einer mehrtätigen Fermentation überlassen. 
Dann hängt man sie zum Trocknen im Schatten oder auch in 
der Hütte auf und packt sie, sobald die Trocknung ge- 
nügend vorgeschritten ist, in die oben erwähnten Pakete 
zusammen. Zur Herstellung des Kugeltabaks dagegen stampft 
Fig. 4. man die fermentierten^ und getrockneten Blätter, nachdem 

sie mit Wasser besprengt sind, leicht in einem Mörser, 
ohne indes dabei die Blätter zu zerstossen. Die sehr feuchte Masse wird 
dann zu Kugeln geformt, die man in der Sonne trocknen lässt. Die Masai 
bezahlen Tür zwei Pakete von je ungelähr •/» Pfund Gewicht oder iiir zehn 
Kugeln ein Ziegenfell. Nur die alten Leute geniessen Tabak. Männer rauchen, 
schnupfen und kauen ihn, während sich die Frauen mit Kauen und Schnupfen 
begnügen. Der zum Rauchen bestimmte Tabak wird grob geschnitten. Die 



.ydOOglC 



— 35 

Tabakpfeifen (Fig. s) bestehen aus 
einer etwa fusslangen dünnen hölzernen ' 
Röhre (os sarian) und einem konisch 
geformten Ton- oder Holzkopf (o! 
möti). Letztere schnitzen die Masai 
selbst, während sie die Tonköpfe 
kaufen. Zum Kauen verwendet man 
den gleichen Tabak und kaut ihn mit 
einem erbsengrossen Stückchen Na- 
tronsalz (e magät) zusammen. Zur 
Herstellung des Schnupftabaks wird 
der Rauchtabak zunächst möglichst 
fein geschnitten und dann mit einem runden Stein in einem Stück Kürbisschale 
zu Pulver zerrieben. Diesem setzt man etwas Natronsalz und Rinderfett, of^ 
auch gepulverte Rinde von ol amorra (Ocimum suave) zu und mischt das Ganze 
durch weiteres Verreiben. Als Dosen (Fig. 6) dienen kleine, aus Holz, Bambus, 




Filf-S- C'/O 




Rinder- oder Schafhorn oder auch aus dem Hörn des Rhinozeros bicornis ge- 
arbeitete Büchschen (en dulet — 'n duleta), die oft recht hübsch geschnitzt und 
mit Perlen verziert sind. Sie werden an dünnen Kettchen aus Eisendraht um den 
Hals getragen. 

Ein anderes, auch nur für Verheiratete be- 
stimmtes, Genussmittel ist eine Art Honigbier (en 
aischo namga) (Fig. 7). Man löst Honig in Wasser 
auf und setzt ein Stück Wurzel der Steppenaloe, os 
suguroi, oder ein geschältes und ausgekochtes Stück 
der Frucht des sogenannten Leberwurstbaums') (ol 
darboi — Kigelia aethiopica) sowohl als Geschmacks- 
korrigens als auch zur Beschleunigung der Gärung 
zu. Das Gemisch lässt man drei bis fünf Tage an 
einem warmen Ort, etwa in der Nähe des Herd- 
FiK 7 '■/ 1 Gcfit«! lur Be- '*"*''S' Stehen und gähren. Ehe es getrunken wird, 
reitung von HoniKbier. legt man vielfach einige Büschel Blätter vom Strauche 



') Nach der Aehulichkeit der Fmcht mit eioer Leberwurst Kenaimt. 



=, Google 



- 3Ö - 

ol gonjet hinein, wie ich vermute, um die Essiggährung zu unterbrechen. 
Das Honigbier ist ziemlich stark berauschend, so dass ein Gelage meist mit voll- 
kommener Trunkenheit endet. Milder sind andere Gebräue, welche die an- 
sässigen Neger den Masat zum Verkauf bringen, und die aus Bananen und 
Eleusine, Mais oder Sorghum hergestellt sind. Diese unterscheiden die Masai 
nicht mit Namen, sondern nennen sie allgemein ol märua. 

Um ein Uhr nachmittags wird das Mittagessen eingenommen, nachdem 
die Männer, welche nach dem Vieh auf der Weide gesehen haben, zurückgekehrt 
sind. Nach Tisch hält man Mittagschtaf, macht ein Spielchen oder nimmt sich 
irgend eine Handarbeit (Anfertigung von Bekleidungs- oder Schmuckstücken, 
Keulen, Kürbisflaschen usw.) vor. Das Hauptspiel der Masai ist das Brettspiel 
(en dodoi, en dodo) (Fig. 8). In ein ungefähr zwei Fuss langes dickes Brett 
sind zwei in Längsrichtung neben einander laufende Reihen von sechs bis zehn 
Gruben oder Fächern eingeschnitten. Die Spielregel ist die folgende: das Brett 
. steht zwischen beiden Spielern ; jedem von ihnen gehört die ihm zugekehrte 
Reihe (ol mätua, el mätuan). Nun legt jeder in jedes Fach (chg urt6to, 'hg 




Fic.S. ('/.,). 

urtöt) seiner Reihe vier Steine (os soid, es soido). Der Spieler, welcher beginnt, 
nimmt aus einem Fach seiner Reihe die vier Steine heraus und l^t in die nach 
rechts folgenden Fächer je einen davon. Aus dem Fach, in welches er seinen 
letzten Stein l^te, und in welchem nun fünf sind, nimmt er diese und belegt 
damit wie vorher die folgenden Fächer, wobei er von seiner Reihe auf die des 
Gegners übergeht. In derselben Weise fährt er fort, bis einmal der letzte der 
aus einem Fach genommenen Steine in ein leeres Fach kommt Nun beginnt 
der Partner in gleicher Art mit dem Spiel auf seiner Reihe, um den andern 
wieder spielen zu lassen, sobald er einen letzten Stein in ein leeres Fach legte. 
Wer in ein leeres Fach der eigenen Reihe einen letzten Stein legt, nimmt diesen 
und die im Nebenfach der Reihe des Gegners liegenden für sich heraus und 
so fort bis man nach dieser Regel keine Steine mehr aus dem Spiel nehmen 
kann. Wer die meisten Steine herausgenommen hat, hat die Partie gewonnen 
und legi sich einen Point an. Als Spielmarken dienen 15 — 20 cm lange, finger- 
dicke und spindelförmige Elfenbeinstäbchen (ol alai, el ala). '} Vor dem Be- 

') wie allgemein Zahn, Stosazalin äee Elelonten, Ellenbeiu heiaal. 

U,g,l,zod=yGoO'^Ie 



— 37 — 

^nn des Spiels verabredet man, bis zu wie viel Points gespielt werden soll. 
Weiber spielen dieses Spiel nie, Krieger selten. Diese ziehen meist das cA geh^ 
('h gehen) vor, welches in ganz derselben Weise gespielt wird, nur dass auf 
jeder Seite unge^r acht Spieler nach einander je einen Gang spielen und dass 
jede Reihe 40 bis 50 Fächer hat, die nicht in ein Brett eingemeisselt, sondern 
in den Erdboden gescharrt sind. 

Wenn das Vieh von der Weide heimgekommen ist, wird wie am Morgen 
gemolken und danach das aus frischer Milch bestehende Abendessen eingenommen. 

Das Hausgerät ist recht dürftig. Ausser 2 — 3 Tontöpfen findet sich 
zunächst eine Anzahl Kürbisflaschen (Fig. 9) verschiedener Grösse: zum Melken 



F'g-9- ('/>*)■ 

das ol 6di, el odio; zum Aulbewahren der Milch das ol buguri, el burguto und 
das grössere e mala, 'malasin; zum Buttern das en diagologol und für Honig- 
bier das e' mikorokoro. Einige haben eine bauchige, andere eine schlanke 
Flaschenform. Sie sind oft mit Längsstreifen aus Rindsleder benäht, die mit 
Kaurimuscheln ') (os sigirai, es sigira) besetzt sind. Zur Herstellung dieser 
Gefassc legt man die ausgereiften und äusserlich erhärteten Flaschenkürbisse, 
das einzige Gewächs, welches die Masai bei ihren Kraalen, und zwar auf die 
Haufen von Ziegen- und Schafmist, anpflanzen, entweder in Wasser oder trocken 
auf das Hüttendach, bis ihr Inhalt erweicht, und entfernt diesen dann durch 
Stossen und Quirlen mit einem Pinsel aus Rinderschwanz (ol kidomoi). Später 
geschieht die Reinigung nach dem täglichen Gebrauch durch Ausspülen mit 
Rinderurin. Als Grund für diese eigentümliche >Reinigung< geben die Weiber, 
denen diese Arbeit obliegt, an, dass die Gefässe, mit Wasser au^espült, schnell 
übelriechend werden und die darin aufbewahrte Milch nicht wie bei der An- 
wendung von Urin gleichmässig dick wird, sondern eine Schicht Wasser absetzt. 
Da die Kürbisflaschen durch den Gebrauch bald einen säuerlich-widerlichen 
Geruch annehmen, werden sie öfter parfümiert, und zwar durch Ausräuchern 
mit Zweigen der ol orien-Akazie, wodurch auch die Milch einen dem Masai 
angenehmen Geschmack erhält. 

'j Die Schale tlpr Poripllanscli necke, Cypraca moncla, welclii" nocli lieutc an i iolcn Slolli^ii 
Linrmfrikas die Stelle des Geldes vertritt; am Nionia z. B. Iiabcii looo Kauris den Werl van 2 Kn|iii- 
z Pfsi (zum Kurswert von 1.40 Mk.) = 2.S4 Mk. 



,y Google 



_ 3ä - 

Holznäpfe (eii girä, 'ii giran) (Fig. lo), aus denen man isst, kaufen die 
Masai von ansässigen Stämmen, während sie die Honigtöpfe (ol dlul, el ululi) 
(Fig. ii) selbst anfertigen. Auf die beiden Oeffnungen einer etwa fusslangen 



Fljt. 1 







und 20 — 25 cm dicken Holzröhre bindet man je ein Stück frischer Rinderhaut, 
zieht dann das eine, nachdem es getrocknet und hart geworden ist, als Deckel 
ab und bindet diesen mit einem Riemen (erig gne, hg enda) an dem nun 
fertigen Gefass an. Kleinere und grössere Beutel (ol bSne, el bSnea) aus Rinds- 
ledcr dienen zum Aufbewahren von festen Lebensmitteln. In jeder Hütte 
findet man ferner 2—3 fusshohe, runde, vierbeinige Holzschemel (F^. 12) (ol 
origa, elorigasch), auf denen die Leute beim Essen sitzen. Der Schemel wird 
aus einem Stück gefertigt, indem man zuerst den Klotz mit der Axt roh behaut 
und dann mit dem Messer ausschnitzt. Einige Kochlöffel (eA giügo, 'n giligoni), ') 
Rührscheite für dicken Brei (ol gurtet, el gurteta), Quirle (Fig. 13), eine Axt 
(Fig. 14) (en dölu, 'n dolü) und ein paar Messer (Fig. 15) (ol alem) vervoU- 



FT 




KiR. 13. (Vs; Fig- U- Fig- 'S- C/i») 

'J Gi-biUlct nach ilcm Dschaffgaworl (riligo; die Masai haben kein eigenes Wort, da sie Löffel 
frühfr iiichl kaiiiilen. 



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— 39 - 

ständigen die Küchengeräte. Neuerdings auch Löffel, früher nur Scheite und 
Quirle, werden von älteren Leuten aus Holz geschnitzt. Der Quirl hat ver- 
schiedene Formen; manchmal besteht er aus einem Stab, an dessen unteres 
Ende ein Wirbelknochen von Ziege oder Schaf gesteckt ist Andere Formen 
bestehen aus einem solchen Stück dünnen Baumstammes, welches an seinem 
unteren Ende einen Kranz von Zweigen trägt, oder auch aus einem Stielholz, 
welches am unteren Ende in kreuzweise angebrachten Spalten zwei kurze Quer- 



hölzer trägt, Axt und Messer fertigen die Schmiede. Als Feuerzeug (Fig. l6, 
s. Seite 41} dient ein Brettchen (en däuale) aus weichem .und ein Quirlstab (ol b(ron, 
el birondo) aus hartem Holz.') Um Feuer zu machen hält einer das Brettchen 
mit beiden Händen auf dem Erdboden fest, während der andere davor kniet 
und mit dem Stab darauf quirlend die nötige Reibung erzeugt. Wenn nach 
ungefähr ',» Minute die vom Brett abgeriebenen feinen Späne rauchen, schiebt 
man etwas trockenen Rindermist heran. Sobald dieser zu glimmen anfängt, 

') BcioiidtT» von Ol liiiaiiboli (Fkui Sycomurug) Und ol iWbi'COÜ (Pluchca Dioscoridis). 

U,g,l,zod=yGoO'^Ie 



— 40 — 

legt man Reisig darauf. Brennt erst in einer Hütte das Feuer, so kommen die 
Leute aus den andern herbei, in der Hand ein Scheit Brennholz, um sich 
Feuer zu holen. Zum Hausrat gehören noch die grossen Ledertaschen (Fig. 17) 



1 




Abb. 15. Weil. 



I Gepäckbalter 



(ol benne, el bennia), welche früher nur auf Esel geladen, jetzt aber auch von 
Weibern auf dem Rücken getragen werden, ebenso wie die Ledersäcke 
(e mogage, mogageni), wenn sie zum Einkauf von Vegetabilien ausziehen. Ab 



.ydOOglC 



— 4» — . 

und zu werden die Behälter auch durch zwei täschcnartig auf einander gebundene 
Gepäckhalter (ol deretai, el dereta) ersetzt Diese haben die ovale Form eines 
Schildes und bestehen aus einem hölzernen Rahmen, der mit einem Geflecht 
von Fellriemen oder Stricken bespannt ist. Sie dienen sonst zum Halten des 
auf Esel und manchmal auch auf Ochsen geladenen Gepäcks. Matten kennt 
man nicht; an ihre Stelle treten gegerbte Rinderhäute. Auch Mörser sind un- 
bekannt. 

III. 

Engere FamilicnTcrhällnlMc. — VcnTandtichaftsbeieicbniuei:n. — Anreden der Verwandten. 

Da sich Jeder Stamm und jedes Geschlecht von einem Stammvater ab- 
leitet, betrachten sich die Stammes- und Geschlechtsgenossen als mehr oder 
weniger weitere Verwandte. Die engere Verwandtschaft bildet die Familie, so- 
wohl die eigene, als aufsteigend die des Vaters und der Mutter. Das Kind folgt 
der Familie des Vaters (Vaterrecht). Verwandte sind fiir Straftaten, Bussen, 
Schulden eines Verwandten nicht haftbar. Sie brauchen sie rechtlich weder bei 
Verarmung unterstützen, noch aus der Gefangenschaft auslösen; doch ist es ein 
so allgemeiner Brauch, dass sich ihm wohl nie jemand entzieht 

An besonderen Verwandtschaftsbezeichnungen ist die Masaisprache arm; 
die meisten derselben setzen sich aus den Worten für Vater, Mutter, Bruder, 
Schwester, Sohn, Tochter etc. zusammen. 

Vater: baba. 

Mutter: jejo. 

Andere Frau des Vaters: eAg ainji e jejo. 

Hauptfrau: e' hgorojoni kitok, d. h. die grosse Frau, oder en aitero eftg aii. 
d. h. die erste im Kraal. 

Jede weitere Ehefrau: e' Agorojoni. 

Bruder*): ot alasche oder ol alahe (PI. el alaschana oder el alahana). 

Schwester: eng anasche oder eAg anahe (PI. Ag anaschara oder Ag anahara, 
oder en didafi oder en ditafi (PI. Ag dojaA). 

Halbbruder: ol aijoni la baba (PI. el aijok la baba), oder ol aijoni l'eftg 
ainji e jcjo; ol aijoni = der Sohn oder der Knabe. 

Halbschwester: en dido (oder en dito) a baba ('n doje a baba), oder en 
dido efig ainji e jejo. 

Bruder des Vaters: ol alasche le baba. 

Schwester des Vaters: eAg anasche e baba. 

Bruder der Mutter: ol alasche le jejo. 

Schwester der Mutter: eAg anasche e jejo. 

Bruder einer andern Frau des Vaters: ol alasche '1 eAg ainji e jejo. 



•) Bruder und Scliwoster stammen ton derselben Frau, Halbbruder und HalbacUwesti 
teischiedcDen Frauen des gemeinsamen Vaters. 



=, Google 



. — 42 — 

Schwester einer andern Frau des Vaters: eftg anasche eAg ainji e jejo. 

Sohn des Vaterbruders: ol aijoni 1 ol alasche le baba. 

Sohn der Vaterschwester: ol aijoni 1 eiig anasche e baba. 

Tochter des Vaterbruders: en dido') ol alasche le baba. 

Tochter der Vaterschwester: en dido eng anasche e baba. 

Sohn des Mutterbruders: ol aijoni I ol alasche le jejo. 

Sohn der Mutterschwester: ol aijoni I eng anasche e jejo. 

Tochter des Mutterbruders: en dido ol alasche le j€jo. 

Tochter der Mutterschwester: en dido e^ anasche e jejo. 

Sohn mdnes Bruders: ol aijoni 1 ol alasche lai. 

Sohn meiner Schwester: ol aijoni t eAg anasche ai. 

Tochter meines Bruders: en dido ol alasche lai. 

Tochter meiner Schwester: en dido eAg anasche ai. 

Mein Grossvater: ol akuja lat. 

Meine Grossmutter: koko ai. 

Den Enkel bezeichnet der Grossvater als: ng akuja. 

Den Enkel bezeichnet die Grossmutter als: eft gerai efi gerai ai, d. h. Kind 
meines Kindes. 

Schwiegervater: ol abudani lai. 

Schwiegermutter: eilg abudani ai. 

Bruder der Ehefrau: ol abudani oder ol alasche le 'hgorojoni. 

Schwester der Ehefrau: es sidarii ai oder eng anasche e ftgorojoni ai. 

Ehefrau des rechten Bruders: e' ftgorojoni ol alasche lai. 

Ehefrau des Halbbruders: es sidani ai. 

Verschieden von diesen Bezeichnungen sind die Anreden unter Verwandten, 
mit Ausnahme der für Vater und Mutter, die man baba bezw. jejo anredet. 
Die weitaus meisten Anreden sind von Namen für Viehgattungen gebildet; hat 
man dem betreflenden einen Stier geschenkt, so nennt man ihn b-aiftoni, nach 
ol oiftoni der Stier; nach dem Geschenk eines Ochsen oder einer Kuh ba-ngeteh 
oder ba-'tigischu {ol geten der Ochse, en geteft die Kuh, 'ngischu das Rind) ; 
einer Kalbe ba-'n dauo (nach en dauo), eines Kalbes ba-sche oder ba-he (nach 
ol oder eftg asche); bei einem Esel ba-sigiria (os sigiria der Esel), bei einem 
männlichen Kalb ba-moiii, bei einem Ziegen- oder Schafbock ba-meregesch, 
bei einem Mutterschaf ba-ger, bei einer Ziege oder Schaf ba-ndare, bei einer 
Ziege ba-gine, bei einem weiblichen Schaf oder weiblicher Ziege, die noch nicht 
geworfen hat, ba-suben, bei einem Zicklein oder Lamm ba-lelo, bei Zwillings- 
lammern oder Zicklein, ba-mao,') Mit allen diesen Bezeichnungen können an- 
geredet werden: der Bruder vom Bruder, der Halbbruder vom Halbbruder und 

') Nicht selten hört man auch en diclo 1 ol alasrho le l^lia; das I scheint niclit als eine 
jjram mall sehe Uniegclmässigkeit, sondern als ciu <lom Wohllaut gemachtes Zageständnis aufzufassen 



=, Google 



- 43 - 

— wenn der anredende und der angeredete gleichaltrig sind — der Bruder des 
Vaters, der Sohn des Vaterbruders, der Sohn der Vaterschwester, der Sohn 
des Mutterbruders, der Sohn der Mutterschwester, der Sehn des Bruders, der 
Sohn der Schwester. Auch eng befreundete und gleichaltrige männliche Indi- 
viduen brauchen diese Anreden, sobald sie sich mit dem ersten Stück Vieh 
beschenkt haben. Das spätere Geschenk eines Stückes Vieh anderer Art ändert 
die Anrede nicht. 

Sobald der Mann eine weitere Frau heiratet, schenken ihr jedes seiner 
Kinder ein Stück Kleinvieh und nennen sie danach, ba-ger, ba-gine, ba-ndare, 
ba-suben oder ba-leto. Die Anrede fiir Schwiegervater ist immer ba-geteA, fiir 
Schwiegermutter bager, 

Bruder und Schwester nennen die Schwester und Halbschwester en eijo. 
Bruder und Schwester nennen den Bruder und Halbbruder eraijo. Anrede für 
den Bruder des Vaters: baba, den Bruder der Mutter: abula, die Schwester des 
Vaters und der Mutter: koko. Den Bruder einer andern Frau des Vaters redet 
man, wenn er alt mit. baba, wenn er jünger ist, mit seinem Namen an. Die 
Schwester einer andern Frau des Vaters ruft man, wenn sie alt ist, koko, wenn 
jünger en akitok. Letzteres (PI. 'n akttwa) ist auch die Anrede von seiten un- 
verheirateter Männer an eine Frau im allgemeinen. Der Onkel ruft den Neffen 
abula, die Nichte 'A gabulaija. Die Tante nennt beide en gerai ai ^ mein Kind. 

Für die Anrede solcher Verwandter, die wir als Vetter und Cousine im 
engeren und weiteren Sinn bezeichnen, konnte ich aus einer sehr grossen Zahl 
von Beispielen folgende Regeln konstruieren: 

I. Lässt sich die Verwandtschaft vom Vater der Mutter oder vom Ehe- 
mann der Schwester des Vaters durch Blutsverwandtschaft oder Verschwägerung 
herleiten, so nennt der Knabe den Vetter abula, Knabe und Mädchen nennen 
die Cousine en eijo vor und A gabulaija nach ihrer Beschneidung. Dieselben Be- 
zeichnungen sind gebräuchlich für (befreundete) Angehörige des Geschlechts der 
Mutter und des Ehemanns der Vaterschwester. 

z. Gründet sich das Verhältnis auf Blutsverwandtschaft durch die Brüder 
des Vaters oder auf Zugehörigkeit zum selben Geschlecht,, so wird von einem 
Knaben der Vetter arabä, von Knabe und Mädchen die Cousine 'n ei^a, sowohl 
vor wie nach ihrer Beschneidung, genannt. 

Das Mädchen nennt jeden nach einer von beiden Regeln zu ihr im Vetter- 
Verhältnis stehenden Knaben ol aischa 'Ng ai = der (mir) von Gott gegebene. 

Die Bezeichnung abula, en eijo, arabä und 'n giba sind nur so lange ge- 
bräuchhch, als nicht durch Viehgeschenke die oben erwähnten Anreden bedingt 
werden. Hieraus erklärt es sich, dass sie nur unter Kindern zur Anwendung 
kommen. Für die Anrede ol aischa 'Ng ai gilt dies deshalb nicht, weil das 
Mädchen nicht in der Lage ist, das nötige Viehgeschenk zu machen. 

Sohn und Tochter des Bruders oder der Schwester redet man, solange sie 
im Kindesalter stehen, mit na gerai ai = mein Kind an. Die Anrede für den 



ayCiOOglc 



Grossvater lautet Ag akuja, für die Grossmutter koko. Den Enkel ruft der 
Grossvater Ag akuj'ai, die Grossmutter koko ai. Schwager und Schwagerin ruft 
man mit Namen bezw. den von Viehbezeichnungen hergeleiteten Anreden. 



Khelicbe VerhSltnisae. — VeilobuiiK. — Brautstand. — BraDtpreli. — UmKehunc de» BraatpreUea 
— EhehlndnnlMe. — Hocbzelt — AnlBi^ der Ehe. — TreranDg der Ehe, 

Die ehelichen Verhältnisse sind recht locker, und in manchen Anschauungen 
darüber stehen die Masai im ungünstigen Gegensatz zu ihren sesshaften Neger- 
Nachbarn. Wie bei diesen — und zwar ohne Ausnahmen') — herrscht bei 
den Masai Vielweiberei. Die Zahl der Frauen eines Mannes ist weder durch 
Gesetz noch Brauch begrenzt, sondern richtet sich nur nach seinen Vermögens- 
verhältnissen. Wenn ein Mann nur eine Frau hat, so ist immer Armut der 
Grund. Ehen auf Zeit oder Probe gibt es nicht; die Ehe ist vielmehr ein 
festeres Verhältnis. Die Frau geht durch die Heirat in die Familie ihres 
Mannes über. 

Eine Verlobung in frühester Kindheit ist bei den Masai nicht selten, wenn 
auch längst nicht allgemein. Der Vater des Knaben wirbt in solchem Falle 
mehrere Monate nach der Geburt eines Mädchens um dieses für seinen Sohn. 
Bindend ist ein solches Verlöbnis in keiner Weise, es scheint vielmehr nur den 
Wert und Zweck zu haben, ein Freundschaftsverhältnis zwischen beiden Vätern 
zu bestärken und sich eine gegenseitige Hilfe bei Verarmung zu sichern. Es 
braucht wohl kaum erwähnt zu werden, dass es sich bei einer Verlobung in 
früher Kindheit nur um die Verlobung des Knaben mit seiner späteren ersten, 
d. h. Hauptfrau handelt. Meistens wird die Verlobung mtt der späteren Haupt- 
frau erst eingegangen, wenn der Knabe 20 bis 22 und das Mädchen acht bis 
zehn Jahre zählt. Für ersteren wirbt sein Vater bei der Mutter des Mädchens, 
nachdem der Bräutigam sich' des Einverständnisses des Mädchens selbst ver- 
gewissert hat. Sobald die Mutter dann die Einwilligpjng ihres Mannes erreicht 
hat, salbt sie den Kopf der Braut mit Butter oder Rinderfett, als Zeichen, dass 
die Verlobung angenommen und das Mädchen nun verlobt ist Als solches 
heisst es atesira. Während der Verlobungszeit kommen die Brautleute nicht 
zusammen; der Bräutigam meidet den Kraal, in welchem seine Braut lebt, be- 
tritt er ihn aber einmal, so versteckt sich das Mädchen vor ihm. Beide leben 
also vollständig getrennt von einander, und zwar in zwei verschiedenen Krieger- 
kraalen. Der Bräutigam, erst als junger Krieger (ol barnöti, el barn&t), dann 
als wirklicher Krieger (ol morini, el möran), lebt mit seinen Genossen und einer 
entsprechenden Anzahl junger Mädchen in dem einen Kraal, die Braut dagegen 
mit andern jungen Mädchen und Kriegern in einem entfernten andern. Wenn 

>) Die togeniiDDte Einehe drr Watuba^we ist praktisch Terwegeiuie Polyernie. 

U,g,,,zoo=,LlOOgIe 



— 45 — 

das Mädchen in dieser Zeit schwanger wird, so gilt dies als Schande und fiihrt 
in der Regel zur Lösung der Verlobung. Ist letzteres ausnahmsweise nicht der 
Fall, so heiraten die Verlobten möglichst schneit. Andernfalls erwartet das 
Mädchen seine Niederkunft in der Hütte einer alten Frau seiner Verwandtschaft 
und geht nach beendeter Säugezeit in einen andern entfernten Kriegerkraal, 
in der Hoffnung, dort einen Mann zu finden. Erst, wenn der Krieger des 
Kriegslebens müde ist, wenn seine Körperkräfte hinter denen der Mehrzahl 
seiner Genossen zurückstehen, denkt er daran, sich zu verheiraten, um nicht 
lange darauf das Kriegsleben mit dem beschaulichen Nichtstun des verheirateten 
Mannes zu vertauschen. Doch ehe es zur Heirat kommt, ist erst der Braut- 
preis zu bezahlen. 

Als Brautpreis (en dogitin = die Sachen, jeder Teil desselben en dogi = 
die Sache) zahlt er an den Vater der Braut zunächst fünf Töpfe Honig, aus 
welchem Bier gebraut wird, ferner noch drei Kühe und einen Ochsen. Die 
Mutter der Braut erhält ein männliches und ein weibliches Schaf. Der Ochse 
und das männliche Schaf werden bei dem am Hochzeitstag stattfindenden 
Schmaus verzehrt. Um diesen Tag herum, öfter nachher als vorher, bringt der 
Bräutigam dem Schwiegervater noch eine Kuh und der Schwiegermutter ein 
weibliches Schaf, welches noch nicht geworfen hat, worauf sich erster« g^en- 
seitig ba-geteA') nennen, während Bräutigam und Schwiegermutter sich ba-ger 
von nun an rufen. Jede nachgeheiratete Frau bekommt bei der Hochzeit von 
der Hauptfrau ihres Mannes eine Färse, worauf sich beide b'-asche nennen, vom 
ältesten Kind ihres Mannes zwei Ziegen oder Schafe, worauf Anrede ba-ndare, 
und von den kleineren Kindern von vier bis sechs Jahren aufwärts je eine 
Ziege oder ein Schaf, wodurch die Anrede ba-gine, ba-suben, ba-telo herbei- 
geführt wird. In der ersten Zeit nach der Hochzeit erhält die Schwiegermutter 
vom Schwiegersohn noch einige Töpfe Honig, Felle zur Bekleidung und Eisen- 
draht zur Anfertigung des Bein- und Armschmuckes.- In der Familie des 
Häupdings Zendeo erhält dieser, wie er mir s^e, als Brautpreis für eine seiner 
Töchter nur eine Kuh, während die Mutter des Mädchens zwei Esel, einen Bullen 
und eine Kuh mit Kalb bekommt. Seit der letzten Rinderpest kommt es nicht 
selten vor, dass ein Mann nicht in der Lage ist, den üblichen Brautpreis zu 
zahlen. Er gibt dann dem Schwiegervater nur eine Kuh und (tihrt sie an einem 
aus Gras gedrehten Tau zu ihm. Während der Bräutigam bezw. junge Ehe- 
mann die Viehgeschenke selbst überbringt, schickt er den Honig stets durch 
eine Frau. Diese ist entweder eine früher geheiratete Ehefrau, seine Mutter, 
seine ältere Schwester oder eine Frau seines Bruders. Nur wenn der Weg 
sehr weit ist, überbringt er selbst den Honig, aber nicht allein, sondern mit 
Unterstützung eines Freundes. An eine horizontale Stange, an deren Enden 
je einer von ihnen anfasst, ist der Honigtopf gehängt. Es ist nicht die Schwere 

') ^"^gl- '■ AbBchnitt III, Anreden der Verwandten. 



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_ 46 - 

des Topfes, die diese Tragweise nötig machte, sondern ein alter Brauch, über 
dessen Bedeutung ich nichts erfahren habe. Reiche Leute zahlen oft noch bis 
zu vier Kühen mehr als gewöhnlich, was dann als höchster Preis gilt, welcher 
gefordert werden darf, Schönheiten, sowie Töchter von Vornehmen, d, h. von 
wohlhabenden und einflussreichen Leuten, stehen oft über dem Durchschnitts- 
preis. Der Preis für kinderlose Witwen und für kinderlose, geschiedene Frauen 
ist derselbe wie für junge Mädchen; für eine Witwe, welche Töchter gebar, 
wird dagegen nur ein männliches und ein weibliches Rind gezahlt. Damit ihr 
Vater aber nicht zweimal den Brautpreis erhalt, gibt er vom ersten soviel zu- 
rück, wie der zweite beträgt. Für die zweite, dritte etc. Frau wird ebensoviel 
bezahlt, wie für die erste. Wird dem Bräutigam der Brautpreis teilweise ge- 
stundet, so geht die Frau trotzdem vorläufig in seinen Besitz über, und ebenso 
gehören ihm die vor endgültiger Tilgung des Brautpreises geborenen Kinder. 
Weigert er sich dann aber deünitiv, den Rest zu zahlen, so hat der Schwieger- 
vater oder die Schwiegermutter das Recht, die Tochter mit ihren Kindern gegen 
Rückgabe des bereits gezahlten zurückzunehmen. Die als Brautpreis gezahlten 
Rinder müssen einfarbig schwarz oder weiss sein. Die Braut scheidet durch 
Zahlung des Brautpreises aus ihrer Familie aus. In einigen Geschlechtern 
herrscht indes noch ein — wie es scheint — früher allgemeiner Brauch, wo- 
nach der Schwiegervater das Recht, sich in die häuslichen Verhältnisse des 
jungen Paares einzumischen, erst dann verliert, wenn ihm der Schwiegersohn 
noch ein Rind geschenkt hat. Die Verwandten des Bräutigams brauchen zur 
Zahlung des Brautpreises nicht beizutragen, tun es aber meistens, wenn es nötig 
ist. Eine Aussteuer erhält die Braut nicht, ebensowenig wie der Bräutigam 
von seinen Eltern oder Schwiegereltern ein Geschenk bekommt. Stirbt einer 
der Verlobten vor der Ehe, oder löst er die Verlobung, so wird der gezahlte 
Teil des Brautpreises zurückgegeben. Wenn der Mann die Frau verjagt oder 
die Ehe unfruchtbar bleibt, so hat dies keinen Einfluss auf den gezahlten Braut- 
preis, während ein etwaiger, noch nicht gezahlter Rest ungezählt bleibt. Ver- 
läset dagegen eine kinderlose Frau den Mann, so muss der Schwiegervater, 
wenn er seiner Tochter Aufnahme gewährt, den Brautpreis zurückgeben. Hatte 
die entlaufene Frau Kinder, so behält ihr Ehemann diese; die Eltern der Frau 
zahlen in diesem Fall nichts zurück. 

Am Tage, an welchem die Schwiegereltern den Brautpreis erhalten, gibt 
der Bräutigam dem ältesten Bruder der Braut eine Färse, jedem weiteren Bruder 
und jeder Schwester der Braut ein männliches Rind. Es ist dies nur ein 
Freundschaftsgeschenk und hat mit dem Brautpreis nichts zu tun. Austausch 
von Weibern kommt vor, bringt aber keine gültige Ehe zu stände; ebensowenig 
wie Frauenraub. Dagegen ist es nicht selten, dass das Mädchen gleich nach 
Eintritt der Heiratsfahigkeit aus der mütterlichen Hütte entflieht und zu ihrem 
Auserwählten läuft. Oft geschieht es dann, dass der Vater des Mädchens eine 
mit Stöcken bewaffnete Horde Knaben diesem nachschickt, damit es durch 



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— 47 - 

Prügel zur Rückkehr veranlasst werde. Da die Knaben auf Geheiss des Alten 
handeln, darf weder der Bräutigam, noch sonst jemand sie hindern. Um das 
Mädchen vor solchen Gewalttät^keiten ra schützen, bleibt dem Bräutigam nur 
das eine Mittel, mit ihr sofort den Kraal zu verlassen und auf ein^e Tage in 
den Wald zu ziehen. Er gibt damit zu verstehen, dass er jedem, der es noch 
wagen sollte, seine Braut von ihm zu trennen, mit der Waffe entgegen treten 
wird, und nimmt auch gleichzeitig dem Vater des Mädchens jedes weitere Ein- 
spruchsrecht Sobald das Paar im Wald ein Rind verzehrt hat, kehrt es in den 
Kraal zurück, wo es ohne weitere Zeremonien als verheiratet anerkannt wird. 
Nur die Mädchen der El magesan und El kiborön haben diese Möglichkeit zur 
Selbsthilfe nicht, denn beide Geschlechter glauben, dass ein Mädchen, welches 
ohne Erlaubnis seines Vaters zu dem GeUebten geht, um als seine Frau bei 
ihm zu bleiben, schon wenige Tage nach der Flucht sterben würde. 



Die Braut sollte früher nicht dem Stamm ihres Bräutigams angehören. 
Dies Gesetz haben indessen die Viehseuchen der letzten 20 Jahre, welche den 
Tod vieler Tausende von Masai im Gefolge hatten, etwas gemildert. Danach 
darf der Mann eine Frau heiraten, welche seinem Stamm, aber nicht seinem 
Geschlecht angehört, wobei in einzelnen Distrikten noch Voraussetzung ist, dass 
das Mädchen aus freien Stücken zu ihm kam und, von ihm erst ein oder 
mehrere Mal weggeschickt, wieder zu ihm zurückkehrte. Obwohl dies eine 
rechtlich vollgültige Ehe ist, zahlt in diesem Fall der Bräutigam oft keinen 
Brautpreis. Ferner soll die Braut nicht von dem Geschlecht der Mutter des 
Bräutigams sein, noch soll ihre Mutter dem Geschlecht des Bräutigams, oder 
ihr Vater seiner Altersklasse') (ol boror und ol adji) angehören. Die Braut 
darf nicht von einer älteren Altersklasse, oder derselben, oder der hnken jüngeren, 
als der Bräutigam sein. 

Jüngere Geschwister dürfen nicht vor älteren heiraten, erkaufen sich aber 
in der Regel von diesen die Erlaubnis zur Heirat durch Zahlung eines oder 
einiger Rinder, an deren Stelle jetzt, wo die Masai arm an Vieh sind, oft ein 
paar Töpfe Honig treten. Nicht erlaubt ist eine Ehe zwischen Milchgeschwistern; 
sie gilt als Blutschande. Femer darf der Mann nicht zwei Frauen aus dem- 
selben Geschlecht heiraten; man sieht eben in der Zugehörigkeit zum selben 
Geschlecht eine Blutsverwandtschaft, und Frauen eines Mannes dürfen unter- 
einander nicht blutsverwandt sein. 

Unerlaubt ist femer eine Ehe zwischen Angehörigen von Schmieden und 
solchen von Nicht-Schmieden. 

Witwen (eft goliai, fi goHa) oder geschiedene Frauen, welche Söhne am 
Leben haben, dürfen nicht wieder heiraten, aber mit Männern, welche der 
Altersklasse ihres verstorbenen Mannes angehören, zusammenleben. Standes- 

') Vcr^l. Kapilcl IX, lUcBfs Absi'linilU. 



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unterschied ist praktisch insofern ein Ebehindernis, als der Arme nicht genug 
Vieh besitzt, um den Brautpreis Cur die Tochter eines reichen Mannes zu zahlen. 
Der Mann darf keine weitere Ehe eingehen, bevor nicht mindestens zwei Monate 
seit seiner letzten Hochzeit verflossen sind. 



Das Hochzeitsfest legt man, angeblich einem uralten Brauch gemäss, auf 
den dritten Monatstag. Die Hochzeitsgesellschaft besteht aus den Angehörigen 
und Freunden der Brautleute und den Einwohnern des Kraals, in welchem die 
Eltern der Braut wohnen. In der Nähe dieses Kraals versammelt man sich in 
den kühlen Morgenstunden unter einem grossen Schattenbaum, wohin jeder 
der Teilnehmer etwas Ess- und Trinkbares mitbringt, ein Schaf, eine Ziege, einen 
Topf Honig, eine Kalabasse' Milch oder Honigbier. Die zur Familie der Braut 
und zu deren Verwandtschaft gehörigen Kinder treiben ein Rind des Braut- 
vaters herbei. Das Rind wird sofort für die Bewirtung der Gäste geschlachtet. 
Braut und Bräutigam sind festlich geschmückt, d. h. vor allem mit einer aus 
Rindertalg und roter Erde bestehenden Schminke am Oberkörper und Kopf 
eingerieben. Die Anwesenden sitzen in einem grossen Kreis, dessen eine Hälfte 
der Bräutigam mit den Männern, und dessen andere die Braut mit den Weibern 
und Kindern bildet, so dass sich die Brautleute einander gegenüber befinden. 
Während die Gäste den Speisen tüchtig zusprechen, dürfen die Brautleute nichts 
zu sich nehmen, weil sie davon krank würden, einen Ausschlag um den Mund 
bekämen, sondern müssen vielmehr eine Flut von guten Lehren und Rat- 
schlägen über sich ergehen lassen. Nach beendetem Schmaus und dem sich 
daran schliessend'en Tanz, der erst kurz vor Mitternacht sein Ende erreicht, 
ziehen sich alle zurück; die Braut geht mit ihrer Mutter in deren Hütte, der 
Bräutigam mit andern Kri^em zusammen in eine andere. Am folgenden Tag 
versammelt man sich von neuem zum Tanz. Heute werden nur zwei Schafe 
geschlachtet, eins davon bringt der Bräutigam, das andere gibt sein Schwieger- 
vater. Mit dem Fett der Tiere reiben sich Frauen und Mädchen Körper und 
Fellschurz ein. Nach der Mahlzeit wird die Braut dem Bräutigam übergeben, 
und beide ziehen in ihre neue Hütte, wohin die Mutter des Mannes ein kleines 
Kind aus der Nachbarschaft bringt. Der Mann nimmt ihr das Kind ab und 
setzt es seiner Frau auf den Schoss, die dem Kleinen aus einer Kürbisflasche 
Milch zu trinken gibt. Diese Zeremonie soll nicht nur den Wunsch nach zahl- 
reicher Nachkommenschaft ausdrücken, sondern man glaubt auch, dass sie die 
Wunderkraft, diese herbei zu fuhren, besitze. 

In einigen Gegenden ist es Brauch, dass die Eheleute gleich nach der 
Hochzeit zusammenbleiben und die Frau entweder am Hochzeitstag oder auch 
die folgenden fünf Tage die Hütte nicht verlassen darf. In andern zieht die 
Frau erst eine Zeitlang, zwanzig Tage bis zwei Monate, zu ihrer Mutter oder 
Schwiegermutter oder, wenn ihr Mann schon mehrere Frauen hat, zu dessen 



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- 49 — 

Hauptfrau, um in der Arbeit des Haushaltes unterrichtet zu werden und mit 
Unterstiitsung ihrer Wirtin eine eigene Hütte zu bauen. Wo ein jus primae 
noctis üblichMst — häufig, aber nicht allgemein — steht es einem oder zwei 
alten WafTengef^hrten des jungen Ehemannes zu. Wer das Jus primae noctis 
nicht gewährt, wo es beansprucht wird, wird ol aiomftni oder ol Amischo ge- 
schimpft (von a-Iöm, d. h. verweigere, gebildet). Er verweigert andern, was ihnen 
zusteht, und muss gewärtig sein, dass diese ihm io den nächsten Tagen einige 
Rinder stehlen, ohne dass er berechtigt ist, darüber Klage zu erheben. Wer 
diesen alten Brauch nicht mitmachen will, was vorkommen soll, lässt, um ihm 
zu entgehen, die Hochzeit ohne jede Festlichkeit stattfinden. Der Bräutigam 
übergibt nur den Brautpreis, worauf ihm die Braut ohne irgend welche Zere- 
monie in seine bereits fert^ gestellte Hütte folgt. Diese Wohnung liegt ent- 
weder im Kraal snncs Vaters oder in dem vom jungen Ehemann bisher be- 
wohnten Kri^erkraal und bleibt dort bis alle seine Altersgenossen verheiratet 
sind; erst dann baut sich das Ehepaar einen eigenen Kraal. 

Nachdem die Eheleute ihr Heim bezogen haben, darf die Frau dasselbe 
während der zwei folgenden Tage nicht verlassen. Es ist Brauch, dass ihr der 
Mann in diesen Tagen drei Kühe und einen Bullen schenkt und sie am dritten 
Tag dies Vieh auf die Weide begleitet, aber dort nicht verweilt. In den drei 
folgenden Ti^en tut dann die Frau noch keine Arbeit, erst am vierten Tage 
beginnt sie damit, und zwar mit dem Melken einer schlicht schwarzen Kuh. 
Nach der Erklärung der Masai ist das einfache Schwarz das Sinnbild für ruhigen 
Ernst, wogegen bunte Farben Heiterkeit und Leichilebigkeit bedeuten. Die 
Frau soll mit Ernst ihre Pflichten erfüllen und nicht, leichtlebig herumstreifend, 
diese versäumen und durch mUssigen Klatsch dem Mann Aerger bereiten. 

Wird die Ehe durch den Tod des Mannes aufgelöst, so kann die Witwe 
mit ihrem Willen in den Besitz von dessen ältestem Bruder oder Halbbruder 
übergehen; mit jenem darf sie wohl zusammenleben, während dieser sie nach 
Verlauf von drei bis vier Monaten rechtmässig heiraten kann. Beim Tod der Frau 
zahlt der Mann keine Busse. Eine Ehescheidung kann herbeigeführt werden, 
indem der Mann die Frau verstösst oder die Frau dem Mann entläuft und die 
Rückkehr verweigert. Im ersteren Fall geht der Scheidung ein Familienrat 
voraus, in dem das Oberhaupt der Familie' die Scheidung ausspricht. Die Frau 
muss dann vorläufig zu ihrer Mutter ziehen und der Mann hat das Recht, im 
Laufe der folgenden vier bis fünf Monate definitiv zu erklären, ob er die Frau 
wieder haben will oder nicht. Verlangt er ihre Rückkehr, so hat sie zu ge- 
horchen, im andern Fall darf sie sich nach Ablauf der erwähnten Frist von 
neuem verheiraten. Die Eltern müssen dem geschiedenen Mann dann den 
vollen Brautpreis zurückzahlen, wogegen dieser aber die Annahme verweigern 
darf, und zwar mit der rechtlichen Folge, dass ihm alle Kinder, welche die 
Frau noch zur Welt bringt, gehören, 



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— so — 

Eine entlaufene — nicht geschiedene — Frau suchen ihre männlichen 
Verwandten zunächst im guten und, wenn das nicht hilft, mit Prügel in G^en- 
wart des Mannes zur Rückkehr zu veranlassen, während der Mann, indem er 
die von der Frau geborenen Kinder bei sich behalt, von der Mutterliebe ihre 
Heimkehr zu erreichen hoflft. Nur in d«n seltensten Fällen soll der Erfolg aus- 
bleiben, zumal der sich widersetzenden Frau kein heiteres Los harrt Sie darf 
sich rechtmässig nicht wieder verheiraten, und wenn sie zu einem andern Mann 
zieht, um dauernd bei ihm zu bleiben, so gehören die aus diesem Verhältnis 
entstehenden Kinder dem Manne, welchen sie verlassen hat. Obgleich der 
Grundsatz gilt, dass alle Kinder dem Vater verbleiben, behält dieser fast immer 
nur die Knaben und überlässt die Mädchen der Mutter. Diese nimmt auch 
einen ev. männlichen Säugling mit und behält ihn, aber nur bis zu seiner Ent- 
wöhnung. Dann muss sie ihn seinem Vater zurückgeben. Eine Scheidung 
während der Schwangerschaft der Frau kommt nicht vor. Wollen sich zwei 
geschiedene Ehegatten wieder heiraten, so kehrt die Frau ohne jede Zeremonie 
zum Mann zurück. Eine Scheidung ist im altgemeinen ziemlich selten. Meist 
lässt der Mann die Frau, von der er sich trennen will, ruhig in einer sein^ 
Hütten wohnen, kümmert sich aber nicht um sie. Unfruchtbarkeit ist kein 
Scheidungsgrund, ebensowenig wie eheliche Untreue der Frau, ein Begriff, den 
die Masai-Ethik nicht kennt') 



SdiivanKcrsi'hafl, — VnliHltcn der Scliwangctcn and ihres ülicmannts. — Niedcrkunfl. — Fest boi 

der Geburt. — ZwillinEP. — MissRcstallctcs Kind. — Tötung Neu(teborener. — Verhalten der 

Wöclmerin. — Das Neugeborene. — Kin<lliches AJtcr. — KindcRpicle. 

Sobald sich die Frau schwanger fühlt, trennen sich die Ehegatten bis nach 
beendeter Säugezeit, die ungefar i bis i V> Jahre dauert. Ebensowenig wie der 
Ehemann, darf ein anderer Mann die Frau während dieser Zeit berühren. Die 
Schwangere legt den Schmuck, welchen sie vorher trug ab, um — wie die 
Masat diesen Brauch erklären — keine Männer anzulocken. Während der ersten 
fünf Schwangerschafts monate lebt die Frau in Speisen und Getränken wie ge- 

'J Hospiti niarilus uxorem i-omminit nociu, ilum ipi4e pernoctal eitra domum. Uxorcm liospiti 
prohibere eontumelin tractatur. Uxorcs ali<|uo tempore maritis inlcr sc matatls dormirc solent. In- 
(nnles, ijuos mniier sie riveniio eum »lio viro peperit, mnrito sunt, qaamquam ((enilorcm <|uo<]iic 
patrem H|ipcliant. 

Foetüm imnintiinim contra uaturani expellunt. quoties niulier ab alio acgrolo vcl scne leJ 
ilebili Ki^^'dn cffecta est, Remedüs in moduni potiouis utuntur. quac primis duabos mcnsibus f^- 
vlilitatU Innoxio esse dicont. Post duas graviditatis mcnses partum cispectant et neooatum occidnnt. 

Procubiti in laterc cairc solent genu superiorc fcminac viri lumbonc superposilo. Coliabilari- 
non ronsuerunt nh) noi'ie. Ail lui'em eoSuntes timent, ne vir sanguiue in vasa uioris traoslata nihil 
iiisi aiuam relcncat. 

Pueri ati|uc puellae ailhuc aetate MII — X annorum coliabitationem excrecre incipiunt. 

Impudenlia summa habetur eora mulierem flatus cmmitlcre. 



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_ 51 — 

wohnlich. Dann bekommt 3ie eine Brühe, von Lunge, Leber- und Nieren mtt 
einer ol mokotan genannten, bitter schmeckenden Baumrinde*) gekocht, und 
Milch, im letzten Monat nur diese. Die Frau soll dadurch möglichst stark ab- 
magern, damit die Geburt leichter von statten geht. Fleisch von gefallenem 
Vieh darf sie nicht essen. Der Ehemann braucht sich während dieser Zeit 
keiner besonderen Diät oder besonderen Verrichtungen zu unterwerfen, doch 
darf er nicht in den Krieg ziehen, da man glaubt, er werde unterwegs sterben. 
Kurz vor der Entbindung darf der Mann den Kraal oder dessen nächste Um- 
gebung nicht verlassen. Würde er einen verkrüppelten Menschen necken oder 
wegen seines Gebrechens verspotten, so würde das erwartete Kind mit denselben 
Mängeln behaftet zur Welt kommen. Für glückliche Entbindung betet die 
Schwangere: 'Ng ai ndaba 'ndubuggu en tiamassi*) = »Gott lass gesund heraus- 
kommen — das Ungeheuer«, wie das ungeborene Kind genannt wird. Die 
Frau kommt in ihrer Hütte nieder, die an diesem Tage nur von Frauen oder 
Mädchen' betreten werden darf. Die notwendigen Hilfeleistungen versieht oder 
leistet eine Hebamme (eh gaitoijoni, n gaitoijok). Ist das Neugeborene ein 
Knabe, so ruft die Hebamme heraus, man möge einem Ochsen Blut abzapfen 
als Kost für die Wöchnerin, im andern Falle einer Färse. Hierdurch erfahrt 
auch der Vater das Geschlecht des Neugeborenen, Während des Geburtsaktes 
rufen die Weiber, welche sich in der Hütte befinden oder um diese herumr 
stehen, mit schriller, oft klagender Stimme Gott um Hilfe und Beistand an. 
Die Geburt eines Knaben ist erwünschter, als die eines Mädchens, die grösste 
Freude aber herrscht bei Zwitlingsgeburten, besonders wenn beide Knaben sind. 
Die Frau behält dann oft nur das erstgeborene Kind bei sich, während das 
zweite von einer aadern geeigneten Frau ihres Mannes genährt wird. Dass 
eine Frau zwei Kinder nährt, ist indes keine Seltenheit. Die Zwillinge erhalten 
bald nach der Geburt eine mit Kaurimuscheln besetzte Lederschnur um den 
Hals gehängt, ein Ausdruck des Vaterstolzcs, damit jeder das Kind sofort als 
zu einem Zwillingspaar gehörig, erkennt. Die im Umkreis von zwei bis drei 
Tagesmärschen wohnenden Masai kennen sich zwar genau und sind über jede 
Neuigkeit durch den fortwährenden Verkehr zwischen den einzelnen Kraalen 
sofort unterrichtet. Jeder von weiterher kommende Masai aber fragt beim 
Anbhck eines ihm unbekannten Kindes immer zuerst: »wer ist sein Vater?« 
Drillingsgeburten sollen nicht vorkommen. Nach der Geburt eines missgestal- 
teten oder toten Kindes wird die junge Mutter von den Weibern des Kraals 
geprügelt und der Vater von den andern Männern mit Schimpfworten überhäuft. 
Die Frau wird gestraft, weil man annimmt, dass sie bei stark vorgeschrittener 
Schwangerschaft noch geschlechtlichen Umgang gepflogen und dadurch der 
Frucht geschadet habe. Dann aber gilt eine Missgeburt oder eine Totgeburt 
auch als Strafe Gottes für eine Sünde, besonders als eine solche, die sich gegen 

') Von Albiliia anlliclmintii-a. 
*) Od(T en diamassi. 



zodsyCoC^Ie 



— 52 — 

einen Verwandten, einen Geschlechts- oder Stammesgenossen richtete, sei es 
durch Zufugung eines Schadens oder Unterlassung eines Freundschafts- oder 
Liebesdienstes. Das Töten Neugeborener geben sie nur für den Fall zu, wo 
das Kind sehr schwächlich zur Welt kommt und ausserehelicb von einem alten, 
kranken Mann gezeugt war. Es kann aber kein Zweifel darüber bestehen, 
dass sie auch missgestaltete Kinder gleich nach der Geburt töten, denn man 
sieht nie Krüppel unter ihnen. 

Während des Geburtshergaags sind aus der Nachbarschaft die Weiber 
vor der Hütte der Wöchnerin zusammengeströmt, um ihr Milch oder auch Mehl 
zu bringen. Zuerst sind die andern Ehefrauen ihres Mannes herbeigeeilt, ebenso 
wie die Weiber ihrer Verwandtschaft, ihres Geschlechts oder Stammes. Der 
gute Ton fordert es von ihnen, und sie gehorchen, um sich nicht dem Spott 
und den Schimpfwortes der andern auszusetzen. Ist das Kind zur Welt ge- 
bracht, so singen und tanzen die Weiber des Kraals, um 'Ng ai fiir die glückliche 
Geburt zu danken, wofür sie vom Vater des Neugeborenen einen Ochsen *erhalten, 
den sie sofort ausserhalb des Kraals verzehren. Am folgenden Tag wird ein 
zweiter Ochse geschlachtet, zu dessen Verspeisung jeder Gast willkommen ist. 
Beim Geschlecht der El kiborön wird jeder neugeborene Knabe einem Gottes- 
urteil ausgesetzt, wodurch erwiesen werden soll, ob sein Erzeuger nicht etwa 
einem andern Geschlecht zugehört. Abends, wenn das Vieh heimkehrt, I^^ 
man das Kind in den Eingang des Kraals, damit die ganze Rinderherde 
darüber hinwegschrcite. Wird das Kleine hierbei getötet oder so schwer ver- 
wundet, dass es daran stirbt, so gilt es als Bastard. 

Die junge Mutter ist in den meisten Distrikten nicht gehalten) eine be- 
stimmte Zahl von Tagen in der Hütte abgeschlossen zu leben, sondern verlässt 
diese, sobald es ihr Zustand erlaubt, oft schon am nächsten Tag. In andern 
darf sie die ersten zehn Tage nach der Entbindung nicht aus der Hütte gehen, 
während welcher Zeit dann die Frau, welche ihr beistand, alle Arbeit fiir sie 
verrichtet. Während der auf die Geburt folgenden vier T^e dürfen aus der 
Hütte weder Feuer, noch Haushaltungsgegenstände herausgetr^en werden. Die 
Frau bestreicht während dieser Zeit ihre Stirn i^Iich mit weissem Ton. Bis 
das Neugeborene laufen kann, darf der Vater keine Speise in dessen Hütte zu 
sich nehmen und sie auch während der ersten zehn Tage nach der Geburt 
nicht betreten. Wenn er mit einer seiner andern Frauen geschlechtlich verkehrt 
hat, so darf er am folgenden Tag den Säugling nicht berühren. Stirbt die 
Mutter während der Säugezeit, so säugt eine andere Frau das Kind, wodurch 
ihre eigenen Kinder zu diesem in das als Blutsverwandtschaft geltende Ver- 
hältnis von Miichgeschwistern treten, oder man ernährt es mit Kuhmilch 
mittels einer Saugflasche. 

Das Neugeborene erhält sein LAger neben dem der Mutter, deren Leder- 
schurz ihm als Unterlage dient. Hier ruht das Kind, und zwar auf der Seite, 
nicht auf dem Rücken liegend, meist nur, solange die Mutter bei ihm sitzt und 



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— 53 — 

während der Nacht. Sonst trägt sie das Kleine mit sich herum, und zwar in 
der Regel auf dem Rücken, seltener auf der Hüfte Im Reitsitz oder auf dem Arm. 
Letztere Tragweise ist nur bei ganz kleinen Kindern, etwa während des ersten 
Lebensmonats üblich. Auch während die Mutter arbeitet, bleibt das Kind auf 
ihrem Rücken durch ihren Oberschurz festgehalten. Nur wenn das Kleine sein 
Missbehagen durch andauerndes Schreien zu erkennen gibt, reicht sie es einer 
in der Nähe befindlichen Frau zur Beruhigung oder setzt es — wenn schon 



etwas grösser — auf einen sauberen und sicheren Fleck auf die Erde. Der 
Vater trägt das Kind fast nie auf dem Arm, sondern nimmt es nur ab und zu 
einen Moment auf. Sobald das Kind schreit, auch des Nachts, reicht ihm die 
Mutter oder bei deren Abwesenheit eine andere Frau die Brust. Hilft das 
nicht, 30 sucht man das Kleine durch Schaukeln auf dem Arm oder durch 
Singen zu beruhigen oder einzuschläfern. Solch allgemein bekanntes Schlummer- 



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— 54 - 

lied ist folgendes: oh, jejai, tobolo' 1 airorie baba telai I eAg an ai kitok ai; in 
freier Uebersetzung: O, du mein kleiner Kerl, ich sage dir, wachse und werde 
gross in meinem grossen Kraal. Ein anderes Lied, das, wie die meisten Ge- 
sänge, während des Singens erst entstand und Bezug auf kürzliche Ereignisse 
nimmt, lautet ungefähr: »Was wollen denn die El mulelyan hier (zwei zum 
Stamm der El mulelyan gehörige Frauen standen in der Nähe), die der 
Wöchnerin (d. h. hier der Sängerin des Liedchens) nichts zu essen brachten? 
Die Mulelyan sind Toren, weil sie sich über die Kinder nicht freuen. In 
Zukunft wird die Wöchnerin sich in den Schatten setzen müssen, um den 
Hunger nicht so zu fühlen, oder sie wird im Kraal eines Kriegers, der aus 
einem Krieg gegen die El datua Beute heimbrachte, um Essen bitten müssen.« 
In den letzten Worten liegt insofern ein Spott, als der Bruder der einen der 
beiden El mulelyan-Frauen mit andern Kriegern zusammen kürzlich bei einem 
versuchten Viehraub von den El datua') zurückgeschlagen wurde. 

Bevor das Kind nicht mindestens zwei Jahre alt ist, wird es wohl nie ge- 
schlagen. Aber auch im späteren Alter sind Prügel sehr selten und dann nie- 
mals roh. Ohrfeigen oder Schläge an den Kopf überhaupt sind streng verpönt, 
weil sie der Gesundheit schaden könnten. Wird einmal eine Züchtigui^ nötig, 
so schlißt die Mutter — und zwar nur sie — das Kind mit dem Gürtel, den sie 
nach jeder Entbindung trägt, ziemlich milde auf die Erziehungsfläche. 

Sobald die Kinder entwöhnt sind, bleiben sie sich den ganzen Tag über- 
lassen und finden sich nur zum Essen, Trinken und Schlafen in der mütterlichen 
Hütte ein. Sie entwickeln sich schnell, sind frisch, aufgeweckt und oft recht 
hübsch, wenn ihr Gesicht nicht von eiternden Augen entstellt wird. Letzteres 
ist sehr häufig, da die unzähligen Fliegen in den Kraalen mit Vorliebe an 
Na^nlöchem und Augen der Kinder sitzen. Dass sie schnell ihre kindliche 
Harmlosigkeit verlieren, ist, wenn man sich das Leben, welches sie umgibt, 
vorstellt, nur natürlich. Indess gibt es auch eine Zeit, wo sie sich der Naivität 
noch erfreuen und sich mit kindlichen Spielen unterhalten. Kleine Mädchen 
spielen mit Vorliebe mit der Puppe oder auch »Kochen«. Eine fusslange, im 
Aussehen einer Leberwurst ähnliche Frucht von Kigelia aetiopica ist die Puppe- 
Bald wird sie auf dem Rücken getragen, bald an die Brust gelegt, dann mit 
Wasser oder Erde, an Stelle von Fett, gesalbt, oder unter der Annahme, dass 
sie schreit, in den Armen oder auf dem Rücken geschaukelt. Zum Kochen 
machen sie sich aus dem Lehm der Termitenhügel kleine Töpfchen, stellen sie 
auf drei kleine Steine und füllen sie mit Gras und Blättern, die ihre Lieblings- 
speise darstellen sollen. Daneben ahmen sie das Mahlen von Mehl nach, wobei 
sie Sand zwischen zwei Steinen reiben. Mit den Früchten von Solanum campy- 
lacanthum spielen sie zu zweien oder abwechselnd zu einem Fangball, wobei 
der, welcher den' »Ball« fallen lässt, den andern ein paar Schlucke Milch aus 

') So nciiiicn ilJc M:!sai ilio Btwohtier der Laiutsfliafl Unibugwo am SUclcmlo des Manjaia-Secs. 



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— SS — 

seiner Kürbisflasche trinken lassen muss. Knaben und Mädchen spielen auch 
zusammen »Mann und Frauc Sie bauen eine kleine, etwa fussbohe Hütte in 
der üblichen Form, und da sie selbst nicht hineinkönnen, setzen sie ein paar 
Steinchen als ihre Kinder in die Tür. Ein Haufen von den erwähnten Solanum- 
fruchten stellt ihren Besitz an Rindern und Eseln vor und ein anderer von 
kleinen Steinchen bedeutet ihre Ziegen- und Schafherde. Kleine Holzstückchen 
vertreten die Kalabassen und den andern Hausrat. Der Knabe treibt nun das 
Vieh aus, während-seine kleine Frau das Essen kocht. Dann kommt er wieder 
heim und beide essen zusammen. Während dessen überlegt man, dass die 
Weide nicht mehr gut sei, und man deshalb umziehen müsse. Doch die 
Solanüm-*EseU können die Sachen nicht tragen, weshalb man schnell an ein 
Stück trockenen Kuhdung eine Bastschnur bindet und so einen Schlitten her- 
stellt. Dann wird alles daraufgeladen und die Reise geht los. In wenigen 
Augenblicken ist der Schlitten entzwei und das Spiel zu Ende. Sind mehrere 
Knaben zusammen, so spielen sie mit Vorliebe Krieg. Man teilt sich in zwei, 
drei oder vier gleich starke Parteien und jede t>aut sich aus Zweigen ihren 
Kraal, worin auch das Vieh, wie vorher dargestellt, seinen Platz findet. Dann 
überfallen sich die Parteien gegenseitig, die eine raubt das Vieh der andern, 
diese setzt dem Sieger nach, um ihm die Beute wieder abzujagen, und so fort, 
bis ein paar zu derb angefallene Schläge das Spiel beenden und es in eine 
kleine Prügelei ausarten lassen. Kleine Knaben gehen häufig mit zugespitzten 
Stöcken, kleinen B<^en und Pfeilen auf die Jagd nach Eidechsen, Ratten und 
ähnlichem Getier. Ueber einen Erfolg sind sie dann sehr stolz und tanzen, 
singen und prahlen, wie sie es von den Kriegern sehen und hören, wenn diese von 
einem Zug zurückkommen. In den letzten zwei bis drei Jahren vor der Be- 
schneidung bildet das Lieblingspiel der Knaben ein Kampf um ein als Preis 
fiir die Sieger au^esetztes Stück Fleisch. Zwei sich g^enüberstehende Parteien 
kämpfen mit Stöcken bewaffnet darum. 

Die Geschlechtsreife tritt im Alter von ungefähr zwölf Jahren ein. 



-Vamtn. — Mänaliclic und wpibliclic Namen, — Beilculun^ <\ei Namen. — NamoDgebunc an mfinii- 
Ikhe Individuen, Feite, BeUpiele von Namen. - — Nameiigebung an weibliche Individuen, Fotte, Bei- 
spiele von Namen. 

Ein grosser Teil der heute gebräuchlichen Namen ist alten Ursprungs. 
Irgend ein tapferer Krieger oder ein angesehener Mann, den vielleicht noch 
an Greis gekannt hat oder der nur in den Erzählungen fortlebt, hat jenen 
Namen getragen, den man immer wieder von neuem Kindern oder Erwachsenen 
gibt Seine Bedeutung ist unbekannt, vielleicht wurde jener Held auch scheu 
nach einem andern genannt, ohne dass man eine Erklärung iiir Bedeutung und 
Entstehung des Namens wusste. Andere Namen leiten sich noch ab von Her- 



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- 56 - ■ 

kunft, Abstammung, Erlebnissen, — körperlichen oder Charaktereigenschaften, 
Bäumen usw. oder bedeuten Schmeicheleien oder nehmen schliesslich Bezug 
auf persönliche Liebhabereien in Speise, Kleidung, Schmuck und Waffen. Auch 
in diesen Namen lässt sich das Festhalten am Alten erkennen, da die Be- 
zeichnungen, nach denen sie gebildet wurden, heute oft gar nicht mehr ge- 
bräuchlich und auch nur noch wenig bekannt sind. Man kennt männliche und 
weibliche Namen, andere wieder werden in unveränderter Form beiden Ge- 
schlechtern gegeben. Allgemeiner bekannte, ältere Männemameri werden auch 
durch Vorsetzung der Silbe en oder eng femininisiert. Wenn Eltern die Namen 
ihrer im jugendlichen Alter stehenden Kinder brauchen, so hängen sie an den 
männlichen Namen lai, an den weiblichen ai, d. h. mein, an. Verstorbene, 
welche keine Nachkommen hinterliessen, nennt man nicht mit Namen, sondern 
sagt: der verstorbene Sohn oder die verstorbene Tochter des N. Für Zwillinge 
gibt es keine besonderen Namen. Ein mit überzähligen Fingern oder Zehen 
geborenes Kind erhält oft den Namen Nogimojik. Fragt man jemanden nach 
seinem Namen, so sieht er meist weg und lässt einen andern, bei ihm stehenden, 
antworten. 

Meist schon ehe dem Knaben die oberen Schneidezähne durchbrechen, 
spätestens aber zu diesem Zettpunkt, wählt seine Mutter einen Namen. Der 
Tag. dieser Namengebung wird oft — nicht immer — durch ein Fest, das ol 
getefi 1 en dom&no, gefeiert, wozu die verheirateten Männer und Frauen der 
Verwandtschaft eingeladen und mit Rindfleisch und Honigbier bewirtet werden. 
Zu dem Fest wird dem Kinde zum ersten Male der Kopf rasiert, ebenso wie der 
Mutter zum ersten Mal nach ihrer Entbindung. Beider Haar wird unter die 
Lagerstätte der letzteren gelegt. Die Festgesellschaft setzt sich gegen drei Uhr 
nachmittags in der Nähe des Kraals unter einen Schattenbaum in einen Kreis 
nieder, dessen eine Hälfte von den Männern und dessen andere von den Frauen 
gebildet wird. Der Täufling sitzt auf dem Schoss der Mutter, die mit den 
andern Weibern noch über die Wahl des Namens berät. Eine Nachbarin 
schlägt vor, man solle den Knaben ol gorog, d. h. der Kurze, nennen, weil er 
für sein Alter noch recht kurz sei, wogegen eine andere an die Freude erinnert, 
welche die Mutter hatte, als sie wenige Tage vor ihrer Entbindung in der 
Steppe ein Straussenei fand, und meint, man möge dem Kleinen den Namen 
Mosorik (nach e' mosorik = das Ei) geben. Nachdem die Weiber so noch 
eine Weile unter Lachen hin und her geredet haben, erhebt sich ein älterer 
Bruder der Frau und fragt sie, wie das Kind nun heissen solle, Sie nennt den 
Namen Ol oAglschu = Viehbesitzer,') den der Alte sofort den Versammelten 
verkündet, worauf diese ein Hoch auf den »Täuflinge ausbringen und »daba- 



') In dieser Bedeutung veraltet; jetzt besiiut der Xumc Ol od(>i8chu. dnsl s 
einei Riiidc<i aut der Sklaverei frel);pkauft wuiile, wohin er infolKC riiii 
■r»not fjekommeji war. 



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— 57 - 

rischori n gischu n dar^« rufen (erwerbe Rinder und Kleinvieh). Dann hangt 
die Mutter dem Kleinen eine Kette aus grossen und kleinen Perlen (es segerai, 
segera; e msttani, msitan] um den Hals. Nun steht die ganze Gesellschaft auf 
und zieht im Gänsemarsch nach dem Eingang des Kraals. Hier liegen die 
[)ornenäste, welche man nachts zum Verschliessen des Kraals in die Umzäunung 
hineinzieht. Mit kurzen stampfenden Schritten werden sie umtanzt, wobei man 
«ngend 'Ng ai bittet, er möge den Knaben gross werden lassen und einen 
starken Krieger aus ihm machen, der viel Vieh erbeutet und dann im Alter 
einen ebenso grossen Kraal, wie dieser hier ist, besitzen möge; darauf begibt 
man sich in den Kraal, wo die Männer weiter der Vertilgung von Honig- 



Abb. 17, TaMcnile Frauen. 

hier obliegen, während sich die Weiber mit Tanz unterhalten, wozu sie mit 
schriller Stimme Loblieder und Bittgebete für 'Ng ai singen. Nach dem 
Grad, welchen die Betrunkenheit der Männer und die Heiserkeit der Frauen am 
Ende eines Festes erreicht, wird sein Gelingen beurteilt. Bald nach der ersten 
Namengebung folgt die zweite, bei welcher der Knabe von seinem Vater einen 
Namen erhält, mit welchem ihn nur dieser ruft. Seltener begeht man auch 
hier ein kleines Fest. Die wichtigste Namengebung findet erst statt, wenn das 
Kind laufen kann. Bei dieser Gelegenheit bekommt der Knabe den Namen, 
welchen er während seines ganzen Lebens als Hauptnamen führt, und zwar gibt 



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- 58 - 

ihn ihm ein älterer Bruder der Mutter, oder in Ermangelung eines solchen, 
irgend ein älterer Mann ihres Geschlechts oder Stammes. Das Fest, welches 
hierbei gefeiert wird, bt ganz ähnlich wie das oben bei der ersten Namengebung 
beschriebene, aber bedeutend üppiger. Es fehlt nie. während das andere oft 
unterlassen wird. 

Seinen nächsten Namen erhält er als Krieger nach Rückkehr aus einem 
Feldzug, in welchem er einen oder mehrte Feinde getötet oder schwer ver- 
wundet hat. Im vollen Kriegschmuck, doch ohne Waflen, versammeln sich die 
Krieger gegen Abend in ihrem Kraal; sie hocken zusammen, umstanden von 
einer grossen Anzahl junger Mädchen, während diejenigen von ihnen, welche 
die Kri^ertaufe erhalten sollen, mit erstaunlicher Ausdauer, Speer und Schild 
in der Hand, Kriegstänze auffuhren. Nachdem man sich über die neuen Namen 
einig geworden ist und sie dem Betreffenden zugerufen hat, besingen sie diese 
in improvisierten Texten. Die Namen beziehen sich auf Kriegertugenden, Kriegs- 
ereignisse oder auch Trachten, welche die heute Gefeierten im letzten Feldzug 
trugen. Diese Festlichkeit wiederholt sich an jedem der nächsten vier bis fiinf 
Tage in einem benachbarten Kraal, wohin die Neubenannten mit einer Anzahl 
ihrer Kameraden und einer Menge junger Mädchen wandern. So werden die 
neuen Namen schnell allgemein bekannt und geläufig. 

Namen, welche die Mutter oder der Vater ihren kleinen Söhnen geben, 
sind ausser den vorerwähnten folgende: Kaiga = der Lange, welcher hoch hinauf 
reichen kann; LeseAga, von es segeAge'i = Eisendraht; Masagga, nach der gleich- 
namigen Landschaft; Jäkön, nach einem früheren Häuptling dieses Namens; 
Bartelito, nach der Staubwolke, welche das Vieh beim Treiben aufwirbelt: 
möge der Sohn soviel Vieh erwerben, dass dessen Staubwolke sehr gross ist; 
Ol oägoscho = Pesa, die in Ost-Alrika übliche Kupfermünze im Wert von 
zwei Pfennig. Sie war eine Zeitlang bei den Masai als Schmuck sehr beliebt 
und wurde an einem kleinen Kettchen oder an Draht im oberen Ohrrand ge- 
tragen; Lebeleb — Dicklippe. Namen, welche Knaben im Alter von vier bi^ 
fünf Jahren als Hauptnamen bekamen, sind: Lassawoi s= der Kluge; Kohoge oder 
Sabug ^ der Dicke; Narondari ^= der Ziegenmilchtnnker; Araijo oder Matanje 
= Liebling; Ngaije ^ mein Kind; Nasilani, nach einem silani genannten Baum, 
dessen Wurzeln gegessen werden; Ol eschwaga = der Herdenbesitzer; Ol (^unja 
kitok = Grosskopf; 'Lebati, nach einer gleichnamigen Landschaft; Saidim = der, 
welcher alles kann; 'Laüago = der, welcher viel Vieh erwirbt; 'Lolmesera, nach 
ol mesera = der Baobab (Adansonia digitata). 

Als Kriegernamen fand ich: Kitissia = der Tapfere; Mepanja = der Schwer- 
verwundete; JoAgai = der Magere; Ol gindigi = der Freudebringer; Ol oipuki 
= der Furchtbare, vor dem alles flieht; Marti-ol-ugaru = Löwenfellmütze; En 
diladili = grosser Speer; Sabu-e-nartga = der Geschmückte; Mogojenafiga = der 
Buntgekleidete: Meschuggo = der Schnellfüssige; Pilenanga = rotes Tuch; Ke- 
rienai^ga = weiss und rotes Tuch; Sabonjo = der Ungestüme. 



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— 59 — 

Als Verheirateter nennt sich der Mann zunächst nach seinem erstgeborenen 
Kind, Sohn oder Tochter, z. B. menje Saidim oder baba Saidim = Vater des 
Saidim, menje Lailago oder baba Laiiago =^ Vater der Lail^o, aber nur solange 
das Kind am Leben ist. Nach dessen Tod nennt er sich in derselben Weise 
nach dem ältesten lebenden seiner Kinder und so fort. Nach dem Tode seines 
Vaters und Grossvaters nimmt der ältere Mann auch deren Namen an. 

Den Namen, welchen der Knabe als Säugling bekam, führt er nur solange 
bis er den Hauptnamen erhält Im späteren Leben fuhrt er sowohl diesen, als 
auch seinen als Krieger erhaltenen Namen und auch den seines Vaters. Bald 
tritt der eine im Gebrauch mehr hervor, bald der andere. Man muss daber so 
ziemlich die ganze Familiengeschichte eines Mannes kennen, um sofurt zu wissen, 
wer mit einem in der Unterhaltung erwähnten Namen gemeint ist 

Nicht ganz so verschwenderisch, aber immer noch sehr freigebig, sind die 
Masai bei den Namen, welche ein Mädchen und Weib führt. Im Alter von 
wenigen Monaten bekommt das Mädcben von der Mutter den ersten Namen. 
Diese Namengebung wird in ganz derselben Weise gefeiert, wie sie oben bei 
der eines Knaben geschildert wurde. Trotzdem das Madeben nie selbst Vieh 
erwerben kann, ist der Wortlaut des Festspruchs auf einen weiblichen »Täufling* 
derselbe, und bedeutet hier: mögen dir deine Brüder und dein späterer Mann 
viel Vieh geben. 

Sobald das Mädchen laufen kann, erhält es einen zweiten Namen, und zwar 
von seinem Vater. Hierzu wird in einigen Gegenden ein ebensolches Fest wie 
das vorige gefeiert, in andern ein kleineres, woran nur die älteren Weiber des 
Kraals teilnehmen. Das Mädchen sitzt dabei neben seiner Mutter oder, wenn 
diese in Hoffnung ist, bei einer andern Frau seines Vaters. Nur der Vater 
ruft das Mädchen mit diesem Namen, alle andern Leute und auch die Mutter 
nennen es mit dem ersten, welcher demnach der Hauptname bleibt. Seltener 
findet man den Brauch, dass das Mädchen im Kindesalter noch einen dritten 
Namen bekommt. Wo er besteht, nennt die Mutter sowie Verwandte und 
Freunde das Mädchen mit dem ersten, der Vater mit dem zweiten und flüchtige 
Bekannte sowie Fremde mit dem dritten Namen. Auch diese dritte Namen- 
gebung wird durch ein kleines Fest gefeiert. 

Den vierten Namen bekommt das Mädchen als Frau gleich nach der Ver- 
heiratung von ihrem Mann. Nur er ruft sie damit, oder anstelle dessen auch 
einfach «meine Frau«, e' Agorojoni ai, während andere Leute sie wie früher oder 
als Frau des N. bezeichnen. Nach der Geburt des ersten Kindes wird die Frau 
nach diesem genannt, z. B. Agoto Saidim = Mutter des Saidim. Stirbt das 
Kind, so wird die Mutter wieder so genannt, wie sie vor der Geburt desselben 
hiess. Im späteren Alter nennt man sie immer nach ihrem ältesten lebenden 
Kind oder einfach Koko, d. h. Alte. 

Verfasser fand als erste Mädchennamen: Lelmuningo (nach ol murufigu 
= die Batate, SüsskartofTel) ; Lailago = die, welche gut melken kann; Siota. 



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— 60 — 

30 nennt man das Schnalzen beim Trinken von Milch, um deren Wohlgeschmack 
auszudrücken; LämSt, nach einem gleichnamigen Baum; Lendei, nach dem 
Namen einer pflaumenartigen Frucht; Kagea = Lieblingsspeise; SaAguti, vom 
Wort ei^guii = der Stock; Kidjalo = die Flinke; Sobfiga, ein Wort, dessen 
Bedeutung unbekannt ist. 

Zweite Mädchennamen sind Mamäj, zusammengezogen aus mama ai = meine 
Mutter. £A goloi ai = mein Liebling; Lamb6g = die Hellhäutige, deren Haut 
die Farbe von dunkelm Milchkaffee hat; SoAgoroi oder Songurot = die Schlaue; 
Duimet, nach einer gleichnamigen Landschaft; Gamriage, nach einem Baum 
genannt. Von unbekannter Bedeutung: Nebita. 

Dritte Mädchennamen; EAg or = die Ausfegerin, von a-or ausfegen; Leraij, 
Ol ginj6, NdebÄI, nach gleichnamigen Bäumen; Leschau, von eschau oder ehau 
= durchregnen ins Haus; En goitoi = der Weg; Batate = die Hingefallene 
(a-batat ^ fallen; a-dabatate = ich bin gefallen); Mboi, nach dem gleichlautenden 
Ruf, womit man die Ziegen und Schafe, welche sich auf der Weide von der 
Herde entfernen, zurückruft; Karau = die Dickknochige. 

Namen, welche Frauen nach ihrer Verheiratung bekamen, sind: Eftg arus' ai, 
d. h. meine Frau, welche aus der Landschaft Arusa stammt, wie die Masai die 
Landschaft Gross-Aruscha am Meruberg nennen, wo in der Hungersnot viele 
Masai Unterschlupf fanden. Eh gischoro, nach einem früheren grossen Krieger 
Ol gischoro genannt; ebenso gebildet: Eft gischon von Ol gischon. 



VII. 

Bcsclineldung der Knaben. — Zeitpunkt. — Die Besrlincidungsjaliro. Fest am Ende iJersclben. — 

BcaehncidunKStae. — Ojicration. — GcIbkc. — - Vcrliallen der Bestlinitlencn bis 2iir Heilun); iler 

Wunde. — Bcscliiieidung iler Mädchen. — Zetlpunkt. — Operation, — Verliallen ilcr Bcsehnittenen 

bis tat Hcilunj; der Wunde. 

Die Beschneidung ist nach dem Glauben der Masai durch ein Gebot Gottes 
eingeführt. Nach der Beschneidung gelten Knaben und Mädchen als Erwachsene. 
Erstere sollen beschnitten werden, sobald sie kräftig genug für die Teilnahme 
an einem Kriegszug sind, d. h. im Alter von 12 bis l6 Jahren. Etwas früher 
wird es manchmal, wenn der Knabe besonders gut entwickelt ist, etwas später, 
wenn ihn der Vater zum Hüten von Kleinvieh, in Ermangelung einer andern 
Arbeitskraft, noch nicht entbehren kann. -Am spätesten erfolgt die Beschneidung 
bei armen Söhnen armer Leute oder bei besitzlosen Waisen. Zu den von den 
beschnittenen Jünglingen abgehaltenen Flcischschmausen hat nämlich jeder ab- 
wechselnd ein Rind zu liefern; er muss es daher entweder selbst besitzen oder 
einen Vater haben, der es ihm gibt. Fehlt ihm beides, so sucht der Knabe 
durch Hütearbeit bei Wohlhabenden sich erst einen kleinen Vielistand zu er- 
werben und bleibt bis dahin noch unbeschnitten. Man nennt solche Knaben 
el oischö ii gischu. Dies Wort heisst »Viehhirtent, bedeutet aber, dass es sich 



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— 6t — 

um jemanden handelt, der das Vieh fremder Leute des Verdienstes wegen 
hütet, wie das biblische Wort Mietling. 

Die Beschneidung der Knaben ist eine öffentliche Angelegenheit und wird 
vom ol oiboni angeordnet Mit der Ausgabe sünes Befehls beginnen die 
Beschneidungsjahre ('1 ari omoratyeki '1 aijok), d. h. die folgenden vier bis 
fünf Jahre, während derer die Knaben beschnitten werden dürfen. In allen 
Distrikten halten nun die alten Männer Beratungen ab und setzen einen be- 
stimmten Tag *) für die Beschneidung der ersten Abteilung der in Frage 
kommenden Knaben fest. Ebenso werden später in den nächsten Jahren die 
Beschneidungstage, in jedem Jahr meist nur einer, für die folgenden Knaben- 
abteilungen bestimmt. Es sei hier vorausgeschickt, dass alle während einer 
Reihe von Beschneidungsjahren beschnittenen Knaben eine Altersklasse (ol borör) 
bilden und dass diese Altersklasse vom ol oiboni einen bestimmten Namen er- 
hält. Beendet wird die Beschneidungszeit dadurch, dass der ol oiboni das eA 
gebäta anordnet Es ist das ein Fest, welches von den erst für die nächste 
Beschneidungszeit in Frage kommenden Knaben gefeiert wird. Diese wählen 
ach dazu als Festplatz einen erst kürzlich erbauten Familien-Kraal, den man 
dann als eAg aä 'n aibage '1 aijok bezeichnet. Mit einer den Kriegern nach- 
geahmten Tracht geschmückt, doch ohne Waffen und dafür einen langen Stock 
in der Rechten, vei^nügen sich die Knaben mit Tanz und Gesang in der Nähe 
des Kraals. Wenn sie nach den ersten Tanz in den Kraal drängen, um die 
trocken gewordenen Kehlen mit Milch anzufeuchten, werden sie von einem am 
Eingang stehenden Alten mit Honigbier besprengt und beglückwünscht mit den 
Worten: en dobollo, en daret ijök, en dabo loscho, d. h. ungefähr: möget ihr 
noch zahlreicher werden, machet uns reich und bringt das Land zu Wohlstand. 
Während des Festes wählen die Knaben aus ihrer Mttte einen Wortführer oder 
Sprecher (ol aigwenani), dessen Aufgabe darin besteht sie in Kameradschaft 
und Korpsgeist zu erziehen. Hat das Fest zwei Tage gedauert so ziehen die 
Knaben in die verschiedenen Nachbarlandschaften, um es dort zu wiederholen. 
Auf diese Weise dauert ein eA gebäta oft einen Monat lai^. Zu erwähnen ist 
noch, dass sich zu diesen Festen sehr viele Frauen und vor allem alle bisher 
unfruchtbar gebliebenen einfinden. Erstere erscheinen teils als Mütter der 
feiernden Knaben, teils als Begleiterinnen der Unfruchtbaren, und diese wiederum 
kommen, um sich von den Knaben mit — frischem Rindermist bewerfen zu 
lassen, denn dadurch werden sie, nach einer unter den Masai allgemein herr- 
schenden Ueberzeugung, fruchtbar. In jedem der folgenden vier bis fünf be- 
scfanddungslosen Jahre ('1 ari otudunyeki '1 aijok) wird ein analoges Fest ge- 
feiert Erwähnt sei noch, dass die Rinder, deren Fleisch zur Verpflegung der 
Teilnehmer am eA gebäta-Fest dient nicht wie gewöhnlich durch einen Stich 
ins Genick, sondern durch Ersticken getötet werden. 

') Die BeichneiduDit der zum Geschlecht der El kibordn eehörigen Kiwbcn fiodet immer am 
10. T^ des Maiai-Monats statt. 



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— 62 -- 

Betrachten wir nun das Beschneidungsfest: 

Schon wenige Wochen vorher sieht man die Knaben, mit mögtichst viel 
Schmuck behängt, im eigenen und den Nachbarkraalen täglich tanzen und singen, 
wodurch sie ihre Freude ausdrücken, bald in den bevorzugten Stand der Krieger 
eintreten zu dürfen. Am Tage vor der Operaiion wird dem Knaben der Kopf 
rasiert und das Haar unter das Lager der Kinder in der mütterlichen Hütte 
geworfen. Der Knabe legt Fellumhang und Schmuck ab und bekleidet sich 
mit einem langen, bis auf die Füsse reichenden Lederschurz {ol gell, el gelini], 
den ihm hierzu seine Mutter gefertigt hat. Am folgenden Tag finden sich alle 



Abb. i8. Masaiknabeu. 

ZU beschneidenden Knaben an einem von den drei bis vier jedesmal nötigen 
Operateuren gewählten Platz in der Nähe eines Kraals vor Sonnenaufgang ein. 
Gleichzeitig versammeln sich dort auch die Krieger, um der Operation beizu- 
wohnen. Da dieselbe sehr schmerzhaft ist, wählt man die kühlste Tageszeit. 
Die Knaben begiessen sich, um unempfindlicher zu werden, gegenseitig mit 
kaltem Wasser. Die Operation, welche berufsmässig von alten Männern, be- 
sonders Wandorobbo ausgeführt wird, ist folgende: 

Cuti externa penis retracta et lamella interna praeputH proxima retro 
glandem cultro in circuitu secata, recumbtt glans in tegmine elongato, quod 



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- 63 - 

deinde supra inciditur, quo gUns pervaderetcr. Pellis quae hoc modo infra 
glandem longe depeodet, dimidia pars aufertur residuaque intra XW dies con- 
crescit et post sanationem tamquam uvula apparet. *] 

Als Instrument dient ein fingerlanges, spitzes und zweischneidiges Messer. 
Der Knabe sitzt während der Operation mit gespreizten Beinen auf dem auf 
die Erde au^ebreiteten Lederschurz. Nach derselben wird der verwundete 
Teil mit Milch gewaschen, die zusammen mit dem verlorenen Blut im Schurz 
aufgefangen, vom Beschnittenen, der dabei rückwärts schreitet, in die Hütte der 
Mutter getragen und dort auf den Erdboden ausgeschüttet wird. Ein Mittel 
zur Blutstillung wird nicht angewendet. Die Eltern des Knaben bleiben während 
der Beschneidung selbst in ihrer Hütte, denn wenn dieser vor Schmerz stöhnt 
oder schreit, werden sie von den versammelten Kriegern mit Schimpfwarten 
und Schlägen dafiir bestraft, dass sie ihren Sohn nicht zu der für einen Krieger 
nötigen Abhärtung und Selbstbeherrschung erzogen haben, während man noch 
lange nachher den Schwächling eblryo oder törßnS = der Schlechte schimpft. 
Nach der Beschneidung versammeln sich alle Männer der Nachbarschaft im 
Kraal, wo sie von den Vätern der eben Beschnittenen mit Fleisch und Honig- 
bier bewirtet werden, nachdem letztere ein Feuer aus Wacholderreisern (Juni- 
perus procera) ai^;eziJndet haben. Das Fest heisst ol ogör 1 el aijok amerätc, 
d. h. das Fest der beschnittenen Knaben. Unglaubliche Mengen rohen oder 
halbgaren, am offenen Feuer gebratenen Fleisches werden in kürzester Zeit von 
den verheirateten Männern und den Weibern verschlungen, wogegen die Krieger 
neder Fleisch essen, noch Honigbier trinken, sondern nur etwas frische Milch 
zu sich nehmen. Man scherzt und lacht, und jeder scheint den andern über- 
schreien zu wollen. Die Krieger prahlen mit angeblichen Heldentaten bei 
früheren Kriegen und besprechen die Aussichten der heute Beschnittenen bei 
ihrem ersten Kriegszug, der sie vielleicht in diese oder jene Gegend führt, wo 
sie selbst erst vor einiger Zeit eingefallen sind. Die Väter träumen von 
kommenden Heldentaten ihrer Söhne und sind glücklich im Gedanken an die 
reiche Beute, durch welche die angehenden Krieger die väterlichen Herden ver- 
grössem werden. Plötzlich verfinstern sich die Blicke einiger eben noch 
Scherzenden und wenden sich auf eine entfernte Hütte, an deren Tür ein ein- 
samer alter Mann sitzt. Sie springen auf und gehen mit hastigen Schritten auf 
ihn zu. Dem wütenden Ausdruck ihres Gesichtes entsprechen die rauh und 
kurz ausgestossenen Schimpfworte und Drohungen, aus denen man die Vor- 
würfe hört, dass der Alte seinen Sohn zu einem weichlichen Feigling erzogen 
hat, der bei der Beschneidung seinen Schmerz durch Zucken der Gesichtamuskeln 
und einen halbunterdrückten Seufzer verriet, den sie aber höhnisch mit dem 
Schmerzgebrüll eines Stieres, welcher geschnitten wird, vei^leichea. Der Alte 

') Es »ci noch folgciidcä liier orwälint: Ut dccisj (titciimiisl) lidcaiilur pacri intcriiani glandpm 
SDCCD hcrbae Kaphorbiarum gcnerc, nomine lol jugi>, oblinunl. Glans tamtKca* prolübct, nc 
pntrputiani prolabniur. 



=, Google 



- 64 - 

hat sich vor ihren Verwünschungen schnell in seine Hütte geflüchtet, und seine 
Angreifer lassen ihre Wut an zwei stehen gebliebenen Kürbisflaschen mit Honig- 
bier aus, die sie umwerfen und zertreten. Damit wollte der nun Geschmähte 
heute auch Gäste bewirten, doch keiner kam zu ihm, dessen Sohn sich als ein 
törönö zeigte. Während die alten Leute, so lange etwas Ess- und Trinkbares 
vorhanden ist. nur dafür Sinn haben, fangen die Krieger mit den jungen Mädchen 
schon am frühen Nachmittag an zu tanzen und zu singen, und unterhalten sich 
30 bis in die Nacht hinein. Erst gegen zehn Uhr ziehen sie wieder nach ihrem ' 
Kraal, wohin ihnen gleich darauf die Mädchen, nachdem sie sich noch etwas 
Milch erbeten haben, die sie ihren Liebhabern mitnehmen, fo^en. 

Die beschnittenen Knaben sind bald nach beendeter Operation in die 
Hütten ihrer Mütter gegangen und bleiben dort sieben Tage, bis eine ober- 
flächliche Heilung der Wunde eingetreten ist. Um dies zu beschleunigen, 
werden sie besonders gut verpflegt und erbalten nur Milch, Blut und Fleisch. 
Während der folgenden Zeit, bis zur vollständigen Verheilung durchstreifen sie 
in kleinen Trupps mit Pfeil und Bogen ~ sie benützen nicht die gewöhnlichen 
Bogen, sondern nur etwa halb so lange, nur flir diese Gelegenheit angefertigte; 
die dabei gebrauchten Pfeile tragen an der Spitze eine Wachskugel — Steppe 
und Wald, um kleine Vögel zu schiessen, deren Bälge sie mit den Schnäbeln 
auf eine Schnur reihen, die sie kranzartig um Stirn und Hinterkopf legen. 
Zwischen die Vogelbälge stecken sich die es sibolio (S. os siboli) — so heissen 
die Neubeschnittenen während der Genesung — noch an jede Kopfseite eine 
Straussenfeder und bestreichen ihr Gesicht mit weissem Ton (en doroto). Am 
ersten Ausgangstag schlachten sie in der Steppe einen weissen Ziegenbock. 
Nachdem sie sein Fleisch geröstet und gegessen haben, werfen sie die ab- 
genagten Knochen ins Feuer. Dieses Mahl beisst ol gtne 1 ol benek (ol glne 
= der Ziegenbock, ol benek heisst der Baum, mit dessen Zweigen sie das 
Feuer machen). Jeden Abend kehren sie nach den Ausflügen in den Kraal 
und in die Hütte der Mutter zurück. 



Sobald das junge Mädchen, welches bisher im Kriegerkraal in un- 
gebundenster Freiheit lebte, aus gewissen Anzeichen schliesst, dass es im Begriff 
ist, sich zum Weibe zu entwickeln, kehrt es in die Hütte seiner Mutter zurück. 
Sind mehrere Mädchen des Kraals in derselben Lage, so verabreden die Mütter 
einen bestimmten Tag,*) zu welchem sie dann eine im Beschneiden erfahrene 
alte Frau bestellen. Andernfalls wartet man noch einige Wochen; vielleicht 
findet sich doch noch ein Mädchen bereit, da die erwähnten Anzeichen nicht 
unbedingt abgewartet werden brauchen, oder wenn etwa eine Knabenbescfaneidung 

*) Die Bcschneidong der lum Geschlecht ilcr El kiboröii gcliörigcu Mädclicn findet immer am 

14' Tag des M.iüai-Monals statt. 



=, Google 



- 65 - 

kurz bevoräteht, wartet man diesen T:^ ab. Geteilter Schmerz ist halber 
Schmerz und eine gewisse Zimperlichkeit gehört auch bei den braunen Masai- 

mädchen zum guten Ton. Die 
Beschneidung von Knaben und 
Mädchen an einem Tag findet an 
verschiedenen Orten statt, und 
während in die Nähe des Knaben- 
platzes kein weibliches Wesen 
kommen darf, so darf auch kein 
Mann oder Knabe die Hütte be- 
treten, wo in Anwesenheit der 
Mutter die Tochter beschnitten 
wird. Am Tage vorher hat man 
dieser den Kopf rasiert und das 
Haar unter das Lagerfell geworfen. 
Sie hat allen Schmuck abgelegt 
und sich mit einem langen Schurz 
(ol gCla, el gelani), den die Mutter 
hei^erichtet hat, bekleidet Diese 
ist jetzt bemüht, die in Frage 
kommenden Teile mit kaltem 
Wasser unempfindlicher zu machen 
und spricht dabei dem mit klopfen- 
dem Herzen auf der Erde sitzenden 
Töchterchen Mut zu. Die Ope- 
ration ist ein einfaches Ab- 
schneiden der Clitoris und wird 
mit einem geschärften Stückchen 
Eisenblech (ol moronja), wie man es zum Rasieren des Kopfes verwendet, aus- 
geführt. Darauf wird die kleine Wunde mit Milch gewaschen, die, zusammen 
mit dem vergossenen Blut, in den Erdboden einsickert' Ein blutstillendes Mittel 
wird auch hier nicht angewendet. Bis zur vollständigen Heilung bleibt das 
Mädchen als es siboli (PL es sibolio) in der Hütte der Mutter. Anstelle der 
Vogelbälge und Straussenfedern, welche die Knaben anlegen, trägt es einen 
aus Gras geflochtenen Ring (ol märisian) um die Stirn, in den es vorn eine 
Straussenfeder hineinsteckt, und bestreicht ebenso wie jene das Gesicht mit 
weissem Ton. Am Beschneidungstag veranstalten die Weiber des Kraals unter 
sich ein Festessen, wozu der Vater des Mädchens ein Rind gibt und die Mutter 
Konigbier gebraut hat. Sobald der Brauügam des es sietigiki (PI. es sieägikin) 
— dies ist der Titel für ein beschnittenes Mädchen und fiir eine junge Frau — 
erfahrt, dass es wieder gesund ist, bringt er ihrem Vater den letzten Rest des 
Brautpreises, wonach der Hochzeit nichts mehr im Wege steht. 

Mcilier, MauL S 



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■ ^ , _ 66 — 

Die oben erwähnten, für die Knaben geltenden beschneidungslosen 
Jahre kommen für die Beschneidung der Mädchen, wie dies ja auch in 
der Natur der Sache liegt, nicht in Betracht; diese dürfen vielmehr jederzeit 
beschnitten werden. 



Halberwachsenes Moinimäitchen. 



Allcrsaluieii. -~ Bezeiclinung der AiiRcliöriKPti 'Icr verschiedenen Allcrssiufcii beider Gesell Icchtcr, — 
Die ilurcli die Zugehörigkeit zu einer Altersstufe bcdiiiB'cn Anreden bei männlichen, weiblichen, so- 
wie männlichen und weiblichen Individuen unter einander. 

Wie bei fast allen kulturarmen Völkern, so wird auch bei den Masai dem 
einzelnen Individuum im allgemeinen durch die Altersstufe, der es zugehört, die 
soziale Stellung zugewiesen. Dass sich dies am deutlichsten im Leben des 
Mannes zeigt, erklärt sich schon daraus, dass er der um setner selbst willen 
lebende Herr ist; tief unter ihm steht das Weib, welches erst durch seine 
Arbeitskraft für ihn und durch seine Fähigkeit, Kinder zu gebären, eine Existenz- 
berechtigung hat. 

Bis zur Beschneidung gilt das männliche Individuum als Knabe (ol aijoni, 
el aijok), während der Vorbereitung zur Beschneidung und bis nach Heilung der 



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- 67 - 

Wunde heisst er os siboli (P. es sibolio). Danach wird er im Zeitraum von 
etwa zwei Jahren ins Kriegerleben eingeführt und während dieser Epoche ol 
bamoti (P. el barnot) genannt Ist diese Lehrzeit, in der sich Unbesonnenheit 
und Jugendübermut austoben wollen, überstanden, so wird er als vollgültiger 
Krieger ol morini (P. el m6ran) geachtet. Als solcher verbringt der Masai 
seine »besten Jahre*, bis er im Alter von 28 — 30 Jahren aus dem Kriegerstand 
scheidet, um sich zu verheiraten und bis an sein Lebensende als ol möruo (el 
luoruak) eine in seiner Lebenserfahrung und seiner Vater- oder vaterähnlichen 
Stellung, die er seiner engeren und weiteren Umgebung gegenüber einnimmt, 
begründete Hochachtung und Wertschätzung zu genicssen. 

Ein weibliches Individuum gilt bis zu seiner Beschneidung als Mädchen 



(en dttö, n d6je), hcisst während der Beschneidung bis zur Heilung der Wunde 
es siboli (P. es sibolio); danach nennt man sie erst e siengiki {P. siengikin), 
nach Beginn der Menopause 'n akitok (P, n akitwa) oder en daAgiie (P. n dangilSn), 
welch letzteres Wort früher auch oft anstelle von e' Agoroj'oni = Ehefrau ge- 
braucht wurde, während man es jetzt in dieser Bedeutung nur selten hört. 
Sobald ihr Haupthaar ergraut, helsst sie Koko = Greisin. 

Die Beziehungen zwischen Altersstufe und sozialer Stellung sollen später be- 
sprochen werden. Hier seien zunächst die Anreden erörtert, welche zwischen 
Angehörigen der gleichen und der verschiedenen Altersstufen üblich sind und 
— wenn nicht eine Verletzung oder Beleidigung beabsichtigt ist — gebraucht 
werden r 



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Die Anreden zwischen männlichen Individuen: 
oi aijoni an oi möruo: ol bayan, 
ol barnoti aa ol moruo: ol bayan, 
ol moräni an ol ni6ruo: ol bayan, 
ol moruo an ol möruo: ol mönio. 



Acltcrp Mfiani>r. 



Abb. 23. Mnsiiimäilchca vom ( 

Ol aijoni an ol mordni: 16 moräni, 
ol barnoti an ol moräni: £rö, 
ol moräni an ol moräni: &rö, 
ol möruo an ol moräni: '1 aijoni. 



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- 69 - 

Ol aijoni an ol banioti: IS moräni, 

ol barnoti an ol barnoti: trö, 

ol morini an olbaraoti: Srö, wenn geringer 
Altersunterschied, 

o! mordni an ol barnoti: ot barnoti, wenn 
grösserer Altersunterschied, 

ol mönio an ol barnoti: '1 aijoni. 

Ol aijoni an ol aijoni: &rö, 

ol barnoti an ol aijoni: Srö, 

ol morini an ol aijoni: '1 aijoni, 

ol moruo an ol aijoni: '1 aijoni. 

En dttö an koko: koko, 

es steAgiki an koko : j^jo (= Mutter) oder koko, 

koko an koko: eAg aini ai, was besagt, dass 
die beiderseitigen Ehemänner demselben ol borör 
oder ol adji angehören. 

En dttö an es sieAgiki: n akitok, 

es sieAgiki an es si^Agiki: 'sieAgiki, wenn nur geringer Altersunterschied, 

es sieAgiki an es si^Agiki: j6jo, wenn grösserer Altersunterschied, 

koko an es si^Agiki: na gerai (= Kind). 

En dtCÖ an en dttö: nairo, 

es sie^ki an en dttö: na gerai, 

koko an en dttö: na gerai oder na gerai ai (= mein Kind). 

Ol aijoni an koko: koko oder jijo, 

ol barnoti an koko: koko, j^jo oder 'n akitok, 

ol mor&ni an koko: koko, j^jo oder 'o akitok, 

ol moruo an koko: eA gorojoni, wenn geringer Altersunterschied, 

ol möruoaokoko: koko oder 'n akitok, wenn grösserer Altersunterschied. 

ol aijoni an es sieAgiki: 'n akitok, 

ol barnoti an es sieAgiki: 'n akitok, 

ol moräni an es sieAgiki: 'n akitok, 

ol möruo an es sieAgiki: eA gorojoni. 

Ol aijoni an en dltö: nairo, wenn geringer Altersunterschied, 
ol aijoni an en dltö: naito, wenn ersterer bedeutend jünger ist, 
ol barnoti an en dftö: naJro, 
ol moräni an en dttö: nairo, 
ol müruo an en dftö: na gerai. 

En dttö an ol aijoni: irö, wenn nur geringer Altersunterschied, 
en dttö an ol aijoni: 'I aijoni, wenn grösserer Altersunterschied, in diesem 
Fall ruft das Mädchen meist spöttisch n änguint = Knirps, Stift, 



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— ^o — 

es siengiki an ol aijoni: Srö oder 'I aijonj, wenn geringer Altersunterschied, 

es sieftgiki an ol aijoni: na gerai, wenn letzterer bedeutend jüi^er ist, 

koko an ol aijoni: na gerai oder na gerai ai. 

En dUö an ol bamoti: ol barnoti, wenn geringer Altersunterschied, 

en dttö an ol barnoti: \t moräni, wenn letzterer bedeutend älter ist, 

es siehgiki an ol barnoti: ol barnoti, wenn geringer Altersunterschied, 

es sieAgiki an ol barnoti : na gerai, wenn letzterer bedeutend jünger ist, 

koko an ol barnoti: na gerai oder na gerai ai. 

En dltO an ol moräni; l£ morint, 

es sieiigiki an ol morini: Name, wenn geringer Altersunterschied, 

es siengiki an ol moräni: na gerai, wenn letzterer bedeutend jünger ist, 

koko an ol morini: na 'gerai oder na gerai ai. 

En dttö an ol mönio: bäbä, 

es siengiki an ol moruo: bäbä, oder ol möruo, wenn dieser ungePähr 
ebenso alt ist, wie ihr Ehemann, 

koko an ol möruo: ol möruo. 

Freunde reden sich oft mit ol djore lai oder ol jerai ^ mein Freund an. 

Anstelle der Anrede 'n akitok sagt ein ol barnoti oder ein ol morini zu 
einem es siehgiki, welches er von Jugend auf kennt 'sieftgiki oder es sieAgiki, 
während ein ol moruo im gleichen Fall die Anrede naito braucht. Die Anrede 
»'n akitok* für ein es siäfigiki ist höflicher als >siefigiki<, letztere wäre, einem 
fremden es siengiki gegenüber gebraucht, geradezu frech und grob.*) Die ver- 
altende Anrede en dagile, für ein 'n akitok gebraucht, gilt heute vielfach als 
geziert höflich. 

IX. 

Altersk lasse». — Die Jalir(pinge einer Altersklasse. — AUersklassenverband. — Orpmisalion der Be- 

s.lmitlenen. — Walil des Sprechers und des ol aunoni; ihre TStigkcit. — Fest bei der Bildung dacs 

Altersklasserivcrband«. — Bedeutung der Altenklassen, — Teilung einer Altersklasse. . — Namen lOD 

Altersklassen. 

Alle während einer Reihe von Beschneidungsjahren beschnittenen Knaben 
gehören einer Altersklasse (ol borör) an. Innerhalb derselben bilden die Knaben, 
da sie in jährlichen oder etwas grösseren Zwischenräumen beschnitten werden, 
abteilungsweise Jahrgänge. 

Der erste Jahrgang einer Altersklasse sind die el jang£n öblr; auf sie folgen 
die el bariAgo-duallan; der jüngste Jahrgang der in den Beschneidungsjahren 
Beschnittenen sind die el gerimbot. Auf ihn folgt noch ein vierter, die el 
oirogua. Diese sind erst beschnitten worden, nachdem durch die vom ol oiboni 
angeordnete Feier des efi gebäta-Festes die Beschneidungsjahre offiziell ge- 

') St eilen weise hat das Wort es siengiki auch <lie Bedeutung lEhefiau«; so hörte Ich vor- 
seil i eil entlieh, dass eine junge Frau einem zur Anwenilun^ jener Bezeichnung nicht Berechtigten . als 
er sie gebrauchte, unfreundlich larlcf: sieh bin nicht dein es sigügiki.« 



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— 71 — 

schlössen sind. Wer nach diesem Fest noch beschnitten werden will, darf das 
erwähnte Fest nicht mitfeiern, andernfalls ist seine Beschneidung nicht zulässig. 
Je zwei Altersklassen bilden zusammen einen Verband, indem die ältere 
als die rechte Beschneidung (e mor at ertatenne], die jüngere als die Unke 
Beschneidung (el mor at ekedienje) bezeichnet wird. Jede von ihnen hat be- 
stimmte Vorschriften, die ihr das Aussprechen gewisser Worte oder den Genuss 
gewisser Speisen verbietet. Die e mor at ertatenne dürfen weder Kopf- noch 
Schwanzstück von geschlachtetem Vieh essen und sagen nicht eüg ail en dare 
für Ziegenkraal, sondern e merata en dare; sie s^en femer für Kopf ol ogunja 
und nicht ol ukui^gu, und für Schwanzstück nicht ol gorom. sondern en aisuba. 



CG.Schilluiftphot. 

Abb. 2$. Krieffor. 

Die andern dürfen weder Kürbis noch Gurken gentessen und sagen statt e sajÄt 
fiir Pfeilgift en duerai. Eine Beleidigung, die oft zu sofortigen Tätlichkeiten 
fuhrt, ist es, wenn der eine die dem andern verbotenen Dinge, die en dorotj 
heissen, in dessen Gegenwart tut bezw. sagt. 

Einzuschalten ist hier, dass die Mädchen, welche in der Zeit vom Beginn 
einer Reihe von Beschneidungsjahren bis zum Beginn der nächsten Reihe be- 
schnitten worden sind, zu der Altersklasse gezählt werden, zu welcher die inner- 
halb der gleichen Periode bis zum en gebäta-Fest beschnittenen Knaben rechnen. 

Solange die Angehörigen einer Altersklasse noch dem Kriegerstand an- 
gehören, haben die in jeder Landschaft wohnenden ihr eigenes Oberhaupt, den 



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— 72 — 

Sprecher (ol aigwenani), dem wir im Kri^erkraal wieder begegnen werden. 
Sind aber die zu einem ol borör gehörigen sämtlich verheiratet, so erhalten 
sie für den ganzen Distrikt ein Oberhaupt, den ot aunoni, dem nicht nur die 
Leute seiner Altersklasse, sondern auch die aller jüngeren Altersklassen zum 
Grehorsam verpflichtet sind. Sache des ol oiboni ist es, es so einzurichten, dass 
in jedem Distrikt nur einer diesen Rang bekleidet. Die Verhandlungen wegen 
seiner Ernennung beginnen schon, ehe alle ol borör-Genossen aus dem Krieger- 
stand geschieden sind. Die Sprecher des Distrikts begeben sich zum ol oiboni 
und tragen ihm ihre Bitte vor. Nachdem dieser eine Weile an den Steinchen 
seines Orakelspiels at^ezählt hat, bestimmt er, dass der N., der Sohn des M., 
ol aunoni werden soll. Diese Sitzung ist geheim, und die Sprecher haben die 
Pflicht, auch ihr Ergebnis vorläuflg noch geheim zu hatten. Ol aunoni kann nur 
ein Mann werden, der sich durch Körperschönhett, tadellosen Bau, Kraft und 
Gesundheit auszeichnet. Nachdem die Sprecher wieder in ihre Landschaft heim- 
gekehrt sind, rufen sie alle dortigen ol borör-Genossen zusammen ufid ziehen 
mit diesen wieder zum ol oiboni. Dort wird dann eine sehr grosse Hütte (os 
si^ra otunigi) gebaut Ist sie fertig, so ziehen die Sprecher eine Anzahl 
Krieger ins Vertrauen und s^en ihnen, wer zum ol aunoni ernannt ist Dann 
versammeln sich alle in der Hütte, in deren Mitte ein neuer, sauber geschnitzter 
Holzschemel steht, zu dem von den Wissenden der Ernannte unauflallig hin- 
gedrängt wird. Sobald dies gelungen ist, drücken ihn einige der Umstehenden 
auf den Schemel nieder, andere legen ihm eine Schnur aus blauen Ringperlen 
{ii gonoAgo) um den Hals, binden ihm den sptraligen Ohrscbmuck aus Messing- 
draht (e surudia), wie ihn alte Männer und Frauen tragen, in die Ohrläppchen, 
nehmen ihm den kurzen Fellschurz (e megiti) der Krieger ab und hängen ihm 
dafür den langen der Verheirateten (das ol gela 1 ol moruak) um. Zum Schluss 
bringen alle Anwesenden ein Hoch auf den neuen ol aunoni aus und rufen 
tadarawä jo ijök eA gischon, d. h. bleib arm, bring uns Glück. Die Masai be- 
haupten allgemein, dass jeder ol aunoni arm bliebe; wenn er Vieh in seinen 
Kraal stellen würde, so würde es bald sterben, seine Weiber gebären nur wenig 
Kinder, Wohlstand bleibt ihm versagt Aber er hat ihn auch nicht nötig, denn 
jeder ihm unterstehende Mann ist verpflichtet, dem ihn besuchenden ol aunoni 
einen fetten Ochsen und Milch zu geben. Daher ist er fortwährend auf Besuchs- 
reisen, wodurch es auch erklärlich wird, dass er es weder zu grossem Vieh- 
besitz, noch zu zahlreicher Nachkommenschaft bringt. In seinem Kraal fehlt 
der Herr, welcher die Weiber zur Arbeit anhält und diese wiederum haben ja 
auch keine Veranlassung, zu arbeiten, denn durch die Geschenke, welche ihrem 
Mann zufallen, herrscht immer Uebcrfluss an Lebensmitteln. 

Nach beendeter ol aunoni-Feier wandern die andern ol borör-Genossen 
wieder nach Hause und feiern ein langes Fleischessen (ol bul), worauf sie in 
der Regel zu einem Knegszug ausziehen, während der ol aunoni selbst nach 
seinem Kraal zurückkehrt und dort bleibt 



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— 73 — 

Die Haupttätigkeit des ol aunoni besteht darin, die Leute seines Distrikts 
zusammenzuhalten und vor einer Zersplitterung, die den Masai mehr oder 
weniger verhängnisvoll werden könnte, zu schützen. Anbss hierzu bieten so- 
wohl die fortwährenden Eifersüchteleien und Reibereien der Krieger der ver- 
schiedenen Landschaften, die z. B. auch nicht selten zu gleicher Zeit zwei 
Kriegszüge planen, anstatt sich zu einem zu konzentrieren, als auch der kurz- 
sichtige Eigennutz vieler älterer Männer, die geneigt sind, bei der Auswahl 
neuer Weideplätze nur an die Güte der Weide zu denken, anstatt auch damit 
zu rechnen, ob die Krieger in der Lage sind, den gewünschten Platz vor feind- 
lichen Angriffen zu schützen. Ein Erfolg des Feindes trifft nicht nur den, der 
sein Hab und Gut dabei verliert, sondern ist eine Schmach fürs ganze Volk. 
In solchen Fällen spricht der ol aunoni ein Machtwort: Wer ihm nicht gehorcht, 
dem wird von den andern die Autorität des ol aunoni, in der Regel durch Prügel, 
klar gemacht Ausser dieser Tätigkeit gilt der ol aunoni erforderlichen Falls aU 
Vermittler zwischen den Leuten seines Distriktes und dem ol oiboni und wird 
manchmal auch in Rechtsstreitigkeiten um seine Entscheidung gebeten, doch 
da er in diesem Fall sich weniger von Rechtsgrundsätzen, sondern vielmehr 
von politischer Klugheit leiten lässt, kann man ihn eigentlich nicht als richter- 
liche Instanz bezeichnen. Die Vermutung, dass der ol aunoni auch in Sachen, 
welche sich auf den Kultus beziehen, etwas zu sagen habe, oder Zauberamulette 
herstellen könne, liegt nahe, trifft aber nicht zu. 

Wir haben oben gesehen, dass je zwei Altersklassen einen Verband bilden. 
Sind die Angehörigen dieses Verbandes alle längst verheiratet, so bindet sie 
der ol oiboni noch enger, indem er beiden Altersklassen, von denen — was 
vorauszuschicken ist — jede ihren eigenen Namen hat, einen gemeinsamen 
Namen verleiht. Dies geschieht beim ol Aeh*r-Fest. Hierzu versammeln sich 
alle Männer des Verbandes beim ol oiboni und bauen in der Nähe seines Dorfes 
einen grossen Kraal. Jeder bringt Honig zur Bierbereitung oder ein Rind zur 
Verpflegung mit. Letzteres wird dann wie beim eö gebäta-Fest durch Ersticken 
getötet. Im Vertilgen dieser Dinge besteht das Fest, dessen Höhepunkt die 
Erklärung des ol oiboni, dass die Versammelten von nun an zu einem ol adji 
gehören und einen gemeinsatHen Altersklassen-Namen fuhren sollen, bildet. 

Auf der Institution der Altersklassen beruht in erster Linie die straffe 
Organisation der Masai-Kriegsmacht. Mit der Beschneidung tritt der Jüngling 
zur Ableistung seiner — der allgemeinen — Wehrpflicht ins Heer ein, und zwar 
als ol barnoti. Seine Altersklasse ist die der Rekruten und bildet meist mit der 
nächst höheren, der der Krieger, zusammen die Friedensstärke des stehenden 
Heeres. 

Die folgende Altersklasse, die Jüngste der verheirateten Männer, die im 
Frieden keine Kriegsdienste tun, wohl aber zu Kriegszeiten mit ausziehen, kann 
man als Reserve ansehen und mit zum stehenden Heer rechnen. Die älteren 
Altersklassen greifen nur zur Verteidigung des eigenen Distrikts zu den Waffen. 



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— 74 — 

Von diesem regelmässigen Gang gibt es zwei Ausnahmen. Fiililt sich ein 
Krieger noch zu jung, um zusammen mit den andern ol borör-Genosscn aus 
dem Kriegerstand auszutreten, so schliesst er sich der nächst jüngeren Alters- 
klasse an und wird als ol gaitui (P. el gaitu) derselben bezeichnet. Dies tun 
besonders oft die zum letzten Jahi^ang eines ol borör Gehörigen, die el oirogua. 
Der aadcre Fall tritt dann ein, wenn ein Jüngling der Erbe grosser Viehherden 
ist und es ihm an einem andern für deren Verwaltung in Frage kommenden 
Mann fehlt. Er muss dann selbst den Besitz übernehmen und verheiratet sich 
bald nach der Beschneidung. Man nimmt ihn in die jüngste Altersklasse der 
Verheirateten auf und bezeichnet ihn als ol Aosaniki (P. el fiosanik) derselben. 



C. G. SeUUinsm ptoL 
Abb. z6. Aellcrc Männer. 

Sowohl in der Altersklasse der Rekruten, als in der der Krieger bilden die in 
einem Distrikt wohnenden eine Kompanie von ein bis zweihundett Mann Stärke. 
Um zu verhindern, dass eine Kompanie durch das Vorhandensein einer zu 
grossen Anzahl beschneidungsfahiger Knaben zum Schaden für die Dtszipiio 
zu gross werde, hat man den Ausweg der abteilungsweisen Beschneidung. 
Es wird dann aus einem oder auch zwei Jahrgängen eine besondere Kompanie 
gebildet, was der ol oiboni durch Verleihung eines besonderen Namens tut. 
Sonst erhält jede Altersklasse zunächst nur einen Namen, der dann oft nach 
einem erfolgreichen, grösseren Kriegszug als Auszeichnung für bewiesene Tapfer- 



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^ 75 — 

keit oder richtiger für besonders reiche Beute, aber erst wenn die Betreffenden 
ältere Krieger geworden sind, durch einen neuen ersetzt wird. Den nächsten 
\amen gibt der ol oiboni dem o1 borör, nachdem dieser einen ol aunoni er- 
halten hat, den letzten verleiht er bei der Ver- 
einigung zweier el boröri zu einem ol adji, 
welches dann bis zum Aussterben diesen 
neuen Namen führt. 

Die augenblickUch jüngste Altersklasse 
heisst el gischön; sie ist die erste eines Ver- 
bandes, dessen zweite noch nicht gebildet ist. 
Der nächste Verband besteht aus den jüngeren 
el kipuani und den älteren el meruturut. 
Letztere hiessen als Jünglinge el Agarebut, be- 
kamen nach einem erfolgreichen Krieg gegen 
die Landschaft Ukamba den Namen el meru- 
turut. Der nächste Verband sind die 'L aimSi'r, 
bestehend aus den jüngeren el kitoib und 
den älteren el merischo. Erstere hiessen als 
Rekruten el maAguscha, nach einem Krieg 
gegen Uhehe el Agischafigob und nach der 
Wahl des ol aunoni el kitoib. Die el merischo 
hiessen als Jünglinge el metarÖni, erhielten nach einem erfolgreichen Krieg gegen 
Laikipia als el mÖran den Namen es sögon und nach der ol aunoni Wahl ihren 
jetzigen Namen. 




Abb. a;. Sehr alter Hnnci. 



EiDlBhning der J3ii|;liiigc mi Kricgerlcbeii. — Ihr erster Kricgazuf;, — Der ol oiboni gibt ihoeo 

ilen Namen fDr die Altranklaasf . — Schildwappen: lelnc einzelDeD Bestandteile und deren Bedeutnn);. 

— Die Jünglinge werden Krieger. 

Sobald die Beschneidungswunde geheilt ist, vertauschen die Beschnittenen 
den langen Schurz (ol gelÄ, el gelini) mit dem kurzen Fellumhang (e megiti, 
niegitin), legen ihren Schmuck wieder an, salben den Körper mit roter Schminke 
und ziehen, nachdem sie noch einmal die Köpfe rasiert haben, mit Speer, Keule, 
Schwert und Schild bewaffnet, als el barnot (S. ol barnoti, von barno = kahl- 
köpfig gebildet) in den Busch, um das ol geteA 1 od gutui zu feiern. Speer, 
Schild und Schwert sind Geschenke der Väter, die Keule haben sie selbst 
geschnitzt Ebenso wie wir es später bei den Kriegern kennen lernen werden, 
teilen sie sich in Messgesellschaften von ftinf bis sechs. Im Wald richten sie 
sich einen Domenkraal her oder bauen auch aus Laubwerk kleine Hütten. Das 
Fest besteht im Verzehren grosser Mengen Fleisches und nichts als Fleisch! 
Jeder Teilnehmer liefert dazu einen, von seinem Vater erhaltenen, fetten Ochsen, 
der einfarbig, wenn möglich schwarz, sein muss. Gescheckte bunte Farben sind 



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- 7« - 

das Symbol von Wankelmut, Leichtfertigkeit, flatterhaftem , kindlichem und 
kindischem Sinn; sie ziemen sich nicht für erwachsene Männer mit ernster 
Lebensauffassung. Das Fest dauert in der Regel ungefähr einen Monat. Während 
desselben üben sich die Jünglinge in der Handhabung der Waffen, erzählen sich 
grausige Kriegsgeschichten, die sie von Kriegern gehört haben oder selbst 
erfinden, und erregen so ihre Phantasie, wie dies bei europäischen Knaben ge- 
legentlich die Lektüre von Indianer- und Raubei^eschichten besorgt. Sie machen 
sich künstlich geradezu wild, wozu auch der ihnen noch ungewohnte Genuss 
verschiedener nervenerregend wirkender Wurzeln und Rinden (die später be- 
sprochen werden sollen), die sie dem kochenden Fleisch zusetzen, viel beitragen. 
Ihr ganzes Sehnen geht nach Krieg und Mord, alles in ihnen drängt danach, 
einen Feind zu töten, und Feinde sind für sie alle Nicht-Masai. Jeder von ihnen 
möchte gern bald nicht mehr ein ebor alem = weisses, d. h. noch nicht von 
Blut gefärbtes, Schwert bleiben. Nicht selten wenden sie sich gegen wehrlose 
Karawanen, wenn solche gerade in der Nähe sind. Ob dabei Beute zu machen 
ist, fallt nicht ins Gewicht, nur töten und morden, weiter denken sie nicht. 
Viele Ueberfalle auf Karawanen sind auf diese Weise zu stände gekommen. 
Solche Gelegenheiten sind aber immerhin doch Seltenheiten für den einzelnen 
Jüngltngstrupp. Die Regel ist ein Kriegszug gegen einen ansässigen Volksstamm, 
Aus dem Kampf kehren die el bamot wieder in die väterlichen Kraale zurück, 
um dort noch einige Jahre zu wohnen. Während dieser Zeit schliessen sie sich 
immer enger an die Krieger an, um von diesen zu lernen und sich im Kriegs- 
handwerk auszubilden. Sie begleiten die Krieger auf ihren Raubzügen und 
nehmen auch ab und zu an deren Waldmahlzeiten teil. Im Kriegerkraal 6nden 
sie jedoch keine Aufnahme, was für ihr Selbstbewusstsein ebenso kränkend ist, 
wie der Umstand, dass sie von den Kriegern über die Achsel angesehen und 
als halbe Knaben behandelt werden. Immer lebhafter wird in ihnen der Wunsch, 
den Kriegern gleichgestellt zu sein. Doch dazu fehlen ihnen noch zwei Dinge: 
der Name für ihre Altersklasse und das Schildwappen. 

Um die Verleihung des ersteren vom ol oiboni zu erbitten, wird zunächst 
eine Versammlung (efi giguana)*} aller Altersgenossen einberufen, damit diese 
eine Abordnung aus ihrer Mitte wähle. Zu ihr gehören in erster Linie die 
Sprecher, dann eine grössere Zahl der kräftigsten und hübschesten el bamot. 
Alle werden mit reichlichem Schmuck, sowie schönen Waffen versehen. Jeder 
ol barnoti hat ein schönes Rind mitgebracht Die dadurch entstandene grosse 
Herde nehmen die Abgesandten als Geschenk für den ol oiboni mit. Haben 
sie dann dem Gewaltigen ihre Bitte vorgetragen, so bescheidet sie dieser auf 
den nächsten Tag, wo er die Antwort erteilt, indem er ihnen z. B. den Namen 
el gischon gibt. Diesen erhielten die in der Zeit von 1890 bis 1901 Be- 
schnittenen. Er soll bedeuten: Nachwuchs der durch die Rinderpest Ge- 

') So hcisst jede \'ersammlang zu einer Beialung. 



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— 77 — 

schwächten und Verarmten. Nachdem die Abordnung vom ol oiboni entlassen 
ist, kehrt sie in die heimischen Kraale zurück. Bei einer dort wieder veran- 
stalteten Versammlung erfahren alle den neuen Namen und treten dann in 
Beratung zur Wahl eines Scbildwappens. 

Diese bestehen tn Bogen, Kreisausschnitten, Strichen und Zacken, welche 
auf die Schildßache in drei Farben: pompejanisch rot, schwarz und grau') 
gemalt sind, wozu als vierte Farbe weiss kommt, was fiir die Schildfläche als 
Grundfarbe dient, von der sich die bunten Zeichen grell abheben- Man benutzt 
dazu die mit Blut oder dem ausgedrückten Saft der Frucht von Solanum 
campylacanthum angerührte rote, femer die mit Wasser angerührte weisse Erde, 



Abb. 28. Schild Wappen der MasaL 

die sich an verschiedenen Stellen in der Steppe findet, und für Schwarz ge- 
pulverte, verkohlte Kürbisschale, Grau wird aus verkohlten und pulverisierten 
Rinderknochen hergestellt. 

In den Schildwappen herrscht heute schon ein ziemlicher Wirnvarr. Je 
seltener, dank der Europäerherrschaft, die Kriegszüge der Masai werden, desto mehr 
schleifen sich die alten Formalitäten des Kriegertums ab, und alte Vorschriften, 
die früher nie übertreten wurden, werden heute nur zu oft ignoriert; ihr Zweck 

') Grau ist »elir Bellen, Schwan und Rot einil dagegen auf jedem Schild der Krieecr vertreten. 

U,g,l,zoo=,dOOgIe 



- 7« - 

verliert im Wandel der Zeit an Bedeutung. Eine weitere Verwischung in den 
Schildwappen entstand durch die Bürgerkriege Lenana — Zendeo, in denen sich 
zum ersten Male lange dauernde Kämpfe zwischen den Masai abspielen. Die 
Unordnung in den Schildwappen an und Cur sich interessiert uns hier nur als 
einer der vielen sichtbaren Beweise flir die Lockerung der alten strafTen Orga- 
nisation. Es sei daher von einer besonderen Beschreibung der heutigen, oft 
willkürlichen Wappenbilder abgesehen. Dagegen ist es wichtig, die Regeln 
festzustellen, nach denen die Schildwappen zusammengestellt wurden. 

Ein Schildwappen (Tafel i) kann enthalten: i. das rote Kriegerzeichen 
(os serat' onjugi], 2. das schwarze Zeichen (os serat' erok),*) 3. das Schmuck- 
band (es segira 1 el oiio), 4. das Wappen des Geschlechts, 5. das Korporal- 
schaftszeichen und enlich 6. ein Zeichen, welches zu fuhren nur die Tapferen 
berechtigt sind, das os serata 1 el kigeloni. Ein Schildzeichen ist vollständig, 
wenn es ausser dem Schmuckband noch das rote Kriegerzeichen enthält. 

Das Schmuckband ist . der im Längsdurchmesser des Schildes gemalte 
Streifen. Es segira heissen eigentlich die Kaurimuscheln, welche auf Lederstreifen 
genäht die Kürbisflaschen schmücken. Die Aehnlichkeit eines solchen Schmuck- 
bandes mit dem Längsstreifen auf der Schildfläche erklärt das fiir diesen ge- 
brauchte Masaiwort und meine Uebersetzung mit Schmuckband. Die Zeichnung 
des Schmuckbandes ist unwesentlich und unterliegt oft dem augenblicklichen 
Geschmack. Grössere Verschiedenheiten bestehen sowohl in den Provinzen 
unter einander, als innerhalb der einzelnen. 

Das wichtigste Zeichen auf dem Schild der Krieger ist das rote Krieger- 
zeichen. Man unterscheidet drei Formen desselben: der Doppelkeil (Tafel 1: 
Fig. 2, 4, 6, 9, 13, 14, 15, 17) längs des Schmuckbandea gehört der Provinz 
Kisongo, die Kreissegmente (Tafel i: Fig. 5, 7, 10, 18) am Schmuckband sind 
das Zeichen för die Provinz Loita und die peripherische Zeichnung (Tafel i : Fig. ( l , 
i2, 16] zeigt an, dass der Träger eines solchen Schildes zur Provinz Ol bruggo 
gehört. Das Kriegerzeichen befindet sich entweder auf beiden oder nur auf 
der einen Schildhälfte; ersteres ist die Regel in Ol bruggo und Loita, letzteres 
in Kisongo. Loita und Kisongo weisen indes mehrere Ausnahmen auf. Ist 
das rote Zeichen auf beide Schildhälften gemalt, so zeigt die eine Hälfte das 
Spiegelbild der andern, so dass ein symetrisches Doppelzeichen entsteht, dessen 
Mittellinie das Schmuckband bildet. Dies scheint nach meinen Erkundungen 
besonders nach beutereichen Kriegszügen Mode gewesen zu sein. Wo sich 
dagegen das rote Zeichen nur einseitig findet,- zeigt die andere Schildhälfte 
ein oder zwei grosse, schwarze, bogenförmige Zeichen (Tafel 1 : Fig. 2, 3, 5, 
13, 15, 17, 18). Diese findet man allgemein in Kisongo, wo sie, soweit die 
Erinnerung der Leute reicht, üblich waren. Nicht allgemein sind sie in Loita, 
und zwar erst seit dem Tode Mbatyans. Mbatyan residierte in Kisongo, und 

') Woiu auch ila5 srltenc graue gcliörl. 



=, Google 



_ 79 — 

seine Leibwache bestand aus Kisongokriegern. Nach seinem Tode stellte sich 
Zendeo eine Wache aus Loitakriegem zusammen und hielt sich, um sich 
der Einwirkung der Militärstation Moschi besser zu entziehen, auch vielfach 
in Lotta auf. Auf die Fr^e nach der Bedeutung der schwarzen Bogen wurde 
fast immer nur geantwortet, dass sie wohl zum Schmuck dienen, da bei ein- 
seitiger Anbringung des Kriegerzeichens die andere Schildhälfte unschön leer 
ausseben würde, und nur einige alte Männer meinten, dass es ursprünglich ein 
Geschlechtszeichen der En gidoA gewesen sei. Diese Auffassung scheint mir 
die richtige und es würde hierin die Erklärung liegen, weshalb das Zeichen in 



Abb. 19. Schilclwappcn <1cr Masai. 

Kisongo seit Menschengedenken aligemetn angewendet wird und dann nach 
Mbatyans Tode auch nach Loita kam. 

Das Geschlechtszeichen findet sich auf den heutigen Schilden fast nie; 
ich kam daher erst darauf, als ich von einer Anzahl alter Männer die in ihrer 
Jugend von ihnen geführten Schildwappen zeichnen Hess. Eine Sammlung von 
Geschlechtszeichen zeigen die Abbildungen der Tafel 2. Wir sehen da, dass 
das Zeichen bald vorn auf der Schildfläche, bald auf der Rückseite des Schildes 
angebracht ist Während die Kriegerzeichen lange Zeit dieselben geblieben 
sind, waren die Geschlechtszeichen immer sehr variabel, und es scheint, dass 
sich jede Altersklasse ihre eigenen zurecht machte. 



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— 8o — 

Die Abbildungen geben die Geschlechtszeichen, welche die Angehörigen 
der Altersklasse el meniturut vor den Viehseuchen ums Jahr 1890 führten. Es 
scheint ferner, dass auch in den Zeiten, in welchen die Führung der Geschlechts- 
zeichen Sitte war, diese nicht allgemein von allen Geschlechtern geführt wurden, 
sondern nur von denen, deren Glieder in dem betreffenden Landesteil an Zahl 
vorherrschten. Der praktische Nutzen dieses Modus bestand darin, den Standes- 
genossen anderer Geschlechter dauernd vor Augen zu halten, dass jene Ge- 
schlechter besonders stark sind und daher auch der einzelne ihnen Angehörende, 
gemäss des Satzes: Macht geht vor Recht, auf einen grösseren Beuteteil Anspruch 
hat. Das Zeichen eines solchen Geschlechts wurde dann auch manchmal von 
allen Kriegern jenes Landestetls angenommen. 

Diejenigen Krieger, welche im Kampfe vorangehen, die el kigeloni, haben 
das Recht, das Tapferkeitszeichen auf dem Schild zu führen. Es ist dies das 
kleine bunte Zeichen, welches sich an der Peripherie einer Längsseite befindet 
und in den Figuren 9, 10, 13, 16, 17 der Tafel 1 zu finden ist. Es ist noch 
heute allgemein im Gebrauch. 

Das letzte Zeichen, welches tm Schildwappen enthalten sein kann, ist das 
oben als Korporalschaftszeichen erwähnte. Unter Korporalschaft ist hier eine 
der vielen kleinen Abteilungen zu verstehen, aus denen sich das Lager einer 
auf dem Kriegszug befindlichen Truppe zusammensetzt. Entsprechend seiner 
untergeordneten Bedeutung ist das Zeichen wenig in die Augen fallend. Ein 
Beispiel zeigt ein Vergleich der Abbildungen il und 12, Tafel l. Diese stellen 
die Wappen von zwei Schilden dar, deren Besitzer zu einem Kriegszug und 
darin zu verschiedenen Korporalschaften gehörten. 

Es ist noch zu erwähnen, dass sowohl das ganze Schildwappen, als seine 
einzelnen Bestandteile wohl immer schon von der Mode und andern Augenblicks- 
umständen abhängig waren. Bald liebte man Einfachheit, bald Buntheit. Bald 
verhinderte ein enges Kameradschaftsgefühl die Führung der cliquenbildendcn 
Geschlechtszeichen, bald riefen innere Zwiste mit straf- oder zivilrechtlicher 
Ursache das Gegenteil hervor. Dass die Schildwappen in einer Provinz zu 
Zeiten guter Kriegserfolge einheitlich waren, beweisen mir die oben erwähnten 
Schildbemalungen alter Männer. Dass dagegen jetzt die Krieger die im Kampf 
mit Negern ') oder Mischlingen von Negern und Angehörigen oder Bastarden 
des Masaivolks oder bei dem heutigen Zwiespalt auch die von andern Masai 
erbeuteten Schilde mit unverändertem Wappen aus Prahlerei weiterführen, kann 
man fast täglich in den Masaisteppen beobachten. 

Nicht so bunt sehen die Schilde der el barnot, der Rekruten, aus (Tafel l : 
Fig. I und 8). Sobald die Jünglinge die Schilde erhalten haben, bitten sie den 
angesehensten der verheirateten Männer, einen früheren Sprecher der Krieger, 
um seine Zustimmung, ein schwarzes Zeichen auf die Schildfläche malen zu 

' Das» aucli Ncgor Schil<io der Masaiart, unii iwar mit ähnlichen Wappen, fübren, ist eine 
Folge der oben erwähnten MasaiBiorung. 



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— 8l — 

dürfen. Sobald er die Erlaubnis erteilt, bestimmt er auch die Form des Zeichens, 
d. h. er erfindet kein neues, sondern wählt unter den alten bekannten eins aus. 
Hiermit und mit einem nur in schwarz gezeichneten Schmuckband bemalen 
dann die Jünglinge ihre Schilde. Die rote Farbe darf im Schmuckband erst 
mit Führung des grossen roten Zeichens erscheinen. Das schwarze Zeichen 
und Schmuckband ßihren sie solange, bis sie den Kriegern ebenbürtig ge- 
worden sind und sich durch ihre Tüchtigkeit das rote Zeichen ertrotzen oder 
erzwingen können, denn aus freien Stücken lassen es die Krieger nicht zu, da^^s 
eine jüngere Altersklasse jene Zeichen führt. Fühlen sich also die Jünglinge 
stark genug, so vervollständigen sie in gedachter Wdse ihr Schildwappen und 



Abb. 30. ScIillilwnppcD junger Krieger. 



tragen dies dann ostentativ zur Schau. Die Krieger sehen es, werden zornig 
und schimpfen. Die el barnot, denen die Krieger bisher Respektspersonen 
warem antworten schnippisch und frech und höhnen damit, dass die Krieger 
nun alt und klapprig geworden seien und das rote Zeichen weder brauchten 
noch mehr verdienten. An seine Mängel mag niemand erinnert sein und am 
allerwenigsten verträgt der Masai den Vorwurf — denn das ist es fiir den noch 
im Kriegerverband befindlichen — der Kriegsuntüchtigkeit, besonders wenn er 
ihm im Gassenjungenton aus dem spöttischen Mund eines Jüngeren entgegen 
geschleudert wird. Gleichzeitig bauen sich die Jünglinge einen kreisrunden 
.^stverhau, und ziehen eventuell noch ehe er mit Hütten gefüllt ist, hinein — 

Herliar, Muii. e 



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~ 82 — 

eine weitere Provozierung der Krieger, denn die ei barnot erklärea damit, dass 
sie nunmehr auch ein Anrecht auf einen eigenen Kriegerkraal haben und nicht 
mehr als Rekruten, sondern als vollwertige Soldaten angesehen werden müssen. 
Die Folge davon ist, dass in einer der nächsten Nächte die Krieger über den 
entstehenden Kraal herfallen, um den el barnot mit Gewalt den Standpunkt 
klar zu machen. Unterliegen diese, so bleibt ihnen vorläufig nichts anderes 
übrig, als schleunigst das rote Zeichen wieder von den Schilden zu kratzen. 
Dem Gram über ihre Niederlage machen sie durch Schimpfen und durch einen 
oder zwei kleine Raubzüge zu Negerstammen Luft. Manchmal erkennen die 
Krieger sie dann als ebenbürtig an, besonders wenn die Züge reiche Beute 
brachten, oft aber auch müssen sie wie vorher ihre Anerkennung erzwingen. 
Gelingt dies, so dürfen sie nun auch das rote Zeichen führen und gelten von 
jetzt ab als wirkliche Krieger. Sie bauen den begonnenen Kraal weiter und 
leben neben den andern Kriegern, jedoch mit diesen zusammen in den Krieg 
ziehend. Meist dauert dieser Zustand aber nicht lange, vielmehr quittieren die 
alten Krieger bald den Dienst und verheiraten sich. Es ist daher ein Ausnahme- 
zustand, wenn in einer Landschaft gleichzeitig zwei Kriegerkraale bestehen. 



KricKcrkraal. — Seine Bewohner. — Arbeit. — S])eisen der Krieger. — Waldmahl leiten. — Or^a- 
nisationr der Sprecher, seine Abidchen und Ao^ben; Anführer; Wohltäter. — Zweikampf. — 
TäRiiches Ijilwn. — Speiieieiten, — Tan« und Gesang, — Krieg; Eriaubnis daru, Vorlicrcitunii. 
Waldmalil, Abmarscli, Marsch, Lager, Wundarzt, Spione. — Formation des Kriegsmarachca lum 
Angriff. — Kampf. — Beute. — Gefangene. — Verteilung der Beute. — RUckltehr der Krieger. — 
Vcrteidigunjrevcriahren. — Ueberfall auf Karawanen. — Friedenschi uss. — Marschleistung. — Austritt 
aus dem Kriegerstand, 

In jedem Distrikt findet sich meist nur ein Kriegerkraal, der alle Kri^er 
dieser Landschaft beherbergt. Er liegt an der Stelle, von welcher aus der 
Distrikt am besten vor feindlichen Angriffen geschützt werden kann. Der 
Kriegerkraal (ol manjata oder manjada) unterscheidet sich äusserlich von andern 
Kraalen durch nichts. Er wird bewohnt von 50 bis 100 Kriegern, der manch- 
mal fast doppelten Anzahl junger Mädchen, den Müttern und mehreren jüngeren 
Brüdern der Krieger. In jeder Hütte befindet sich eine grosse Lagerstatt für 
einen Krieger und meist am andern Ende der Hütte eine kleine für eine der 
Mütter. Die Hütten derjenigen, welche augenblicklich auswärts weilen, sind 
Gemeingut, und jeder, der eine solche wünscht, belegt sie sich für die Nacht, 
indem er gegen Sonnenuntergang seinen Speer davor in die Erde steckt Die 
andern schlafen dann oft zu dreien oder vieren in einer Hütte, ebenso wie die 
Mütter. 

Der Kraal wird von den alten Frauen angelegt, sie bauen und unter- 
halten Hütten und Dornenumzäunung. Im Verein mit den Mädchen melken sie 



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das Vieh, reinigen täglich den Kraal, indem sie den Rindermist ausbreiten, 
während jene den Ziegenmist zusammenfegen und heraustragen, Wasser holen 
und die Hütten rein halten. 

Jeder Krieger hat sein Lieblings- 
mädchen (na sandja).') Solange er zu 
Haus ist, wohnt sie bei ihm, besoi^t 
sein Vieh 'und fertigt einen Teil seines 
Schmuckes. Das Mädchen nennt ihren 
Liebhaber os sandja und zeigt den andern 
das Zustandekommen dieses Verhältnisses 
dadurch an, dass sie den zusammen- 
hockenden Kriegern eine KUrbisflasche 
voll Milch bringt und sie neben das 
linke Bein ihres Auscrwählten stellt. 

Solange dieser im Kraal weilt, ist 
ihm sein Mädchen Treue schuldig, ver- 
lässt er ihn aber auch nur fiir einen Tag, 
so ist es berechtigt, sich mit einem andern 
Kraal genossen zu trösten. 

Den Knaben liegt das Hüten des 
Viehs ob. Sie schlafen auch nachts zur Be- 
wachung desselben draussen und werden 
in der Wache von den Müttern unterstützt, 
die sich alle Nächte mehrfach ablösen und durch Schreien wilde Tiere ver- 
scheuchen. 

Innerhalb des Hüttenrings befindet sich ein kreisförmiger Dornenkraal für 
die Rinder und daran ein engerer für Ziegen und Schafe, während sich noch 
bei fast jeder Hütte ein kleiner Anbau für die jungen und ein Astverhau für 
die älteren Kälber des einzelnen befindet. So bleibt jeder fiir das Absperren 
seiner Kälber verantwortlich und hat, wenn diese des Nachts den Weg zu den 
Kühen hnden, keinen Grund, wegen des Milchmangels am Moigen mit andern 
Händel anzufangen. Milch ist die einzige Nahrung, welche der Ol morani im 
Kraal zu sich nimmt, und ihr Mangel ist d^er besonders empfindlich. Ausser 
ihr dient den Kriegern nur noch Fleisch als Nahrung, und zwar nur solches von 
Rind, Schaf und Ziege. Pflanzenkost, Honigbier und Tabak gemessen sie nicht. 
Die Fleischmahlzeiten werden stets ausserhalb des Kraals gehalten; ein ge- 
schlachtetes Stück Kleinvieh wird einige hundert Meter vom Kraal hinter einem 




Abb. 31. Krieger im Kricggichmuck. 



*) PucIIbc nondum 
GtaTiditas puellae nooiiam circumrisat 
t>cxiiac dies subseituenics intcrmisso. 
abortu pCTfecto a (octo se liberal. B< 
nci|iie mos publiens nci|uc cultus solc 



I belligcrris livunt, accumbeillm hodie hüi, er 
pro contumelia habetur et cvitaUir nut roncubilu inlcr 
Uli peni ante ejaculationcm retracto. Gravida modie: 
lum parentcs per I nut II mcnscs non cogunt, Hvnicn 



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- 84 — 

Strauch verzehrt, während man zur Verspeisung eines Rindes einen weiter ent- 
fernten Platz unter einem Schattenbaum im Busch oder Wald wählt Für diese 
Waldmahlzeiten (ol bul, e buli) bilden sich in jedem Kriegerkraal Genossen- 
schaften, die man als is sirit' ol bul bezeichnet, und die aus fiinf bis sechs 
Mitgliedern bestehen, deren jedes os sirit ol bul heisst. Solche Schmause finden 
für jede Genossenschaft ein- bis zweimal im Monat statt und dauern jedesmal 
drei bis vier Tage, während denen ein Ochse verzehrt wird. Ausser den 
Kriegern nehmen auch ein bis drei Mädchen daran Teil und als Diener zum 
Herbeitragen der Töpfe, des Wassers und Brennholzes, sowie ftir die Küchen- 
arbeit noch einige Knaben, Jede Genossenschaft teilt sich vor dem Schlachten 
in zwei gleich grosse Teile, deren jeder ol gibet heisst und sein eigenes La^er 
herrichtet. Unter einem dicht belaubten Schattenbaum wird ein Platz von zwanzig 
bis fünfundzwanzig Quadratmeter Grösse gesäubert und mit einem Astverhau 
umgeben. In der Regenzeit baut man an Stelle dieses Kraals eine kleine Hütte 
(Fig. l8) aus Laubwerck. Ihr ungefähr kreisrunder 

Grundriss hat einen Durchmesser von zwei bis drei J^^^N'^t?,, 

Metern. An der der Eingangsöffnung gegenüber- ,i^^=^^^^^i^lS^:^ » 
liegenden Seite ist die gemeinsame Lagerstatte der •^--.-.■1=.-^^="— -""-■ -. 
ol gib et- Genossen, zwischen dieser und der Tür die . * 

Feuerstelle, neben der Tür der Raum für Brennholz. 
Dicht bei der Lagerstatt hängen Magen oder Blase 
— vom eben geschlachteten Rind — , gelullt mit 



einer Auslaugung von Wurzeln und Rinden, die ° '^, t « ° 

nervenerregend wirkt und je nach Durst getrunken 

wird (ol oöni). In der Nähe des Feuerplatzes ist , , ,' , 

* ' "^ a) Latjerstatl, b) TiiakbeuteL 

der Fleischvorrat an Stöcken aufgehängt (ol alele). ^j p(ju,,g ^^ Fleisch, d) Feuer- 
Die dienenden Knaben bauen sich tn der Nähe stcUe. e) Brennliolt. f) EinRraoiT. 
der Kriegerhütte eine eigene, bedeutend kleinere, 

Kraal oder Hütte nennt man cAg adji ol bul. Von dem geschlachteten 
Rind erhält jede ol gibet eine Längshälfte, von der sie aber gleich die zum 
Kochen bestimmten Stücke für die gemeinsamen Tagesmahlzeiten wieder heraus- 
gibt. Mit diesem Fleisch zusammen wird das herausgeschälte Fett gekocht 
und dem Ganzen Auslaugungen oder auch Dekokte von Wurzeln und Rinden 
(besonders von ol getalassua, ') ol giloriti, *) ol dimigommi, *) die stark anregend 
wirken, zugesetzt. Das übrige Fleisch wird dann von jeder ol gibet ge- 
meinsam, und zwar in einer Morgen- und einer Abendmahlzeit, am offenen 
Feuer gebraten, verzehrt. Das Rind liefern die Teilnehmer bezw. deren 
Vätfer abwechselnd. 



») .\cacia »1 
') Pa|)pea o 



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- 85 - 

Das längste Waldmahl findet in der Regel im Monat kip€r statt Da die 
Weide dann schlecht ist, gibt das Vieh so wenig Mitch, dass die Krieger 
manchmal den ganzen Monat fast nur von Fleisch leben. 

An der Spitze der Krieger eines Kraals steht der Sprecher (ol aigwenani 
oder ol airohani). Das Abzeichen seiner Würde ist eine besonders schön ge- 
arbeitete Keule aus Rhinoceroshorn *) oder Ebenholz. Sie wird wie ein Takt- 
stock bei den von zahlreichen Gesten begleiteten Reden geschwungen, um den 
einzelnen Worten Nachdruck zu verleihen. Dies erreicht man in der Sprech. 
weise auch dadurch, dass man die betonten Worte lang gedehnt ausspricht 
und den betonten Satz mehrfach wiederholt. Die Ansprache an eine grössere 
Versammlung wird immer sehr laut und lebhaft geführt. Während die Hörer 
auf der Erde hocken, steht der Redner aufrecht, den Blick abwechselnd auf 
eine oder die andere der Hauptpersonen unter den Hörern gerichtet Was dem 
Redner an Logik fehlt, sucht er durch Weitschweifigkeit, Dialektik und grössere 
Höhe im Ton zu ersetzen. Die Zuhörer machen ott den Eindruck gespannter 
Aufmerksamkeit, ihr Blick ist fast unausgesetzt auf den Sprechenden gerichtet, 
doch bleibt ihr Gesichtsausdnick meist unveränderlich, weder Zustimmung noch 
Meinungsverschiedenheit lässt sich darin erkennen. Unterbrochen wird der 
Redner ebensowenig, wie er durch Unruhe der Hörer zum Schweigen gezwungen 
wird. Man lässt jeden seine Rede ungehindert bis zu Ende halten. Wir haben 
hier die einfache fliessende Rede, im Gegensatz zu der dial(^rtigen der Neger, 
wo sich dem Sprecher ein anderer angesehener Mann gegenüberstellt oder 
hockt und bei jeder Interpunktionspause, bei jedem Komma der in zerhackten 
Sätzen stossweise gesprochenen Rede mit einem unglaublich stumpfsinnig kUn- 
genden, mehr oder weniger grunzenden e, e oder hm kundgibt, dass er die 
gesprochenen Worte verstanden hat Die Aufgabe des Sprechers besteht be- 
sonders darin, durch erheuchelte Freundschaft mit den Häuptlingen viehreicher 
Völkerschaften in diesen eine Vertrauensseligkeit gegen die Masai zu erwecken, 
welche letzteren einen plötzlichen, räuberischen Ueberfall erleichtert. Ferner halt 
er steh dauernd durch Spione (häufig alte Weiber und ein paar Knaben) über 
alle zum Gelingen eines Kriegszuges wichtigen Fragen unterrichtet, z. B, über 
Starke des Gegners, wo man ihn am leichtesten überrumpeln könne, wo das 
meiste Vieh sei, wo es weide, wo es des Nachts stehe, wo die wenigsten 
Krieger wohnen usw. Der Sprecher braucht selbst kein tapferer Krieger zu 
sein, Schlauheit, Hinterlist, Verschlagenheit sind vielmehr die Eigenschaften, 
welche ihn für die politische Seite seines Amtes befähigen. 



') Besonders gern wird tia Verfertigung dieser Keulen ilni gerade H um einer meines Wissens 
noch nicht beschriebenen Art von Rhinoceros bicomia benutzt, die VcrCastcr Anfang 1896 in der 
Steppe südöitlich des Kilim^dscbiLTO fand. Die Homer dieser Art (oder Varictit) unterscheiden sicli 
von den der bisher beschriebenen dailiirch, dass sie gani gerade und im Querdurchschnitt niemals 
rund, sondern so slaric seitlich lusammengedrttckt «ind, da«s sie scliwcrtfSrmlg erscheinen; dn.s 
vordere Hörn Ist oft ktlner als das lilnterc. 



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Eine andere Aufgabe besteht in der ihm obliegenden Rechtspflege, er ist 
der in Zivil- und Strafsachen entscheidende Richter für die Krieger seines Kraals. 

Eine Ehrende Rolle spielen unter den Kriegern ferner die el oJAok') 
(= die Stiere), deren es in jedem Kraal Fünf bis sechs gibt und welche ihre 
Stellung sowohl durch Mut und Tapferkeit im Krieg, als durch überlegene 
Körperkraft gewinnen. Sie sind die Anführer im Kampf. Als Rangabzeichen 
tragen sie beim Tanz und im Handgemenge grosse Beinschellen (el duallan 
ltit\va), deren Klingen in letzterem Fall dazu dient, ein Verirren der einzelnen 
Krieger und ein Zersplittern der Truppe zu verhindern. Wo die Schelle erklingt, 
ist ein Sammelpunkt. 

Eine besondere Stellung nehmen noch die A gamnini ^ Wohltater ein. 
Es sind das Krieger, die, selbst freigebig, auch einen freigebigen, wohlhabenden 
Vater haben. Von ihm bekommen sie öfters Schlachtochsen und verteilen dann 
das Fleisch an die Kameraden und alle Fremden ohne Unterschied des Alters und 
Geschlechts. Wird ein solcher Wohltäter im Kampf verwundet, oder zieht er 
sich sonst auf dem Marsch oder daheim eine Verletzung zu, so sind die andern 
um ihn bemQht und wetteifern unter einander, ihm nach bestem Wissen 
zu helfen. 

Dementsprechend wird Geiz scharf verurteilt und ein geiziger Krieger 
oder ein solcher, welcher geizige Eltern hat, schlecht behandelt und bei Er- 
krankung oder Verwundung unterwegs nicht selten hilflos liegen gelassen. 

Sprecher und Anführer leben wie andere Krieger und sind von keinenn 
besonderen Zeremoniell umgeben. Man behandelt sie auch ausser Dienst mit 
Achtung, was sich besonders dadurch ausdrückt, dass man es vermeidet, ihren 
Mädchen zu nahe zu treten oder leichtfertig mit ihnen einen Streit vom Zaun 
zu brechen. Diese beiden Dinge führen unter den andern Kriegern fast täglich 
zu grösseren Zänkereien und oft genug zum Zweikampf, in dem die Gegner mit 
Schwert und Keule auf einander losgehen, sich aber nur sehr selten schwerer 
verwunden. Geschieht dies einmal, so erhält der Verwundete in einigen Distrikten 
vom Sieger eine in Vieh bestehende Busse ausgezahlt, in andern nur dann, 
wenn ein Knochen zerbrochen ist. Im allgemeinen erfolgt gleich nach dem 
Zweikampf, manchmal auch erst nach Heilung der Verwundung die Versöhnung, 
deren Formalität im Auswechseln der beiderseitigen Sandatenriemen und manchmal 
auch im Austausch des Fellumhangs (e megiti) besteht. Ernster wird die Sache, 
wenn einer im Zweikampf getötet ist Zuerst verurteilt man dann den Vater 
des Siegers zur Zahlung einer grösseren Anzahl Rinder. Gibt er diese her, 
so ist die Angelegenheit erledigt. Verweigert er sie aber, so überfallen die 
Freunde des Getöteten seinen Kraal und rauben Ihm die ganze Herde. Doch 
kaum haben sie diese heimgebracht, als auch schon die Freunde des Beraubten 
versuchen, sie ihnen wieder abzujagen. So geht es fort bis man des Streites 



*) Sini{. ol oiAoiii. 



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_ 87 ~ 

müde geworden ist, oder bis eine Partei zwei oder mehrere Male hintereinander 
Siegerin blieb. Grössere Ausdehnung nimmt der Kampf an, wenn die Zwei- 
kämpfer verschiedenen Geschlechtern oder gar verschiedenen Stämmen ange- 
hörten. Dann bekriegen sich die beiden Geschlechter oder die beiden Stämme, 
soweit sie tn einem Distrikt wohnen; es entsteht ein Kampf, der einem kleinen 
Bürgerkrieg gleichkommt. Angehörige dieser Geschlechter oder Stammet 
welche in einem entfernteren Distrikt wohnen, nehmen am Kampf nicht teil. 
Einen Krieg, in welchem Masai gegen Masai stehen, nennt man ol arabal 



Abb. 31. Tnnz im KrieKerkranl L 



(P. el arabali), nicht en djöre (n djorin), wie der Krieg zwischen Masai und 
fremden Stammen hcisst. 

Im Frieden verlebt der Krieger nur die wenigste Zeit im eigenen Kraal, 
er treibt sich meistens auf Besuchen in benachbarten, oft mehrere Tagemärsche 
entfernten herum. Nie dürfen alle zusammen in Friedenszeit den Kraal ver- 
lassen; eine Wache von mindestens zehn Mann bleibt stets zum Schutz der 
Mädchen und des Viehes zu Haus, während der Rest bei einem ol bul oder 
bei andern Leuten zum Besuch weilt. 

Das Leben im Kraal beginnt mit Sonnenaufgang, wo die Mütter und die 
Mädchen mit dem Melken des Viehes anfangen. Erst gegen sieben Uhr, wenn 



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- 88 — 

die Knaben das Vieh austreiben, erheben sich die Krieger, um die erste am 
frischer Milch bestehende Mahlzeit (en daä erta degenja = Speise am Morgen) 
einzunehmen. Darauf machen sich die Weiber an das Reinigen der Viehstande 
und sonstige Arbeiten, ebenso wie sie mit dem Kochen ihrer aus gekauften 
Vegetabilien bestehenden Nahrung beginnen. Diese wird gegen zwei Uhr 
nachmittags eingenommen (en daä e kat' ar^, d. h. die zweite Mahlzeit), während 
die Krieger dann gleichzeitig den Rest der Frühmilch, die bereits etwas sauer 
geworden ist (eAg ule nais^djo ^ wenig saure Milch) trinken. Danach halten 
die alten Weiber einen Mittagschlaf oder beschäftigen sich mit Näharbeit und 



Abb. 33, Tarn im Krießerlttaai II. 



Anfertigung von Schmuck, während die Krieger mit den Mädchen sich unter 
einem nahen Schattenbaum mit Tanz und Gesang (os singölto) unterhalten. 
Hierbei steht eine Reihe Krieger einer Reihe Mädchen gegenüber. Erstere 
tanzen auf der Stelle durch geringes Heben der Füsse und Einknicken in den 
Knien, Die Mädchenreihe geht mit kurzen stampfenden Schritten, in den 
Knien einknickend und mit dem Oberkörper wippend, bis zu den Kriegern 
vorwärts. In der Regel endet der Tanz damit, dass jedes Mädchen, dessen 
Liebhaber abwesend ist, sich in kurzen HochsprUngen einem der mittanzenden 



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- 89 - 

Krieger nähert Es ist dies eine Aufforderung zum Stelldichein, die der be- 
treffende in gleicher Weise zum Zeichen der Einwilligung beantwortet. Immer 
ist der Tanz durch Gesang begleitet. Kurz vor Sonnenuntergang kehren alle 
in den Kraal zurück. Bald darauf kommt das Vieh heim, und nachdem es 
gemolken ist, nehmen die Leute die wieder aus Milch bestehende Abendmahl- 
zeit (cn daä e teiba = Speise am Abend) ein. Danach beginnt von neuem 
der Tanz der Krieger und Mädchen auf einem kleinen freien Platz im Kraal 
dicht beim Eingang und wird nur von Zeit zu ' Zeit unterbrochen, um die 



Abb, 34. Tanz im Krießerkmal III. 

trocken geschrienen Kehlen mit Milch anzufeuchten. Die Mütter sind während 
dieser Zeit immer noch mit dem Vieh beschäftigt Ehe das Melken beendet 
ist, dauert es eine ganze Weile, dann lässt man die Kälber auf zirka eine 
Stunde zu den Kühen und schliesslich müssen jene wieder abgesondert und 
eingesperrt werden, damit man am nächsten Motten genügend Milch hat. Um 
zehn Uhr wird es still, die Leute ziehen sich in die Hütten zurück bis auf die 
Knaben, die sich bei den Ziegen auf die Erde zum Schlafen legen. 

Die auf der wetten Steppe liegende Stille wird nur ab und zu durch das 
an den Pfiff einer Sirene erinnernde Geheul der gefleckten Hyäne (Hyaena 



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— 90 " 

crocuta), seltener durch das heisere Lachen der gestreiften Hyäne (Hyaena 
striata und Hyaena Schillings!) unterbrochen. Manchmal lässt sich auch das 
Brüllen und Knurren eines Löwen, hören und wenn dieser einmal schweigend 
herumschleicht, merkt man seine Nähe am Verhalten der Rinder: sie schnauben, 
stampfen und drängen zusammen, jagen auch wild durch den Kraal. Dann 
eilen gleich eine Anzahl Weiber aus den Hütten, um das Raubtier durch 
schrilles,, trillerndes Schreien (ol gijoi) zu verscheuchen. Auch einige beherzte 



C G. SdüDi^i phoi. 
Abb. 35. Tani im Krlei^crknial lU. 



Krieger verlassen den Kraal, den Speer in der Hand, um dem Löwen zu Leibe 
zu gehen, kehren aber in der Regel bald unverrichteter Sache zurück. 

Hat der Frieden ein paar Monate gedauert, so verlangen die Krieger 
nach Krieg und geben ihrem Wunsch, immer ungestümer werdend, dem Sprecher 
(ol aigwenani) gegenüber Ausdruck. Die Krieger einiger Nachbarkraale haben 
schon ihre Teilnahme zugesagt und auch ihre Sprecher gedrängt, die dann alle 
zusammen beim ol aunoni vorstellig werden, mit dessen Zustimmung der Krieg 
eine beschlossene Sache ist, zu deren Ausführung nur noch die Erlaubnis des 
ol oiboni fehlt. Indessen gehen die Beratungen und Beschlüsse zur Unter- 



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— 91 — 

nebmung eines Kriegszuges nicht immer so glatt von statten, und am hitzigsten 
sind sie dann, wenn sie die Wiederholung eines Zuges zum Gegenstand haben, 
der bereits ein oder einige Male mit einer Niederlage der Masai endete. Natur- 
gemäss sind dann die Meinungen über den Erfolg des Zuges sehr geteilt, und 
die Sprecher und Anführer haben oft grosse Mühe, eine Mehrheit (lir die Unter- 
nehmung') zu gewinnen. Ist es aber endlich getut^en, so machen die Führer 
der Mehrheit dem weiteren Hin- und Herreden durch Herbeifiihrung des en 
dorosi, einer Art Rütli-Schwur, ein Ende. Danach hat jeder Krieger der in 
Frage kommenden Kraale sofort das sichtbare Zeichen des en dorosi, das en 
doros, anzulegen. Es besteht für die Krieger aus 3 bis 4 aus dem Schurz ihrer 
Lieblingsmädchen geschnittener Lcderstreifen, die mit aufgenähten Perlen und 
daran geknüpften Holzstückchen (von Zweigen der Bäume ol araschi und os 
siaiti) geschmückt sljid, während die Anführer als en doros die von einem ver- 
heirateten Mann geliehene Tabaksdose oder dessen Fliegenwedel tragen. Das 
en dorosi verpflichtet jeden Krieger zur Teilnahme am Zug. Wer demselben 
dennoch aus Furcht fernbleibt, ist aufs tiefste verachtet und vogelfrei; straflos 
darf ihn jeder Krieger töten. 

Zur Erlangung der Erlaubnis zum Kriegszug begeben sich die Sprecher 
zusammen zum ol oiboni und tragen ihm die Wünsche der Krieger vor. Von 
letzteren begleitet sie niemand, da sie sich zu ungehobelt in der Nähe des 
grossen Mannes betragen würden, der Ruhe und Klarheit bei den Beratimgen 
wünscht. 

Der ol oiboni hält sich sowohl über die Stärke der einzelnen Krieger- 
kraale, als auch über alle für einen Krieg in Betracht kommenden Verhältnisse 
der umwohnenden ansässigen Volkstämme genau unterrichtet, so dass er recht 
gut in der Lage ist, die beiderseitigen Aussichten auf den Sieg mit grosser 
Wahrscheinlichkeit richtig abzuwägen. Auch über unwichtige und nebensäch- 
liche Dinge beim Gegner bleibt er auf dem Laufenden und flicht alle diese 
Kenntnisse in seiner Antwort geschickt zusammen, so dass sie wie ein Seher- 
spruch klingt und als solcher auch von den Sprechern und Kriegern aufgefasst 
wird. Seine Antwort — wie sie die Sprecher überbringen — lautet z. B. : 
>Ihr werdet die Landschaft Kabe überfallen; sie ist stark und ihr werdet des- 
halb erst ein zwölflagiges Waldmahl,*) um euch zu kräftigen, abhalten. Dann 
werdet ihr am Tage ol gadet zum Krieg aufbrechen. Am folgenden Tag, dem 

') Im XnsMnten Falle — wenn i. B. der Krieg aus wirtsclialts-polilischcn Grttndcn iwingcnd 
i<l. weil der Ge^er so mEchlit; in werden droht, dass er den Masai selbst eine crnsle Gefahr oder 
ihncQ ein Nel>enbuliler im AusplUndcrn anderer Volkstümmc wir<l — ISsst sich der ol aunoni oder 
einer der Sprecher tnr Erreichung einer Mehrheil für den Krieg hjnrelssen, die Unsthlüsslgen el 
konono. d, h. Schmiede. lu schimpfen. Hiermit eriiclt er stets den beabsichtigten Erlolg. darf aber 
auch in den folgenden Tagen seine Hütte nur unter dem Schutz einflussreicher Kliegcr verlassen, 
um TSlllchkelten von selten der Beschimpften zu entgelicn. 

*■ Ol bul oder, wenn ein en dorosi slallgcfunden hatte, ol bnl cn dorosi oder ilafUr kurz en 
dorosi, womit der heutige Sprachgebrauch auch jeiies Waldmsht vor einem Kriegszug bezeichnet. 



=,Li00gIe 




— 92 — 

ol ondjori, werdet ihr einen alten Lagerplatz passieren. Dann, ehe ihr euer 
Lager erreicht, werdet ihr einen einzelnen Kahe-Knaben treffen. Tötet ihn 
nicht, sondern bringt ihn zu mir; ihr wurdet andernfalls unterliegen. Am ol 
onjugi-Tag werdet ihr kämpfen und siegen usw. usw.< Trißt etwas nicht ein, 
so liegt das an Unachtsamkeit oder Fehlem der Krieger. Femer gibt ihnen 
der ol oiboni noch für die auf dem Zug vorauszuschickenden Spione einige 
Amulette (e mascho ol oiboni) mit, die ihren Träger unsichtbar machen. Die 
Amulette enthalten eines seiner Zanbermittel und werden ums Handgelenk 
oder am Speer oder Schild festgebunden. Eine andere Kriegsmedizin besteht 
aus einem Gemisch, dessen Hauptbestandteil Schlangeneier (mossor ol aSsurai) 
sind. Mit der Medizin wird eine grosse Beinschelle 
(ol dualla kitok, Fig. 19) voUgefiitlt. Im Krieg wird 
sie an eine Keule gebunden und gegen den Wider- 
stand leistenden Feind geworfen, damit dieser flieht, 
oder in seine Herde geschleudert, um das Vieh 
auseinander zu jagen, das dann von den Masai ein- 
gefangen wird. Um die erhoffte Wirkung zu haben, 

ist es erwünscht, dass die Medizin von einem linkshändigen Krieger geworfen 
wird. Die Antwort des Häuptlings überbringen die Sprecher den Kriegern, die 
schon höchst ungeduldig ihrer Rückkehr harrten. Eilig bereiten sie sich zum 
Waldmahl vor, Waflen, Töpfe und das nötige Vieh wird zusammengebracht und 
je zwei es sirit ziehen zusammen tn den nächsten Busch. Während bat den 
gewöhnlichen Fleischmahlzeiten nur verhältnismässig wenige Gewürze gebraucht 
werden, finden besonders beim en dorosi all die vielen vegetabilischen Mittel, 
welche die Masai zur Err^ung der Nerven kennen, Anwendung. Ihre Wirkung 
ist in einem späteren Abschnitt besprochen.*) Ist der Gegner besonders stark, 
so dauert manchmal ein Waldmahl auf des ol oiboni Befehl einen ganzen Monat. 

Während desselben spielen sich die Knaben als Herren im Kriegerkraal 
auf, doch die Mädchen wehren sich tapfer mit Stöcken. Alte Tage singen die 
Mädchen bei ihren Tänzen Bittgesänge: 'Ng ai möge die Krieger stark machen 
und am stärksten den os sandja usw. Die Mütter beten dagegen still in ihrer 
Hütte zu dem gleichen Zweck. 

Noch im Wald haben die El möran ihre Waffen, Schmuck und Kleidungs- 
stücke in Ordnung gemacht. Bei Rückkehr vom Fleischmahl verweilen sie nur 
einige Stunden im Kraal, um etwa Vei^essenes zu holen und Vieh als Weg- 
zehrung mitzunehmen. Hier haben sich schon einige Väter und Mütter ein- 
gefunden, um auf die in den Krieg ziehenden Söhne und ihre Genossen den 
Segen 'Ng ais herabzurufen. Die alten Männer halten in der Rechten eine 
kleine Kürbisflasche mit Honigbier, in der Linken eine solche mit Milch, 
während die Frauen nur in der rechten Hand ein gefülltes Milchgefass haben. 

') 1^. XIX, Ncrvcnkmnkheitcii; ilio cm bosrbonii-KninkUcit. 

D,g,t,zod=yGoO'^Ie 



— 93 — 

Bei den laut gen Himmel gerufenen Gebeten verschütten sie den Inhalt der 
Kürbisflaschen allmählich als Opfer fiir Gott und besprengen auch die Krieger 
damit. 

Dflnn marschieren diese ab und lagern nach zwei- bis dreistündigem Marsch 
um Sonnenuntergang. Mehrere Rinder werden geschlachtet, deren Fleisch am 
Feuer geröstet und verzehrt. Gleichzeitig bestreichen die Krieger die blanken 
Speere mit einem Brei aus roter Erde oder umwickeln sie mit Gras oder Zeug, 
damit das sehr weit sichtbare Blinken in der Sonne sie nicht verrät Schliesslich 
lösen sie die Riemen der Sandalen und befestigen sie so auf der Unterseite, 



.\bb. 36. Beratung auf dem Kriegsiugx;. 

dass die Sandale mit der Fussspitze nach hinten und dem Fersenteil nach vorn 
getragen werden kann, damit die hinterlassenen Fussspuren über ihre Marsch- 
richtung täuschen. Während des Marsches bilden sich Kameradschaften zu je 
zwei Mann, von denen jeder den andern os sirit ai, d. h. mein Gefährte, nennt. 
Die Aufgabe des Gelahrten ist es, dem andern im Kampfe beizustehen und, 
wenn er fallt, seine Waffen in Sicherheit zu bringen. Fünf bis zehn solcher 
Kameradschaften tun sich zu einer Korporalschaft (ol ale) zusammen, von denen 
jede ihr eigenes kleines Lager errichtet. In den ersten Marschtagen, noch 
weiter ab vom Feind, wird es für die Nacht durch einige Dornenzweige be- 
festigt. An seine Stelle tritt am Abend vor dem Ueberfall das eftg adji en 



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— 94 — 

djor6. Im Halbkreis von etwa fünf Schritt Durchmesser werden die Speere, in 
die Erde gesteckt und aussen daran die Schilde derart gestellt, dass einer über 
den andern schuppenformig übergreift. In diesem Halbkreis liegen oder hocken 
die Krieger, angetan mit ihren Waffen, die Zeit zum Ueberfall abwartend. 
Führer der Korporalschaft ist einer der oben erwähnten Wohltäter, erkennbar 
an einem el dorogSn oder el gabat^n genannten Schmuck, der aus Schnüren 
von Eisen- oder Glasperlen besteht und um den rechten Unterarm getragen 
wird, ein Geschenk derer, denen seine Freigebigkeit zugute kommt. 

Mit den Kriegern ziehen ein oder einige Wundärzte (oI abini, el abäk), 



Abb. 37. KorporalBch^tftslnger auf KriegimarBch. 



deren Aufgabe die sofortige Behandlung der Verwundeten ist. Sie wählen 
ihren > Verbandplatz« ungefähr eine halbe Stunde vom Gefechtsfeld auf einer 
bekanntgegebenen und leicht auffindbaren Anhöhe. 

Gegen Mitternacht brechen die Spione (ol aigedalani, el aigedalak) auf, 
um bis nach Kahe hineinzugehen. Unterwegs passen sie ihr Aeusseres in 
Kleidung und Schmuck noch möglichst dem der Wakahe an und verstecken 
Schild und Speer am Weg. Mit beneidenswerter Harmlosigkeit bewegen sie 
sich im Vertrauen auf ihr Amulett unter der fremden Bevölkerung. Mit etwas 
frischem Rindermist und einigen, dem Kahevieh ausgerissenen Schwanzhaaren, 



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-- 95 — 

zum Beweis dafür, dass sie wirklich Rinder gesehen haben, kehren sie in grosser 
Eile zu den Kriegern zurück. 

Die Krieger sind gegen vier oder fiinf Uhr morgens aufgebrochen und nacli 
Sonnenuntergang in einem ein bis zwei Stunden von Kahe entfernten dichten 
Busch angekommen, wo sie jetzt lagern. Ueber die Erkundung der Spione 
ist man hoch erfreut, eine reiche Beute scheint nun ja sicher. Bald nach 
Mittemacht wird der Gefechtsmarsch angetreten. Die Krieger teilen sich in 
fiinf verschiedene Trupps. Als Patrouillen voraus eilen die el ebita (S. ol eWt) 
und halten, dicht am Ziel angekommen, im Laubwerk hoher Bäume versteckt, 
Umschau; ihnen folgen im Abstand von einigen tausend Metern, von je einem 
ol oifioni geführt, die drei bis vier Abteilungen der el äroi (S. ol äro), von 



Abb. 38. Letzte Instruktion det Krieger vor dem Gefecht. 

denen jede in anderer Richtung auf die feindliche Landschaft zugeht Sie be- 
stehen aus den schneidigsten L-euten, und von ihnen hängt in erster Linie das 
Gelingen des Ueberfalls ab. Hinter den el aroi folgen ausgeschwärmt in einiger 
Entfernung die grössten Abteilungen, die el dimito (S. ol dim), deren Flüge! aus- 
gesuchte Leute, die el emouerak (S, ol emouo), bilden. Sobald die Vordersten 
auf Vieh gestossen sind, rufen sie die andern durch langgezogene äl-Rufe 
hieran, damit sie die Beute, die nur aus Vieh besteht, zusammentreiben. 
Während die el aroi mit dem Gegner ins Handgemenge kommen, suchen dessen 
tusammenströmende Trupps den el dimito die Beute wieder zu entreissen. 
Bei diesem Kampf gibt es die meisten Verwundeten und Toten. Um ihn ab- 
zukürzen und das Vieh schnell in Sicherheit zu bringen, wird dieses fortwährend 



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— 96 - 

von den et dimtto angetrieben und nach der Steppe zu, heraus aus der feind- 
lichen Landschaft gedrängt. Den Weg sucht ihnen der vierte Trupp, die el 
kigel6ni, offen zu halten, die auch von vorn auf die Herde drängende Feinde 
zerstreuen. Die letzte Abteilung sind die os sioki, d. h. die Feigen, welche 
Angst hatten, mit den andern mitzugehen, jetzt aber, wo keine Gefahr mehr 
vorhanden ist, wie Raubtiere die Herde umschleichen, um zu stehlen. Mit den 
Keulen hauen die el dimito und el kigcl6ni auf sie ein, und es entsteht eine 
grosse Prügelei bis zum Eintreffen der Anfuhrer im Lager. Dann sondern 
diese eine Anzahl Rinder aus der Herde, die noch Gemeingut ist, und lassen 
sie schlachten, worauf jeder Krieger eine Fleischportion erhält. Die Krieger 
müssen eine Dornenumzäunung anlegen, damit das Vieh darin für die Nacht 



sicher untergebracht ist. Gefangene werden also nicht gemacht Die Männer 
des Feindes, deren man habhaft werden kann, werden getötet, die Weiber da- 
gegen meist geschont und freigelassen. Doch kommt es auch vor, dass die- 
jenigen Krieger, weiche ihren ersten Zug unternehmen, um nicht als ebor alem 
zurückzukehren, auch Weiber niedermachen. Schwangere Frauen werden aber 
auch in diesem Falle geschont, weil man glaubt, dass Gott den Mörder einer 
Schwangeren durch den Tod der eigenen Kinder straft. Nur sehr ausnahms- 
weise nimmt man einige Weiber oder Kinder mit. Diese werden aber nicht 
Sklaven; vielmehr wird das gefangene Weib sehr bald die rechtmässige Ehefrau 
dessen, der sie erbeutete, wie er auch das geraubte Kind ganz als sein eigenes 
betrachtet. Eine Zeremonie der Ankindung existiert nicht, der Mann übergibt 



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McrkcT pbot. 
Abb. 40. Auf PoBlen. 



— 97 _ 

das Kind einfach einer seiner Frauen, die es wie ihr eigenes behandelt. Am 
nächsten Tag marschiert man weiter, den heimischen Kraalen zu; am Abend 
wird wieder ein Dornenzaun gebaut und gleich- 
zeitig wird der für den o\ aunoni bestimmte Beute- 
teil abgesondert. Die Gesamtbeute jedes Kriegs- 
zuges bekommt einen Namen. Dieser wird an 
diesem zweiten Abend, während die Leute beim 
Essen sitzen, bestimmt. Man nennt sie z. B. 
kirima, weil auf beiden Seiten Leute gefallen 
sind. Andere Namen sind: bögörüt, wenn der auf 
den Zug mitgenommene Proviant an lebendem 
Vieh nicht ausreichte und die Krieger aus Hunger 
und gegen den sonstigen Brauch Baumfrüchte 
essen mussten; i^gÖrS, wenn die El möran unter- 
wegs durch Wassermangel litten; Agniria, gebildet 
aus dem Ruf matifigniria äpo, d. h. ungefähr: »nur 
Mut, geht es nicht, was schadet es«, eine häufige 
Redensart, wenn man glaubt, dem Gegner an 
Stärke unterlegen zu sein. Am folgenden Morgen, 
früh, vor Abmarsch verteilen die Anführer die Beute 
zu möglichst gleichen Teilen, ein Krieger bekommt 
soviel wie der andere, doch vorweg werden schon einige Rinder als besondere 
Belohnung verteilt und zuerst an diejenigen Krieger, welche einen Feind im 
Kampf töteten, dann an die Wohltäter [h gamnJni), dann an den, der das erste 
Rind erbeutete und an die vorausgegangenen Spione (el aigedalak) und 
schliesslich an die Verwundeten, von denen jeder Anspruch auf das Rind hat, 
welches er mit dem aus der Wunde quellenden Blut zeichnete. Die Anzahl 
der Rinder, welche der einzelne der Genannten, mit Ausnahme des letzten, 
der nur ein Rind zu beanspruchen hat, erhält, richtet sich nach der Grösse der 
Beute und das Verhältnis der Grösse der Beuteteile nach obiger Reihenfolge. 
Jeder Krieger ist bestrebt, seinen Beuteteil so schnei) als irgend möglich von 
den andern wegzutreiben, aber jeder versucht auch, dabei ein oder einige ihm 
nicht gehörige Stucke mitzunehmen. Darob entsteht natürlich wieder eine 
Rauferei, bei der es fast immer mehrere Verwundete gibt. Ist die Beute zu 
klein für eine gleichmässige Verteilung, so bilden die Krieger zwei Parteien, 
auf der einen Seite die El muleljan, auf der andern die 'L aiser und £1 
mengana. Erstere haben als Schlachtruf das Wort ado moAgi = die roten 
Rinder, letztere das Wort orok gcteft = die schwarzen Rinder, wonach sie 
auch manchmal (z. B. hörte ich es in Gesängen) benannt werden. Ein Kampf 
entscheidet, wer von beiden Teilen die gesamte Beute erhält. 

■In den Kraalen daheim war es während der Abwesenheit der Krieger 
recht still. Nach dem Abschied gingen die Zurückbleibenden nach Haus, jeder 



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- 98 - 

etwas beklommen in der Sorge um den Sohn oder Liebsten, die aber bald 
mehr oder weniger durch die Hoffnung auf die Beute, die jene zurückbringen 
werden, in den Hintei^und gedrängt wurde. Der Alte hockte bald nach 
dem Abschied wieder in stiller Beschaulichkeit vor seiner Hütte und 
jagte, wie sonst auch, mit einem aus Gnuschwanz bestehenden Fliegen- 
wedel (ol enjua, el enjuai [Fig. 20]) die eine wirkliche Plage in den 
Masaikraalen bildenden Fliegen von Gesicht und Kopf. Dann ergriff er 
ein Haar des Wedels und machte darin für jeden seiner in den Krieg 
gezogenen Söhne einen Knoten, indem er 'Ng ai anflehte, er möge ebenso 
fest wie diese Knoten Leib und Seele jener zusammenknüpfen. Aehnlich 
betet er jeden Morgen nach Verlassen der Hütte. Ebenso bittet die 
Mutter Gott um Schutz 'für ihren Sohn und opfert ihm jedesmal etwas 
Milch, die sie entweder aus einer Kürbisflasche oder aus ihrer rechten 
Brust auf die Erde spritzt. Etwas heiterer machen sich die Mädchen 
die Sache, in dem sie an Stelle anderer Gebete ihre Tänze mit Bitt- 
Fig. so. gesängen für die Erhaltung des Liebsten und der vielen andern Lieben 
begleiten. Heute werden noch einmal die sorgenden Gedanken be- 
sonders rege; die Krieger müssen ja bald heimkommen, und es wird sich dann 
entscheiden, ob der Sohn oder Liebste unter ihnen ist. 

Von weitem sieht man schon vereinzelte kleine Staubwolken, die das mit- 
gefuhrte Vieh aufwirbelt Die Mädchen und jungen Frauen eilen den El möran 
entgegen und begrüssen alle Ankommenden herzlich. Aber, was ist das? Da 
steht unter den lachenden Weibern eine junge Frau, die eben ihren Bruder 
lebhaft auf beide Wangen gekUsst hat, gerade kommt ihr Mann, der noch diesen 
einen Zug mitmachen wollte, ehe er als alter ol möruo dauernd zu Hause bleibt, 
und man sollte eine mindestens ebenso herzliche Begnissung erwarten. Doch 
beide tun, als ob sie sich gar nicht sehen, ja wenden sich sogar von einander 
ab. Man könnte meinen, sie zürne ihm, weil er sein Leben unnötig aufs Spiel 
setzte. Doch sie ist ihm nicht böse, freut sich vielmehr im stillen, dass er 
wieder gesund zurück ist und reiche Beute mitbringt. Aber auch die Masai 
haben ihren >guten Ton«, und dieser verlangt, dass sich Eheleute bei ihrem 
ersten Wiedersehen nach einem Kriegszug vollständig schneiden. 

Von seinem Beuteteil behält der Krieger nur ein oder zwei Milchkühe, 
die er seiner Geliebten übergibt Den Rest verschenkt er an die Mutter, den 
Vater, dessen andere Frauen, die Brüder, Schwestern und den einen oder 
andern seiner weiteren Verwandten, welchem er besonders zugetan ist. Wer 
diesmal nichts bekommt erhält sein Teil nach dem nächsten Zug. Lange 
braucht er darauf nicht zu warten, die Kriege folgen sich schnell, selten ist der 
Zeitraum zwischen zweien länger als zwei bis drei Monate. Daher sind die 
Masai eine wahre Geissei für die benachbarten Volkstämme, und das Gerücht 
»die Masai kommen«, genügt trotz seiner Häufigkeit oft, um ganze Ortschaften 
wochenlang zu beunruhigen. 



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— 99 — 

Betrachten wir nun das Verteidigungsverfahren der Masai. Sobald durch 
Spione in Erfahrung gebracht ist, dass ein ansässiger Negcrstamm einen Ueberfall 
auf die Kraale plant, schiebt man bei Tage einen aus sechs bis acht Kriegern 
bestehenden Posten (en gemi) einige tausend Meter in der voraussichtlichen 
AngrifTsrichtung vor. Er nimmt Aufstellung auf einer Höhe, von der er sowohl 
das Voi^elände, als auch dasjenige, in dessen Mitte das Vieh weidet, übersehen 
kann. Wo Terraingegenständc den Ausblick beeinträchtigen, müssen Patrouillen 
diesem Nachteil abhelfen. Sobald man das Anrücken des Feindes beobachtet 
hat, bringt ein Krieger die entsprechende Meldung nach den Kraalen, wo sieb 
sofort die Krieger gefechtsbereit machen. Nur wenn es besondere Umstände 
erforderlich erscheinen lassen, gehen sie dem Feinde entgegen; in der Regel 
warten sie aber, bis er im Begriff ist, die Herde, die immer das erste Ziel bildet, 
zusammenzutreiben. Jetzt brechen sie hervor, stürzen sich von allen Seiten 
auf den Gegner und werden in dem sich entspinnenden Handgemenge fast immer 
Si^er. Das anfängliche Abwarten hat seinen guten Grund: einmal gilt die 
Hauptaufmerksamkeit des Feindes, sobald er an die Herden heran ist, diesen, 
so dass die Masai nun überraschender auftreten können, dann verwirrt die Menge 
und das Brüllen des Viehes den daran nicht gewöhnten Neger leicht, und 
schliesslich hat der Masai im Handgemenge den Vorteil, sich nur mit dem 
Feind beschäftigen zu brauchen, während dieser in seiner Beutegier zunächst an 
das Festhalten und Forttreiben des Viehes und dann erst an eine Abwehr denkt. 
So erreichen die Masai, dass die Schlappe des Gegners eine grössere wird und 
diesen vor weiteren Unternehmungen für längere Zeit abschreckt. Würden sie 
sich ihm, noch che er an die Herden herangekommen . ist, entgegenwerfen, 
so würde er sich gleich zurückziehen, um in einer der nächsten Wochen von 
neuem sein Glück zu versuchen. Die Masai müssten weiter mit der Wahr- 
scheinlichkeit eines Angriffs auf ihre Kraale rechnen und konnten während 
dieser Zeit nicht selbst Raubzüge unternehmen. 

Ein anderes Verfahren besteht darin, dass die Krieger bis zur Annähe- 
rung des Feindes in der zusammengetriebenen Rinderherde sich verstecken 
und daraus hervorstürzen, sobald der G^ner dicht heran gekommen ist Modi- 
fiziert wird dies noch in folgender Weise: Man teilt die Herde in zwei Teile; 
der vordere, kleinere bleibt in der Obhut einiger Knaben, die beim Heran- 
kommen des Feindes sofort Hieben. In der hinteren grösseren ist die eine 
Hälfte der Krieger versteckt, während die andere vorwärts und seitwärts von 
der vorderen Herde einen Hinterhalt gelegt hat. Der Gegner nimmt zuerst 
die vordere Herde in Besitz, ein Teil von ihm sucht sie sofort wegzutreiben, 
während der andere die hintere zu erreichen sucht. Jetzt ist der Moment ge- 
kommen, in dem die Masaikrieger auf beiden Stellen hervorbrechen. 

Dass die Masai so häufig mit gutem Erfolg auch mit Vorderladern be- 
waffnete Handelskarawanen überfallen und oft bis auf den letzten Mann nieder- 
machen, verdanken sie heutzutage weniger ihrer Starke, als ihrer Verschlagen- 



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— 100 — 

heit. Zu der durch die Steppe ziehenden Karawane gesellen sich heute ein 
paar scheinbar arme, hungrige Masai, die freundlich die Träger begrüssen und 
ihnen bereitwillig Auskunft über den nächsten Lagerplatz usw. geben. Dass 
die Masai kürzlich in der Nahe waren, jetzt aber abgezogen seien und weit von 
hier lagern, wird so nebenher mit allen möglichen erdichteten Details erzählt. 
Nachdem die beiden noch abends mit den Tri^ern gegessen haben, verschwindet 
einer des Nachts und überbringt das Erkundete den Kriegern seines Kraals. 
Vor Moi^engrauen ist er wieder im Lager und beide ziehen mit der Karawane, 
mit deren Leuten sie sich nun schon angefreundet haben, weiter. Am nächsten 
Tage finden sich wieder zwei oder drei *arme< Masai ein, die sich als Wando- 
robbo — wie es auch die ersten oft tun — ausgeben. Sie bringen ihre an- 
geblich ganze Habe, bestehend aus einigen Rhinoceroshörnern zum Verkauf 
oder auch als Geschenk. Auch sie bleiben bei der Karawane ; sie essen, 
plaudern und scherzen mit den Trägern und zeigen bei dieser Gelegenheit ein 
feines Verständnis im Erkennen, wie weit diese ihnen vertrauen, ob sie sich 
ganz sicher fühlen usw. Glauben sie, dass die Karawane vollkommen sorglos 
ist, so holt einer der Masai-Gäste in dieser oder der kommenden Nacht die 
Krieger herbei, die dann in der Regel zwischen Mittemacht und 3 Uhr morgens, 
wenn die Träger am festesten schlafen, über das Lager herfallen und ohne 
Mühe die Schlafenden niedermetzeln. 

Wie schon aus Vorstehendem hervorgeht, kennen die Masai im Verkehr 
mit fremden Stämmen keine Kriegserklärung. Der Krieg ist vielmehr ein 
plötzlicher Ueberfall mitten im Frieden. 

Galt der Krieg einer entfernten Landschaft, so schltesst man nachher 
überhaupt keinen Frieden, es sei denn, um sie zu täuschen, damit man von 
ihrer Seite für einen späteren Ueberfall eines ihr benachbarten Landes keine 
Schwierigketten zu erwarten hat. Man schickt hierzu zuerst einige alte Männer 
zu dem eben befehdeten Stamm. In der rechten Hand tragen sie ein Gras- 
biischel (ol godjeta, el godjet = Gras) und überbringen ein Schaf, welches eine 
Kette aus blauen oder grünen Ringperlen, en gononoi, um den Hals tragt. 
Dies sind die Friedensabzeichen (eii dogitin 03 sotoa = Sachen des Friedens). 
Nachdem die Alten ihr Anliegen dem fremden Häupthng vorgetragen haben, 
gibt ihnen dieser, froh, mit den Masai Frieden machen zu können, einige Greise 
mit, mit denen dann die Sprecher Blutsfreundschaft (ol momai) schliessen. 
Beide Parteien setzen sich, umgeben von den Kriegern, unter einem Schatten- 
baum in der Nähe des Kraals dicht gegenüber, vor jedem Sprecher einer der 
fremden Greise. Nun macht jeder seinem Gegenüber einen kleinen Schnitt in 
den linken Unterarm und wischt das hervorquellende Blut mehrfach mit einigen 
Stückchen halbgerösteten Fleisches ab, die er verzehrt. Während dieser Zere- 
monie schwören sich die Beteiligten ewigen Frieden. Das verwendete Fleisch 
stammt von einem eben geschlachteten Tier, meist von einem Rind, seltener 
einer Ziege oder einem Schaf Das Tier muss vollkommen gesund sein. 



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wovon sich beide Parteien durch eine Untersuchung der Eingeweide über- 
zeugen. 

Ebenso wie die Masai fremde Stämme mit dieser Blutsfreundschaft 
täuschen, haben sie dies auch mehrfach Europäern gegenüber getan. Die be- 
treffenden glaubten eben, dass eine so zu stände gekommene Blutsfreundschaft 
den gleichen Wert hätte, wie wenn sie mit ansässigen Negerstämmen, die 
einen entsprechenden Brauch haben, geschlossen wäre. Da sie hier aber 
lediglich Schein ist, liegt die Vermutung nahe, dass man es mit einem Brauch zu 
tun hat, der den Masai nicht eigentümlich ist, sondern erst von andern Völkern an- 
genommen wurde. Die Möglichkeit eines dauernden Freundschafbschlusses zwischen 
Europäern und Masai hält Verfasser für ganz ausgeschlossen, sowohl auf Grund 
einer fast achtjährigen Erfahrung, als auch nach den Mitteilungen einer grossen 
Anzahl Masai, die im Laufe einer langen persönlichen Bekanntschaft so viel 
Zutrauen gewonnen hatten, um sich offen über diesen Punkt auszusprechen. 
Nach ihrer Ansicht würde eine Freundschaft, in welcher Form sie auch ge- 
schlossen sein mag, immer nur den Erfolg haben, dass einzelne im Dienst. des 
betreffenden Europäers stehende Leute in den Masaikraalen gastfreie Aufnahme 
6nden. Einen dauernden Frieden kann sie ebenso wenig herbeiführen, wie. sie 
die Masai zur Befolgung der Befehle und Gesetze des Europäers veranlassen wird. 

Meinen es die Masai dagegen mit dem Frieden ernst, weil der bekriegte 
Stamm ihnen nahe wohnt und sie darauf angewiesen sind, dort vegetabilische 
Xahrung zu kaufen (wie z. B. in dem erwähnten Kahe), so machen sie ein 
ertana etabaschage A gera ^ Säugen der vertauschten Kinder. Nachdem sie, 
wie vorher, einen alten Mann abgesandt haben und dieser zusammen mit einigen 
fremden Greisen zurückgekehrt ist, verabredet man in einer Beratung, dass an 
eine bestimmt bezeichnete Stelle in der Steppe zwischen Kahe und den Masai- 
Kraalen der Kahe- Häuptling, ein Kaheweib mit einem Säugling und eine Zahl 
Zeugen kommen sollen. Zur festgesetzten Zeit findet sich dort auch ein Weib 
der Masai (aber keine echte Masai, sondern eine in einem früheren Krieg ge- 
fangene andern Stammes) mit einem Säugling, sowie dem Sprecher, den An- . 
führern und andern Kriegern als Zeugen ein. Die zwei Frauen vertauschen 
nun ihre Kinder und jede legt das fremde Kind einen Augenblick an ihre Brust. 
Darauf nehmen sie die Kinder in den Lederschurz auf den Rücken und schliessen 
mit einander Blutsfreundschaft Einer der Zeugen macht jeder der beiden 
Frauen in die Bauchhaut einige Schnitte und reicht ihr ein Stückchen vom 
Herzen eines eben geschlachteten Stückes Vieh. Nachdem damit jede das 
aus ihrer Schnittwunde hervortretende Blut abgewischt hat, steckt sie es der 
andern in den Mund. Während sich diese Zeremonie abspielt, versichern der 
Sprecher und der Häuptling von Kahe im Namen ihrer Leute ewige Freund- 
schaft, sie rufen Gott zum Zeugen an und bitten ihn, dass er sie ausrotten 
möge, wenn sie die Freundschaft nicht halten. Jeder Friedensschluss hat die 
Verpflichtung zur gegenseitigen Gastfreundschaft zur Folge. 



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Nach einem Kampf der Masai unter sich besteht der Friedensschluss darin, 
dass die Sprecher im Beisein einer Anzahl Krieger der beiden Parteien ihre 
Fellumhänge und Sandalenriemen vertauschen. Man nennt dies etabaschage 
megitin = Vertauschen der Feilumhänge. 

Dip Länge der auf den Kriegszügen zurückgelegten Strecken ist im Ver- 
gleich zu derjenigen ihrer ackerbautreibenden Nachbarn oft erstaunlich. 
Leistungen von täglich sechzig bis achtzig Kilometer, drei bis vier Tage hinter- 
einander sind durchaus keine Ausnahmen. Wenn man aber berücksichtigt, 
dass das Training der Krieger nur im Marschieren bestebt, dass sie ausser ihren 
Waffen nichts Schweres tragen und vor den Märschen, sowie während derselben 
reichlich Excitantien geniessen, so übertreffen ihre Leistungen die einer deutschen 
Infanterietnippe durchaus nicht. Die Märchen der Karawanenleute erzählen 
allerdings Wunderdinge von der Schnelligkeit und Ausdauer der Masaikrieger, 
und auch europäische Reisende haben zur Verbreitung dieser Legende beige- 
tragen, indem sie die körperlichen Leistungen der Masai mit denen der Europäer 
in den Tropen verglichen. Die Unhaltbarkeit eines solchen Vergleichs Üegt 
auf der Hand. Vielfach hört man auch, wie die Masai ob ihrer angeblichen 
Fähigkeit, auf ihren Märschen dem Genuss von Wasser entsagen zu können, 
bewundert werden. Vermutlich ist diese Mär dadurch entstanden, dass die 
Leute, im Gegensatz zu andern Stämmen, bei ihren grossen Wanderungen nie 
eine Kürbisflasche mit Wasser mitführen. Der Masai kennt aber jedes Fleckchen 
der Steppe genau, er weiss jedes Felsbccken, jede winzige Quelle, er weiss 
auch, wo ein scheinbar trockenes Bachbett unterirdisch Wasser führt Wo sich 
in alten hohlen Bäumen und besonders in Baobabs Wasser gesammelt hat, ist 
ihm dies durch eine aus fusslangen, horizontal eingebohrten Zapfen hergestellte 
Stiege zugänglich. Schliesslich gibt es eine Anzahl wasserreicher Wurzeln und 
Knollen, die, ausgekaut, durch ihren Wassergehalt zum Durstlöschen sehr wohl 
gee^et sind. Diese dienen ihm ebenso wie der in den Steppen nicht seltene 
wilde Honig auch als Nahrung auf den Märschen. Zu den versteckten Honig- 
■ löchern führt die Masai ein Kuckucks- Vogel, der Honiganzeiger (Cuculus indtcator, 
von den Masai eA johoroi genannt). Sobald er Menschen sieht, ruft er mit 
schnarrendem Ton und fliegt dann langsam zum nächsten Honigplatz, wohin 
ihm die Leute folgen, um den Honig auszunehmen. Genügte die gefundene 
Menge den Kriegern noch nicht, so verscharren sie die ausgekauten Waben, 
worauf sie dann der Vogel nach einer kleinen Weile weiterführt. Im andern 
Fall überlassen sie ihm die Reste. 

Wenn die Krieger eines ol boror merken, dass ihre Knochen alt werden 
und die el barnot ihnen an Kraft überlegen sind, werden sie sich darüber einig, 
dass es nun Zeit sei, ans Heiraten zu denken. Nachdem sie die Erlaubnis des 
Sprechers und danach die des Häuptlings eingeholt haben, tritt einer nach dem 
andern, jeder kurz vor setner Hochzeit, aus dem Kriegerverband aus. Sein 
Ausscheiden zeigt er durch ein Fest an, das ol getefi 1 ol baä, d. h. Ochsen- 



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— 103 — 

schlachten mit Kampfspiel. Hierzu sind alle Einwohner der nächsten Kraale 
«ngeladen und werden mit dem Fleisch eines oder einiger Rinder bewirtet. 
Sobald diese getötet sind, schneidet sich jeder Krieger ein Stück Fleisch her- 
aus und verschlingt es hinter einem etwas abseits stehenden Busch. Dann 
bekommt jeder der Anwesenden sein Teil, während der Rest auf zwei Meter 
hohe Stöcke gereiht wird. Um diese kämpfen die Krieger mit den Mädchen 
und Frauen im Spiel, wobei letztere tüchtig die Stöcke schwingen, vor denen 
die ersteren mehr Furcht als die an Prügel etwas gewöhnten Weiber haben. 
Dann belustigen sich die jüngeren und spielen z. B. Nachlaufen und Fangen 
(losudja). Ehe man gegen 5 Uhr nachmittags an den Aufbruch denkt, tritt 
ein Verheirateter mit seiner Hauptfrau zum Gastgeber und hält ihm folgende 
Rede: *adjogi megur' ira ol moräni, eta ol moruo, ifigora n gischu inonu, A 
gera inonu, ii^ora naleA, tabala robaa el mÖran, ira tada ol mtSruo, tabala n 
dogitin bä^n el möran, ira tada ol möruo<; zu deutsch: Ich sa^, du bist nicht 
mehr Ol moräni, sondern Ol möruo, pflege dein Vieh und deine Ziegen und 
Schafe und achte gut auf sie, lasse die Beschäftigung der Krieger, jetzt bist du 
ol möruo, unterlasse alle Dinge der Krieger, jetzt bist du ol mönio. 

Nach diesem Fest steht es im Belieben des Kriegers, weiter mehr oder 
weniger regelmässig an Kriegszügen teilzunehmen. In der Regel heiratet er 
bald und lebt mit seiner Frau entweder im Kraal des Vaters oder im Krieger- 
kraal, bis alle seine Altersgenossen verheiratet sind. Erst dann gelten sie 
als el möruo; jeder baut seinen eigenen Kraal und legt Kleidung, Schmuck 
und Zopf der Krieger ab. Er steht jetzt im Ende der Zwanziger, seine beste 
Kraft ist verbraucht. Im allgemeinen leben die Masai, ebenso wie alle Ange- 
hörigen der schwarzen Rasse, sehr schnell, sie altern früh, ohne indes je ein 
uirklich hohes Lebensalter zu erreichen. 



Grass. — Fonii und Art Jcs Grussos zwischen In(li\i(lupn vcrsrhi eilen pn AIktb um! Geschlechts. — 

Gnjsstonneln, — Begrüsaung beim Beshch. — Abschied sgruss, — UiHcrhaltung, — Schimpfworlc, — 

Koscwortc, 

Der Gruss beginnt mit einer bestimmten Geste, deren man vier unter- 
scheidet: 

1. das einfache Reichen der Hand, wobei sich die beiderseitigen, senk- 
recht gehaltenen Handflächen der rechten Hand berühren (beider- 
seitig); 
, 2. dasselbe, nachdem man vorher in die Handfläche gespuckt oder 
wenigstens die Geste dafür gemacht hat (beiderseitig); 

3, der Kopfgruss, indem der Gnissende den Kopf neigt und Brust oder 
Bauch der begrüssten Person mit dem Scheitel berührt (einseitig); 

4, die Umarmung mit Kuss auf beide Wangen (einseitig). 



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— I04 — 

Sowohl die Gesten, als auch die folgenden Grussworte sind nach Alter 
und Geschlecht der Beteiligten verschieden. Wir müssen daher die einzelnen 
Möglichkeiten der Reihe nach betrachten. 

Bei gleichem Geschlecht der Beteiligten beginnt der ältere den Gniss. 
bei verschiedenem Geschlecht der Mann, beim Zusammentreflen einer Frau mit 
einem Knaben die erstere. Die einfache Handreichung ist gebräuchlich bei 
Jünglingen, Kriegern, verheirateten Mannern und verheirateten Frauen, sowohl 
unter sich, als unter einander, ferner bei jungen Mädchen und Kindern unter sich. 

Soll der Gruss besonders herzlich sein, weil die Grüssenden entweder sehr 
eng befreundet sind oder sich lange nicht gesehen haben, so wird vor der 
Handreichung in die Hand gespuckt. 

Im Moment der Handreichung ruft der Mann ÖieiS, die Frau Aäsäk. 

Trägt der Mann etwas in der rechten Hand, so nimmt er es vor der 
Handreichung in die linke, auch wenn er in dieser schon etwas anderes hält. 
Männer tragen immer etwas in der rechten Hand, der Jüngling und Krieger 
den Speer, der verheiratete Mann Bogen oder Stock, die Frau dagegen nur in 
einem einzigen Fall ; wenn sie den als Brautpreis zu zahlenden Honig überbringt 
— wir sahen, dass der Bräutigam diesen durch eine seiner Frauen, seine 
Mutter, ältere Schwester oder Frau seines Bruders übersendet — , so trägt sie 
das Gelass mit dem Honig auf dem Rücken im Schurz und in der rechten 
Hand einen Stock (eines verheirateten Mannes), auf den sie sich stützt, wie um 
darzutun, dass die gebrachte Gabe gross und schwer ist. 

Den Kopfgruss geben Kinder und junge Mädchen allen Erwachsenen, 
ferner auch eine jüngere verheiratete Frau (es sief^ki) dem Krieger oder ver- 
heirateten Mann, welcher älter als sie und mit ihr verwandt oder eng befreundet 
ist. Während des Kopfgrusses sagt die grüssende Person nichts, während die 
begrüsste mit einem Wort den Gruss erwidert: ein Mann sagt zum Knaben ÖlSlfi, 
zum Mädchen näsSk, die Frau zu Knabe und Mädchen näsäk. 

Da der Kopfgruss eine Ehrfurchtsbezeugung ist, die einem älteren oder 
höher stehenden Individuum dargebracht wird, beginnt hier natürlich die jüngere 
Person den Gruss. Eine Verbindung von Kopfgrtiss und Handreichung, etwa in 
der Art, dass der eine den Kopf neigt, der andere die Hand reicht, gibt es nicht. 

Die Umarmung mit Kuss auf beide Wangen findet man immer bei Zwillings- 
geschwistern, häufig auch bei Geschwistern im allgemeinen, öfters bei rechten, 
seltener bei Halbgeschwistern. Ferner umarmen und küssen die Grosseltem 
ihre Enkel, Tanten ihre Neffen und Nichten, seltener Mütter ihre Kinder, in 
diesen Fällen aber nur, solange die Umarmten noch im Kindesalter sind. Die 
Umarmung selbst wird von keinem Grusswort begleitet. Ist eine der sich um- 
armenden Personen zum Kopfgruss verpflichtet, so folgt dieser der Umarmung. 
Begrüssen sich z. B. Tante und Nichte, so umarmt und küsst erstere das 
Mädchen, worauf dieses mit gesenktem Kopf die Brust der Tante berührt und 
letztere zugleich fiäs^k ausruft. 



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— I05 — 

Der Geste folgt eine Anrede. Bekannte rufen den Namen des Begrüssten 
oder nehmen, wenn sie sich näher stehen, Bezug auf den Vater des Begrüssten, 
z. B. cra Mtarfn, was Sohn des Mtarfn bedeutet. Verwandte brauchen die für 
sie geltende, oben gegebene Anrede. Bei Leuten, welche sich nicht kennen, 
richtet sich die Anrede nach Geschlecht und Alter der Beteiligten. Für 
Knaben, Jünglinge und verheiratete Manner ist die Anrede dieselbe und lautet 
an einen £ro oder airo (Freund), an mehrere loij^, was, wie erwähnt, der ältere 
spricht. Ein Krieger redet einen andern mit ol mot^ni, mehrere mit el mÖran 
an, wobei noch zu bemerken ist, dass diese Anrede nicht vor, sondern hinter 
das später zu besprechende eigentliche Grusswort gesetzt wird. Mädchen werden 
mit natoje (S. nairo, weibliche Form von ero oder airo) angeredet Eine jüngere 
Frau reden Knaben, Jünglinge und Krieger mit n akitok (n akttwa) an, ver- 
heiratete Männer dagegen mit es sieAgiki. Für alte Frauen brauchen alle die 
Anrede koko. Verheiratete Männer und Frauen reden Kinder beiderlei Geschlechts 
mit na gerä = Kinder (S. ett gerai = Kind) an. 

Der Anrede folgt eine Antwort, die von einem Mann gesprochen ä, von 
einer Frau eö lautet. 

Den Schluss bilden Gruss- und Gegen gruss wort. Männhche Individuen 
begrüsscn sich unter einander mit sÖwai, worauf als Gegengruss £wä folgt, 
ebenso wie dies junge Mädchen, welche im Kriegerkraal leben, und junge Frauen, 
die denselben kürzlich verlassen haben, tun. Sonst begrüssen sich weibliche 
Personen unter sich, sowie Männer mit Frauen mit täkw£nja, Gegengruss iko. 
Ebenso lautet der Gruss auch, wenn eine Frau einen Knaben begrüsst: sie sagt 
täkwSnja. der Knabe antwortet fko. Ist der Gruss an mehrere Personen ge- 
richtet, so setzt man vor söwai Snda und vor täkwSnja en, also 6nda söwai und 
en täkw^nja. Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass der GrUssende, wenn er 
mehrere Personen gegenüber hat, von denen er eine besonders begrüsst, an 
die Anrede, falls diese weder den Namen des Begrüssten oder den seines Vaters, 
noch eine Verwandtschaftsanrede enthält, eins der folgenden Worte anhängt 
Aide (S. masc.), guldä {P. masc), endi (S. fem.), gunä (P, fem.), die etwa »du 
da« oder »ihr da* bedeuten. 

Unter Zusammenfassung des Vorstehenden ergeben sich folgende Formeln: 

Grüssendcr: Begleitwort, Anrede Gruss 

Handschlag 

Begrüsster : Begleitwort, Antwort Gegengruss 

Grüssendcr: Kopfgruss, Antwort Gegengruss 

Begrüsster: Begleitwort, Anrede Gruss 

Grüssendcr: Umarmung, Begleitwort, Anrede. 
Begrüsster: Kopfgruss Antwort 



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— io6 — 

Beispiele: 
ol müruo: äl£lS &rö sÖwai 

zu Handschlag 

ol möruo: Ö18IÜ ä iwä. 

ol möruo: ÖliSlä er 'Aide sftwai 

zu Handschlag 

ol mönio: 6\m ä Swä. 

(der mit mehreren andern zusammensteht) 

cn dftö: Kopfgruss eö iko 

zu 
ol moräni: Aäsäk nairo täkwSnja 

kleiner Knabe: Kopfgruss ä iko. 

verheiratete Frau: näsäk na gcrai täkwSnja. 

kleiner Neffe: Kopfgruss ä fko, 

Tante: Umarmung näs£k täkwiSnja 

ol mor^i: MiK U mordni söwai 

zu Handschlag 
ol morini: Ölfilfi ä 6wä. 

ol mordni: zu jedem: 61616 zu allen: loij^guldä mÖran endas6wai 
zu einigen von vielen Handschlag 

el mÖran: jeder; 01616 alle: ä fwä. 

ältere Frau: zu jedem: Aäsäk zu allen: nagera en täkwSnja 

zu mehreren kleinen Knaben: jeder: Kopfgruss ä iko. 

An den Gruss schliesst sich in der Regel ein kurzes Gespräch, in welchem 
Neuigkeiten ausgetauscht werden. Hierdurch wird es erklärlich, wie selbst in 
den öden Steppen alle Nachrichten mit grosser Schnelligkeit sich verbreiten. 
Begegnen sich Fremde, so fragt vorerst noch der ältere Mann den jüngeren, 
oder der Mann die Frau nach Name, Herkunft usw. Die erste Frage lautet 
immer: »Woher kommst duf« Daran schliessen sich die folgenden an: era 
enia 'A gischomi = zu welchem Stamm, era enia ol gelata kitok = zu welchem 
Haup^eschlecht, era enia ol gelat' ate = zu welchem Untergeschlecht gehörst 
du? Weiter wird gefragt eft ai menje = wer ist dein Vater, eil ai Aotonji = 
wer ist deine Mutter und kedja eft garnaino = wie ist dein Name? Der Ge- 
fr^e gibt bereitwillig Antwort, fragt aber nachher den andern meist nicht, 
sondern geht weiter ohne zu wissen, mit wem er sprach. So verlangt es der 
gute Ton. 

Kommt ein Fremder an den Kraal, dessen Eigentümer er nicht kennt, so 
wird er in der Regel eines der davor spielenden Kinder danach fragen. Die 



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— I07 — 

Antwort lautet dann: mein Vater (baba), und auf die Frage, wer das sei, sieht 
ihn der Kleine verwundert an und fragt: (Kennst du meinen Vater denn nicht?t 
Auf die weitere Frage, wo er sei, zeigt das Kind auf eine Hütte, in der es den 
Vater vermutet Nur kleine Kinder dürfen mit dem Finger in der Richtung 
nach einem verheirateten Mann zeigen, ältere und.erwachsene Leute deuten 
die Richtung damit an, dass sie den Kopf danach wenden und zugleich den 
Unterkiefer oder die Lippen oder auch die Zunge etwas vorschieben. Hat der 
Fremde die Hütte des Alten ausfindig gemacht, so hockt er sich davor und 
wartet, bis ihr Besitzer von selbst herauskommt oder von einem der Seintgen 
herausgerufen wird. Nun fragt er zunächst den Gast in derselben Weise wie bei 
einer Begegnung und ruft dann eine seiner Frauen oder eins seiner Kinder, 
damit Milch gebracht werde. Die Kürbisflasche wird zuerst dem Wirt gereicht, 
damit sich dieser überzeuge, dass sie reichlich gefüllt ist Er gibt sie dann 
weiter an den Gast Hat sie dieser geleert, so wird er gefragt, ob er noch 
mehr wolle, was zu verneinen gegen den guten Ton Verstössen würde. Ueber 
die Gastfreundschaft ist an anderer Stelle berichtet; hier sei nur noch erwähnt, 
dass der Gast keine Bitte auszusprechen braucht. Obwohl man von ihm erwartet, 
dass er sich ganz wie zu Hause fiihlt, bietet man ihm doch alles Vorhandene 
noch besonders an. 

Wenn ein Bekannter die Hütte betreten will, so ruft er — unserm An- 
klopfen entsprechend — »eö op6n eög adji* = Besitzerin der Hütte, worauf 
vom Innern als »Herein!« die Antwort »ja na ijök« = »wir sind hier* erfolgt. 
Ein Bedanken für eine erwiesene Wohltat oder ein Geschenk ist fast nie üblich, 
nur sehr selten hört man das Wort Ssch& = danke. Eine Bitte wird ab- 
geschlagen, indem man mit der Hand, deren Handfläche der andern zugekehrt 
ist, »abwinkte. 

Der Abschiedsgruss lautet »aija amalo«, wenn einer fortgeht, >aija amer* 
takipo«, wenn sich mehrere verabschieden und bedeutet »ich gehet oder »wir 
gehen«. Er wird von allen Leuten glcichmässig gebraucht und nur von un- 
beschnittenen Kindern nicht mit dem Handschlag begleitet. Einen Abschied 
nehmenden Freund fordert man mit »milo« = »geh nicht« auf, noch zu bleiben. 
In der Unterhaltung mit ihresgleichen sind die Masai sehr gesprächig. Die 
Krieger unter sich erzählen von alten und neuen Kriegsbegebenheiten, die mit 
lebhaften Gesten und in übertreibender Ausschmückung vorgetragen werden. 
Meist spielt darin ein Stammes- oder Geschlechtsgenosse die Hauptrolle; der 
Feind ist immer feige oder Hess sich überlisten. Mit den jungen Mädchen 
zusammen wird die Unterhaltung bald ausgelassen und ergeht sich in schlüpfrigen 
Witzen und gewagten Scherten. Im Kraal der Verheirateten sitzen Männer und 
Weiber in getrennten Gruppen. Erstere reden ruhig und oft mit gedämpfter 
Stimme über Jugenderinnerungen, Viehwirtschaft usw., letztere dagegen unter- 
halten sich lachend und mit ausserordentlicher Zungenfertigkeit über Klatsch- 
geschichten, in denen dem Hcrtn oder der Frau Soundso etwas angehängt 



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— los- 
wird. Doch sei zur Ehre der Masai gesagt, dass ihr Klatsch kindlich und 
harmlos ist. Boshafte Klatschbasen beiderlei Geschlechts findet man bei den 
Masai und wohl auch bei den übrigen sogenannten Naturvölkern nicht. Sie 
scheinen vielmehr eine Begleiterscheinung einer höheren Kulturstufe zu sein. 
Dem lebhaften, impulsiven Wesen und besonders auch der abnormen Reizbarkeit 
der jüngeren Männer entsprechend, hört man grobe und scherzende Schimpf- 
worte sehr häufig. Ihre Derbheit erklärt die eigentümliche Ethik der Masai 
wohl genügend. Die derberen Schimpfworte dürfen Weiber den Männern 
gegenüber nicht brauchen. 

Der Vater tadelt ein ungehorsames Kind mit den Worten en gulugoni eA 
gob, d. h. du bist wie ein Stück Erde oder Schmutz, oder eft dias eA gob, 
Schmutzfink, oder os soid eil gob schmutziger Stein. 

Schtmpfworte und Verwünschungen sind: 

ol meneAani {oder eft meneAani) = Gerippe, als Rest einer verwesten 
Leiche ; 

ol ag' ischobo eA abiak, was bedeutet: möchten deine Eltern und Ge- 
schwister sterben, damit du arm und allein bist; 

es süti ^ Schmutz, Staub, d. h. könnte man dich doch ebenso wie den 
Schmutz aus der Hütte fegen; 

ol agaeschertcta = falle hin; 

ol agaua 'Ng ai d. h., 'Ng ai hole dich fort; 

ol agatonöro ol assurai = möge dich die Schlange stechen; 

ol againassa ol ugaru ^ möge dich der Löwe fressen; 

ol agatadoijirie eng oloA ^ geh zusammen mit der Sonne fort; 

ol agoimisso or redji = mögen sich deine Fussstapfen verlieren, d. h. 
mögest du ganz verschwinden. 

Scherzworte, die manchmal grob gemeint sein können, sind von Knaben 
und JüngUngen untereinander gebraucht: 

ol orobö A otonji = accumbens matri; 

ol orobö eAg arnasche = accumbens sorori; 

hai, eng inobi = hi, anus (neutrius generis); 

hai, ol gorom = nates. 

Letztere beiden brauchen auch Junge Mädchen in neckischem Sinn den 
Kriegern gegenüber, sowie diese unter sich. Ferner schimpfen sich die Krieger 
mit ol kiregen = accumbens uxori alienae, und os sinoni = von den Mädchen 
verschmähter, ol orobö eng ikau enje = accumi>ens filiae maxima natu, ol orobö 
eiig abudani = accumbens matri uxoris. Würde ein Ehemann seiner Frau 
gegenüber solch gemeine Schimpfworte, die Bezug auf ihre Eltern hätten, 
brauchen, so würden diese — nach Versicherung der Leute — sofort ihre Tochter 
zu sich holen. und dem Mann den Brautpreis zurückgaben. Von jungen Mädchen 
unter sich hört man: en orobö menje = accumbens patri, eh orobö ol alahe = 
accumbens fratri. 



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— 109 — 

Von Kriegern jungen Mädchen gegenüber gebraucht: hai em bahsch ^ tu, 
Vulva; hai, e möhuo = tu, clitoris. 

Kleinere Kinder schimpfen sich untereinander: 

hotonji en gomos = vulva matris; 

ol agambai Eng al := von 'Ng ai nicht Gehebter; 

tababuä = brich das Bein; 

ol agaschiri Ei^g ai = beklag dich bei Gott (wenn du Prügel bekommst); 

e mai = dummer Kerl; 

hai ol madai (oder e madai) = du Dummer (Dumme); 

ol ag'aischa EAg ai en dab, d. h. möge dir Gott mit der Handfläche ab- 
winken, d. h. möge Gott dein Gebet nicht erhören; 

e ata ol aironia, gata ol bü4 oder eata ol dillo endoi, d. h. du bist wohl 
verrückt. Das Wort ol dillo, welches hier Verrückter bedeutet, ist von dem 
gleichnamigen Vogel, dem rotköpfigen Anaplectes melanotis, eine von den vielen 
Arten der in Ostafrika heimischen Webervögel gebildet. Wenn man ihn unter- 
wegs in der Steppe von der linken Seite her schreien hört, so bedeutet 
das Glück, schreit er dagegen rechts vom Wanderer, so trifft diesen bald 
ein Unglück. 

Ol aga ua em baie, d, h. stirb durch einen Pfeil, ol aga ua ol gollug = stirb 
am Fieber; ol bebedo= an der Upelekrankheit; ol minjaloi = an den Pocken; 
ei\ goho^e = an Magen- oder Darmkrankheit; ol agataremo el gigaret = mögen 
dich die Dornen stechen; ol agatarigi ol mairon = möge dir der Bauch vom 
Essen platzen; ol agairokischo ^ werde schwarz; ol agoibarra ^ Krakehler, 
Raufer, e at' ol marenge = Verleumder, Klatschbase; ol dui^gant serseri = 
schlechter Kerl; ol duAgani guret = Feigling. 

Zum Ausdruck der Verachtung spuckt man vor der betreffenden Person 
aus oder gegen sie. 

Der grossen Zahl der Schimpfworte steht eine auffallende Armut an Kose- 
namen gegenüber. 

Die Mutter bezeichnet ihr Kind als '1 aischa 'Ng ai = mir von Gott ge- 
gebenes Kind, als en gutok e jejo = Mund der Mutter, oder als ol oib 
e jejo = Ruheplatz der Mutter. Der Vater nennt es ara ftgotonji = Kind 
der Frau. Aeltere Geschwister kosen jüngere mit dem Wort ara e jejo = Kind 
der Mutter. 

Wenn man so oft sieht, wie die Krieger mit den Mädchen schäkern und 
wie diese mit jenen lieb tun, sollte man eine Fülle von Zärtlichkeitsausdrücken 
vermuten. Doch auch hier trifft es nicht zu. Der einzige Kosename, den 
der Krieger dem Mädchen gibt, ist: joruert' ai = mein Liebchen, während 
das Mädchen ihn ol djore lai = mein Freund nennt oder auch sagt: änjör 
nalen = ich dich Hebe sehr, worauf der Krieger antwortet: idol ide eii gawarie 
= wir werden ja sehen (wörtlich videbo noctu). 



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Die Schmiede. — Eigene Kraale, — Ihre soziale Sicllung. — Verhalten gegen die Scbmicde. — 

Wcrksiatt. — WetkEcugc. — Eisengewinnung. — Technik, — Scliniicdeprodukte; ihre Preise — 

Drahtziehen, 

Abseits von den eigentlichen Masai-Kraalen liegen vereinzelt die Kraale 
der Schmiede. Es ist nicht richtig, diese als einen Schmiede-Stamm zu be- 
zeichnen, da es iu allen drei Stämmen und auch in allen Geschlechtern, aus- 
genommen die El kiboron, Schmiede (ol konooi, el konono) gibt und weder 
ein einzelner Stamm, noch ein einzelnes Geschlecht ausschliesslich aus Schmieden 
besteht. Sie bilden eine eigene Kaste und sind die Parias der Masai, die Ver- 
achteten und Verabscheuten, die Unreinen, die man am liebsten gar nicht 
dulden würde, wenn man sie nicht so notwendig brauchte. Das Handwerk 
vererbt sich von Alters her vom Vater auf den Sohn, der den Beruf erst nach 
seiner Verheiratung, also als ol möruo, ausübt Durch Nichtausübung des 
Handwerks kann man sich nicht aus der Kaste aussondern; wer aus einer 
Schmiedefamilie stammt, bleibt vielmehr immer ol kononi, gleichgültig, ob er 
schmiedet oder nicht. Wenn dagegen — was nur ganz ausnahmsweise vor- 
kommt — ein nicht zur Schmiedekaste gehöriger Masai das Schmtedebandwerk 
dauernd oder vorübergehend ausübt, so wird er zwar auch über die Achsel 
angesehen, aber weder er selbst, noch seine Nachkommen werden als Schmiede 
verachtet oder zur Schmiedekaste gezählt. Ein Schmiedekraal (eAg an el konono) 
in der Nähe anderer Kraale bringt diesen Unglück und würde für ihre Bewohner 
an Menschen und Vieh Krankheit und Tod verursachen. Man nimmt dre Gast- 
freundschaft eines Schmiedes auch in der Not nie in Anspruch, ebenso wenig 
wie man ihnen jemals ein Gastrecht gewährt. Die aus Schmiedefamilien her- 
vorgegangenen Krieger leben nicht mit in den gewöhnlichen Kriegerkraalen, 
sondern in dem kleineren Schmiede-Kriegerkraal (ol manjata 1 el m6ran I el 
konono) und nur mit Töchtern von Schmieden zusammen. Sie ziehen auch 
nicht mit andern Kriegern ins Feld, sondern allein, und bringen, da sie gering 
an Zahl sind, natürlich jedesmal nur wenig Beute mit, die ihnen dann oft genug 
noch von den andern Kriegern einfach weggenommen wird. Ein anderer Masai 
heiratet nicht die Tochter eines ol kononi, wie auch dessen Sohn nicht die 
Tochter eines Mannes, welcher der verabscheuten Schmiedekaste nicht ange- 
hört, zur Ehe zu begehren wagt. Auch der aussereheliche Umgang mit einem 
den Schmieden angehörigen Weib oder Mädchen gilt als verhäi^nisvoll für 
jeden andern Masai. Man glaubt, dass dieser früher oder später den Verstand 
verliere, niemals Vater eines gesunden Kindes werden könne oder beim nächsten 
Feldzug durch den Speer oder Pfeil eines Feindes fallen würde. Wie verab- 
scheut die Schmiede sind, geht auch daraus hervor, dass ein Masai das Wort 
»ol kononii nach Eintritt der Dunkelheit nicht auszusprechen wagt, weil er 
dadurch ein Unglück heraufzubeschwören meint; man furchtet, dass ein Löwe 
nachts in den Kraal oder das Lager eindringen oder dass der Feind einen 



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Ueberfall ausfuhren würde. Der Zuruf »ol kononi« gilt den andern Masai als 
«in sehr schwer beleidigendes und Verachtung ausdrückendes Schimpfwort, 
Die Verachtung der Schmiede gründet sich auf die Anschauung, dass die 
Schmiede unrein sind. Gott hat den Menschen das Blutvergiessen verboten. 
Durch die Anfertigung von Waffen, das Haupterzeugnis der Schmiede bei Natur- 
völkern, verleiten sie zur Uebertretung des göttlichen Gebots, arbeiten diesem 
entgegen. Daher sind sie von Gott verdammt und infolgedessen gelten sie 
ihren Mitmenschen als uhrein, verachtungswürdig, unglückbringend. Dass Gott 
die Schmiede nicht liebe — so erzählen die Masai — lehre auch die tägliche 
Beobachtung, denn ein Schmied bringe es eigentlich nie zu Wohlstand; werde 
er aber einmal wohlhabend, so sterbe er bald, ohne seinen Besitz geniessen 
zu können. 

Ebenso wie die Schmiede selbst, gelten auch die Produkte ihrer Kunst, 
die von ihnen gefertigten Wafifen und Gerätschaften, als unrein. Uifl ihnen die 
Unreinheit zu nehmen, reibt der Masai jeden aus der Schmiedewerkstatt abge- 
holten neuen Gegenstand mit Fett ein, ebenso wie seine Hände, welche die 
noch unreine Sache berührt hatten. 

Auch der Ruf, den einige WafTenschmiede wegen der Güte ihrer Erzeug- 
nisse geniessen, ändert nichts an ihrer tiefen sozialen Stellung. Der augen- 
blicklich berühmteste, der alte linkshändige Engussa aus Ol bruggo, ein Künstler 
in seinem Fach, ist ebenso verachtet wie jeder andere Schmied. Aber eifer- 
süchtig wachen die Ol bniggo-Leute darüber, dass er nicht auch für Krieger 
einer andern Provinz arbeitet. 

Während die andern Kraale, an das Vorhandensein guter Weiden gebunden, 
mit deren Verschwinden immer verlegt werden, bleiben die Schmiedekraale 
lange an denselben Oertlichkeiten. Die el konono haben nur sehr wenig Vieh, 
dagegen bedürfen sie zu ihrem Beruf Holzkohle und eisenhaltiges Land. Wo - 
beides in der Nähe zu finden ist, schlagen sie ihr Heim auf. Dicht beim Kraal 
wird die Werkstatt (ol guguet) gebaut. Sie besteht aus einem auf vier bis acht 
Pfählen ruhenden Grasdach. In der Mitte liegt die Feuerstelle (en edoAschore). 
Ebenso wie die Holzkohle (eft gükuo, A guk) fertigt sich der 
Schmied sein Handwerkszeug. Die Kohle wird in mannshohen 
Meilern aus dem Holz der Bäume ol mokotan, ol kadedemma, 
ol mandemando und einigen andern gebrannt und dann in Fell- 
sacken zur Schmiede getragen. Ais Ambos dient ein Stein 
(os soid 1 en gidofigore = Stein des Schmiedens), Der Hammer ' 
(ol gisirjedi, el gisirjed, Fig. 21) hat die Form eines Mörser- 
stösseJs, dessen unteres Ende etwas zusammengedrückt ist Das 
Arbeiten damit ist ein Stampfen, kein Hämmern. Die Zange 
(ol garamet, el garameta, Fig. 22, siehe S. 112) besteht aus zwei Teilen, die 
durch ein Stiftschloss verbunden sind, Ihre Griffarme sind lang, die Fassarme 
kurz. Der kleine Schl^meissel (Fig. 23, siehe S. 112) (ol oiseAge, el oisengen) 




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hat die gewöhnliche Form. Der Blasebalg (en gunei, A gunei) ist in zwei 
Formen vertreten. Am häufigsten ist die in Mittelafrika sehr verbreitete, welche 
aus zwei konischen Säcken aus Schaf- oder Ziegenfell besteht (Fig. 24). In dem 
unteren Ende steckt pfropfen artig ein HolzpBock, durch den eine zwanzig 
Centimeter lange Eisenröhre ragt. An Stelle der letzteren tritt oft auch ein 
Holzrohr, oder für beide Säcke zugleich eine röhrenartig ausgehöhlte Astgabel. 
An das obere weite Ende des Sackes sind zwei Holzstäbe mit kleinen Riemen 
angenäht, so dass sie die Oetfnung zu einem Schlitz formen. Der den Blase- 
balg bedienende — meist ein Greis oder ein Weib — fasst mit jeder Hand 
einen der beiden Säcke am oberen Ende so, dass sie beim Ausziehen des 
Balges durch Ausspreitzen der Hand geöffnet, I<uft eintreten lassen. Beim 
folgenden Zusammenpressen des Balges wird durch Zusammendrucken der Stäbe 



Fig. s 



Fig. 33. 



Flg.is. ('/,.) 



ein Wieder zurück weichen der Luft verhindert und diese durch die untere Eisen- 
röhre getrieben. Beide Eisenrohre münden in ein im Feuer liegendes Ton- 
rohr (ol modi, el modio). Die beiden Säcke des Blasebalgs werden so gehand- 
habt, dass gleichzeitig mit dem Ausziehen des einen, der andere zusammen- 
gepresst wird. Die andere Art (Fig. 25) besteht aus einer — der Haltbarkeil 
wegen mit Fell überzogenen — Holzschüssel, auf welche luftdicht ein Leder- 
sack aufgebunden ist, der oben ein rundes Loch hat. Hier hinein steckt man 
beim Gebrauch des Blasebalgs den Daumen der rechten Hand und zieht damit 
den Sack nach oben aus. Beim Zusammendrücken des Sacks wird das Loch 
mit der flachen Hand geschlossen. Unten an der Seite der Holzschüssel be- 
findet sich das Luftrohr. 



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— 113 — 

Wo Bäche den eisenhaltigen Sand (os sinjai oidohgijekt m beria, d. h. 
Sand, aus welchem Speere geschmiedet werden), ablagern, wird dieser in kleine 
Haufen zusammengescharrt, durch häufiges Uebergiessen mit Wasser oberfläch- 
lich gereinigt und dann, in Ledersäcken verpackt, nach der Werkstatt geschafft. 
Um das Eisen aus dem Sand zu gewinnen, streut man alle fünf Minuten eine 
Hand voll Eisensand ins Feuer und darauf jedesmal wieder zwei bis drei Hand- 
voll Holzkohlen. Wenn nach ungefähr zwei Stunden dieses Verfahrens die 
Schlacke zerschlagen wird, hat man einige Stückchen Eisen von zusammen 
HühnereigrÖsse. Diese werden unter Bestreuen mit zerschlagener Schnecken- 
schale (ol blglt)') zusammengeschweisst. Wie hieraus hervorgeht, ist die Ge- 
winnung des Eisens eine recht mühsame Arbeit Man findet sie daher heute 
nur noch selten. Meistens wird Eisendraht verarbeitet, der überall im Masai- 
land das beliebteste Tauschmittel ist. Fünfzehn bis fünfundzwanzig fusslange 
Drahtstücke werden zusammengedreht; wenn sie glühend sind, mit Schnecken- 
schale bestreut und dann zusammengefaämmert. Der in der Form fertige 
Gegenstand, z. B. ein Schwertblatt, wird mit vulkanischer Schlacke geglättet 
und poliert und auf einem Stein geschliffen. Die hauptsächlichsten Produkte 
der Schmiedekunst sind: Speer, Schwert und Messer. Die beiden Teile des 
Speers, Blatt (es sibil, sibtlin] und Schuh (ol rigorät, el ngoratf), soll ein Schmied 
mit seinen Gehilfen an einem Tag herstellen, Schwert (ol al^m kitok, el al^ma 
kitwa) und Axt (ol dölu, el döluo) in einem halben Tag, die übrigen kleineren 
Gegenstände, wie Messer (ol alem), Ale (ol dSdö, el dSdl), Eisen zum Vieh- 
brennen (ol m^hi^if, el ml^hiirSn), Pfeilspitzen (em bunid, m bunido), Rasier- 
messer (ol mörÖnjä, el mörönjdni), Zange zum Ausreisscn des Bartes (ol budet, 
el budeta), noch in kürzerer Zeit. Als Bezahlung erhält er für einen Speer 
zwei Ziegen oder einen Ochsen, für ein Schwert, eine grosse Viehgiocke {eh 
gunigur, n guruguri), eine Axt oder zehn Pfeilspitzen je eine Ziege; für die 
übrigen Sachen wird er mit Milch bezahlt. Hat der Besteller den Eisendraht 
geliefert, so wird als Arbeitslohn nur die Hälfte der genannten Preise gegeben. 

Aus dickem Messing- und Kupferdraht (os sojai, es soja; os sojai ebor 
Messingdraht, os sojai adö Kupferdraht) ziehen die Schmiede dünnen. Als 
Handwerkszeug dient ihnen dazu das eA gauo und das ol gam^t. Ersteres ist 
ein etwa fusslanges Eisen (Fig. 26a), welches in der Mitte zolldick ist und an 



beiden Seiten oft in Spitzen ausläuft. In der Mitte hat es einige konische und 
verschieden weite Löcher, durch welche der Draht gezogen wird. Nicht selten 

') Von Aehatina iaialls Marta. und Ampullaria ovata Oliv. 



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— 114 — 

besteht das eft gauo auch nur aus einem Stück starken Eisenblechs, welches an 
den Enden nicht zugespitzt ist. Das ol gam6t (Fig. 26b) dient als Zange und 
hat die Form einer Zuckerzange, deren Fassarme 
durch eine darüber gezogene Eisenspirale zu- 
sammengedrückt werden. Das Ausziehen kleiner 
Fie 26b v."i Drahtstücke wird mit der Hand gemacht, wobei 

ein Mann das eA gauo, der andere die Zange 
fasst. Bei grösseren Arbeiten wird ersteres mit seinen beiden Spitzen in 
einen gabelförmigen Holzblock gekeilt, während der bereits durchgezogene 
Draht auf einer in zwei Gabelästen ruhenden Walze befestigt wird. Durch 
langsames Drehen derselben geht das Drahtziehen dann welter. Um den Draht 
noch dünner zu machen, zieht man ihn das zweite mal durch ein Eisen mit 
kleinerem Loch. Der spiralförmige Halsschmuck der Masaiweiber (es segeAgei 
e murt), die doppelspiraligen Ohrringe aus dickem Messingdraht (es surudlai, 
surudia) der Weiber und alten Männer, die Arm- und Reinmanschetten aus 
Eisendraht (es segefigei, mit Bezeichnung des Teils, an dem sie getragen werden) 
sowie das zinnerne Ohrgehänge (ol aimir, el aim^r] machen die Weiber der 
Schmiede. Kleinere Schmucksachen aus Draht fertigen die andern Masaiweiber. 
Die Kettchen aus Eisen- und Kupferdraht machen die Masai nicht selbst, 
sondern kaufen sie fertig von Karawanenleuten oder ansässigen Nachbarstämmen. 



XIV. 

Cbarallter. — Nntionnlblolz. — Missnchtung gegen Fremde. — Bezeichnung der Fremden. — Der 
Masai im Dienst des Kuropäcrs. — Vciballen der im Volk lebenden Musai gegen den Europäer. — 
Der M.Tsai gpgen seinesgleichen. — GastlrcundsrhaÜ. — Stellung der Frau. — Wie der Ncgfcr den 
Cliarakler der Masai illuscrieit. — Aeusscning von Gemütsbewegungen und andere Gesten. — Seh- 
vermHgen. — Kunstsinn. — Farbensinn. — Orienlierungsvermögeii. — Gesang. — Schönheitsideal 
des nienschliehcn Körpers. 

Der hervorstechendste Zug im Charakter des Masai ist ihr Nationalstolz, 
der sich auf die religiöse Anschauung gründet, wonach sie das auserwählte 
Volk Gottes sind. Gott hat die Welt und alles, was darin ist, nur für sie 
geschaffen. Alle Nichtmasai sind dem Masaivolk untertan und ihr Besitz ge- 
hört ihm. Hieraus erklärt sich der Hochmut und die tiefe Verachtut^ gegen 
die ansässigen Neger, die 'Ng ai nicht kennen und keinen Anteil an den von 
ihm erschaffenen Gütern haben und die daher verdammt sind, im Schweisse 
der Arbeit dem Boden die tägliche Nahrung abzuringen. Für die Masai da- 
gegen sorgt Gott als für seine Kinder, sie brauchen nicht zu arbeiten: >e(\ 
dobira m|ta sidaic = die Arbeit ist nicht gut, alles gehört ihnen ja, und da 
die Neger es nicht freiwilhg geben, so nehmen die Masai es eben mit Gewalt. 
Ueberhaupt hat der Neger in der Anschauung des Masai nur eine Existenz- 
berechtigung als Verwahrer des von 'Ng ai für die Masai geschaffenen Viehs. 



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— IIS — 

Im allgemeinen bezeichnet der Masai alle Nicht-Masai als el meg (S. o1 
megi), ein Wort, das mit »Ungläubigen zu übersetzen ist Freundschaft und 
Treue gegen die Ungläubigen kennt der Masai nicht, gegen sie ist jede List, 
jeder Betrug erlaubt. Im besonderen existieren zur Unterscheidung weitere 
Benennungen. Für die ihnen rassenveru'andten Stämme sind diese Namen von 
ihren Wohnorten abgeleitet, wobei zu bemerken ist, dass die Masai hierfür ihre 
eigene Nomenklatur haben. Für Europäer benutzt er das aus dem KLsuaheli 
abgeleitete oder umgeformte 'I aisuägu. Schliesslich nennt er die Neger el 
mahat (S. ol maAatinda), was sinngemäss mit >die Wilden« zu verdeutschen ist 
und dem Worte Waschcnsi entspricht, womit die KUstenleute die Neger im 
Innern belegen. 

Der erste Eindruck, welchen der Masai im Vergleich zu den Negern aui 
den Europäer macht, ist entschieden sehr zu seinem Vorteil. Die schönen, 
hohen Gestalten nehmen von vornherein für sich ein und lassen Hochmut und 
Frechheit oft als Stolz und Freimut erscheinen, die in wohltuendem Gegensatz 
zu der heuchlerisch zur Schau getragenen, kriechenden Unterwürflgkeit der 
N^er stehen. 

Als Diener des Europäers zeigt der Masai im allgemeinen dieselbe 
moralische Qu^itat wie die Angehörigen der andern Stämme aus dem Innern 
Ost- Afrikas. ') Dienstbotentreue und Zuverlässigkeit gibt es ebenso wenig, wie 
Anhänglichkeit und Dankbarkeit für genossene Wohltaten. Eine Gelegenheit 
zum Bestehlen des Dienstherm wird gern benutzt; in der Küche verschwindet 
besonders Fleisch, Milch und Butter. Auf der Weide zapft der Masaihtrt den 
Kühen Milch und den Ochsen Blut ab und saugt Fett aus dem Schwanz der 
Schafe. Einmal kam der Hirt, ganz ausser Atem, abends von der Weide heim 
und jammerte, dass ein in die Nähe der Herde gekommener Elefant durch 
sein Brüllen die Rinder auseinandergescheucht habe. Trotz eifrigsten $uchens 
seien hierdurch zwei Rinder verloren — natürlich zwei Kühe! Das war ja sehr 
unangenehm, aber doch nicht zu ändern, und ich begnügte mich, dem Hirten 
aufzugeben, mit der Herde näher bei der Station zu bleiben. Ungefähr acht 
Tage später ereignete sich — angeblich — der gleiche Vorfall, und wieder 
waren es zwei der besten Kühe. Wenn das so weiter ging, wären wir in 
einigen Monaten die ganze Herde losgewesen. Die Verwarnung war nutzlos 
gewesen, der Hirt bekam infolgedessen eine Tracht Prügel. Und siehe da! 
Von nun an blieben nicht nur die Elefanten dauernd der Herde fem, sondern 
auch die zuletzt verschwundenen Rinder tauchten wieder auf. Er hatte sie ge- 
stohlen und einem Freund zur Verwahrung übergeben. Em anderer Fall. Ein 
Ansiedler hatte eine Herde ausgesucht schönen Viehs ungefähr zwei Stunden 
von der Farm in einem festen Palissadenkraal und unter Obhut einer Anzahl 

') Ich habe Jungens aus lehn verschieiicilcn Släromen des Innern kennen geloml. Sic sinii .illo 
|>ani bedeutend besser, nenn auch anfangs ungeschickter, ala der Crcch-unvcr^chSmtc, elngebildelc 
und diebische Niggergigecl der Küste. 



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_ ii6 — 

in seinem Dienst stehender Masai. In das Fell der Rinder war ein Zeichen 
eingeschoren. Eines Tages brachten die Hirten eine Anzahl Kühe zur Farm 
mit dem Bemerken, das Zeichen sei verwachsen, es müsse neu geschnitten 
werden. Der Besitzer tat dies und stellte zu seinem Leidwesen fest, dass die 
Kühe in den letzten Wochen bis zur Unkenntlichkeit abgefallen waren. Hätte 
er sie genauer untersucht, so würde er auch gefunden haben, dass sie seit dem 
vorigen Monat um mehrere Jahre gealtert waren. Doch auf den Gedanken 
einer Unredlichkeit der Leute, die er für gut und ehriich hielt, kam er erst, 
nachdem ihm bereits über einhundert der schönsten Kühe gegen alte, wert- 
lose umgetauscht waren und er diese letzteren alle ai^los gezeichnet hatte. 
Man könnte noch eine ganze Reihe derartiger, fiir den Ansiedler lehrreiche 
Beispiele anfuhren, doch sei hier nur auf einen besonders beliebten Trio hin- 
gewiesen: Wenn abends das Vieh des Ansiedlers zur Tränke getrieben wird, 
9o treiben auch gern die eingeborenen Viehbesitzer — sowohl Masai als Neger — 
ihre Herde in die Nähe dieser Wassersteile. Bei dem Drängen und Eilen des Viehs 
zum Wasser laufen, wie beabsichtigt, in die Herde des Europäers einige Rinder 
des Schwarzen, der nun, anstatt sein Vieh wieder aus der fremden Herde zu holen, 
mit einer entsprechenden Anzahl der besten Rinder des Ansiedlers abzieht 

Hat der Masai-Diener, der seine Ersparnisse regelmässig in Vieh anlegt, 
eine kleine Herde zusammen gebracht, so kündigt er oft genug den Dienst, um 
wieder zu seinem Volk zurückzukehren. Bietet sich eine Gelegenheit, so geschieht 
es auch, dass er nun seinen Landsleuten als Spion gegen seinen früheren Herrn 
dient. Unbeschnittene Jungens, die sich als Boys vermieten, kehren zur Be- 
schneidung in die heimischen Kraale zurück, leben dort einige Jahre mit ihren 
Altersgenossen in bekannter Weise und treten danach oft wieder in den Dienst. 

Der im Stamm lebende Masai ist und bleibt gegen den Europaer miss- 
trauisch. Er hält dessen Ehrlichkeit und Nachsicht ftir Schwäche und glaubt, 
dass ihn der Europäer nur aus Mangel an Macht und Klugheit nicht ebenso 
vergewaltigt, wie er selbst es mit den Negern tut. Er erweist dem Europäer 
einen Dienst nur, um einen — oft genug illegalen — Nutzen davon zu haben. 
Schliesst er mit ihm Freundschaft, so geschieht es lediglich zum Schein und 
eines augenblicklichen Vorteils willen. Als Angeklagter gesteht er auch bei 
erwiesener Schuld fast nie, sondern versichert vielmehr in tiefer Entrüstung: 
>Ein Masai tut so etwas nichtc') Gegen besseres Wissen beschuldigt er ebenso 
unbedenklich einen ol megi, wie er einen Stammesgenossen entlastet.*) 

1) Wenn leb nach Empfang einer Nachricht von einem hässlichen Vergfehen oder Verbrechen 
mli dem einen o<ler andern Vertrauens würdigeren Masai über den unbckannteD Täler sprach, hörte 
ich oft: Ein Masai ist es sieUcr nicht gewesen. Ein Masai tut so etwas Dicht. Bei den Masai 
kommen solche Sachen nicht vor. 

'} Es sei hier crwälml. üasa nach meiner Beobachtung die Unaufrichtlgkeit und Unehrlichkeit 
der »ut Schmicdehasie i^hörigen Leute entschieden grösset Ist als die der andern Matui, so dass es 
scheint, als ob die Verachtung und schlechte Behandlang, weiche jene von diesen erfahren, eine 
Minderwertigkeit des Charakters im Laufe der Jahrtausende gezüchtet habe. 



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— 117 - 

Die geistige Ueberlegenheit des Europäers imponiert ihm nur in solchen 
Fällen, wo sie ihn einer Schlechtigkeit Überfuhrt hat, während seine technischen 
Fertigkeiten dem Masai viel zu sehr nach dem verachteten »ol kononi* riechen, 
um einer Beachtung wert zu erscheinen. Lediglich die Gewehre der Schutz- 
truppe sind es, die dem weissen Mann bei den Masai Achtung und Einfluss 
verschaffen und dieses Herrenvolk Ost-Afrikas etwas bescheidener gemacht haben. 
Erfreulicher wird das Bild, wenn man den Masai im Verkehr mit seines- 
gleichen betrachtet. Dobirä en gutok sidai el masai = mache einen guten 
Mund den Masai, d. h. sei gut, freundlich, aufrichtig gegen deinen Stammes- 
genossen. 

Ein tiefes Gefühl der Zusammengehörigkeit beseelt die Masai; geschlossen 
stehen sie gegen alle Fremden. Die einzelnen Familienmitglieder verbindet 
eine aufrichtige Anhänglichkeit und Ltebe; man wetteifert unter einander, um 
einen in Sklaverei geratenen Angehörigen zu befreien. So benutzten die 1S96 
von der Berliner Ausstellung zurückgekommenen Masai den grössten Teil ihrer 
Ersparnisse sofort zum Freikauf von Verwandten, die bei den grossen Vieh- 
seuchen ums Jahr 1890 Sklaven geworden waren; Am engsten ist das Band 
zwischen Eltern und Kindern, sowie zwischen Geschwistern, lockerer zwischen 
Eheleuten, wo die niedrige, gedrückte Stellung der P'rau mitspricht. 

Die Männer verschmähen jede Art von Arbeit, Nur Kriegfiihren ist eines 
Mannes würdig. Grosse Viehherden und viele Weiber sind sein höchstes Glück. 
Wer beides hat, geniesst Achtung und Ansehen. Auf den armen Teufel bhckt 
man herab. Wirklich arme Leute sind indes Ausnahmen, da sich die Ange- 
hörigen in ausgiebigster Weise unterstützen. Wer solche nicht hat, findet in 
der Regel schnell bei einem Wohlhabenden ein Unterkommen. Er erhält Nahrung 
und hilft dafiir den Weibern und Kindern seines Wohltäters bei ihren Arbeiten 
(Viehhüten, Kraalbau, Nachtwache beim Kleinvieh usw.). Der Zustand der 
Armut ist auch immer nur von kurzer Dauer; bald hat es der Arme durch 
Geschenke von Freunden oder Anteil an der Kriegsbeute wieder zu einigem 
Wohlstand gebracht. Freunden gegenüber ist man ebenso freigebig wie gut- 
mütig; die Gastlichkeit gegen Landsleute, woher sie auch kommen mögen 
(ausgenommen sind natürlich die Schmiede), ist unbegrenzt. Jeder bietet dem 
Besucher das an, was er gerade an Speise und Trank hat. Dem Fremden steht 
alles zur Verfügung, was er braucht oder wünscht. Eine Hütte für die Nacht 
belegt er sich, indem er seinen Speer davor in die Erde steckt, der Wirt sucht 
sich dann ein anderes Nachtquartier und überlässt Heim und Weib dem Gast. 
Kommt ein Weib zum Besuch, so verlässt die Ehefrau für die Nacht die Hütte, 
damit die Fremde ihren Platz einnehmen kann. Eine Gastfreundschaft andern 
Völkern gegenüber kennt man nur, wenn mit diesen ein Frieden durch die 
Zeremonie des Säughngstausches oder durch Blutsfreundschaft geschlossen ist. 
Die Grausamkeit der Masai ist nicht grösser als die der andern schwarzen 
Völker, z. B. der den Masai benachbarten Neger. Wenn diese im Krieg auch 



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— Il8 — 

Weiber und Kinder schonen, so geschieht es doch nicht aus Mitleid, sondern 
lediglich, um sie sich als Sklaven dienstbar zu machen, während die Masai 
solche nicht halten. Eine länger dauernde Rachsucht gegen ihresgleichen kann 
man ihnen im allgemeinen nicht nachsagen. Den ihm nachgesagten Mut be- 
sitzt der Masai nur zum Teil. Ihre ausserordentliche Frechheit lässt sie oft 
mutiger erscheinen, als sie wirklich sind. Ihre SinnUcbkeit gleicht der der 
meisten ostafrikanischen Stämme- Die Ehefrau steht jedem Manne, welcher 
der Altersklasse (sowohl ol boror wie ol adji) ihres Ehemannes angehört und 
sie begehrt, zur Verfugung. Dass durch solche Verhältnisse und im Verein 
mit der herrschenden Polygynie von einem eigcnüichen Familienleben im 
höheren Sinn nicht die Rede sein kann, liegt auf der Hand. Für den eigenen 
Mann ist die Frau besonders die Arbeitskraft, welche er für Haushalt und 
Viehwirtschaft braucht, und das Mittel zur Erfüllung seines Wunsches nach einer 
mögbchst grossen Nachkommenschaft. Danach, wie sie diesen Aufgaben ge- 
recht wird, richtet sich ihre Behandlung. Massige Prügel ist nicht selten, rohe 
Behandlung kommt dagegen fast nie vor. Im Gegensatz zu den faul herum- 
lungernden Männern, sind die Weiber den ganzen Tag über beschäftigt. Für 
die verheirateten Frauen gibt es ausser Tanz und Gesang kaum noch Ver- 
gnügungen; ihren Anteil an denselben hatten sie vor der Ehe, wo sie sich im 
Kriegerkraal austoben konnten. Im öffentlichen Leben steht die Frau, ebenso 
wie ihrem eigenen Mann gegenüber, rechtlos da. Natürlich empfindet das 
Masaiweib seine knechtliche Stellung nicht als solche. Sie kennt es nicht anders 
und eine Annehmlichkeit, die man nicht kennt, vermisst man ja auch glück- 
licherweise nicht. Sobald sie aber durch Raub im Krieg aus ihrem eigenen 
Stamm in einen fremden verpflanzt wird, ist es mit ihrer willigen Arbeitskraft 
meist sofort zu Ende. Je weniger gedrückt ihre neue Lage ist, desto fauler 
und zugleich anspruchsvoller wird sie. Sie hält sich plötzlich für zu gut, um 
zu arbeiten, und ihr Verlangen nach Kleidung und Schmuck steigt oft masslos. 
Dementsprechend ist ihr Interesse am Haushalt verschwindend gering und ihre 
Sucht nach Vergnügungen gross. Der Grund für diese Erscheinung liegt 
zweifellos darin, dass sie das Leben bei den verhassten und verachteten el m?g 
als eine Schmach und die ihr von diesen zugemutete Arbeit als einen ihr an- 
getanen Schimpf empfindet. 

Fassen wir die oben skizzierten Züge zusammen, so ergibt sich einerseits, 
dass der Charakter der Masai im allgemeinen dieselben Tugenden und Un- 
tugenden aufweist, wie der anderer Naturvölker, dann aber auch, dass die 
Masai entschieden noch zu der besseren Hälfte dieser Völkerschaften zu 
zählen sind. 

Wie die Neger den Charakter der Masai illustrieren, zeigt folgende kleine 
Geschichte, die mir ein Mann aus der Kilimandscharo-Landschaft Moschi ein- 
mal erzählte. >Es war vor vielen Jahren, als wir noch die Landschaft mit 
Graben und Domenhecken gut befestigt hatten und die wenigen Zugänge so- 



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— 119 — 

wohl versteckt angelegt, als gut bewacht waren. Eines Tages gingen ein paar 
unserer Leute in die Steppe, um nachzusehen, ob ein Elefant in die dort an- 
gelegten Fanggruben gefallen sei. Dort im Busch fanden sie einen kranken, 
dem Hungertod nahen, alten Masai. Voll Mitleid nahmen sie ihn mit sich 
nach Haus, wo er allmählich genas. Der Genesene schien voll Dankbarkei 
und schwor seinen Wohltätern ewige Freundschaft, als er schied, um seinen 
tCraal wieder aufzusuchen. Wenige Tage nach seinem Weggang ertönte eines 
Nachts plötzlich das Kriegsgeschrei unserer Leute durch die Landschaft. Die 
Masai waren gekommen, um uns zu bekriegen, geführt von jenem Alten, der 
die Wege und Stege während seines Aufenthalts hier kennen gelernt hatte und 
der uns sein Leben verdankte.« 



Erstaunen wird je nach seinem' Grad durch ein mehr oder weniger weites 
Oeffnen der Augen und des Mundes ausgedrückt, sowie durch gleichzeitiges 
Heraufziehen der Augenbrauen. 

Schamgefühl gibt sich durch ein dem »Erröten« der weissen Rassen ent- 
sprechendes Dunklerwerden der Haut des Gesichts und oft auch des Halses 
kund. Um Entrüstung auszudrücken, sieht man den andern mit weit geöffneten, 
starren, oft schr^ gerichteten Augen an. Dasselbe beobachtet man bei trotzigen 
Kindern. 

Beim Nachdenken wird die Stirn longitudinal und oft auch in ihrer Mittel- 
partie transversal gerunzelt. 

Zum Ausdruck von Missmut, Niedergedrücktheit, Aerger über Verlust usw. 
kratzt man den etwas nach einer Seite — meist links — geneigten Kopf mit 
der rechten Hand und runzelt dabei die Stirn über der Nasenwurzel transversal. 

Bei Wohlbehagen funkeln die Augen, und auf dem Gesicht liegt ein 
freudiger Ausdruck. 

Der Verstockte presst oft die Lippen fest aufeinander. Beim Lügen, be- 
sonders beim hartnäck^en, trägt der betreffende meist eine gut gemachte, 
scheinbare Unbefangenheit und das Fehlen jeder Spur von Schuldbewusstsein 
zur Schau, was sich oft bis zur Entrüstung, wie über einen ungerechtfertigten 
Verdacht, steigert. Der Masai zeigt hier ein grosses Talent zum Schauspielern, 
was er übrigens wohl mit den meisten dunkelhäutigen, afrikanischen Rassen 
gemein hat. Auch wenn er sich überfuhrt sieht und den Eindruck gewonnen 
hat, dass der Richter oder Dienstherr von seiner Schuld überzeugt ist, gibt er 
das Leugnen nicht auf^ sondern verharrt oft noch lange in dem eben bezeich- 
neten Benehmen. Seltener wird sein Blick allmählich unstät, die Augen blinzeln, 
die Haut dunkelt sich etwas, die Stimme wird belegt und etwas rauh, und sein 
Gesichtsausdruck sagt ungefähr: »jetzt hilft nichts mehr!« 

Zum Zeichen der Verachtung wird vor dem Verachteten ausgespuckt. 
Seltener bei Männern, doch allgemein bei Weibern drückt sich dasselbe Em- 



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pßnden durch Vorschieben von Lippen und Unterkiefer und gleichzeitiges Vor- 
strecken des Kopfes aus. 

Das Gefühl des Ekels gibt man durch Ausspucken zu erkennen. 

Der höchste Grad von Furcht gibt sich kund durch ein Erbleichen der 
Haut, besonders im Gesicht, Zittern der Hände, Zittern in der Stimme, Blinzeln 
der Augen, die sich unstät nach den Seiten bewegen, wobei der Kopf entweder 
still steht oder sich in der Richtung der Augäpfel dreht 

Das Lachen steigert sich oft bis zu der Höhe, bei welcher es Tränen in 
die Augen treibt. 

Um anzudeuten, dass man nicht im stände ist, etwas zu tun oder zu hindern, 
sich oder einen Freund vor einem Verlust zu schützen, jemanden von der 
Wahrheit seiner Worte zu überzeugen, zuckt man die Achseln, wendet die KU- 
bogen nach innen, breitet die Hände nach aussen und öffnet die Handflächen 
unter Hinaufziehen der Augenbrauen. 

Mürrische Kinder verziehen das Gesicht, als ob sie anfangen wollten zu 
weinen. 

Ein Ausdruck von Schuld, List, Eifersucht lässt sich erkennen. Sind diese 
Gefühle sehr gesteigert, so hält der Schuldbewusste oft eine Hand, zur losen 
Faust gekrUmmt, so vor den Mund, dass das untere Glied des Zeigefingers quer 
unter der Nasenwurzel hegt, während der Eifersüchtige sich mürrisch und still 
zeigt, ehe er zu Tätlichkeiten übergeht. Wer einen andern durch List in eine 
Falle locken, täuschen oder belügen will, sieht ihn möglichst wenig an, nur 
hin und wieder trifll er ihn mit einem mehr oder weniger scheuen Blick. Der 
Europäer wird dies besonders häufig beobachten. 

Ein leiser Pfiff gilt als Wink, absolutes Stillschweigen zu beobachten; ein 
Zwinkern mit den Augen ermahnt den Eingeweihten, reinen Mund zu halten. 
Ersteren wenden z. B. Krieger bei einem nächtlichen Ueberfall, Wegelagerer, 
wenn sich ein Opfer naht, Diebe usw., wenn Gefahr im Verzug ist, an. Letzteres 
kann man oft beim Angeschuldigten beobachten, wenn er mit einem Zeugen 
konfrontiert wird, und man sieht es auch sonst nicht selten, wenn man einen 
Masai fragt und ein anderer dabei stehender wünscht, dass jener keine oder 
falsche Auskunft gebe. 

Bejahung drückt man durch einmaliges, kurzes Zurückwerfen des Kopfes 
und gleichzeitiges Senken der Augenlider aus. Zum Zeichen der Verneinung 
schüttelt man den Kopf lateral. 

Dass man auf einen Menschen nicht mit dem Finger zeigt, sondern dafür 
mit vorgeschobener Zunge oder Lippen oder Unterkiefer die betrefTende 
Richtung angibt, ist schon erwähnt. Der Zeigefinger ist eben der Finger, unter 
dessen Nagel man die Zaubermedizin anbringen kann. Dieser Gedanke liegt 
auch dem Drohen mit dem Zeigefinger zu Grunde — was wie bei uns ge- 
schieht. — Das Drohen ist daher nur ein ostentatives Vorzeigen oder Vor- 
halten des Fingers, welcher dem Bedrohten Gefahr bringen kann. Auf Tiere 



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und leblose Gegenstände zeigt man mit vorgestrecktem rechten Arm mit der 
Hand, indem Zeige- und Mittelfinger ausgestreckt sind, wobei die Spitze des 
letzteren auf dent Naget des ersteren liegt. 

Eine Bedrohung mit Schlägen, ebenso die Energie eines Schlages, be- 
zetcbnet man mit einem klatschenden Geräusch, das der auf geschlossenen 
Daumen und Mittelfinger der rechten Hand herabschnellende Zeigefinger hervor- 
nift, eine Bewegung, die aus dem Hand- und in geringerem Grade auch aus 
dem Ellenbogengelenk ausgeführt und bei uns zuweilen beobachtet wird als eine 
unwillkürliche Reaktion nach dem Anfassen eines unangenehm heissen Gegen- 
standes, oder auch bei Schnupfem nach dem Genuss einer Prise. Neben dieser 
Geste findet man auch eine andere, das bei uns gebräuchliche Schnappen des 
Mittelfingers von der Spitze des Daumens auf dessen Ballen. 0(1 drückt dies 
einen höheren Grad der Drohung, eine Bedrohung mit Waffen aus. Ander- 
seits findet man es aber auch als Ausdruck der Verlegenheit, wobei gleich- 
zeitig die Schultern hochgezogen werden. 

Will der Masai mit Nachdruck betonen, dass etwas ganz und gar zu Ende 
oder fort sei, dass nichts davon mehr übrig sei, so fuhrt er den Daumennagel 
dicht hinter den Rand der oberen Schneidezähne und drückt ihn. schnell mit 
knipsendem Geräusch nach vorn. 

Wiederholt beobachtete ich, wie Mütter ihre unartigen Kinder rügten, 
indem sie ihr eno el aigoschobo eA abiak, d. h. geh, sonst geht's dir schlecht! 
mit einer Handbewegung begleiteten, die darin bestand, dass sie die gegen 
einander gekehrten, ziemlich horizontal gehaltenen Handflächen halbklatschend, 
halb streichend schnell aneinander vorbeiführten, und zwar wurde die dabei 
hauptsächlich tätige rechte Hand von hinten nach vor geschnellt. 

Um jemanden heranzuwinken, winkt man mit dem ganzen Arm oder nur 
der Hand, aber nicht in einem Bogen, nach vorn — oben — zurück mit der 
Handfläche nach oben, wie bei uns, sondern nach vorn — unten — zurück mit 
der Handfläche nach unten. 



Das Sebvermt^en der Masai ist wie das anderer Naturvölker ein sehr 
gutes. Oft sahen sie Gegenstände im Gelände schon auf Entfernungen, auf 
welche ein normalsichtiger Europäer noch nichts entdecken konnte. Besonders 
fiel dem Verfasser auf, dass die Leute den gesehenen Gegenstand auf grosse 
Entfernungen besser erkennen konnten, als Europäer, auch solche, deren Auge 
durch langjährigen Aufenthalt im Lande an die eigentümlichen Vegetations- 
formen und BeleuchtungsefFekte in der Steppe gewöhnt ist. Wo letzterer im 
Zweifel war, ob es sich z. B. um einen Menschen oder einen Baumstumpf 
handelt, oder um einen Termitenhaufen, oder eine grosse Antilope, erwies sich 
das Erkennungs vermögen der Masai immer als das bessere. Dass sie über ein 
leidliches Augenmass verfügen, beweist der Umstand, dass sie die Hüttengrund- 



aydOOglc 



risse, die dem Schmuck dienenden Drahtspiralen und Drahtringe usw. ohne 
mechanische Massmittel fertigen. Ihren Sinn liir Symmetrie erkennt man aus 
demselben Grunde an den Waffen. 

Nach dem Holmgrenschen Zephyrgam-Verfahren untersuchte ich 87 Masai, 
und zwar 46 Männer und 41 Weiber auf ihren Farbensinn. Die Prüfung ei^ab, 
dass von allen nur ein Mann »schwachen Farbensinne, alle übrigen d^egen 
■ normalen Farbensinnf hatten. Es sei hier auch der symbolischen Bedeutung 
der Farben gedacht: schwarz ^ ruhiger Ernst, rot (Blut) ^ Krieg, grün =; Frieden, 
bunt und zwar besonders in der Zusammenstellung von rot und weiss, drückt 
Freude, Heiterkeit, aber auch Leichtfertigkeit und Flatterhaftigkeit aus. 

Photographien von ihnen bekannten Gegenständen erkannten sie richtig, 
solche von ihnen bekannten Personen nicht sofort, sondern immer erst nach 
längerem Betrachten. Häufig war ihnen die perspektivische Verkürzung eines 
Gegenstandes auf der Photographie unbegreiflich; sie hielten einen solchen fiir 
unvollständig. 

Vorzüglich ist ihr Orientierungsvermögen im Gelände und ihr Gedächtnis 
für einmal gegangene Wege oder durchzogene Landstriche. Ihr Zahlengedächtnis 
scheint besser zu sein, wie das der meisten Stämme des Innern von Ost-Afrika, 
da sie nicht wie diese mechanische Hilfsmittel, wie Einkerbungen in Stöcke, 
Knoten in Fäden usw. anwenden. Ihr Vorstellungsvermögen für Zahlen scheint 
über fünf nicht hinauszugehen; die richtige Anzahl von mehr als fünf vor- 
gelegten Gegenständen vermochten nur wenige mit einem Blick zu erkennen. 

Ihren Sinn für bildende Kunst zeigt der reiche und nicht unschöne 
Schmuck, die schönen Formen ihrer Waffen, die Bemalung der Schilde, die 
Verzierung mit Kaurimuscheln und Perlen an Gebrauchsgegenständen und 
Kleidur^. Darstellende Kunst ist ihnen unbekannt. Sinn für Musik fehlt ganz; 
ihr Gesang ist willkürlich und regellos, Hauptsache dabei ist der Text und die 
Abwechslung in der Stimmführung. Musikinstrumente haben sie nicht, denn 
das Antilopenhom des Einberufers zu einer Gerichtsverhandlung dient nur dazu, 
durch laute Geräusche die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu lenken. Ein 
häufiger Gesang zur Begleitung des Tanzes ist folgender;') 
ALLEGRETTO ~~ 



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oh lale - jo o-jo - e lale -jo. 

In freier Uebersetzung heisst das Solo: wer ist der Anführer der roten 
Schilde; oh, es ist Meleta, der an der Fessel verwundet wurde, so dass ihm 
das rote Blut in die >mongen< (der Fesselschmuck aus Colobusfell) rann; 
wörtUch: wer der Anführer der roten Schilde, oh, Meleta, der herausgenommen 
hat das Blut aus seinen moAgen. 

Zur Beurteilung der Schönheit des menschlichen Körpers gelten den Leuten 
im allgemeinen dieselben Grundsätze wie dem Europäer. 

Der Schönheitsbegriff der Masai fordert einen wohlgebauten schlanken 
Körper mit leicht gerundeten Formen. Im Gegensatz zu den meisten andern 
schwarzen Völkern, bei welchen Körperfülle als Gradmesser für weibliche Schön- 
heit gilt, darf eine Masaischöne nicht dick sein. Die Glieder dürfen nur gerade 
so viel Rundung zeigen, dass sie nicht eckig erscheinen. Die weiteren Be- 
dingungen, um als schön zu gelten, sind: ovales Gesicht, weisse Zähne, schwarzes 
Zahnfletsch, möglichst helle Hautfarbe, hervortretendes Gesäss (ohne dass man 
indes von Steatopygie reden könnte], starke Hüften, tiefe Nabelgrube. Die 
Lippen dürfen weder durch Form noch Farbe besonders hervortreten, so dass 
schmale und dunkle Lippen für schön gelten. Für Zunge und Zahnfleisch gilt 
künstlich schwarze Färbung als schön; man benutzt dazu den Saft von Cleroxen- 
dron tematum.') Stark hervortretende Muskeln am Oberarm und an der Wade 
oder dicker Bauch gelten als hässlich und werden verächtlich mit den gleichen 
£%en Schäften der Neger verglichen, oder man spricht auch spöttisch von 
Keulenarmen, oder Waden, in denen ein Ziegenmagen stecke, oder von einem 
krankhaft geschwollenen Leib. Bei Mädchen legt man Wert auf dünne Knochen, 
kleine, schmale Hände und Füsse, sowie stehende, halbkugelige Brüste. Mittels 
Bemalens mit roter Erde sucht man die schwarze Hautfarbe durch den Kontrast 
der Farben zu verschönem. 

XV. 

WiHen. — Speer. — Si'hwcrt, Schciilc, Gurt, Stbilil. — Keule, — BoRen. — Pfpil. — Foucrwaffeii. 

Die vornehmste Waffe der Masai ist der bekannte schöne, grosse Speer 

(Fig. 2j, siehe S. 123). Er bildet den ganzen Stolz des Kriegers, der sich von 

nichts schwerer trennen würde, als von ihm. Der Speer besteht aus drei Teilen, 

') Ol oltorogeiohon (raJjaba. 



=, Google 



- 124 — 

dem oberen eisernen BUtt, dem mittleren hölzernen Schaft und dem unteren 
eisernen Schuh. Am unteren Ende des Blattes und am oberen des Schuhs be- 
findet sich je eine Tülle, mittels deren man diese Teile auf den Holzschaft steckt 
Die alten Speere hatten ein 30 Zentimeter langes und 20 Zentimeter breites Blatt 
mit kurzer Tülle, einen langen Holzschaft und einen kurzen Schuh. Allmählidi 
verlängerte man die Blatttülle bis zu 40 Zentimeter und in demselben 
Masse wurde der Schaft verkürzt. Solche Speere findet man heute nur nodi 
selten und ist dann bei ihnen im Laufe der Jahre das Blatt mehr oder weniger 
schmal geschliffen worden. Später verlängerte die Mode das breite Blatt 



Fit'. 27. CW 

bis auf ungefähr 60 bis 6$ Zentimeter und verkürzte gleichzeitig die Tülle 
bis auf 10 bis 12 Zentimeter. Solche Speere ßnden sich häutig noch in 
schönen Exemplaren. Der heute moderne Speer hat ein meist etwa 80 bis 
85 Zentimeter langes, manchmal auch noch längeres schmales Blatt, welches 
an seinem unteren breitesten Teil nur vier bis sechs Zentimeter misst, einen 
kurzen, 10 bis 15 Zentimeter langen Holzschaft hat und einen meterlangen 
Schuh. Das Blatt ist fast immer blank poliert, selten unpolicrt und schwärt. 
Letzteres ist kein Zeichen von Unfertigkeit, sondern soll das Blinken in der 
Sonne verhindern. Die von den Masai geführten Speere werden nicht alle 



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— I2S — 

von den el konono gemacht, sondern auch von ansässigen Negern, und zwar haupt- 
sächlich von den Wadschagga des Kilimandscharo, gekauft, deren Schmiede sie 
fiir Krieger ihres Stammes, oder auch auf Bestellung von Masaikriegern fertigen. 



Abb. 41. Junger Maaini mit Speer. 

Man findet daher unter den Speeren der Masai gelegentlich fremde Typen, die 
aber nur in Ausnahmefällen sich nicht an die allgemeine Masaiform eng an- 
lehnen. Der wesentlichste Unterschied zwischen beiden Typen ist der, dass 



ayCiOOglc 



die Axen des Durchschnitts (Fig. 28) bei dem von Masaischmieden gefertigten 
Blatt schräg, bei dem von Negern gemachten rechtwinklig zu einander stehen. 
Eine weitere Verschiedenheit zeigt bei den langen, schmalen Formen das untere 



Vig. iS. a; b und c MnsaispccTO. <l und e Dschagfras[M?ere, l Masaiscliirert, g Dscliai^gaichwcrt. 





Tig. 39. 

Blattende (Fig. 29), welches bei ersteren Speeren mehr herz- (a) oder auch 
löffeiförmig (b), bei den andern meist mehr schaufclförmig (c) ist. Erstere beiden 
Formen, besonders die löffeiförmige, werden in neuerer Zeit auch von N^er- 



.ydOOglC 



- 127 — 

schmieden nachgemacht, und zwar, wie ich in mehreren Fällen feststellen konnte, 
auf die ausdrückliche Bestellung von Masaikriegcrn. Während der Speerschuh 
oben und unten in der Regel kreisrund ist, Bndet man besonders in der Provinz 
Ol bruggo auch solche, bei denen diese Teile einen viereckigen Durchmesser - 
haben und an denen Einkerbungen (Fig. 30) als Eigentumsmarken verschiedener 
Bedeutung') angebracht sind. 



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'■ 



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M 



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Fi?- 3 !>.('/'•) Fic.3ib. ('/.) F1g.3ic. (■/,»■■ Fig. 31a. ('/.o^ Fip. 31b. ('/s) 

Das Schwert (Fig. 31) besteht aus dem hölzernen, runden, mit Querriefen 
versehenen Griff und der eisernen zweischneidigen Klinge. Erstercr hat sich 
nach den Erzählungen der Masai nicht geändert, während die Klinge eine 
grosse Wandlung durchgemacht hat. Sie war ursprünglich nur 20 Zentimeter 

'j Sie köDneit bcieiclurn: Landschalt, ol boror, ^Inimn bciw. Gesclilecht uiw. Jes Ei^oiitUnicrä. 



=,Li00gIe 



— 128 — 

lang und hatte ihre grösste Breite von kaum zwei Zentimeter in der Mitte. Das 
Schwert glich damals einem zweischneidigen Dolch (Fig. 32, siehe S. 127) und war 
nur zum Stechen geeignet. Allmählich wurde die Klinge länger, und um sie besser 
zum Hauen brauchen zu können, wurde ihr Schwerpunkt mehr an die Spitze 
gelegt, so dass die heute 60 Zentimeter lange Klinge ihre grösste Brette von 
drei Zentimeter nur fünf Zentimeter von der Spitze entfernt hat. Was von dem 
Durchschnitt des Speerblattes gesagt ist, gilt auch von dem der Schwertklinge: 
ihr Durchschnitt ist leicht S-förmig (Fig. 28 f), wenn sie von Masaischmieden, 
gerade, wenn sie von Negerschmieden (Fig. 28 g) gefertigt ist. Die schön ge- 
arbeitete Scheide (en djaschür, n djaschuri [Fig. 31c und 33aj) ist aus Zi^en- 
oder Rindsfell gefertigt und mit dem roten Saft der Wurzel des Strauches ol 
gneriandus 1 en döje') gefärbt; auf der Rückseite befindet sich eine mittlere 
Läugsnaht und auf der Vorderseite entsprechend ein Längsfalz. 12 Zentimeter 





V 



Fifi:-33a. (V.) 



Fi«. 33b. (■/■•) 



vom oberen Rand der Scheide sitzt auf der Vorderseite eine längliche Oese 
(ol güme, el gumcschi), durch welche der um die Hüfte getragene Leit^rt 
(efi gTm6tS, n gKm^tän [Fig. 33b]) gewüi^ wird. Dieser ist aus Rindshaut ge- 
arbeitet und mit mehreren Längsfalzen verziert. An seinem einen Ende be- 
findet sich ein Loch (en audoto, n audot), am andern ein kleiner Lederriemen 
(eftg ene, ng enda). Das Schwert wird auf der rechten Seite getragen und 
mit der rechten Hand gezogen. Linkshändige Leute tragen es auf der linken Seite. 
Nach der Ueberlieferung der Leute waren die ursprünglichen Masaischilde 
sehr klein (Schild = ol ofio). Sie hatten eine kreisrunde, flache Form, in der 
Mitte einen runden Buckel und einen Durchmesser von 30 Zentimeter. Das 
GriflThoIz war auf der Rückseite mit kleinen Riemen, die durch den Schild ge- 

') Plumliiigo Ceylon icii. 



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— 129 — 

zogen waren, befestigt Der sehr leichte Schild wurde mit zwei Fingern am 
GriffhoJz getragen. Dementsprechend war die Höhlung des Buckels sehr klein. 
Allmählich wurden die Schilde grösser, und der Grund dafür mag in häufigen 
Zusammenstössen der Masai mit Bc^en und Pfeil führenden Völkern zu suchen 
sein. Da der Schild in seiner ursprünglichen Form mit der Vergrösserung an 
Halt verlor, so erhöhte man diesen, indem man um die äussere Peripherie ein 
Rahmenholz {ol deretäi, el der^ta) mit Streifen aus Ziegen- oder Schaffell fest- 
nähte, den Schild bauchig wölbte und zur Erhaltung der Längswölbung von 
den Enden des Griffholzes bis zum Griff je zwei Spannriemen (e rescheta) 
zog (Fig. 34). Wie die früheren, so sind auch die heutigen Schilde aus Büffel- 
oder Giraffenhaut hergestellt. Der Buckel ist zum besseren Schutz der Hand 
mit einem runden Flicken aus derselben Haut und darüber noch, um ein Durch- 
scheuem der Fingerknöchel zu vermeiden, mit einem Stück weichen Schaffells aus- 




Fiß. 34a. Jetiifte Schlldform. ('/lo) Fig. 34b. Alle SehiliKorm. ('/lo) Flg. JS- {'jto) 



gekleidet. Die jetzt gebräuchlichen Schilde sind mit der Wölbung gemessen i bis 
1 , 10 Meter lang und halb so breit. Auf die vordere Schildfläche ist das Schildwappen 
gemalt, während die hintere oft — nicht immer — das Geschlechtswappen trägt. 
Die Keule (ol gümän, el gttmä [Fig. 35]) ist jetzt aus einem Stück gearbeitet, 
meist aus gewöhnlichem harten Holz, besonders vom Baum ol oiriSn und ol 
oiborbenek;') nur die Keulen der Sprecher, welche lediglich zum Gestikulieren 
dienen, sind aus Ebenholz oder Rhinozeroshorn gefertigt. Die alten Keulen 
bestanden aus zwei Teilen, aus dem kugeligen Kopf, in welchen durch ein 
zentrisches Bohrloch der stockartige Griff gesteckt war. Damals diente die 
Keule noch als Kriegswaffe und war dementsprechend schwer; heute braucht 
man sie ausser" zur Begleitung der Rede fast nur bei Prügeleien und — zum 
Zerschlagen der Markknochen von geschlachtetem Vieh, Die heutigen Keulen 



') Oregea niblcunda K. Seh. 
Hitksr, Uuii. 



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sind etwa 40 Zentimeter lang, ihr Kopf hat einen Durchmesser von fünf 
bis sechs Zentimeter. Die Stelle der Keule vertritt oft ein keulenartiger 



Fig. 36. CV>0 
Knüppel (es sere), besonders aus dem Holz von en gadardar.') 

Speer, Schwert, Schild und Keule sind die Waffen der Krieger. Alte Leute 

tragen nie den Schild, 
selten einen kleinen, ge- 
■ Wissermassen ausrangier- 
ten Speer oder ein altes 
Schwert, meist dagegen 
nur Keule und Rogen mit 
Pfeilen. Bogen und ver- 
giftete Pfeile brauchen sie 
zur Verteidigung des ei- 
genen Kraals oder gegen 
Raubtiere. Die durch 
Rinderseuchen verarmten 
Masai, welche von den 
andern getrennt leben und 
sich selbst fälschlich el 
dorobbo nennen, jagen 
damit auch Wild. Die 
Bogen (Fig. 36) sind zwei- 
schenklig, einfach ge- 
bogen und in der Mitte 
nicht eingedrückt. Die 
Sehne wird aus Rücken- 
sehnen von Rindern ge- 
dreht. Als Jagdtrophäe 
windet man oft ein paar 
Fellstreifen des erlegten 
Tieres um den Bogen. 
Die Spitze der Pfeile 
[Fig- 37] (em baie, m ba) 
hat die gewöhnliche >Pfeil- 
F'8- 37- t'/i) form« oder ist lanzett- 

förmig oder pfriemart^. Ihr Dorn trägt an beiden Seiten je eine dichte Reihe 
durch Einkerbung hergestellter Widerhaken. Er steckt in einem Holzschaft, dessen 
■1 Ochna Merkcii Gil«. 




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— I3> — 

unteres Ende eingekerbt ist und eine dreiteilige abgerundete Befiederung aus den 
Federn des Aasgeiers (Neophron percnopterus) trägt, den man stets in grossen 
Schwärmen in den Aesten der die Kraale umgebenden Baume auf irgend welchen 
animalischen Abfall warten sieht. Neben den EisenspUzen findet man auch pfriemen- 
förmige Holzspitzen; letztere sind oft vergiftet, erstere nur selten. Das Gift (efi 
duerai) bereiten die Masai nicht selbst, sondern kaufen es von Wandorobbo, die es 
von dem Baum ol moridjoi (Acocanthera abyssinica) durch Auskochen von Rinde 
und Holz gewinnen. Die Pfeile trägt man in einem ledernen Köcher (e modian, 
modiani), der an einem Lederriemen um die Schulter gehängt wird. Er besteht aus 
einer siebzig Zentimeter langen Röhre aus Rindshaut mit eingenähtem Boden 
und einem ebenso gearbeiteten, zwölf Zentimeter hohen, aufstülpbaren Deckel. 
Feuerwaffen, welche zeitweise bei ansässigen Negern die Speere und 
Hogen fast ganz verdrängt hatten, ') führeft die Masat im allgemeinen nicht. 
Obwohl sie in den Kämpfen mit der Schutztruppe verschiedentlich Gewehre 
und Munition gefaltener Askari erbeuteten, habe ich niemals beobachtet oder 
erfahren, dass sie diese Waffen gebraucht hätten. Vorderlader haben sie nie 
von Handelskarawanen gekauft, und die, welche ich in einem ihrer Kraale fand, 
zeigten durch das Fehlen von Hahn oder Piston oder durch sonstige Schäden, 
dass sie von den Masai nicht zum Zweck des Gebrauchs, sondern nur als 
Trophäen mitgeschleppt wurden. Erst im April 1902 kam ein teilweise mit 
englischen Snyder- Hinterladern bewaffneter Trupp von Masai -Kriegern in meinen 
Beobachtungskreis. Der Trupp kam aus der Masai-Provinz Ol bruggo, und zwar 
aus der Umgegend der englischen Station Nairobi, an der Uganda-Bahn ge- 
legen, und versuchte einen Einfall in die Kilimandscharo Landschaft Rombo. 
Mit einem Verlust von ungefähr zwanzig Prozent Toter und beuielos wurden 
sie aber von den nur mit Speeren bewaffneten Warorabo heimgeschickt. 

XVI. 
Bekleidung und Schmuck. — Zcugfitofte, — Loilerbereilung. - — Die einzelnen Bcklciduii^stücke. — 
Die einzelnen StlimuckstUcke. — sVersthöncrung» des Körpers, Kopfhaar, Bart, Körperhaare. — 
Die Haartracht der Krieger. — Bemaluntr von Gesicht und Körper. — Aeti- und Schnilt-ZiemnrbeD. 
— Zähne, — Fingernägel. 
Zeugstoffe, wie sie die von der Küste zum Elfenbeinhandel in die Masai- 
stcppen ziehenden Karawanen als Tauschmittel mitnehmen, haben sich bei den 
Masai immer noch nicht recht einbüt^ern können. Die erste Stelle in der Be- 
kleidung nehmen vielmehr noch heute bearbeitete Tierfelle ein. Die Zube- 
reitung der Häute, welche nicht enthaart werden sollen (Kriegerumhang und 
Sitzleder), ist eine primitive Sämisch-Gerberei. Die Felle werden ausgespannt 
und gründlich getrocknet. Darauf werden sie mehrfach mit Butter oder Fett 
eingerieben und jedesmal tüchtig gewalkt. Ein Schwellen der Häute ist nicht 
bekannt, ebenso wenig wird aih Ende der Bearbeitung das ihnen anhaftende 

') z. B. in einigen Landnchalten am Kilimandsch-iro. 



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- 132 — 

überschüssige Fett entfernt. Das fertige Leder fühlt sich fettig und weich an. 
Die andern Häute werden, nachdem sie gut getroclcnet und durch Kratzen mit 
einer scharfen Axt enthaart sind, durch scharfes Einreiben mit einem Gerb- 
extrakt behandelt. Man stampft die Rinde von Terminalia Brownii Fresen var. 
Merkeri Engl. (o1 bugoi) und extrahiert sie durch Auskochen mit Wasser. Das 
fertige Leder ist weich und geschmeidig. Die Lederbereitung ist Weiberarbeit 
Die abgekratzten Rinderhaare werden sorgfältig in der Dornenumzäunung des 
Kraals versteckt, damit die Rinder sie nicht fressen und dadurch krank werden. 
Das einzige Kleidungsstück der Krieger ist der Fellurahang (e megiti, 
megitin); es besteht aus einem ungefähr HO Zentimeter langen und 



Ucinuridi» pboi. 
Abb. 43. Mn«aiw«ib und NäL-irbcit. 



64 Zentimeter breiten Streifen zusammengenähter Kalbfelle. Der ganze Fell- 
strcifen wird einmal quer zusammengelegt und von seinen vier Ecken werden 
die oberen zwei aufeinander liegenden zusammengenaht oder -gebunden. Man 
zieht den Umhang an, indem man Kopf und linken Arm hindurchsteckt; der 
Knoten liegt auf der rechten Schulter, Brust, Rücken und linke Hüfte sind be- 
deckt, linke Schulter und rechte Hüfte bloss; letzteres, damit das dort befind- 
liche Schwert frei ist. Der Kriegerumhang ist das einzige Kleidungsstück, 
welches nie enthaart ist. Die Haarseite wird nach aussen getragen und ist, 
wenn in der Farbe gut gewählt, oft recht hübsch, da man nur das seiden- 
glänzende Fell ungeborener oder ein bis zwei Tage alter Kälber verwendet. 
Oft ist der obere und untere Rand des Umhangs mit ein bis zwei kleinen, 



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— 133 — 

roten oder weissen Perlenreihen benäht. Nur ganz selten wird er auch aus 

andern Fellen hergestellt; so sah Verfasser zwei aus dem der schwarz-grünen 

Meerkatze (Ceropithecus albigularis). Ueber dem Gesäss 

am Schwertgurt angebunden, tragen Knaben und Männer 

ein dreieckiges Sitzleder (Fig. 38) (ol gebesse, el gebessent) 

aus Rinds- oder Kalbfell, zum Schutz gegen die überall 

in der Steppe verstreuten Dornen und stachligen Grannen 

des Grases beim Niedersetzen. Knaben tragen einen sehr 

kurzen, nur Bauch und Rücken bedeckenden Umhang (en 

1 jergog, n jergogi), verheiratete Männer tragen einen ebenso 

geschnittenen, aber bedeutend längeren Umhang, der en 

jüfiba (n jöribän) heisst und meistens, aber nicht immer, 

unenthaart ist. Zum. Schutz gegen die besonders in den 

Regenzeiten oft empfindliche Kühle trägt der Krieger 

{ \i \ kein weiteres Kleidungsstück, sondern zieht den Umhang 

Fie. 38. ■ beim Sitzen nur auch über die linke Schulter und — 

die Nase. Angefertigt wird das ol megiti von einer 

Schwester oder dem Lieblingsmädchen des ol morini. Nicht ganz so einfach, 

aber auch durchaus nicht luxuriös ist die Kleidung der Weiber. Sie besteht 

aus zwei grossen Lederschürzen aus zusammengenähten Ziegenhäuten. Der 



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— 134 - 

untere (ol ogessaria, el ogessanani) wird um die Hüften gelegt und durch die 
eingesteckten Zipfel festgewürgt oder mit einem mit bunten Perlen im Zickzack- 
muster bestickten Ledergürtel (efi ailieAa, n ailieAa) fes^ehalten. Der andere, 
obere (ol egischobo, el egfschobon] wird auf der rechten Schulter geknüpft 
und lässt linke Schulter und linke Brust frei. Das Oberkleid ist selten, das 
Unterkleid fast immer mit einigen Perlen geschmückt. Eine um den unteren 
Rand führende Reihe bunter, kleiner Perlen ist am häufigsten; oft sind auch 
die eingesetzten Flicken mit Perlen umnäht. Alte Männer und ferner Mädchen 



Triiclit der Weiber u 



und Knaben während der Heilung der Beschneidungswunden tragen einen Schurz, 
der dieselbe Form, aber eine bedeutendere Länge wie das Oberkleid der 
Weiber hat. Er heisst ol gelä (el gelini) und wird je nach seinem Träger be- 
zeichnet als ol gela I el moruak, ol gela 1 es sibolio, ol gela 1 eii döje. Bei 
den Männern ist er auf der rechten Seite an Schulter und Hüfte geknüpft, bei 
den Mädchen unter den Armen mit einem Riemen und um die Hüfte mit einem 
Gürtel befestigt, während er von den es sibotio meist toga-artig um den Körper 
geschlungen wird. 



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— 135 - 

Die Fussbekleidung bildet bei allen ohne Unterschied von Geschlecht und 
Alter die Sandale (Fig. 39) in ihrer allgemein üblichen Form (cA ämge, n ämga). 
Sie wird aus der dicken Rückenhaut 
der Stiere gefertigt 

Im Gegensatz zur einfachen Klei- 
dung steht wie bei allen wilden Völkern 
die Reichhaltigkeit des Schmuckes. Am 
mannigfaltigsten ist dieser bei den 
Kriegern und jungen Frauen. 

Der bevorzugteste Tan^- und Kriegsschmuck auf dem Kopf des Kriegers 
ist der bekannte, mit Straussenfedern umsteckte Gesichtsrahmen. Er besteht 
aus zwei aufeinander genähten Lederplatten, deren vordere eine auf einen 
Streifen dtinnen Ziegenleders gesteppte Reihe enger Maschen trägt, die zur 
Auf«ahme der Federn dienen. Am beliebtesten sind, wie der Name os sidai, 
das Schöne (der übrigens auch für Schmuck im allgemeinen gilt), sagt, die aus 
schwarzen Federn; aus weissen Federn nennt man ihn eA gürärä, und wenn er 
oben nur eine weisse Feder trägt eA därgä. Daneben hat man solche Rahmen 
aus dem gebogenen Holz einer Lianenranke, In ihrem höchsten Punkt steckt 
ein auf einen Stock gezogener Schwanz des Colobus-Afien (ol goroi, Colobus 
caudatus). Der Schmuck heisst ol bidibit (el bidibidi). An Stirn und Hinter- 
kopf wird der Rahmen durch einen durchgehenden Riemen (e reschet) fest- 
gehalten, wahrend sein unteres Ende unter Kinn oder Unterlippe geklemmt wird. 
Ein anderer Schmuck ist W-förmig aus Lianenholz gebogen und mit Federn 
behängt (ol marafigusch [Fig. 40]}. Ebenso beliebt, aber seltener sind bei den 
Kriegern im Feld und beim Tanz die 
lüsshohen, spitzen Kriegsmützen, ol 
ugaru, mit zugefügter Bezeichnung des 
Fells, aus dem Fell wilder Tiere. Meist 
besteht die Mütze nur aus einer Fell- 
art, seltener wird an dem von der 
Spitze nach hinten gehenden Saum ein 
schmaler Streifen eines andern Fells 
eingenäht. Am häufigsten sind die 
Mützen aus Löwenmähne (ol ugaru 
kitok oder ol gAatunj =^ Löwe) oder 
dem dieser im Aussehen fast voll- 
kommen gleichenden Fell des Hunds 
äffen (ol dödäl, Papio cynocephalus). 
Fig. 40. Kopfschmuck iwtio ol bul. Ferner verwendet man das Fell von 

Leopard (ol ugai-u geri; geri = ge- 
fleckt), Gepard (Cynaelurus guttatus, ol genja I ascho = Kalbfresser), Serval 
(Felis serval, cii gerassi = Anbeisser, er beisst die Ziegen nur an und saugt 



aydOOglc 



- 13« - 

ihnen das Blut aus)^ Colobus-Affe, Schakal und Hyänenhund (ol oibor gidon). 
Ein Riemenband hält die Mütze unter dem Kinn fest. Der Krieger näht sich 
die Mütze selbst. Als Nadel und Faden dient bei allen Näharbeiten Ale (ol 
dedo, el dedi [Fig. 41]) und gedrehte Rindersehne (eft obini). Eine andere von 
Kriegern, Knaben und älteren Männern getragene Mütze hat die Form einer 
Babyhaube (Fig. 42 a und b); sie ist aus dem Netzmagen eines Rindes gefertigt 
und an den Rändern oft mit kleinen Perlen geschmückt. 

Um die Ohren zur Aufnahme des Schmucks geeignet zu machen, werden 



ihre Läppchen in früher Kindheit mit einem starken Akaziendom durchstochen 
und durch Einsetzen immer grosserer Holzpflöcke ausgedehnt. Die Pflöcke 
(Fig. 43 a und b) werden meist aus dem oft recht schön gezeichneten Holz 
des en gadardar-Baumes (Ochna Merkeri Gilg) gefertigt Die Schwere des 
Schmuckes dehnt die Löcher noch weiter, so dass sie oft zehn Zentimeter weit 
herunter hängen. Gleichzeitig wird auch der obere Ohrrand an einer oder zwei 
Stellen durchlocht. In diesen tragen die Weiber Bündel von vier bis acht 
kleinen, zehn bis zwanzig Zentimeter langen Kettchen (Fig. 44), die Männer 



yClÜÜglC 



— 137 — 

ebensoviel el oimSr (S. ol oim^ri), einen uhrschliissel förmigen Schmuck aus 
Zinn (Fig. 45 a und b) oder aus Messingdraht (Fig. 45 c), oft auch an einem 
Drahtring einen Pesa, eine abgeschliffene Muschel- 
schale, welcher Schmuck eii jili (n jtl) heisst 
(Fig. 46), oder ein fünfzehn Zentimeter langes 
Stäbchen aus Holz (ol beniet, el beni^ta [Fig- 4^, 
siehe S. 138, oberer Teil]) oder einen Stachel des 
Stachelschweins (oiaiai, Hystrix africae- austrat is). 
Um den unteren Teil des ausgedehnten Hautrings 
des Ohrläppchens tragen die Männer eine vier 
Zentimeter lange Röhre (ol gissoiel gisso [Fig. 47]), 
aus dünnem Eisendraht gewunden, deren Endwin- 
dungen mit Kupferdraht umwickelt sind, während 
an den übrigen Windungen meist sechs bis zwanzig 
Zentimeter lange Kettchen (ol bisiai, el b(sia) 
hängen. Sind diese nur kurz, so sind sie in der 
Regel mit roter Schminke zusammen verklebt 
(Fig.48, siehe S. 138). Oft sieht man an Stelle dieses 
Schmucks auch ein ovales, durchlochtes Zinn- 
plättchen (eil goholain, goh&la) und andere Dinge 
oder einen nussförmigen Schmuck, der aus dem 

Kern der Hyphaena Palme geschnitzt ist (Fig. 49, Abb. 45. Ohischmuck der Mannet. 
sieheS. 138). Verheiratete Frauen und Greise tragen, 

mit einem dünnen Riemen in die Ohrläppchen gebunden, die grossen Doppel- 
spiralen (e surudiai, surudia) aus dickem Messingdraht. Sie werden von einem über 
den Scheitel gelegten Lederriemen gehalten, da ihrer grossen Schwere wegen das 



Fig. 45 b. 



Fifir. 4SC- 



Fig. 46. 



Ohrläppchen dazu nicht im stände ist. Als besonders schön gilt es, wenn sie 
noch mit einem quer darüber genähten und mit vier Reihen kleiner Perlen be- 
nähten Lederband verziert sind, an dem eine Reihe kleiner Kettchen hängt. 



aydOOglc 



138 



Diese Verzierung, die man übrigens nur bei Weibern findet, nennt man ol 
giriedgata. Junge Madchen tragen vielfach zum Tanz um Stirn und Hinterkopf 






J 



eine Perlenschnur (Fig. 50) oder zwei zollweit übereinander liegende Perlen- 
schnüre (Fig. 51), die leiterartig mit kleinen Kettchen verbunden sind. Der 
Schmuck heisst er naiiule. 



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— 139 — 

Um den Hals trafen Männer und Weiber ein Gewirr verschiedener Ringe. 
Das ol orowH und ol eieschua sind strickartig gedrehte Kränze aus der wohl- 
riechenden Wurzelriode einer 
Liane (ol mojoAgora). Be- 
sonders bei Männern beliebt 
sind einfache Eisendraht- 
ringe (es segefigei*) mit einem 
vorn daran hängen den 
Kettchenbündel (Fig. 52), 
während jedes Masaiweib 
um den Hals eine grosse 
Eisendrahtspirale (es sege- 
figei e murt) trägt, deren 
äussere und innere Windung 
oft mit dünnerem Messing- 
oder Kupferdraht umwickelt 
ist. Der Schmuck wird um 
den Hals gewunden und kann 
nur wieder abgewickelt, nicht 
abgenommen werden. Die 
übrigen vielen Halsringe be- 
stehen aus kleinen bunten 
Perlen (e msitäni, msitänt], 
erbsengrosscn weissen und 
blauen Ferien (ol dur^schi, e! 
dur^sch), länglichen, bohnen- 
förmigen, weissen Perlen (es 
sambain), daitelkcrn förmigen, vielfarbig gemusterten Perlen (em boro), ringförmigen 
blauen und grünen Ferien (eii gonoAgoi, n gonoögo) und verschiedenen Draht- 
ringen. Die Perlen sind entweder auf Draht und Faden, aus Rindssehnen gedreht, 
gezogen oder auch auf schmalere oder breitere, flache Lederringe genäht. Im 
letzteren Fall sind die Perlen nach Farben in geradhnigen, meist 
quadratischen Mustern (Fig. 53, siehe S. 14c) angeordnet. Ein 
solches Ferienband heisst e mairenai. Das auf der Brust 
liegende Mittelstück solcher Reifen besteht oft aus einem taler- 
grossen, flach geschliffenen Schneckenschalenstück (ol gäläsch, 
el gäläschi), an dessen Perlenumsäumung eine Reihe von 
Kettchen hangt (Fig. 54, stehe S. 140). Mit diesem aus Perlen, 
Drahi und Lederreifen bestehenden Material werden die ver- 
schiedensten und alle nur denkbaren Kombinationen gebildet, die 
jeder nach dem ihm am meisten hervorstechenden Teil derselben 
benennt, so dass es eine feststehende Nomenklatur dafür nicht Fit;. 5z. 



Abb. 46. 



- und ührenachmi 



r Weiber. 



Ige genani. im 

o 



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— 140 — 

gibt. Besonders erwähnt sei noch eine fiir junge Frauen als besonders schön 
und chic geltende Perlenschnur, in der em boro-Perlen mit Reihen kleiner Glas- 
perlen und zwei bis drei Zoll langen Messingdrahtspiralen abwechseln und die 
bandelierartig über die linke Seite der Brust getragen wird. 

Als Kri^sschmuck tragen die el mÖran oft eine Art Umhang, ein Mittel- 
ding zwischen Cape und Halskrause, bestehend aus Geierfedern. Der Schmuck 
heisst ol mairuti oder auch ol motonj = der Geier; jede einzelne Schnur, auf 
welche die Federn aufgereiht sind, heisst cft gobfr. 

Ausser einem einfachen Perlenring« einem mit Perlen benähten Lederband 
(ol gilescho, el gileschoni) oder einem Elfenbeinriug (ol mäsangus, cl mäsangusi) 
tfj^en die Männer, besonders die Krieger, am linken Oberarm häufig eine 
Spange aus Schafsliorn in Form eines doppelten Wiegemessers (e räb, e räbbi 
iFig. 55|). Daran hängt, wenn man zu einem Fest geht oder in den Krieg 




HK.sa- ('/' 



KiR. 54. (■/,) 



Vig. SS. 



Kig. 56. 



zieht, ein meterlanger, gedrehter Streifen (ol kibaba, el kibabani) aus dem Fell 
von Leopard, Gepard, Serval, Schakal, ferner von Ginsterkatze (es simaAgor, 
Gcnetta pardina), Bandtltis (ol belÄs |te, Jetonyx zorüla), Zebramanguste (ol 
gischorfen, Crossarchus fasciatus), Baumschliefer (en gine os soito, Dendrohyrax 
validus), von einem eichhörnchenartigen Tier (ol gidäs e/i dare = Ziegenmelker; 
die Masai erzählen allgemein, dass er nachts am Euter der Ziegen sauge), der 
gelben Meerkatze (Cercopithecus pygerithrus, en döräsch), der schwarzen Meer- 
katze (C. albigularis, ol g^ma), dem Honigdachs (Mellivora ratet, ol bcl£s) und 
einigen andern kleineren Tieren. 

Um das rechte Handgelenk, oft fast den ganzen Unterarm bedeckend, 
tragen solche Krieger, die freigebig und wohltätig sind, den A gamnini, eine 
Manschette (Fig. $6), die aus eng aneinander geschobenen Reihen von Eisen- 



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— 141 — 

perlen (el doroAgiSii oder el gabaten) besteht, an deren Stelle in neuester Zeit 
auch gewöhnliche kleine — besonders blaue — Glasperlen treten. Die Eisen- 
perlen werden durch Breitschlagen kleiner Drahtringe gemacht und dann auf 
dünne Streifen von Schafleder aufgezogen, diese um den Unterarm gelegt und 
auf der inneren Armseite geknüpft. Diejenigen Leute, die die Wohltaten des 
n gamnin dauernd geniessen, drucken ihre Dankbarkeit von Zeit zu Zeit durch 
Schenkung einer Reihe solcher Perlen aus, so dass, wie gesagt, der Schmuck oft 
fast bis zum Ellenbogen reicht. Seltener als bei Kriegern findet man den Schmuck 



Abb. 47. Arm- und Bcingchmuck der Weiber. 

auch bei dem einen oder andern der im Kriegerkraal lebenden jungen Madchen. 
Hat ein Mädchen keinen dem Kriegerstand angehörigen Bruder, wohl aber einen 
reichen Vater, so erhält es von diesem sowohl Milchkühe, als auch ab und zu 
ein Stück Schlachtvieh. Milch und Fleisch teilt es dann in freigebiger Weise 
aus und erwirbt sich dadurch die Würde einer Wohltäterin. 

Die Arme und Beine einer Schönen stecken mit Ausnahme der Ober- 
schenkel in einem mehr oder weniger vollkommenen Panzer aus Eisendraht- 
röhren, die oft nur Knie und Ellenbogengelenk freilassen, während bei ärmeren 



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— 142 — 

Weibern dieser Schmuck bis auf wenige Windungen zusammenschrumpft. Diese 
Röhren heissen es segengei = Eisendraht und werden nach ihrem Sitz unter- 
schieden als es segeAgei ol berafigasch für Oberarm, es segengei en dagäle für 
Unterarm, es segeflgei ol oreschet = was am Unterschenkel (unter dem Knie) 
getragen wird. Dieser Schmuck wird ebenso wie die Halsspirale (es segertgei 
e mun) direkt auf den betreffenden Körperteil gewickelt und kann daher nicht 
abgenommen, sondern nur wieder abgewickelt werden, was meist erst beim 
Tode geschieht. Die Schwere des Schmucks beeinträchtigt die Beweglichkeit 
der Weiber ungemein und gibt ihnen nicht selten einen watschelnden Gang. 
Um die Hüfte tragen Krieger im Tanzschmuck einen mit kleinen Perlen 
bestickten Lederriemen (eftg ene om bolfts; eng ene ist Jeder Riemen, om bolös 
= die Hüfte). Einen ebenso gearbeiteten Riemen tragen auch die kleinen 
Mädchen; er trägt dann vorn als Feigenblatt eine Reihe Kettchen und heisst 
en dore (P. en dor^n). Grössere Mädchen und Frauen tragen um die Hüfte 




Fi«. 5». Fiff.sg. {'/■) 



einen gleichfalls mit Perlen benähten, zollbreiten Gurt {Fig. 57), der den Leder- 
schurz zusammenhält. Knaben und jüngere Männer tragen unter dem Knie, 
oberhalb der Wade, oft einen Ring aus weissem Rindsfell mit einem vorn und 
hinten herunterhängenden, fünf Zentimeter langen und einen Zentimeter breiten 
Zipfel (Fig. 5S) und um die Fussknöchel je eine kleine Schelle (en duälla, efi 
duallan [Fig. 59]) mit einem kleinen Riemen angebunden, welche durch ihr in 
der stillen Steppe weit hörbares Geklingel im Gras liegende Raubtiere verscheuchen 
soll. Zum Kriegs- und Tanzschmuck gehören schliesslich die langhaarigen, 
weiss und schwarzen Fellstreifen (e mönge, e möngen), welche sich die Krieger 
um die Fussknöchel binden und die aus dem Fell des Wcissschwanz-Seiden- 
affen (Colobus caudatus) gefert^ sind. 

Kinder sowie jüngere Männer und Weiber tragen an den Fingern als 
Schmuck Ringe (ol gissoi, el gisso) aus vier bis fiinf Windungen von Kupfer- 
draht, deren Enden oft an der Aussenseite flache Spiralen bilden (Fig. 60). 



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— 143 — 

Den ersten Ring steckt man aui den Mittelfinger der rechten Hand, den zweiten 
auf den der linken, die nächsten auf irgend einen andern Finger. Dass ein 
Weib Ringe an allen Fingern einschUesslich der Daumen trägt, ist keine Selten- 
heit. Die Mütter stecken auf den zweiten Zeh des rechten Fusses ihres Säug- 
lings einen einfachen Kupferdrahtring als Schutzzauber gegen Krankheit, wenn 
ihnen vorher bereits ein oder zwei Kinder im jugendlichen Alter gestorben 
sind. Ab und zu findet man auch Ringe aus Eisenblech, an denen der äussere 
Teil des Reifes schildartige Fortsätze nach oben und unten trägt (Fig. 6i). Die 
Masai nennen sie es sagaAgar und behaupten, dass sie von den Wakikuyu 
stammen. Sicher ist, dass sie von den Masai nicht gemacht werden. 

Knaben und verheiratete Männer rasieren die Köpfe öfters, so dass die 
Haare kaum mehr als zolllang werden, Weiber rasieren den Kopf noch häufiger, 
und zwar entweder ganz oder nur einen Streifen ringsherum. Zum Rasieren 





Fic.62. cvo 




dient ein geschärftes Stückchen Eisenblech, das ol moronja (Fig. 62) heisst. 
Vor dem Rasieren wird das Haar mit Wasser angefeuchtet. Man rasiert den 
Kopf meist in den es sobia- Tagen, dem 18. bis 20. Tag des Monats, damit am 
Unglückstag, ol onjugi, dem 17. Tag im Monat, der Kopf nicht kahl ist. Die 
abgeschnittenen Haare werden in die Dornenumzäunung des Kraals geworfen, 
Barthaare und solche Wimpern, welche ins Auge zurückwachsen, werden mit 
einer Pinzette (Fig. 63 [ol budStj) ausgerissen. Eine Ausnahme machen hier 
die Männer des El kiboron Geschlechts, welche sich die Barthaare nicht aus- 
reissen dürfen, weil sie sonst ihre Kraft, in Sonderheit die überirdische, welche 
sie befähigt. Regen zu bringen und zu bannen, verlieren würden. Achselhaare 
und Augenbrauen werden rasiert. Weiber rasieren auch die Schamhaare, 
während Männer sie mit den Fingern oder der Pinzette ausreissen. Junge 



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— 144 — 

Krieger lassen das Haar wachsen und drehen es, wenn es die nötige Länge 
hat, zwischen zwei Fingern, wodurch scheinbar Kügelchen entstehen, die sich 
bei genauerer Betrachtung als ineinander und zu- 
sammengerollte Haarspiralen erweisen. Etwas später 
wird es mit roter Schminke, einem Gemisch von 
animalischem Fett und roter Erde, in Strähne (ol 
babet'obo, el habet) zusammengedreht, welche 
wirr um den Kopf hängen. Weiter verlängert man 
diese durch Eindrehen von Fasern der Rinde des 
Baobab (ol mäsSi^] und eines andern, ol ret^ti 
genannten Baumes, um die den Masaikriegern 
eigentümliche, aber von vielen Nachbarstämmen 
angenommene Zopf-Frisur (Fig. 64, 65, 66 (ol 
daiga, el daigan]] daraus zu bilden. Hierzu scheitelt 
man das Haar quer über dem Kopf von Ohr zu 
Ohr und teilt dann das der vorderen Kopfhälf^e 
in drei Teile, einen über der Stirn, die beiden 
andern an den Schläfen, worauf die Spitzen der 
Strähne zolllang mit Bast umwickelt werden. Das 
bis zu 50 Zentimeter verlängerte hintere Haar 
wird um einen fusslangen Stock gelegt und auf 
diesem mit Bast oder dünn geschabtem Ziegen- 
leder festgewickelt, so dass es einen bis zur Taille Abb. 48. 
reichenden, steifen Zopf (ol daiga) bildet. Nicht 

selten findet man über diesem Zopf noch ein bis drei kleinere. Oft werden 
die Spitzen der Schlafenzöpfchen (S. ol babeda; el babed 1 eA goscho) 
mit der des Stimzöpfchens (ol babeda 1 eh gomum) und jene unter dem 



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— MS — 

Kinn hindurch untereinander mit einem Bindfaden (aus Fasern hergestellt) ver- 
bunden.*) 

Die weisse Gesichtsbemalung der Neubeschnittenen ist schon erwähnt. 
Jüngere Leute, besonders Krieger und junge Mädchen salben bei allen festlichen 
Gel^enhciten den ganzen Körper, soweit er nicht bekleidet ist, mit roter 
Schmiqke. Die Krieger streifen dieselbe dann oft mit einem Finger an den 
Schienbeinen in Schlangenlinien ab (ol kigesata, el kigesät), so dass eine Art 
Zeichnung entsteht. Wer im Krieg einen Feind getötet hat, bemalt seinen 



Abb. 49. HaaitrachtcD angehcDder Krieger. 

Körper bei den nachfolgenden Tanzfesten streifenweise mit weisser und roter Erde 
(Flg. 67, siehe S. 146). Diese Bemalung heisst efi gituAguat. HäuBg sieht man 
bei Festen im Gesicht der Krieger auch ein rotes Dreieck spitz an den Nasen- 



') Dleie Haaitrachl lial den Zweck, den Kopf lor deo ichSdlichen Einflüssen der Soonea- 
■trahlung lu •chfitien. .Mao Hess daiu das Haar luent lang wachaeo und nahm e«. da die langen 
StiJÜme bei jeder Bewegung lästig ins Gesicht fielen, in iZöpCchenc lutaminen. Einfacher halfen 
■icb die Tatoga, indem tie das Vorderfaanpl raiieiten und dem Hinterhaupt den Schuti des dichten 
HaarpoUteis Hessen. 

Merker, Haui. ID 



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flügeln beginnend und bis in die Mitte der , Backen breit auslaufend (Fig. 68, 
siehe S. 147). Die Weiber bemalen das Gesicht auf beiden Seiten mit iwei 



Abb. 5a HBartrachC d«r Krieger. 



konzentrischen Ringen auf den Wangen oder mit zwei bis drei 
Strichen, die vom Mundwinkel senkrecht nach dem Auge 
dieses im Bogen nach aussen herumgehen und sich über 
dem äusseren Augenwinkel senkrecht nach oben wenden 
(Fig. 69a und b, stehe S. 147). Man benutzt dazu den mit 
frischem Blut vermischten Saft der Wurzel der ol gneriandus 
1 en doje - Pflanze (Plumbago ceylonica). Der Saft ist 
so scharf, dass er die Haut verbrennt und diese nach 
zwei Tagen abgezogen werden kann, so dass die Zeichnung 
als weisse Narbe sichtbar bleibt, die aber oft schon nach 
acht bis zehn Tagen sich wieder pigmentiert hat. Täto- 
wierungen als Unterscheidungszeichen gibt es nicht, sie 
dienen vielmehr nur als Verschönerung und bestehen aus 
zu Figuren aneinander gereihten, grösseren oder kleineren 
Schnitten, die mit dem Rasiermesser gemacht werden. 
In den Schnitt wird nichts eingerieben. Die häufigsten 
Ziernarben der Männer befinden sich auf dem Delta- 
Muskel (Fig. 70a, b, c, siehe S. 148) und haben eine huf- 
eisenähnliche Form (e rab, e rabbi] Seltener sieht man 
bei Männern Tätowierungen auf dem Bauch (Fig. 71a bis e, 
siehe S. 147 und 148), was dagegen bei Weibern (Fig. 72a 



parallel laufenden 
laufen, dann um 




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Fig. 72 



Flg. 71 k. 



bis Ic, siehe S. 148 und 149) ziemlich allgemein ist. Am häufigsten ist die Lyraform 
in verschiedenen Variationen. Bauchtätowierung heisst ol kigeroto (el kigerot). 
Die zwei mittelsten unteren Schneidezähne werden bei Knaben und 
Mädchen mit einem Messer durch Wuchten gelockert und dann mit der Hand 
entremt, und zwar sowohl in der Kindheit als auch beim Zahnwechsel. Als Grund 
dafür wurde meistens angegeben, >damjt man beim Milch- und Honigbiertrinken in 
langem Strahl durch die Zahnlücke (em büätä) spucken kann, was zum guten 
Ton gehört«. Natürlich ist dies nicht der wirkhche Grund. Dieser scheint viel- 
mehr der Vergessenheit verfallen zu sein. Fingernägel werden ziemlich lang 
getragen, und wenn zu lang geworden, abgebissen, nicht abgeschnitten. Die 
al^ebissenen Stücke werden weggeworfen. 



Gnindiablm nod die Finc'^rzeichen üniUr. — Reclienläbi^'keit. — Die Finder. — Ürdlnaliahleu. — 

Bmchteilf. — Zahlailverbien. — Taeesieilfn. — Woche, — Muuatilage, — Monat« und J»lirc»ieiteii. 

— liestinimunK der J.ihre. — Mass. 

Das Zahlensystem der Masai hat Ruhepunkte bei 10 und 60, so dass 

letitere Zahl der lOO im Dezimalsystem entspricht. Jenseits 60 zählt man nur 

selten, meist bezeichnet man das darüber hinausgehende als: kumok naIeA mert" 

esiana, d. h. es ist zu viel, als dass man es zusammenzählen könnte. Jedes 

gesprochene Zahlwort wird von einer dasselbe bezeichnenden Geste der rechten 

Hand begleitet, die dazu dem Angesprochenen entgegengestreckt wird. Oft 

macht der Erzählende auch nur das Zeichen mit der Hand ohne das Zahlwort 

auszusprechen, während der Angeredete dies zum Zeichen, dass er verstanden 

hat, tut. 

I = obo masc, nabo fem. Zeigefinger leicht ausgestreckt, Daumen ruht leicht 

auf dem Mittelfinger, der, wie vierter und fünfter 

Finger, gekrUmmt in der Handfläche liegt. 



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2 = är£ oder ari.' 



3 = uuf. 



4 = ongwan oder ungwan. 



5 = imiet.*) 



— 150 - 

Daumen, Zeige- und Mittelßnger gestreckt; die 
andern Finger liegen gekrümmt in der Hand- 
fläche. Zeige- und Mittelfinger (nicht die ganze 
Hand) werden mehrere Male wechselweise hin 
und herbewegt. 

Die Spitze des Daumens liegt auf, die des Mittel- 
fingers unter dem Mittelglied des Zeigefingers. 
Der vierte und fünfte Finger liegen gekrümnit 
in der Handfläche. 

Zeige- und Mittelfinger ausgestreckt, die Spitze 
des letzteren liegt auf dem Nagel des ersteren. 
Daumen, vierter und fünfter Finger liegen leicht 
gekrümmt in der Handfläche. 

In die Faust ist der Daumen zwischen Zeige- und 
Mittelfinger geschoben. 




Fis- 73- 



= illi. Die Spitzen von Daumen und Mittelfinger, oder 

seltener vierter Finger, werden zusammenge- 
bracht, wobei man mit beiden Nägeln knipst. 
Zeigefinger ist leicht ausgestreckt, vierter und 
fünfter Finger sind leicht gekrümmt 

= näblschSna,*^ Die Hand bildet eine lose Faust; die Spitze des 

Zeigefingers reibt leicht an der Unterseite des 
Nagelgliedes des Daumens. 

= isiet. Die geöffnete Hand mit nach oben liegendem 

Daumen wird im Handgelenk mehrere Male auf 
und abgeschüttelt. 

= findöröd *) oder naiido. Nachdem man mit Daumen und Zeigefinger 
einen Ring gebildet und die andern Finger 
leicht ausgestreckt hat, wird mit der ganzen 
Hand gezittert, 
') Veraltetes Wort für zwei = narami. 
*) Ycralteles Won unmbrl ^ fünf. 



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11 = tÖmÄn-Öbi. 

12 = tÖm6n-4r«. 

13 = tömön-ogöni. 

14 = tötn&n-uägwui. 

1 5 = tömön-oimiet. 

16 = tömön-oille. 

17 = tömön-obischana. 

18 = töm&n-oisiet. 

19 = tömftn-endöröd. 
JO = dlgtiäiti. 



- ISI — 

Aus dem Zeichen für neun wird der Zeigefinger 

voi^eschnippt unter gleichzeitigem Vorstossen 
der Hand. 

Zeichen für zehn und darauf Zeichen für eins. 



1 » drei. 

* » vier. 
. fünf. 

* > sechs. 

> > sieben. 

> > acht. 

* > neun. 
Die rechte Hand wird zweimal geöffnet und ge- 
schlossen. 

30 = össÖm. Dasselbe Zeichen wie für eins, nur wird hier mit der 

ganzen Hand gezittert, ähnlich wie beim Drohen. 

40 — ärtäm. Die geöffnete Hand mit nach oben liegendem 

Daumen wird zitternd bewegt. 
50 = ön6m. Aehnlich dem Tür fünf gebräuchlichen Zeichen, 

doch legt man die Finger nicht fest zur Faust 
zusammen, sondern gerade nur soweit zurück, 
dass die Spitze des Daumens zwischen Zeige- 
und Mittelfinger gelegt werden kann und zittert 
dann mit der ganzen Hand. 
60 = ib.') Die rechte Faust wird vorgestossen, wobei die 

Finger gestreckt ausgespreizt werden. 
Ib ist im Zahlensystem der Masai die nächste Einheit nach der 10, 
entsprechend der 100 des Dezimalsystems. Ib ist ferner auch die grösste Ein- 
heit und im täglichen Leben praktisch eigentlich das Ende der Zahlenreihe. 
Ueber 60 hinaus wird das System durch Addition immer bis zum nächsten 
Vielfachen von 60 fortgesetzt. Danach heisst 80 = 60 + 20 = ib digitam und 
150 = 60 X 2 -f- 30 = ib kat ar^ ossom. Ib hat oft auch die Bedeutung einer 
nicht gezählten, grösseren Menge. Je grösser sie erscheint, desto häutiger wird 
das Wort ib mit dem dafür gebräuchlichen Handzeichen wiederholt, meist unter 
Hinzufügung von merta essiana = es ist nicht zu zählen, z. B. ib ib ib m§ria 
essiana. 

Prüfungen im Rechnen ergaben, dass die vorgelegten Gegenstände richtig 
zusammengezählt werden konnten. Subtrahieren gelang nur nach Wegnahme 
der verlangten Anzahl und Neuzählung des Restes. Division und Multiplikation 
waren ganz unbekannt. 



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— 152 — 

Bei der Addition und ebenso, wenn man Kindern das Zählen lehrt, wird 
an den Fingern abgezählt, wobei die Zahlworte laut gesprochen werden. Zum 
Abzählen hält man erst die rechte Hand geöflfnet und mit der Handfläche nach 
oben gekehrt- Dann legt man die Finger der linken Hand unter den Hand- 
rücken der rechten und drückt mit dem freien, linken Daumen die Finger der 
rechten Hand der Reihe nach vom kleinen Finger bis zum Daumen in die 
Handfläche um. Während man dann an den F'ingern der hnken Hand in ana- 
loger Weise weiter zählt, bleiben die der rechten geschlossen und nur ihr 
Daumen wird frei bewegt Nach dem Umlegen des Daumens der linken Hand 
erhebt der zählende beide nun zur Faust geschlossenen Hände und spricht 
tomon (= lO). Beim Weiterzählen beginnt man in derselben Weise von neuem 
und fahrt nicht etwa an den Zehen fort. 

Die Masai zählen weder Menschen noch Vieh. Man glaubt, -wie es auch 
die Israeliten nach i. Chron. 21 taten, dass die gezählten sterben würden. 
Man schätzt daher grössere Mengen lebender Wesen in runden Zahlen und 
kleine mit ziemlich grosser Sicherheit richtig. Nur Tote, z. B, die gefallenen 
Krieger, werden einzeln gezählt. 

Es seien hier die Namen der Finger erwähnt: Daumen = ol moruo kitok, 
d. h. der grosse Alte. Zeigefinger = es sogutihoi oder ol osokutoni, d. h. der 
Zauberer; wenn man jemanden durch Zauberei krank machen will, so streicht 
man die Zaubermedizin unter den Nagel des Zeigefingers und zeigt damit, 
indem man eine Verwünschung murmelt, auf den Betreffenden. Mittelfinger 
= ol geräti, d. i. eigentlich der ringartig am Mittelfinger getragene Fellstreifen, 
Vierter Finger ^= iigoto eh genenja, d. h. Mutter des kleinen Fingers, der en 
genenja oder auch eng ilinda heisst. 

Ordinalia: ol oiturügu ^ der Erste, ol iarä = der Zweite, ol ioguni ^ der 
Dritte; eh aiturÖgu = die Erste, en iar^ = die Zweite, eü euni = die Dritte. 
Der (die) Letzte (allgemein) ol (eii) abaye; der Letzte in der Bedeutung der 
Hinterste heisst ol abaye ta gorom; der am rechten Ende einer Reihe stehende 
(rechts vom Beurteiler) heisst ol abaye t' eA gaina ertatenne (eh gaina = die 
Hand, ertatenne = rechts), der am andern Ende stehende ol abaye t' eA gaina 
ekedienje (ekedienje = links). 

Einmal heisst nabo katä (oder nabo gada), zweimal kat' ar^, dreimal 
kat' uni usw. 

Von Bruchteilen haben die Masai ein eigenes Wort nur für Hälfte: e 
matua, welches gleichzeitig auch halb bedeutet, z. B. e matua en geteii = ein 
halbes Rind. Teile, welche kleiner sind als die Hälfte eines ganzen, bezeichnet 
man mit eh dufioti, was ebenso wie os sadjati etwa bedeutet >ein Stück, ein 
Streifen davon.« Unter diesen Stücken unterscheidet man im Verhältnis zu 
ihrer Grösse: ein grosses Stück = eft duftoti kitok, und ein kleines Stück = eh 
duAoti kete. Man braucht diese Worte wohl nur bei Zerteilung von Schlacht- 
vieh, da ein anderes praktisches Bedürfnis fiir ihren Gebrauch kaum vorliegt. 



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— 153 — 

EA dufioti wird angewendet, wenn das ganze quer, os sadjati, wenn es in der 
Längsrichtung geteilt ist. Mit Hilfe dieser Bezeichnungen und der Zahlworte 
bildet man die Bruchteile in folgender Weise: eA duAoti uni (oder es sadjati 
uni) sagt, dass das ganze in drei Teile geteilt wurde; eh duAoti uni n' aia (zu- 
sammengezogen aus nanu aia] are eti nabo = das ganze ist in drei Teile ge- 
teilt, ist noch weg zwei, es ist noch eins da = */•■ 

Die Tageszeit schätzt man nach dem Stand der Sonne, seltener nach der 
Schatten länge. Man unterscheidet folgende Tageszeiten. 

Morgens vier Uhr: ertön eto eg£njwa =" noch nicht ifruh«. 

Morgens fünf Uhr: egSnjwa = früh. 

Etwas später ist: eA gagenja = die Morgenröte. 

Morgengrauen, etwa 5*/» Uhr; elagua efig olqö = die Sonne ist (noch) weit. 

Sonnenaufgang: etubfiguo eng olon = die Sonne zeigt sich ein. wenig 
oder elebwa etig oIoA = die Sonne kommt herauf. 

Die Zeit von acht bis zehn Uhr vormittags nennt man ertön atad egiSnjwa 
= immer noch früh. 

Um etwa elf Uhr vormittags sagt man: eto nito ebir' eAg oloA ^= noch 
steht die Sonne nicht senkrecht darüber. 

Zwölf Uhr mittags: ebira eAg oloA = die Sonne steht senkrecht darüber. 

Den Nachmittag bezeichnet man im allgemeinen mit etuschugoti oibi, d. h. 
der Schatten ist umgekehrt, oder teiba. Diese Bezeichnung hört man auch oft für 
die Zeit von drei bis fiinfUhr nachmittags. Im besonderen heisst die Zeit von 
zwölf bis zwei: ete gil eAg oloA = die Sonne ist gebrochen, die Zeit von 
zwei bis vier: erta teiba = jetzt Nachmittag, die von vier bis sechs Uhr: 
emutö = abends. Fünf Uhr nachmittags wird mit erta doije eAg oIoA = die 
Sonne geht nieder, bezeichnet. Die Zeit, während welcher das Abendrot noch 
zu sehen ist, nennt man etimirua eranto eng oloA = die Dämmerung folgt 
der Sonne. 

Mit eintretender Dunkelheit beginnt die tdrä und dauert bis gegen acht Uhr, 
wo man gewöhnlich zur Ruhe geht. 

Die Nacht heisst eh gawarie, Mitternacht em bolos en gawarie. 

Heute heisst tdda oder tdta, morgen tabere oder taiseri, gestern ligolfi; 
vorgestern sowohl wie übermorgen heisst eA aioloA. Die weiteren Tage von 
vorgestern in die Vergangenheit und von übermorgen in die Zukunft gerechnet, 
bezeichnet man als eAg aiolon edia matua, eng aioloA e ungwan usw. Letzteres 
ist von heute gerechnet, sowohl in der Zukunft als auch in der Vergangenheit 
der fünfte Tag. Welcher von beiden gemeint ist, lehrt das Tempus des Verbum. 

Mit Hilfe dieser Bezeichnungen werden die Tage der siebentägigen Woche 
(en giruaha oder en giruascha, PI. en giruaschat) benannt. Die Namen sind 
folgende : 

Erster Tag = tdda. 

Zweiter Tag = taisere. 



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- 154 - 

Dritter Tag = eAg aioloil. 

Vierter Tag = efig ailori edia matua (seltener efig atoloii e uni). 

Fünfter Tag = efig ailort e uAgwan. 

Sechster Tag = eiig aiolort e miet. 

Siebenter Tag = guna Ton ile oder essubat 'n olon = der gute Tag. 

Diese Woche hat nach der UeberUeferung der Masai in grauer Vorzeit 
einmal an einem Neumondtag begonnen. Ihre Reibe läuft seitdem ohne 
Rücksicht auf den Mond durch Monate und Jahre fort. 

Die Masai rechnen nach Mondmonaten, die im gewöhnlichen Leben als 
dreissigtägig angenommen werden. Sie unterscheiden sich von der sonst üb- 
lichen Mondmonatsrechnung sehr wesentlich dadurch, dass sie nicht mit dem 
Tage des Neumonds beginnen, sondern dieser Tag im Masai-Monat bereits der 
vierte ist. Die Bezeichnungen der Tage sind folgende: 

1. Tag: ebor ol aba nabo. 

2. Tag: ebor ol aba 'r^. 

3. Tag: ebor ol aba unl. 

4. Tag: ertaduage duo ol aba, der Mond ist zu sehen, seltener auch 
ebor ol aba uAgwan. 

5. Tag: ebor ol aba oimiet. 

6. Tag: ebor ol aba oUe. 

7. Tag: ebor ol aba nabischana. 

8. Tag: ebor ol aba issiet. 

9. Tag: ebor ol aba endorot. 

10. Tag: ebor ol aba tomon negera. 

11. Tag: ebor ol aba tomon-obo. 

12. Tag: ebor ol aba tomon-ar^. 

13. Tag: ebor ol aba tomon-uni (oder tomon-oguni). 

14. Tag: ebor ol aba tomon-uftgwan. 

'S- Tag: ebor ol aba tomon-oimiet oder ol gadet = der Hinübcrbhckende. 
Der aufgehende Mond blickt hinüber nach der noch nicht untergegangenen Sonne. 

16. Tag: (ol aba) tomon oilc oder ol onjori = der Grünliche.') 

17. Tag: (ol aba) tomon-obischana oder ol onjugi = der Rote. 

18. Tag: (ol aba) tomon-oissigt oder es sobia naiturugu. 

19. Tag: (ol aba) tomon-endorot oder es sobia cm bolos. 

20. Tag: (ol aba) digitam negera oder es sobia nabaye oder auch cn 
ekiborön. 

21. Tag: (ol aba) digitam-obo oder e' mge naiturugu. 

22. Tag: (ol aba) digitam-ar^ oder e' mge em bolos. 
23- Tag: (ol aba) digitam-oguni oder e' mge nabaye. 

') Neben diesor ZäUunn läufl iioi'h eine zweite, welche vom 16. an <Iie Tage der Dunkellieit 
en aimen' zählt. Darin ist der 16. Tue- eichoniö nabo en almen, der 17.: eBi'honul 'ri cn ainien 
usw., iliT 30. CM'homiJ tomon-olmiel cn ainieii. 



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24- Tag: (ol aba) digilam uftgwan oder en aimen narok = die schwarze 
Dunkelheit. 

2$. Tag: (ot aba) digitam-oimiet oder en aimen narok. 

26. Tag: (ol aba) digitam-oile oder en aimen narok. 

27. Tag: (ol aba) digitam-obischana oder en aimen narok. 
Femer im 29tägigeii Monat der: 

28. Tag: (ol aba) digitam-oissiet oder eft gartake ol aba oder en aimen 
narok. 

29. Tag: (ol aba) dlgitam-endorot oder ewake ol aba oder endebe en aimen. 
Im 30tägigen Monat der: 

28. Tag: (ol aba) digitam-oissiet oder en aimen narok. 

29. Tag: (ol aba) digitamendorot oder efi gartake ol aba oder en 
aimen narok. 

30. Tag: (ol aba) ossom negera oder ewake ol aba oder end§be en aimen. 
Die Tagesbezeichnung ist nun aber durchaus nicht so populär, dass jeder 

Masai an jedem Tag diesen genau bestimmen könnte. In festerem, täglichen 
Gebrauch sind eigentlich nur folgende Tage bezw. Tagegruppen: 

Der I. Tag als ebor ol aba nabo, als Anfang der Zählung und Anfangs- 
tag der eng ebor ol aba, der Helle des Mondes; man nimmt an diesem Tag 
keine> Beschneidung vor. 

Der 4. Tag als ertaduage duo ol aba, als Neumond. 

Der 10. Tag als tomon negera, als Endtag der 1. Dekade. 

Der 15. Tag als ol gadet und Endtag der eng ebor ol aba. 

Der 16. Tag als ol onjori; er ist Unglückstag für den Krieg und Anfangs- 
tag der en aimen (= die Dunkelheit). 

Der 17. Tag als ol onjugi; er ist der hauptsächlichste Unglückstag im 
täglichen Leben, gilt dagegen im Krieg als Glückstag; man zieht am ol onjugi 
nicht um, rasiert den Kopf nicht und nimmt keine Beschneidung vor. 

Der 18. bis 20. Tag als es sobiai'n. 

Der 20. Tag als en ekiborön, an dem die zum Geschlecht der El kiborön 
gehörigen beschnitten werden, und als Endtag der 2. Dekade. 

Der 21, bis 23. Tag als nigein. 

Der 24. Tag als Anfangstag der en aimen narok; an ihm darf kein Opfer 
dargebracht werden und vielfach auch ebenso wie an den folgenden en aimen 
narok-Tagen keine Beschneidung stattfinden. 

Die folgenden Tage bis zum Ende des Monats als en aimen narok. 

Innerhalb dieser Tage sind wieder besonders geläufig der 4., 10 , 17., 24., I. 

Drei Monate bilden eine Jahreszeit, vier Jahreszeiten das Jahr (ol ari). Die 
Namen der Jahreszeiten sind : 

Ol dumeril, das ist die Zeit der kleinen Regenfälle, welche der grossen 
Regenzeit vorausgeht. Diese fällt in die et gokwa, genannt nach den PIejaden, 
die dann tief am Westhorizont aufgehen. 



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~ 156 - 

Darauf folgt die ol airodjerod, die Jahreszeit der kleineren Nachregen und 
dann die ol am^ij, die Zeit des Hungers, der Dürre, 

Die Monate der ol dumeril sind: i. ol gissan, in welchem die Ziegen und 
Schafe werfen; 2. ol adallo, d. h. die Sonnenhitze; 3. ol golua. 

Die Monate der eA gokwa sind: i. le erat, gebildet von er rata ^ grünes Tal. 
Der bisher spärlich gefallene Regen hat ausgereicht, die Täler und tiefer gelegenen 
Stellen in der sonst noch gelben, trockenen Steppe mit frischem Grün zu be- 
decken. 2. OS somisso, der dunkele, trübe. Der Himmel ist bewölkt, es regnet 
viel, die Tage sind trübe und dunkel. 3. ol Aernerua, gebildet von nerneri ^ fett. 

Die Monate der ol airodjervd sind: l- le logunja airodjerod, auch oteni 
oifiok genannt, d, h. die angebundenen Stiere. Durch das reichliche Futter 
der letzten Monate sind sie wild geworden; auf der Weide würden sie fort- 
während mit einander kämpfen, weshalb man sie absondert. 2. bolos airodjerod 
oder auch, aber seltener, ol dät genannt. 3. kudjorok, d. h. Kälte; kühle 
Witterung zeichnet diesen Monat aus. 

Die ol am^ii beginnt mit dem Monat kibör, d. ,h. Lärm und Zank. Die 
Weide ist magir und infolgedessen geben die Kühe zu wenig Milch, um alle 
Leute zu sättigen. Jeder sucht sich von der Milch fremden Viehs etwas anzu- 
eignen, wodurch Zank und Prügeleien entstehen. Schliesslich reicht die Milch 
nicht mehr zur notdürftigen Sättigung, und die grosse Mehrzahl der Krieger 
zieht mit einigen Rindern in den Wald zum Fleischessen, was meist nicht nur 
den ganzen Monat hindurch dauert, sondern sich auch noch über den nächsten 
Monat ol dongos oder ol doAos oder ol doftgosch erstreckt, weil auch dann 
noch die Milch sehr knapp ist. Der Name scheint von dem Wort eA guschusch 
= Nahrungsmangel gebildet zu sein. Erst mit Beginn des dritten Monats, des 
boschogge, kehren sie in die Kraale zurück. Von den reichlichen Fleischmahl- 
zeiten fühlen sie sich sehr kräftig, und der starke Genuss nervenerregender 
Wurzeln hat ihre Nerven hochgradig alteriert, und fast t^Iich bekommt der 
eine oder andere einen Wutanfall. 

Jahre zählen die Masat nicht. Sie bezeichnen das Jahr vielmehr nach dem 
wichtigsten Ereignis, welches sich während desselben zugetragen hat, 2. B. nach 
einer Viehseuche, einer Dürre, deni Tod des Oberhäuptlings, einem besonders 
beutereichen Kriegszug usw. 

Vom gegenwärtigen Jahr ausgehend, bezeichnet man auch mit Hilfe von 
gestern und morgen usw. die nächsten Jahre In Vergangenheit und Zukunft: 
ol ari le ngolS otolossoje (ol ari = das Jahr, Agole ^ gestern, otolossoje ^ ver- 
flossen), das letzte Jahr; oil ari 1 eAg aiolon otolossoje, das vorletzte Jahr; ol 
ari 1 oguni otolossoje, das drittletzte Jahr. Ferner o! ari taisere olotu (taisere, 
morgen, olotu = zukünftig), das nächste Jahr; ol ari 1 eAg aioloA olotü, das über- 
nächste Jahr; ol ari 1 eAg aioloA edia matua olotu oder kürzer ol ari 1 oguni 
olotu, das dritte kommende Jahr usw. Die über das letzte und nächste Jahr 
hinausgehenden Bezeichnungen hört man sehr selten. 



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— '57 — 

Das einzige dea Masai eigentümliche Mass ist die Handspanne (eü demata), 
gemessen mit ausgespreizten Fingern von der Spitze des Daumens zu der des 
Mittelfingers. Ich sah nur, dass die Leute damit die Länge von Speerblatt, 
Speerschuh und Schwertblatt massen, und hörte, wie sie bei Bestellungen der 
erwähnten Teile dem Schmied die gewünschte Länge mit so und soviel Hand- 
spannen bezeichneten. 



xvin. 

Vieh. — Rinder Pflege. — KaaWition. — EleL — Ziegen. ~ Schafe, — Kamele. — Namen (üt 

KOhe. — Eigentumszeichea, — Brandnarben zur Verschonerunif und von KrankheltabehAndlung her- 
rührend. — Aufbrennen der HomansSlze. - — Geburtshille. — Krankheiten und ibre Behandlung. — 
Kuhglocken. — HQIen des Viehes. — Abzapfen von Blut. — Schlachlen. ~ Zerteilen des Tieres und 
Verteilung des Fleisches. — Nomenklatur des Viehes. ■ — Weide in der Steppe. — Viehzucht durch 
den eoropäiscLen Ansiedlet. — Nützliche uad schüdUche Futterpflanzen. 

Das höchste Glück der Masai ist ein möglichst grosser Viehbesttz, sein 
ganzes Denken und Tun gilt der Erhaltung und Vergrösserung der Herden. 
Die Rinder sind Zebus (Bos indicus), unter denen man eine gedrungene kurz- 
hömige und eine, schlankere tanghörnige Rasse unterscheiden kann. Reine 
Vertreter beider trifft man indes fast nie, vielmehr sind durch Raub und 
Kreuzung alle in Ostafrika vorkömmenden Typen unter ihnen vertreten. Die 
eigentlichen Masairinder (fi gischu el masai] übertreffen an Grosse den Durch- 
schnitt der ostafrikanischen Rinder kaum. Von fremdem d. h. geraubtem, Vieh 
wird besonders geschätzt: wegen seiner bedeutenderen Grösse das Vieh aus 
und um Irangi (fi gischu ol datua), das aus Unyamwesi und Usukuma (A gischu 
ol moibaro) und ferner die grosshörnjgen ii gischu e kiteto, nach der Steppen- 
landschaft Kiteto, westlich der Landschaft Nguru, genannt. Die Euter sind bei 
allen verhältnismässig klein und der Milchertrag ist dementsprechend gering. 
Eine Ausnahme hiervon macht eine niedrige gedrungene Rasse mit kurzen 
Hörnern, welche die doppelte Menge Milch liefert und von welcher die Masai 
behaupten, dass sie ziemlich reine Abkömmlinge der alten Wakuaßrinder (n 
gischu et lumbua) seien. Diese Abkömmlinge nennen die Masai maAgä. Da 
die Kälber von den Kühen nicht dauernd getrennt werden, so suchen die 
Weiber die beim Melken natürliche Unruhe dadurch zu vermeiden, dass sie 
während des Melkens das Kalb in die Nähe der Kuh bringen. Sie stellen sich 
rittlings über dasselbe und halten seinen Kopf mit den Knien fest. Die Kuh 
leckt das Kalb, glaubt dass es sauge und ist ruhig. Stirbt das Kalb, so täuscht 
man der Kuh sein Vorhandensein durch das über einen Stock gehängte, frisch 
getrocknete Fell vor. Die Kühe werden täglich zweimal gemolken, fiüh und 
abends, und geben jedesmal ungefähr eineinhalb Liter Milch. Sie werden nie 
gut ausgemolken, vielmehr lässt man die Kälber hinterher zu ihnen. Bis das 
Kalb zwei Monate alt ist, behält es die Milch von zwei Strichen, während die 
andern beiden Striche gemolken werden. Die Grundsätze der Zucht und Zucht- 



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IS« 



Abb. 5t. MaBUlrlDder. 



C. O. SchiUint> pbot. 
Abb. 52. Masairinder. 



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— 159 — 

wähl im allgemeinen sind den Masai bekannt (Fig. 74). Männliche Kälber, die 
später nicht der Zucht dienen sollen, werden im Alter von 14 Tagen geschnitten 
(a-gel£m). Mit einem geschärften Stück Eisenblech, wie (j^j ' - 
es zum Rasieren dient, wird ein Schnitt in den Hoden- 
sack gemacht, dann wird jeder Testikel mit der Hand 
gefasst und zusammen mit den Samensträngen heraus- 
gerissen. «Damit die Wunde schnell heile*, steckt man 
eine tote Fliege hinein und bindet dem operierten Kalb 
einen der entfernten Testikel um das Unke Vorderbein, 
Bullen, welche sich ungunstig entwickeln und zur Zucht 
ungeeignet erscheinen, werden durch Zerklopfen der 
Samenstränge mit der Keule zwbchen Holz und Sehne 
eines Bogens kastpert (a-iddn). In derselben Weise erfolgt 

die Kastration bei Ziegen, Schafen und Eseln, bei diesen Fig. 74. BockschOrte. 
aber stets erst, wenn sie ausgewachsen sind. Stiere und 
Böcke mit widernatürlichem Geschlechtstrieb werden, sobald man das Laster 



Abb. 53. Maial-Rlnder und -Eael. 

bemerkt, geschlachtet, weil sie als Unglück bringend gelten. Man glaubt, dass 
sie durch ihr Gebahren die Strafe Gottes in Form einer Seuche über die 
Herde bringen. 



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Die Esel sind klein, untersetzt, kräftig und ausdauernd. Mit der gut ge- 
wölbten Kruppe, dem gerundeten Hals, den festen und fleischigen Schenkeln 
ähneln sie in der Form sehr dem Zebra. Ihre Färbung ist ein gleichmässiges 
Hellgrau mit schwarzem Kreuz über Rücken und Schultern. Sie dienen nur 
zum Tragen von Lasten, während Ochsen nur selten verwendet werden. Man 
unterscheidet zwei Rassen, eine niedrigere und gedrungenere, und eine hoch- 
beinigere und schlankere. Letztere findet sich angeblich nur bei den Geschlechtern 
der Efi gidon und El barsegero. 

Bei den Ziegen lässt sich eine kleine und eine grosse Rasse unterscheiden. 



Abb. 54. Maaai-Zicgen und -Schafe. 

Letztere haben die Masai erst durch Raubzüge in Pare, Unyamwesi usw. er- 
halten; die eigentlichen Masaiziegen sind klein. Alle haben mittellangea, glattes 
Haar, eine stark vorgewölbte Stirn und Schlappohren. Die Hörner sind meist 
nur zolUang und haben etwas nach hinten gedrehte Spitzen. Bei Böcken sind 
sie grösser, überschreiten eine Länge von sieben bis acht Zoll aber auch nur 
selten. Die Schafe sind im Verhäknis zu europäischen nur mittelgross. Sie 
haben welliges grobeä Haar. Man unterscheidet drei Rassen, eine gprosse (eA 
ger sabug = grosses Schaf) mit Fettsteiss, eine mittelgrosse (eii ger kätfi = 
kleines Schaf), weiss mit schwarzem Kopf und mittellangem Fettschwanz, und 



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- i6i — 

eine kleine (eft ger kiberoto; kiberoto = erbärmlich, dürftig) Rasse und mit 
langem Fettschwanz. Bei den jungen, weiblichen Tieren der letzten beiden 
Rassen wird der Fettschwanz kupiert, aus Besorgnis, er könnte dem Bock beim 
Sprung hinderlich sein. Gewöhnlich findet man Kreuzungen der drei Rassen. 
Alle haben schlappe Ohren, Ramsna^en, grobes Zottelhaar und sind mit Ausnahme 
der alten Böcke fast ganz hornlos. 

Da, wo Masai Nachbarn von Somalis sind (im britischen Ostafrika), hat 
auch das Kamel als Lasttier bei ihnen Eingang gefunden. Die. Leidenschaft 
ihrer Nachbarn, für deren Gaumen das Fleisch dieser Tiere ein besonderer 
Leckerbissen ist, teilen sie indes nicht allgemein. Hühner, Enten, Tauben usw. 



Abb. 55. Masiii-Zlc|:;i!n tuiit -Schafe. 



halten die Masai nicht. Die Anhänglichkeit der Masai an ihre Rinder, be- 
sonders an die Kühe, lässt sie ihnen als Genossen und Freunde erscheinen. 
So erscheint zumal in Anbetracht des Luxus, den die Leute mit Eigennamen 
treiben, ihre Gewohnheit, die Tiere mit Namen zu nennen, keineswegs wunderbar. 
Der Name Södjaro besagt, dass die Kuh von weither gekommen ist. Rfiraogeno 
ist in der Nähe erbeutet worden. Nondije ist eine als Brautpreis g^ebene 
Kuh. Sfitoa eine solche, die man vom Onkel oder von der Tante als Geschenk 
erhalten hat. Njämu wird eine als Busse bezahlte Kuh genannt. Jede der 
fünf Kühe, welche der Erbeuter des ersten Rindes auf einem Kriegszug als 
Belohnung bekommt, hcisst Aherl. Andere Kuhnamen sind: Narok-gonj^k 
Schwarzauge, En dobiä Braune, Mge Falbe, Erok-logunja Schwarzkopf, Na-njugt 



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Abb. j6. Masaischnfe. 



Abb. 57. Ma«aischnfi>. 



C G. SohilÜD« phoi. 



C. G, SchillifiKi phot. 



»Liooglc 



- ISJ - 

Rote. Ein von der Kuh Sfidjaro geworfenes männliches Kalb heisst Le-SQdjaro, 
während ein weibliches einfach den Namen der Mutter erhält. 

Rinder, Esel und Kleinvieli tragen Eigentumszeichen. Di^se bestehen aus 
Schnitten oder Brandstrichen an einem oder beiden Ohren und aus eingebrannten 
Strichen und Bc^en auf der linken Körperseite. Die Marken ((Tafel 3 und 4] 
ol mebere. el meheren, wenn am Leib, ol bonftto, el bonot, wenn an den 
Obren angebracht) der Rinder und Esel zeigen an, zu welchem Geschlecht 
bezw, Untergeschlecht der Besitzer gehört, die des Kleinviehs wählt der Besitzer 



Abb. 58. SUer mit Sehmuckbrnnd. 



für sich. Wohl jedes Geschlecht hat mehrere bestimmte Zeichen. Ein Blick 
auf die Geschichte erklärt dies. Bei der allmählich sich vollziehenden Ein- 
wandenHtg des Masaivolkes bildete jeder der vielen Trupps zunächst ein ab- 
geschlc^senes Ganze, in dem jedes darin vertretene Geschlecht ein besonderes 
Zeichen annahm, um sein Eigentum .kenntlich zu machen. So war es natürlich, 
dass sich später bei ein und demselben Geschlecht, je nach der Zugehörigkeit 
zu diesem oder jenem Trupp, verschiedene Eigentumszeichen vorfanden. Ausser 
diesen kennt man noch solche, welche nur einzelnen — sehr reichen und weit- 



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— 104 — 

verzweigten — Familien gehören, und die dann an Stelle der andern, nicht 
mit ihnen zusammen, angebracht werden. Die Zeichen der Rinder sind dieselben 
wie die der Esel, doch tragen diese fast ausschliesslich die Ohrzeichen, nur 
sehr selten auch die am Leib. Geht ein Zuchtrind an einen zu einem andern 
Geschlecht gehörigen Besitzer über, so erhält es meist eine neue Marke, und zwar 
diese dann auf die rechte Körperseite. Ausser den Eigentumsmarken haben 
die Rinder oft noch andere Zeichnungen als Schmuck eingebrannt, be- 
sonders Kreise oder schilderhausartige Muster. Einen Kreis um die Schwanz- 
wurzel und zu beiden Seiten davon auf den Hintecschenkeln je einen 
oder zwei konzentrische Ringe findet man besonders häufig bei Stieren. 
Zu diesen Schnitt- und Brandnarben, die also teils Erkennungs-, teils Ver- 
schönerungszwecken dienen sollen, kommt noch eine dritte Art, die von 
Operationen herrührt, welche zur Heilung von Schwellungen an Gelenken 
und Sehnen mit dem glühenden Eisen (Fig. 75) vollzogen werden. Diese 
meist gitterförmigen Striche findet man auch bei Ziegen und Schafen. 
F>e-75- Weiblichen Kälbern werden oft die Hornansätze angebrannt, damit sie 
später nicht stossen können. Diese Operation bewirkt femer, nach Ansicht 
der Masai, eine fiir die Ledergewinnuhg erwünschte Vergrösserung der Wamme. 
Bei Geburten wird manuelle Hilfe geleistet. Sobald sich die Kuh 1^, wird 
sie von einigen Leuten festgehalten; andere fassen die hervortretenden Beine 
des Kalbes und ziehen es heraus. Darauf wird es einige Male gegen den Leib 
der Kuh geschlagen, damit »diese es liebe«, und danach mit der flachen Hand 
auf die Stirn geklopft, damit »es schnell ans Euter gehe und sauge«. 
^ Verletzungen an den Klauen der Rinder und Ziegen werden durch 
gründliches Waschen mit heissem Wasser und nachfolgender Einreibung von 
Rinderurin behandelt, ebenso wie eine Art Klauenfäule (en jalän), welche . 
häufig auftritt, wenn das Vieh längere Zeit hindurch während der Regenzeit in 
Schlamm und Schmutz steht. Krankheiten des Eselhufs sucht man zu 
heilen, indem man den Huf auf einen sehr stark erhitzten Stein stellt und einige 
Augenblicke darauf festhält. 

Bei Schilderung der inneren Viehkrankheiten halte ich mich in der 
Hauptsache an die Angaben der Masai, da ich nur ausnahmsweise Gelegenheit 
hatte, Beobachtungen über Ursache, Verlauf usw. zu machen. 

N Gegen Husten (eög Ärroget) erhalten die Rinder eine dünne Suppe, be- 
stehend aus Milch und gepulverter, verkohlter Rinderhaut. Ol ebitiro-Rinde . 
heilt Durchfall bei Rindern. Eipflössung einer Abkochung von ol ojengalani- ; 
Rinde (Sesbania aegyptica) wirkt bei Rindern fördernd auf die Nachgeburt v 
und heilend auf die Geburtsteile. Bei Augenentzündung spuckt man dem Rind 
Milch ins Auge und verreibt sie darin. 

Eine seuchenartige Krankheit unter jungen Kälbern, welche schnell zum 
Tode fuhren soll, nennen die Masai ol dinana oder ol digina. Als Krank- 
heitsursache fuhren sie das Fressen eines bestimmten Busches en jard (Pennisetum 



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- I65 - 

ciliare) und als Symptom Anschwellen der Lymphdrüsen, die man häufig durch 
Brennen zu heilen versucht, an.*) 

y Eine andere häufige Kälberkrankheit heisst efig amonjani und besteht 
in einem Ausschlag, vorwiegend am Kopf. Die einzelnen Flecke sind grau und 
trocken und haben die Grösse eines Mark- bis eines Talerstückes. Ueber ihre 
Ursache wissen die Masai nichts. Man Hösst dem kranken Tier von Zeit zu 
Zeit frisches Rindsblut ein. Die Krankheit heilt meist innerhalb einiger Monate 
und soll spätestens bald nach der vollständigen Entwöhnung verschwinden. 
Ol ogereger ist eine Rindviehkrankheit, die meist über Nacht zum Tode 
führt und nach Ansicht der Leute durch Staubschlucken in der trockenen 
Jahreszeit entsteht. Man erkennt diese Krankheit daran, dass die Tiere am 



Abb. 59. Kuh, t;(ri;eD LanKeoseuche auf dein Nasenrücken geimpft. 

ganzen Körper zittern. Trinken soll den Tod beschleunigen, wogegen die Ver- 
weigerung des Wassers anzeigt, dass das Tier wieder gesund wird. 

Gegen die Rinderpest kennen sie kein Heilmittel. Tritt die Seuche in 
der Nachbarschaft auf, so fliehen sie möglichst weit, und sobald dann unter 
der eigenen Herde verdächtige Krankheitserscheinungen beobachtet werden, 
geht die wilde Flucht mit den gesunden Tieren von neuem weiter, wobei die 
angesteckten Tiere, welche schnell abfallen, zurückbleiben und am Weg ver- 
enden. Sie nennen die Rinderpest ol odoa*) = die Galle, in deren krankhafter 
Veränderung sie das Hauptsymptom der Krankheit sehen. 

') In allen FIciBcli- und Fcmcilcn der krepierten Tiere sollen sitU starke BlutergüBSe und iii 
den Eingeweiden eine ^'rünlichc, wäggpriRc FlÜSBigVeit finden. 
*) Ausgcsprotlicii 'lodoa oder auch 'lotoa. 



=, Google 



— i66 - 

Dagegen kennen sie eine Schutzimpfung gegen die Lungenseuche (ol 
gibi6'i)*) und haben sie zuerst Ende der achtziger Jahre mit gutem Erfolg in 
grossem Massstab angewendet. Dem zu impfenden Tier werden mit einem 
Messer ein oder mehrere Schnitte in die Unterhaut auf dem Nasenrücken ge- 
macht, so dass reichlich Blut aus der Wunde fliesst. Gleichzeitig wird die 
Brusthöhle eines eben gefallenen Tieres geöffnet und daraus ein faustgrosses 
Stück der dick ai^eschwollenen und mit wässeriger Flüssigkeit gefüllten Lunge ; 
genommen. Mit diesem Stück reibt man die Wunde tüchtig ein, so dass die ' 
Flüssigkeit gut eindringt. Die Nase schwillt bald nach der Operation stark an, 
und aus den Nüstern fliesst reichlich Schleim. Die Krankheit kommt aus der , 
Nase heraus, sagen die Leute. Die Heilung der äitsseren Wunde ist zuweiten 
mit einer erheblichen Gescbwürsbildung verbunden, die nicht so selten zur 
eitrigen Entzündung eines Auges, ja zu dessen völligem Verlust fiihrt. Das 
Geschwür heilt unter Bildung einer dicken, oft fünf Zentimeter hohen hornigen 
Narbe, wodurch die geimpften Tiere dauernd gezeichnet sind, die nun gegen > 
Erkrankung an Lungenseuche geschützt sein sollen. Zahlreiche Beobachtungen l 

in diesem Sinn zeigten mir die Berechtigung dieser Ansicht. 
+ Als Erfinder der Impfmethode gilt der ol oiboni Mbatyan. 

X In manchen Jahren, und zwar in der Regenzeit, finden sich 
auf den Gräsern der Steppe grosse Mengen einer l bis i',» Zoll 
langen schwarz-grünen Raupe. Rinder, welche die Raupen mit- ' - 
fressen, erkranken an der eAg ga el gurt (ol gurto = die 
Raupe). Als Krankheitssymptom beobachtete ich: erst einige 
"rauhe Hustentöne, danach Benommenheit, die sich schnell steigert 
und das Tier wie vor Trunkenheit turkein lässt; bald legt 
» es sich und ist nur mit Mühe zum Aufstehen zu bringen, 

7 um sich nach wenigen Minuten wieder zu l^en, worauf oft 

schon nach einer halben Stunde der Tod eintritt. Die Be- 
handlung besteht in Aderlass durch Pfeüschuss (Fig. 76} in die 
Halsvene, wobei i bis i'/i Liter Blut entleert wird. Heilung 
wird dadurch schon nach wenigen Stunden erreicht, wie ich an 
über 100 Fällen beobachtete.*) 

Darmverschlingung (e manjtt) wird durch starkes Ein- 
blasen von Luft in den After behandelt. , Man setzt dazu ein 
Holzrohr (ol gidofi) an, das sonst zur Aufbewahrung der 
Straussenfedern des Kopfschmuckes der Krieger dient Als 
Symptom einer Darmverschlii^pang gilt es, wenn sich das 
kranke Tier, ohne Fresslust zu zeigen, oft legt und wälzt. 



') Auch Ol kibiei. 

') Die mikroskoiiiBche Untcrauchuiig von Blutpräpa raten (Obr, Hen, MUi) von krankeD 01 
ijefallenea Tieren ergab einen negativen Befund (Oberarit Dr. Grothuaen). 



=, Google 



- 16; - 

Bei der en d^ra-Krankheit der Rinder soll das kranke Tier oft einen 
starken Aasgeruch ausströmen; die Lymphdrüsen sind geschwollen, der Leib 
ist aurgetrieben. Als Krankheitsursache nennt der Volksglaube eine grosse 
Schlange, welche das Weidegras verunreinigt habe. Ein Heilmittel kennt man 
nicht; indes haben Versuche uns gezeigt, dass in den ersten Stadien der 
Krankheit ein Abfuhrmittel (eine Flasche Salatöl oder sauces Eingeborenen-Bier 
wurde als solches gegeben) schnelle Heilung bringt. 

Die en engattn-Krankheit, auch eA gutuke on janlt genannt, erkennt 
man daran, dass sich im Magen der gefallenen Kinder Knäule von Gnuhaaren 
befinden. Das einzige Symptom der Krankheit, das sie aber mit vielen 
andern gemeinsam hat, ist die Verweigerung von Futter. Ueber die Ursache 
der Krankheit glauben die Leute, dass das Rind das mit Uterinblut und 
Haaren verunreinigte Gras von einer Stelle, wo ein Gnu geworfen hat, ge- 
fressen habe. 

Bei der Maul- und Klauenseuche der Rinder (ol gäluk), welche man 
an Geschwüren an Klauen, im Maul und an der Zunge erkennt, beschränkt man 
sich auf Behandlung der Klauengeschwüre in der oben erwähnten Weise. 

Eine krankhafte Verlängerung der Klauen — ol airascharasch-Krank- 
heit — fuhren die Masai darauf zurück, dass die kranken Tiere den Strauch ^' -> 
ol airascharasch (Crotalaria labumifolia) gefressen haben. In der heissen Zeit 
vertrocknet dieser Strauch, und die Rinder fressen ihn nicht mehr, worauf dann 
bald von selbst die Spitzen der Klauen abfallen sollen. 

Ziegen und Schafen gibt man gegen Husten (eftg erreget) eine Ab- 
kochung von OS sogonoi-Rinde zu trinken. 

Die eAg ea nairogua (eAg ca = Krankheit; irogua, nair<^ua = heiss) der 
Ziegen und Schafe tat eine schnell zum Tode fuhrende Krankheit, deren Symp- 
tome Fieber, schwache Atmung und aufgetriebener Leib sind. Ein Heilmittel 
kennt man nicht. Die mikroskopische Untersuchung') von Blutpräparaten hat 
ergeben, dass es sich um Lungenmilzbrand, hervorgerufen durch Einatmen von 
milzbrandsporenhaltigem Staub, handelt 

Einen pockenartigen Ausschlag der Ziegen und Schafe (eAg €a narre) 
sucht man — meist vergeblich — durch zwei Brennstriche, die von der Nase 
an den beiden Körperseiten entlang bis zum After gehen, zu heilen. Bei der 
Sektion finden sich Pustelgeschwiire im Magen. 

Bei der eög §a eh goHn (en golln ist jede mittelgrosse Antilope), 
welche nur Ziegen befallt, treten die Augen starlo hervor. Zur Heilung macht 
man Einschnitte in die Schläfen und träufelt heisses Fett in die Augen. 
Ueber die Ursache meint der Volksglaube, dass die Tiere beim schnüffelnden 
Suchen nach Futterkräutem die getrockneten Exkremente jener Antilope 
eingeatmet hätten. 

') Von GouTerDemeDtMierartl Braaer ausiiefUbrl. 



=, Google 



— i68 — 

Bei starken Blähungen, an denen Ziegen und Schafe nach übermässigen) 
Fressen Trischen Grases oft leiden, sticht man den Wanst zum Ablassen der 
Luft mit einer Nähale an. 

Als Gift für Esel gilt das Laub eines Baumes ol jani 1 el sirgon (Cadaba 
farinosa), d. h. Baum der Esel. Ausser einer Bremse, ol gimbai 1 ol sirgon, 
von deren Stich die Esel (sticht in Penis) unrettbar fallen, fürchten die Masai 
für Esel und Rinder noch die Tsetse (Glossina morsitans), welche sie en dorobbo 
nennen. Diese wird dem Rind angeblich nur gerährlich, wenn sie es in die 
Zungenspitze sticht. Man versucht Heilung durch Ausbrennen der gestochenen 
Stelle, doch ist der Erfolg sehr fraglich. 

Kuhglocken (Fig. 77) in der in Europa üblichen Form findet man allgemein, 
doch werden sie hier besonders an Ochsen gehängt und nur an solche Kühe, 
welche das Kalb nicht dulden wollen. Kleinere Glocken, oft von Holz oder 
Schaf hörn mit hölzernen Klöppeln, werden von geschnittenen Ziegen und 
Schafen getragen. Als Schmuck hängt man geschnittenen Kalbern klöppel- 



Vv*^ 



ris-77- (',») 




Fig. 78. ( 



förmige Elfenbeinstückchen (Fig. 78) oder besonders schönen ausgewachsenen 
Rindern ein Lederband oder einen Strick, mit Kauri-Muscheln benäht, um den Hals. 

Kleinvieh und Esel werden von kleinen, Rinder von älteren Knaben unter 
Aufsicht einiger alter Männer gehütet. Hunde werden jetzt nicht mehr dazu 
verwendet, vielmehr gehorcht das Vieh dem Pfiff oder Rufen des Hirten. In 
wie hohem Masse dies der Fall ist, zeigt sich am besten, wenn Masai mit Vieh- 
herden fliehen. Eine Anzahl Männer läuft schreiend und pfeifend vor und hinter 
der Herde, die in wilder Jagd durch die Steppe rast. Früher benutzten die 
Hirten ziemlich allgemein Hunde. Ihre Dressur lag in den Händen alter Männer, 
die sie als Geschäft betrieben. Die Hunde dienten weniger dazu die Herde zu- 
sammenzuhalten, als vielmehr zur Bewachung. Das Herannahen von Raubtieren 
melden sie durch Bellen, oder indem sie zum Hirten eilen. 

Wie schon oben erwähnt, bildet frisches Viehblut allein oder mit Milch ver- 
mischt eine als ganz besonders nahrhaft geschätzte Kost. Das Blut wird hierzu 
den lebenden Rindern und Ziegen in folgender Art entzogen: Man bindet dem 



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— , i69 — 

Tier in der Weise einen Riemen um den Hals, dass »ch vor ihm das zum Herzen 
zurückkommende Blut in der grossen Blutader staut und die Atmung nicht 
beeinträchtigt wird. Dann schiesst ein Mann einen Pfeil (Fig, 76) mit kolben- 
förmig dicker Spitze (ol iioret), aus der ein schuppenförmiges, sechs bis acht 
Millimeter langes und ebenso breites schatfes Stück Eisenblech ragt, in die 
geschwollene Vene, worauf das Blut im Strahl ausspritzt und in einer Kürbis- 
flasche (ol buguri) aufgefangen wird. Durch einfaches Lösen des Riemens nach 
beendeter Operation steht die Blutung. Einem starken Stier oder Ochsep ent- 
zieht man auf einmal ungefähr vier bis fünf Liter Blut, einer Kuh nur die Hälfte 
davon und wiederholt dies alle Monate. Guten Milchkühen und Kühen mtt 
jungen Kälbern wird kein Blut abgezapft. Schafen entzieht man Blut durch 
einen Schnitt in die Gruben über den Augen oder zwischen Auge und Stirn- 
mitte. Das Schlachten der Rinder geschieht durch einen Stich ins Genick, nach- 
dem ihm Vorder- und Hinterbeine gefesselt sind; Ziegen und Schafe werden 
erstickt, indem man ihnen Maul und Nase zuhält. Kühe werden nie geschlachtet, 
auch dann nicht, wenn sie schon zu alt sind, um noch zur Zucht verwendet 
werden zu können. Verendetes Vieh wird gegessen. Sobald das Tier tot ist, 
löst man das Feit um den Hals ab, durchschneidet die Halsadern und fängt das 
hervorströmende Blut im Fell auf Das Zerteilen eines Rindes geschiebt mit 
grösster Sorgfalt; fast jeder einzelne Muskel wird herausgeschält, da besondere 
Speisegesetze bestimmen, welcher Menschenklasse dies oder jenes Stück zufallt. 
Von einem beim Fleischessen im Busch geschlachteten Rind schickt der Krieger 
seinem Vater ein Schulterblatt (ol ftärebuscha) und für die Weiber seines Vaters 
den Kopf {ol ogunja), Pansen (eft gonjÖri), die Därme (menSr), Füsse (el bilelek), 
sowie die Keule ohne hintere Hälfte (efi gubfis) und den Mädchen das Seiten- 
bauchstück (e murtÄ). Alles übrige Fleisch essen die Krieger. Erhalten sie 
von andern Kriegern Besuch, so steht diesen der lange, gerade Bauchmuskel 
(eft gelemiän) und die hinteren Hessen {el oreschiSta) zu. Wird dagegen ein 
Rind von einem verheirateten Mann beim Kraal geschlachtet, so erhalten die 
Krieger nichts davon. Von dem zerlegten Tier wird zunächst für die andern 
verheirateten Männer bei Seite gelegt: die Zunge (ol najSb), ein Schulterblatt 
{ol ftärebuscha), eine hintere Hesse, der hintere Teil der Keule (ol möuo), der 
lange Bauchmuskel; für die unbeschnittenen Knaben: die Rippen (el erfis), eine 
hintere Hesse, das Filet (os sondä), das »flache Roastbeef' — wie es mein 
Kochbuch nennt — (ol orö), das Herz (ol da'u). Das übrige Fleisch erhalten die 
Weiber, die davon den Mädchen das Seitenbauchstück und den Hals {e murt) 
abgeben. Die Hauptfrau dessen, dem das geschlachtete Stück gehört, erhält das 
Schwanzstück. 

Schlachtet der Krieger eine Ziege, so erhalten davon die verheirateten 
Männer eine halbe Leber (e mftnjua), die Weiber den Pansen und Kopf die 
Mädchen den Rücken (en gi>rioA) und die Füsse. Schlachtet ein verheirateter 
Mann eine Ziege, so gibt er den Weibern den Pansen, Labmagen, Milz, Därme 



SyClÜOglC 



— 170 — 

und Kopf, den Mädchen Rücken und Füsse, den Knaben eine Seite Rippen, 
Brust (ol oigol6), Lunge (el kibiuk), Herz und ein Hinterbein (eh gedju murfi), 
während er selbst den Rest behält. 

Vom Schaf eines Kriegers bekommt der Vater den Hals, die Frauen des 
Vaters: Pansen, Labmagen, Därme und Leber; die Schwestern Füsse und Rücken. 
Wenn ein verheirateter Mann ein Schaf schlachtet, so ist die Verteilung an 
Frauen und Mädchen die gleiche, und die Knaben erhalten dieselben Stücke 
wie von einer Ziege des Vaters. Von den einzelnen Fleischstücken werden 
gekocht: die Knochen zur Suppe, ferner die Filets, das herau^rescbalte Kotelett- 
fleisch, das dunkle Fleisch am Hinterschenkel und das Herz. Alles andere wird 
am offenen Feuer gebrateA. Gehirn und Rückenmark wird nicht gegessen, 
sondern fortgeworfen. 

Da die Masai kein Witdfleisch essen und infolgedessen dem Wild in keiner 
Weise nachstellen, ist dieses in der Nähe der Kraale meist sehr zahm und weidet 
oft mit den Rindern zusammen. Ein unvergesslich schönes Bild sah der Ver- 
fasser Mitte 1897 im Talkessel von Ngorongoro, wo grosse Herden von Gnus 
und Zebras, sowie Grant- und Thomson-Gazellen neben und zwischen den 
Rinderherden der Masai ruhig und ohne jede Spur von Scheu ästen. 

Von der umfangreichen Nomenklatur des Viehes seien hier nur die wichtigsten 
Worte gegeben: 

A gischu Rindvieh im allgemeinen; 

ol oiAoni (el oinok) Stier; 

ol geteit (el moni) Ochse; 

eA getcft (A gischu) Kuh; 

eA geteA naigauo nabo Kuh, die einmal gekalbt hat; 

eA geteA natoisch are Kuh, die zweimal gekalbt hat; 

eA geteA 'lebon Kuh, die mehrfach gekalbt hat; 

en geteA olob( unfruchtbare Kuh; 

ol gedari (el gedari) kleines Kalb im allgemeinen, das nahe beim Kraal bleibt; 

ol medimf (el medlmi) älteres Kalb, das weiter weg geweidet wird; 

ol aram (el arami) älteres Kalb, das in der Nähe des Grossviehs weidet; 

ol bonai (el boAaikog) männliches Kalb; 

ol asche oder ol ahe (el aschc, el abe) männliches Kalb; 

en dauo (en dauno) weibliches Kalb; 

eAg asche (Ag asche) weibliches Kalb; 

08 sigiria (es sirgon) Esel im allgemeinen; 

ol amu^ (el amu^schj) Eselhengst; 

OS sigiria oidon (es sirgon oidoAo) Eselwallach; 

es sigiria (es sirgon) Eselstute; 

es sigiria naigauo nabo Eselstute, die einmal gefohlt hat; 

es sigiria eleboA Eselstute, die mehrfach gefohlt hat; 

ol guraru (el guraruani) männliches Eselfohlen; 



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— i;i -_ 

eA gurarü (A gUraniani) weibliches Eselfohlen; 

OS sitimä (es sitimän) männliches ausgewachsenes Kleinvieh; 

es sub£n (es subeni] weibliches au^ewachsenes Kleinvieh; 

ol balSlo (el balel6n) männliches junges Kleinvieh; 

em balSlo (m balelön) weibliches junges Kleinvieh; 

ol elSrue (el eleni) nur einige Tage altes Kleinvieh; 

ol öro (el oroi) Ziegenbock; 

ol glne (el gfnedji) geschnittener Ziegenbock; 

eh giae (eh ginedji) Ziege; 

eA gine eleboA Ziege, die mehrfach geworfen hat; 

es suben eA gine Ziege, die noch nicht geworfen hat; 

ol balelo 1 en gine männliches Zicklein; 

em balel' eA gine weibliches Zicklein; 

ol meregi^sch (el meregeschi) Schafbock; 

ol gSr (el gerS) geschnittener Schafbock; 

eA ger (A gera) Schaf; 

eA ger eieboA Schaf, das mehrfach geworfen hat; 

es suben eA ger Schaf, das noch nicht geworfen hat; 

ol balelo 1 eA ger männliches Lamm; 

em balel' eA ger weibliches Lamm. 

Der weitaus grösste Teil der Steppen bietet eine vorzügliche Viehweide; 
nur einzelne kleinere oder grössere Strecken sind dazu ganz ungeeignet. Diese 
kennen die Masai genau und vermeiden sie peinlich. Was sie unbrauchbar 
macht, ist zunächst das Vorkommen von Gräsern, die Verdauungsstörungen 
hervorrufen, und das Fehlen von Satz in genügender Menge, wodurch eine 
ähnliche Wirkung hervot^erufen wird. Auf guten Weideplätzen findet man 
immer Salzlecken. In einer Bodenvertiefung hat das stehende Regenwasser 
den stark salzhaltigen Boden ausgelaugt und nach Verdunstung eine mehr oder 
minder starke, graue Salzkruste zurückgelassen. Dass man solche Orte meidet, 
von denen das Vorkommen der oben erwähnten schädlichen Insekten bekannt 
ist, erscheint selbstverständlich. Auffallend ist es aber, dass Zecken gar nicht 
gefürchtet werden. 

Ist die Weide um den Kraal herum abgegrast, so beschliesst man einen 
Umzog, der von statten geht, sobald durch einige ausgesandte Leute ein neuer 
Weidegrund gefunden ist. Schon lange vor Tagesanbruch wird es dann im 
Kraal lebendig. Nachdem die Kühe gemolken sind, ziehen als erster Trupp 
die Rinder ab. Dann folgt die Herde der Ziegen und Schafe, und nach diesen 
die Kälber. Junge Tiere, welche nur schlecht vorwärts kommen, werden auf 
den Armen getragen. Das Viehtreiben besorgen Knaben unter Aufsicht von 
verheirateten Männern. Bei jedem Trupp findet sich eine stärkere Krieger- 
wache. Indessen sind die Weiber noch mit der Bepackung der Esel beschäftigt, 
auf die der gesamte Hausrat geladen wird. Seltener müssen auch einige Ochsen 



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- 172 ~ 

oder Kühe mithelfen. Ist diese Arbeit beendet, so folgt die Eselherde den 
Spuren des Viehs. Hinter ihr ziehen die Weiber, Mädchen und Kinder; fast 
jede von ihnen schleppt noch irgend einen Haushaltung^;egenstand oder wenigstens 
eine Rinder- oder Kleinviehhaut. Merkwürdigerweise findet sich bei diesem 
Trupp nicht wie bei allen vorigen eine aus Kriegern bestehende Wache, sondern 
höchstens ein paar alte Männer mit Speeren oder Bogen und Pfeil bewaffnet 
Meistens wird das Ziel noch am selben Tag erreicht. Ist dies aber nicht der 
Fall, so lagert man während der Nacht innerhalb eines schnell hergestellten 
Verhaues aus Dornenästen. Am nächsten Morgen geht dann schon vor Tages- 
anbruch der Marsch weiter. Nach Ankunft auf dem neuen Platz beginnen die 
Weiber sofort mit der Anlage des Kraals. Zuerst wird der Domenverhau an- 
gelegt und in den nächsten Tagen werden die Hütten gebaut. Die Einrichtung 
des Kraats geht sehr schnell vor sich; in der Regel ist er nach spätestens einer 
Woche fertig. Der alte Kraal wurde beim Verlassen nicht zerstört. Man lässt 
ihn stehen und bezieht ihn später, nachdem die Weide sich erholt hat, wieder. 
Inzwischen ist allerdings viel verfallen, so dass die Arbeit zur Herstellung fast 
der einer Neuanlage gleich kommt. Nachdem in den letzten Jahren der Sand- 
floh {Pulex penetrans) in Ostafrika zur Plage geworden ist, kommt das Wieder- 
beziehen alter Kraale indes immer mehr in Abnahme. Um das Ungeziefer, 
welches sie bevölkert, zu vernichten, werden sie beim Verlassen verbrannt. 

Es liegt auf der Hand, dass der Europäer, welcher hier Viehzucht treiben 
will, mit seiner Herde nicht in ähnlicher Weise wie die Masai herumziehen 
kann. Auch eine Teilung der Herde derart, dass für deren einzelne Teile im 
Bereich der Kraale das ganze Jahr hindurch genügend Gras vorhanden ist, er- 
scheint untunlich, und zwar besonders wegen der Schwierigkeit der persönlichen 
Beaufsichtigung und Beobachtung der entstehenden Krankheiten, sowie des Ab- 
sch Hessens im Falle einer Seuche. Eine Verbesserung der Weide durch 
Zwischensäen bewährter europäischer Futterkräuter wird ziemlich überall in der 
Steppe wegen des Mangels genügender und regelmässiger Niederschläge aus- 
geschlossen sein. Nun wird aber der viehzüchtende Ansiedler diesen Erwerbs- 
zweig wohl nie allein ergreifen, sondern — und wenn nur für den eigenen 
Bedarf und den seiner Arbeiter — auch Ackerbau treiben. Dazu muss er an 
den Rändern der Steppe — da in ihr eine Ackerwirtschaft ziemlich ausge- 
schlossen ist — in einer fruchtbareren und genügend bewässerten Landschaft 
die Farm anlegen. Hier ist auch der Platz zur Anlage eines Feldes mit Futter- 
kräutern, von denen Luzerne das geeignetste zu sein scheint, da mehrfache 
Versuche damit die vorzüglichsten Resultate ergaben. 

Ist dann während der trockenen Zeit, besonders in den Monaten Dezember 
bis März, da'i Gras um den Vichkraal abgeweidet, so treibt man die Herde zur 
Luzerne-Fütterung nach der Farm, wohin auch das ganze Jahr hindurch vor- 
übergehend einzelne Rinder, die krank oder in schlechtem Futterzustand sind, 
zu bringen wären. Da das Masairind für europäische Begriffe doch noch klein 



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— 173 — 

und leicht ist, so ist eine Kreuzung mit guten Rassen nötig. Vorläufig, wo 
das Fehlen einer Bahn aber noch keinen Absatz von Mitch, Butter usw. er- 
möglicht, wird es sich bei Züchtung lediglich um Erzielung guten Schlachtviehs 
handeln, welches dann truppweise zur geeigneten Jahreszeit an die Küstenplätze 
zum Verkauf getrieben wird. Zur Verbesserung des Fleisches ist die Kreuzung 
mit europäischem Vieh, Angler, Simmentaler, Shorthoms, erwünscht. Das 
Fleisch der ostafrikanischen Buckelrinder ist für unsern Geschmack zu trocken 
zu fettarm, da die Tiere kein genügendes Unterhautfettpolster haben. Alles 
Fett ist vielmehr im Buckel konzentriert, der bei magerer Weide schlaff wird 
und bei guter schwillt. 

Geschätzte Futterpflanzen sind: 

Aneilema sinicum {eil gaitetojai), fiir Ziegen und Schafe. 

Andropogon ischaemum var. laevifolium (ol beressinjugi). Es gilt fast als 
Vorbeugemittel' gegen Erkrankung des Viehs. 

Cbloris myriostachys (ol beressiwas), für Rinder. 

Commelina Merken K. Seh. (eA gaitetojai), für Ziegen und Schafe. 

Cynochon dactylon (o' rikaru), für Rinder. 

Kyllingia alba (ol Aonomi 1 el sii^on), für Esel. 

Maerua Johannis Volk, et Gilg (o) ameloki), nur für Esel. 

Panicum albovellereum K. Seh. (e 'rubc), fiir Rinder. 

> laetum Kth. (em balagai), für Rinder. 

> maximum Jacq. (c' rube), für Rinder. 
Pennisetum ciliare (os saügasch), für Rinder. 

> spec (en jarä), für Rinder. 

> spec. (oi ogor '1 oiAok = das Fest der Stiere), für Rinder. 
Sporobolus festivus (ol araba), für Kleinvieh. 

> Indiens (ol obi kidonoi), für Rinder. 
Tricholaena rosea (ol oiborkeba), für Rinder. 

Wedelia ([mossambicensis Oliv. ?] ol ojabassej), für Rinder. 

Dagegen sind gefürchtet: 

Andropogon contortus (em baa ol godjinne = Hyänenpfeil), wegen seiner 
scharfen Grannen für die Augen des Viehs. 

Andropogon schoenanthus (ol godjct onjugi) verursacht bei Kälbern sehr 
schweren Durchfall. 

Cadaba farinosa (ol jani I el sirgon), verursacht Verstopfung bei Eseln und 
Rindern. 

Maerua Johannis Volk, et Gilg (ol ameloki), nur für Rinder schädlich. 

Pütdiea dioscoridis (ol dessegoA), gefürchtet wegen ihrer scharfen Grannen. 

Schmidtia quinqueseia (ol ambalagai), verursacht Kolik und Haarausfall 
bei Kälbern. 



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XIX. 

Innere Kianlihciten. Inlektionskrankticiten : Dyienterie, Malaria. Windpocken, Pocken. ElephsnUasis. 
paraaltfircr HautauiBctÜBfr. — Krankheiten Her Atmungsoricane: Schnupfen, Bronchial katatrh. — Krank- 
heiten der Verdauun^orgniie : Uebclkeit, Durchfall, VentopfunK. Tonicum robonuis, Leberschmert, 
Milischmeri, Leber- und Milzabiceii, Gullcnäeber, Eüii^weidewUnner. — Geschiccbtikrankbellen: 
Laei, Gonorrhoe. Blasciikatarrh, Aphrodiaiacum, — Nervenkrankheiten: Koplschmeri. Ohrenschmerz. 
Zahnichineri. rheumatische Muskeltchmcrien, nerven erregende Mittel, die em boichona-KrankhelL 
— Aea*»ere Krankheiten : Wundärzte, Ziihnoperatlonen, Aderlau und Schräpfen, Antchwellungen. 
Abiccue. Die Zle(>enfi:FichwUrkrHnklieti. Die Drüsenkrankheit. SchlaiigenbiM und Skorpionatich. 
Conjunciivitis. Verrenkungen. Knocheubrücbc. Entfernung von Fremdkörpern aus Wunden. Ver- 
iTundancen am Unterleib. Amputation. — Geburtshilfe und Frauenkrankheiten: Hebammen. Steigemni; 
iler WchenCätiKkclt. Bei'konon(;r. Stellung der Gebärenden. Nachi^buit. Abnabelung'. Behandlung 
des Neugeborenen und der Wöi'hiieriii. ÜmälirunB, PHeßi:. WarlUDK. Entwöhnung des Säuglintrs. — 
UtctuBschmenen. — Abortus. — Fruchtbarkeit. — Kindersterblichkeit. 

Innere Krankheiten. 
Die Entstehung von inneren Krankheiten führen die Masai, im Gegensatz 
zu den Negervölkem, nie auf das Tun böser Geister und nur selten auf einen 
gegen den Erkrankten von einem seiner persönlichen Feinde bereiteten Zauber 
zurück. In den meisten Fällen sehen sie die Krankheitsursachen in äusseren 
oder inneren, dem Organismus schädlichen Einflüssen. Die Kenntnis der Be- 
handlung innerer Krankheiten ist Gemeingut aller Leute: die Mutter behandelt 
ihre kleinen Kinder, ältere Kinder oder Erwachsene Behandeln sich selbst nach 
der von ihnen beobachteten oder ihneu erzählten, althergebrachten Methode. 

Infektionskrankheiten. 

Bei Dysenterie (efig ga en gohöge os sai^e) bekommt der Kranke viel 
ausgelassenes Schaffett oder flüssige Butter zu trinken. 

Malaria (ei^g odjorigÄDl). Bei Beginn des Schüttelfrostes erhält der Patient 
ein Brechmittel, z. B. eine kalte, starke Auslaugung von der Rinde von ol 
mokotan (Albizzia anthelmintica). Noch vor Ausbruch des, Fiebers wird Aus- 
kochung von OS sogonoi-Rinde gereicht, wodurch in vielen Fällen der Ausbruch 
des Fiebers verhindert oder abgeschwächt werden soll- Interessant ist, dass 
die Masai — wie sie angeben — schon von jeher als Vorbedingung (lir eine 
Erkrankung an Malaria den Stich des Moskito ansehen. Sie sagen, dass dieser < 
beim Stich dem Menschen ein Gif^ einimpfe, welches die Malaria erzeuge. . 
Aus diesem Grund legen sie ihre Kraale nie in der Nahe eines Sumpfes oder 
eines andern stehenden Gewässers an und vermeiden auch solche Plätze, in 
deren Umgebung während der Regenzeit sich länger stehenbleibende Lachen 
bilden. Um die Moskitos zu vertreiben, verbrennen sie (im Lager oder in der 
Hütte) das pfetferminzartig riechende ol enoroA (Plectranthus Merkeri, Gurke). 
Wird ein Kraal stark von Moskitos heimgesucht, so verlassen ihn seine Be- 
wohner sofort aus Furcht vor Fieber.') 

'} So erzühllen lie mir schon im Jahre 1895. Ais Anfang 1896 Zcndeo mit einer Amahl 
seiner Leute nach Moschl knm. erhielt ich auf meine Frage, ob sie viel unter Heber in leiden 
hätten, die Antwort: snein, bei unicrn Kraulen Bind keine Moskitos.« 



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— '75 — 

Gegen Windpocken (e riri oder en diaboboA) kennt man keine Medizin. 
Der Kranke bleibt in der Hütte, erhält als Getränk ein wenig Milch mit 
frischem Blut vermischt und Schafschwanzfett, zwei Dinge, die als kräftigend 
gelten; femer als Speise ein Stück am otfenen Feuer im Fell gebratenes 
SchafHeisch. 

Zum Schutz gegen Pocken (ol maschflgu oder ol minjaloi) impft man 
Pockeneiter (en gtmSk) von einem Kranken in zwei Einschnitte auf die Stirn 
Gesunder. Pockenkranke erhalten eine Abkochung von den Wurzeln von en 
dulele (Solanum campylacanthum) mit Rindsblut vermengt als schwcisstreibendes 
und zugleich nährendes Mittel. Zur Erhöhung der Schweissabsonderung legt 
man den Kranken an das Herdfeuer. Diät: kein Getränk ausser der genannten 
Medizin; als Speise der im Fell gebratene Kopf oder ein anderes, ebenso zu- 
bereitetes Stück Fleisch vom Schaf. 

Elephantiasis scroti (en dorenge) gilt als Strafe Gottes für begangene 
Blutschande. Eine Behandlung zur Heilung ist unbekannt. Andere Formen 
von Elephantiasis sollen bei den Masai nicht vorkommen, die genannte scheint 
verschwindend selten zu sein. 

Zur Heilung des von den Küstenleuten upele genannten parasitären 
Hautausschlags') (el bebedo) reibt man den Körper mit dem aus dem ol 
dimuai-Baum gewonnenen Oel ein, worauf Heilung in zwei bis drei Tagen — 
wie ich mich einige Male überzeugen konnte — erfolgt. 

Die am Kilimandscharo sehr häufige framboesieartige Schiwaki- 
Krankheit*) habe ich bei den Masai nie beobachtet. Auf eine entsprechende 
Frage erhielt ich immer die Antwort, dass diese sehr ansteckende Krankheit 
ihnen unbekannt sei. ' 

Krankheiten der Atmungsorgane. 

Gegen Schnupfen (ol oirobi 1 oA gumeschi = Erkältung der Nasen- 
löcher) schnupft man Tabak, vermischt mit gepulverter Rinde vom en doro- 
niki-Baum. 

Bronchialkatarrh (es sedja eA geroget = Husten). Der Kranke erhält 
eine Handvoll gepulverte Rinde von ol marbait (Croton spec.) in frisches Rinds- 
blut gerührt, oder eine Paste, die aus einem Drittelliter flüssigem Honig und 
zwei Händevoll gepulverter Rinde von os sogonoi besteht. Lösend soll die 
Auskochung der Rinde von ol okiteni wirken; zu gleichem Zweck kaut man 
auch den Rindenbast von ol debbe (Acacia Merken) und von ol bararuai oder 
ol bariroi (Lonchocarpus Bussei spec.) und isst die unreifen Früchte von ol 
amriake (?). Kleinen Kindern gibt die Mutter den durch Auskauen gewonnenen 
Saft von einer Fagara-Art (ol oisuggi) oder von ekum (?). 

') Der Aulschlaif heilt innerhalb dreier Tage, wenn die befallenen HautsteUen mit einer reiz- 
loaen Salbe (z. B. Zlnkialbe) j^ut bedeckt werden, nachilem si<^ vorher nbgei^ift tind. 

1 Schiwaki wird oft Irrtömllch für Lue« gphallcn. Cntcr Darreichung von JodkaU heilen die 
Schiwaki-Geschwttre Im Laufe von zwei bis drei Wochen ab. 



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- 176 - 

* Krankheiten der Verdauungsorgane. 

Gegen Uebelkeit trinkt man eine Auskochung des Rindenbastes von o1 
bararuai (Lonchocarpus Bussei sp.) mit flüssigem Schaffett zusammengenihrt, 
oder man nimmt ein Brechmittel, wie: stärkere als die gewöhnlichen Dosen von 
ol mokotan, ol odoa (iVIaesa lanceolata), oiti (Acacia mellifera). 

Durchfall und Leibschmerz (ekwet eA gohSge oder en gorotik, letzteres 
Wort bezeichnet das wässerige Exkrement). Man trinkt Auslaugungen oder 
Abkochungen der Rinde von ol bugoi (Terminalia BrownÜ Fres. var. Merkeri 
Engl, und Terminalia Hildebrandtü Engl.) oder von einer noch unbekannten 
Acacia-Art ot uai. Ferner Rinden auslaugung von ol fiariboli (Ficus Sycomorus) 
oder Auskochung der Rinde von os sagararam (ßauhinta retJculata D. C.) oder 
der Wurzelrinde von ol amai (f). Als scfanell und sicher wirkendes Mittel gilt 
die in frische Milch gerührte, gepulverte Rinde von ol ugunonoj (Heeria pul- 
cherrima). Wegen ihrer milden Wirkung ist die mit Rinderbouillon vermischte 
Auslaugung oder Auskochung einer Commiphora - Art (o'ropande) beliebt. 
Schwangere Frauen üehen diese Arznei den vorher genannten vor. 

Verstopfung (ol g61omt). Die beliebtesten Heilmittel sind in hartnäckigen 
Fällen eine mit Fett vermischte Auskochung oder Auslaugung der Rinde von 
ol jani 'njugi (Embelia kilimandscharica Gilg) oder in leichteren Fällen die pfeffer- 
artigen Kömer von ol odoa (Maesa lanceolata Forsk.), die man zerkaut. 

Als verdauungsbefördernd gilt die Rinde von ol mata (Thespesia 
Garckeana F. HoiTm. und Dombeya reticulata Mast, vel afl!'.) und von einer noch 
unbekannten Acacia-Art (ol alili), weshalb die Krieger bei ihren Fleischfesten 
diese Rinden gepulvert und in Trinkwasser geniessen. 

»Um den Magen zu reinigen» nehmen die Krieger alle drei bis vier 
Monate einmal ein en janigitti genannte Arznei, bestehend aus Rindcnauskochung 
voD ol odoa (Maesa lanceolata), ol mokotan (Albizzia anthelmintica), ol marbait 
(Croton spec.), ol jani 'njugi (Embelia kilimandscharica Gilg), ol getalassua 
(Myrica kilimandscharica Engl.), os sugurtuti oder ol dinjai (Cissus quadrangularis). 

Als Tonicum roborans und Schönheitsmittel wird pulverisierte Rinde 
von ol dimlgömmi (Pappea capensis Eckl. et Zeyh.) dem Trinkwasser zugesetzt. 
Es soll die Haut weicher und elastischer machen, sowie eine Vermehrung des 
Fettpolsters herbeifuhren, wodurch sich scharfe Konturen runden. Besonders 
beliebt ist das Mittel bei Kriegern. 

Bei Leberschmerzen (aia g munjwa) trinkt man Auskochung der Rinde 
von OS sodjo (Enclea fructuosa). 

Bei Milzschmerzen und Milzanschwellung (aia ol dassln) wird die 
gepulverte Rinde desselben Baumes, mit Honig zu einer Paste verrührt, gegessen 
oder, mit Honigbier vermischt, getrunken, 

Leber- und Milzabscesse sollen zur Entleerung des Eiters aufgeschnitten 
werden. Ich sah mehrfach Narben au den fraglichen Stellen, habe die Operation 
selbst aber nie beobachten können. 



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— 177 - 

Bei sogenanntem Gallenfieber (ol odoa ^ die Galle) wird zuerst ein 
Brechoiirtel genommen, und zwar entweder eine starke Dosis Körner von ol 
odoa (Maesa lanceolata) oder eine RJndenauslaugung von oiti (Acacia mellifera); 
darauf trinkt man ein Wurzeldekokt von ol deregeli (?) oder von ol manuaj (?). 

Zum Abireiben von Eingeweidewürmern (Taenien [ol gurto. el gurtj 
und Ascariden [ol budi, el budokj) dienen Abkochungen der Rinde von ol mo- 
kotan (Albiz^ia anthelmintica), der Wurzel von ol deregeli Q), der Früchte von 
ol odoa (Macsa lanceolata) oder auch von gepulverter Rinde von ol janl 'njugi 
(Enabelia kilimandscharica Gilg), welche letztere stets mit Fett zusammen ge- 
nossen wird, da sie sonst zu scharf ist und leicht heftige Leibschmerzen mit 
Durchfall verursacht. 

Geschlechtskrankheiten. 

Gonorrhoe und besonders Lues sind bei den Masai recht selten. Es 
liegt dies zum Teil an dem Fehlen einer gewerbsmässigen Prostitution, teils auch 
daran, dass die Masai die GefahrUchkett jener Krankheiten und ihre leichte 
Uebertragbarkeit kennen. Von Lues Befallene werden abgesondert und dürfen 
bis zum Verschwinden der äusseren Krankbeitssymptome keinen Kraal betreten ; 
sie wohnen während dieser Zeit ausserhalb des Kraals in einer flüchtig gebauten 
und zum Schutze gegen Raubtiere mit Dornenästen umgebenen Hütte. Danach 
heisst Lues eAg ea aut6, gebildet aus eng ea = die Krankheit, aulö = ausserhalb 
des Kraals. Lues-Kranke trinken zur Heilung viel flüssiges Fett und flüssige 
Butter. Die Lues-Geschwüre, ebenso wie die des Schankers, betropft man mit dem 
Saft der Blätter von ol aisigirai (?), bestreut sie mit einem aus den Blättern von 
ol agaramonni (?) hergestellten Pulver oder bei7.t sie auch mit Cuprum sulfuricum, 
welches die Masai im Tauschverkehr mit Karawanen eilialten. 

Gegen Gonorrhoe brauchen sie eine ganze Anzahl Medikamente, von 
denen man den einen eine nur oder doch hauptsächlich harntreibende, den 
andern auch eine heilende Wirkung zuschreibt. Die hauptsächlichsten Mittel 
sind folgende; Abkochung der Rinde von ol jani 'njugi (Embelia kilimandscharica), 
oft mit Kälberurin untermischt; ferner von os sagararam (Bauhinia reticulata), 
ol debessi (Acacia cfr. vemigia Schwfth.), ol mokotan (Albizzia anthelmintica) 
und ol gelai (?), von letzterer wird auch ein Wurzeldekokt benutzt, ebenso wie 
von ol orondo (Cissus sesquipedalis Gilg), ol assassiat (Osyris tenuifolia Engl.), 
ol dorotua, und schliesslich Auskochungen der getrockneten Wurzelrinde von 
o'remit (Salvadora persica) und des Holzes von einer Rhus-Art (ol mesigie ketc), 
welches besonders als harntreibend gilt. 

Gegen Bt^senkatarrh trinkt man eine schwache Wurzelauskochung von 
o'remit (Salvadora persica). 

Als Aphrodisiacum für Männer gilt ein Rindendekokt von ol dimigommi 
(Pappea capensis), für Weiber ein solches von ol mokotan (Albizzia anthelmintica). 
Die entgegengesetzte Wirkung soll bef den Kriegern die als Würze der Fleisch- 



Mtikcr, KUiii 



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~ i;8 - 

brühe verwendete Rinde der Bäume ol giloriti (Acacia abyssinica) und ol 
okiteni haben. 

Diese letzteren beiden Mittel gelten aber durchaus nicht als Sedativa, 
aondern im Gegenteil als Excitantia. Die ihnen hier zugeschriebene Wirkung 
erläutern die Leute mit den Worten; der Krieger mag den Geruch des Mäd- 
chens nicht, worunter wohl ein der Kleidung aller Weiber mehr oder minder 
anhaftender, spezifischer Foetor urinae zu verstehen ist 

Nervenkrankheiten. 

Bei Kopfschmerz (ertg ea ol ogunja] wird mit dem heissgeriebenen 
Feuerquirl (ol biron) in Schläfen und Nacken je eine Brandblase hervot^nifen, 
seltener bindet man einen Faden ziemlich fest um Stirn und Hinterkopt 
Letzteres Mittel ist den Masal nicht eigentümlich, sondern wurde stellenweise 
von andern Völkern angenommen. 

Gegen Ohrenschmerz (eAg ea öA gia) giesst man warme Butter ins Ohr 

Bei Zahnschmerz (efig ea ol alai) beisst man mit dem schmerzenden 
Zahn auf eine sehr heisse Fettgriebe. 

Gegen rheumatische Schmerzen in den Muskeln bedient man sich 
der Massage, welche von den Weibern ausgeübt wird, oder man macht Um- 
schläge mit einem Bref der gepulverten Wurzel von o'remit (Salvadora persica], 
der auch sonst als > Senfpflaster« Verwendung findet. Verheiratete Männer 
lassen sich von ihren Frauen nach langen Märschen zur Vertreibung der 
Schmerzen aus den Beinmuskeln massieren, W(^egen die Krieger diese Hilfe 
als unmännlich verschmähen. 

Ausser zu Heilzwecken nehmen die Krieger regelmässig, und zwar während 
der ganzen Dauer ihrer Zugehörigkeit zum Kriegerstand, verschiedene nerven- 
erregende Mittel ein. Besonders werden diese auf Krieg^szügen und noch 
mehr bei den die Vorbereitung dazu bildenden Fleischfesten genossen. Eins 
der beliebtesten Excitantia ist die Rinde des schon oft genannten ol mokotan 
(Albizzia anthelmintica). Man zerklopft ein zwei Handflächen grosses Stück 
Rindenbast mit der Keule und lässt es dann wenige Minuten in noch heisser 
Fleischbrühe ziehen. Die übrigen Erregungsmittel sind: ol dinjai oder os sogurtuti 
(Cissus quadrangularis), ein armlanges Stück wird zerkleinert und in Wasser aus- 
gekocht Der Extrakt wird mit Ziegenßeischbrühe vermischt genossen. Von 
ebenso starker Wirkung ist die Wurzel von ol onorua (P). Man nimmt ein drei 
Zentimeter dickes und ungefähr zehn Zentimeter langes WurzelstUck, spaltet es 
zweimal und kocht es mit Rindfleischbrühe zusammen. Das Dekokt riecht 
widerlich. 

Schwächer ist die Wirkung von ot getalassua (Myrica kilimandscharica). ' 
Zur Herstellung der üblichen Dosis schneidet man von einem daumenstarken 
Ast 20 fingerlange Stücke und kocht sie aus. Das Dekokt wird mit Ziegen- 
bouillon vermischt genossen. Aehnlich soll die Wirkung von ol godjuk (?) sein, 



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— 179 — 

wovon Holz, Rinde und Wurzel kalt ausgelaugt werden. Als besonders stark 
gilt die Wurzel von ot giloritt (Acacia abyssinica). Man nimmt zu einer I^osis ^ 
ein */* Meter langes und daumenstarkes Stück und schneidet es in fingerlange 
Teile, die in kaltem Wasser ausgelaugt werden. Der Extrakt wird mit 
Rindfleischsuppe vermischt. Weitere Excitantia werden aus den Früchten von 
ol odoa (Maesa lanceolata), der Rinde von ol jani 'njugi (Embelia killmandscharica - 
Engl.) und von ol jorai (Acacia seyal Del.), der Zwiebel von ol egileAa, einer . 
noch unbenannten Haemanthusart, und einigen andern Pflanzen gewonnen. 
^-- Die Wirkung dieser nervenerregenden Mittel äussert sich b^ häu- 
figem Genuas in Wutan fällen mit teil weiser Aufhebung des Bewusstseins. 
Mehrere Tage, vier bis zehn, vor dem ^fall leidet der betreffende, besonders 
morgens vor Sonnenaufgang und abends kurz nach Sonnenuntergang, an 
mehr oder weniger heftigen Weinkrämpfen. Am Tage treten diese nur ein, 
wenn es in seiner Nähe zu aufregenden Scenen, wie Schimpfereien und 
Schlägereien, kommt, und dann ist der Weinkrampf von einem heftigen Zucken 
in den Muskeln, besonders in denen der Gliedmassen, begleitet Die Augen 
sind stark gerötet, die Hautfarbe erscheint auffallend dunkler als sonst, und der 
Kranke verweigert fast jede Nahrung, er ist wortkarg und mürrisch, wie geistes- 
abwesend. Seine Genossen kennen die Gefahr, die ihnen und andern Leuten 
ein Anfall des Kranken bringt und halten daher bewaffnet Tag und Nacht t>ei 
ihm Wache. Oft gibt ein Wortwechsel oder eine Rauferei, die der Kranke 
beobachtet, die unmittelbare Veranlassung zum Anfall, oft aber stellt sich 
dieser auch ohne äussere Ursache ein. Im Anfall ist die Atmung krankhaft 
erhöht und von tiefem Stöhnen b^leitet, Tränen fliessen reichlich, der Körper 
zuckt wie in Krämpfen, Schaum tritt vor den Mund und — wie ich von 
mehreren Kranken hinterher hörte — erscheint ihnen dabei alles blutrot ge- 
färbt. Einem unwiderstehlichen Drang nach Gewalttat^kett folgend, ergreift 
der Befallene — wenn ihm dies möglich ist — Speer oder Schwert, rennt da- 
mit fort und stürzt sich auf die ihm Begegnenden, wobei es nicht selten zu 
schweren Verwundungen und Totschlag kommt. In letzterem Fall soll das Be- 
wusstsein sofort zurückkehren und der Anfall in einen ruhigen Wetnkrampf 
übei^ehen, während nach einer einem andern beigebrachten Verwundung sich 
die Aufregung des Kranken noch steigern soll. Wird der Ausbruch des An- 
falls — der meist gegen Abend eintritt — rechtzeitig von den um den Kranken 
hockenden Kriegern bemerkt, so wirft sich eine Anzahl von ihnen auf ihn, 
drückt ihn zu Boden und hält ihn so lange fest, bis der Anfall vorüber geht. 
Dies geschieht in der Regel nach einer halben bis einer Stunde, seltener dauert 
er noch etwas länger. Dann folgt ein unruhiger Schlaf, mehrfach von Wein- 
krampf mit Speichelfluss unterbrochen, bis gegen Morgen, wo ein zweiter, etwas 
schwächerer Anfall eintritt, während dessen der Kranke wie vorhin behandelt 
wird. Dieser zweite Anfall ist oft etwas kürzer als der erste und geht in einen 
allmählich ruhiger werdenden Weinkrampf über, der in der Regel bald von einer 



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— i8o — 

allgemeinen Erschöpfung, die in tiefem Schlaf endet, abgelöst wird. Meist geht 
hiernach der Kranke einer schnellen Genesung entgegen, seltener hat es den 
Anschein, als ob noch ein weiterer Rückfall folgen sollte, was sich durch 
grössere Heftigkeit der Weinkrämpfe äussert. Dass es zu keinem dritten An- 
fall kommt, führen die Leute darauf zurück, dass der Patient schon während des 
zweiten gefesselt wird, seine Genossen ihn nun sorgsamer bewachen und ihm 
jede Gel^enheit zur Erregung — auch den Anblick von Waffen — fern halten. 
Zur Beschleunigung der Heilung flösst man dem Kranken grosse Mengen, einen 
Liter und mehr, flüssigen Schaffetts ein, das er meistens auch schon im Vor- 
stadium zur Abschwächung des zu erwartenden Anfalls bekommt. Die Masai 
nennen den Anfall em boschona und den daran erkrankten ol morani boschinöti. 

So häufig die schwere Form der em boschona auch ist — denn fast jeder 
Krieger leidet tm Laufe seiner Kriegerzeit mehrfach daran, und es ist eine 
Seltenheit, wenn einer überhaupt verschont bleibt — so wird der Europäer doch 
meist nur die viel öfter vorkommende leichte beobachten können. Hier fehlt 
das lange Vorstadium ganz oder beschränkt sich auf wenige Stunden oder auch 
sogar nur Minuten, während welcher der Kranke trübsinnig dasitzt und weint. 
Der Anfall dauert ungefähr eine viertel bis eine halbe Stunde und endet mit 
allgemeiner Erschöpfung, auf welche Schlaf folgt. Es sei noch erwähnt, dass 
bei den ansässigen Negerstämmen, welche mit den Masai in engerer Berührung 
leben und viele ihrer Sitten und Gebräuche angenommen haben, die Krieger 
das Befallenwerden von der em boschona für ein Zeichen echten, wilden Krleger- 
tums halten und sie aus diesem Grunde häufig simulieren. Unter keuchendem 
Geschrei stürzt der Simulant mit dem Speer in der Hand aus dem Lager und 
würde sicherlich niemandem ein Leid antun, auch wenn nicht — wie in den 
bei den Wadschagga beobachteten Fällen — ihm sofort einige Leute nachtaufen, 
ihn festhalten und zurückführen. 

Eine nicht unwichtige Rolle beim Zustandekommen der em boschona spielt 
wohl auch das Fehlen jeder Beherrschung von Leidenschaften und Neigungen. 
Ihre Ursache scheint mir aber lediglich in dem übermässigen Genuss der oben 
erwähnten Excitantia zu liegen, so dass die Krankheit gar nicht auftreten würde, 
wenn jene vollständig vermieden oder nur in ganz bedeutend geringerem Umfang 
genossen würden. Ihre Schädlichkeit kann man fast täglich bei den Kriegern an 
einer abnormen Nervenerregbarkeit beobachten. Diese Ansicht gründet sich auf 
meine Beobachtungen (mit denen alle mir von Masai über diesen Punkt ge- 
machten Mitteilungen übereinstimmen), dass nur die Krieger, also die jungen, 
kräftigen, gesunden Männer von der em boschona befallen werden, während 
Knaben und Jünglinge, ehe sie in den Verband der Krieger eintreten und auch 
noch die erste Zeit als solche, ferner verheiratete Männer, sowie Mädchen und 
Frauen vollkommen davon verschont bleiben. Diese Personen geniessen aber 
auch alle die genannten Erregungsmittel entweder gar nicht oder nur in sehr 
geringem Mass. 



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Unwillkürlich wird man bei dieser Schilderung der em boschona an das 
Amok-Laufen der Malayen denken, [ndessen ähneln sich nur die Symptomen- 
komplexe, während Aetiologie und Voraussage durchaus verschieden sind. Endet 
das Amok-Laufen in der Regel mit dem Tode des betreffenden, so geht die 
em boschona im Laufe von wenigen Tagen in Heilung über. Wird als Ent- 
stebungsursache des Amoklaufens die Wirkung des Opiums als ausschlaggebend 
heute nicht mehr anerkannt, so kann in jedem Fall von em boschona der erst 
kürzlich vorausgegangene, reichliche Genuss jener Mittel nachgewiesen werden. 

Aeussere Krankheiten, 
Die Chirurgie ist das Gebiet besonderer Wundärzte (ol abcLni, el abäk), 
die ihre Praxis sowohl auf Menschen wie Rmaer, Ziegen, Schafe und Elsel aus- 
dehnen. Der Beruf geht in der Regel vom Vater auf den Sohn über. Indessen 
kann man hier nicht von einer besonderen Kaste sprechen, da die Wundärzte 
keine besondere Stellung — weder im guten noch im schlechten Sinn — ein- 
nehmen. Als Bezahlung für geleistete Hilfe bekommt der ol abani je nach der 
Schwere des Falles bezw. der Menge der von ihm getanen Arbeit ein Stück 
Vieh, von einem Rind bis h^ab zu einer jungen Ziege oder einem Lamm. Zu 
erwähnen ist noch die beachtenswerte Einri^chtung, dass er erst dann einen An- 
spruch auf Bezahlung geltend machen kann, wenn seine Behandlung den er- 
warteten Erfolg hatte, und dass der Patient nicht vor erfolgter vollständiger 
Heilung zu zahlen braucht. Was in das Fach des Wundarztes fällt, bestimmt 
ein bestehender Brauch. Innerhalb der so vorgeschriebenen Grenzen hält sich 
der ol abani unter allen Umständen. Wenn dies auch dem Fortschritt nicht 
forderlich ist, so hat a anderseits zur Folge, dass sich jeder Masai, wenn 
nötig, sofort ohne Bedenken dem Wundarzt anvertraut. Er weiss, dass dieser 
mit ihm keine Operation vornimmt, die er nicht sicher ausiiihren kann, sondern 
dass er das, was er tut, schon oft geseheu und mit einem älteren Kollegen zu- 
sammen oder auch allein getan hat. li^end welche narkotische Mittel stehen 
dem Wundarzt nicht zu Gebot, dagegen verfügen aber seine Patienten über 
recht »gute Nerven*, über eine beneidenswerte seelische Dgrbbeit. 

Als adstringierende Mittel werden verwendet der ausgekaute und in 
die Wunde gespuckte Saft von ol giloriti (Acacia abyssinica) sowie Hojzkohle- 

'^pulver von ol dungut-Rinde. 

^^ Schlagadern werden erforderlichenfalls unterbunden, und zwar mittels 

je eines um das Glied gelegten Lederriemens, welcher durch einen Holzknebel zu- 
sammftlgewürgt wird. Man näht die Schnittenden der Ader dann möglichst 
schnell mit Ale und Sehnenfaden zusammen, nachdem sie mit den Fingernägeln 
gefasst und vorgezogen sind. 

In das Fach des Wundarztes gehört zunächst das Extrahieren von 
Zähnen. Dies geschieht auf drei verschiedene Methoden. Zum Entfernender 
unteren mittleren Schneidezähne, was bei den Kindern im jugendlichen Alter 



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— I82 — 

zum ersten Male geschieht und dann nach dem Zahnwechsel wiederholt wird, 
steckt man zwischen die betreflenden Zahne das dünne, eiserne Blatt einer Axt 
und hebelt sie aus, indem man seitwärts mit einem Stock mehrere Male massig 
stark gegen das Blatt klopft. Die andern Vorderzähne werden nur heraus- 
genommen, wenn sie schon ziemlich locker sind. Man bindet um die Krone . 
des Zahnes einen Faden von Rindersehne und an dessen anderes Ende einen 
faustgrossen Stein. Ist dies geschehen, so lässt der Operateur bei einem sehr 
lockeren Zahn den Stein einfach fallen oder wirft ihn bei einem fester sitzenden 
nach unten. Um einen Backenzahn herauszunehmen, setzt man ein fast finger- 
dickes und ungefähr zwanzig Zentimeter langes Stäbchen mit seinem unteren, 
schwalbeoschwanzartig eingekerbten Ende an den Zahn, und zwar von innen, 
rechtwinklig zum Zahnbogen, und führt dann gegen das freie Stabende mehrere 
kräftige Schläge. Den Kopf des Patienten hält ein Assistent. Zahnoperationen 
sind sehr selten. Unter hundert Männern im Alter von zwanzig bis dreissig 
Jahren fand Verfasser zwei mit je einer Zahnlücke. Dem einen war auf die 
eben geschilderte Weise ein Backenzahn ausgeschlagen, der andere hatte einen 
Vorderzahn durch den Stoss eines Rindes verloren. 

Sehr häufig wird dagegen zur Ader gelassen und geschröpft, besonders 
bei rheumatischen Schmerzen und bei Kopfschmerz. Um am Kopf oder an 
den Extremitäten zur Ader zu lassen, wird zuerst durch einen um den Hals 
bezw. um das Glied oberhalb der Schröpfstelle gelegten Lederriemen das Blut 
in einer Hautvene, am Kopf in der Stirnvene, gestaut. Dann setzt sich der 
Operateur, den Aderlasspfeil (vergl. Fig. 76) auf dem Bogen, vor den Patienten, 
zielt, die Pfdispitze nur fünf bis zehn Zentimeter von der Schröpfstelle entfernt 
haltend, und schiesst in die geschwollene Ader. Um die Blutung zum Stehen 
zu bringen, wird lediglich der vorerwähnte Riemen gelöst. Zum Scjiröpfen auf 
Rücken, Brust und Bauch wird nicht der Pfeil, sondern das Rasiermesser ver- 
wendet. Man macht damit in die mit zwei Fingern wulstartig vorgezt^cne 
Haut zentimeterlange Einschnitte, Diese werden in Horizontalreihen angeordnet, 
deren jede fünfzehn bis zwanzig Schnitte zählt. Dass bei einer Operation zwei 
oder drei Reihen geschnitten werden, ist durchaus nicht selten. Die meisten 
erwachsenen Masai haben solche Narben in grösserer Zahl; man findet aber 
auch öfters Leute, deren ganzer Rumpf buchstäblich mit Schröpfnarben bedeckt 
ist. Es scheint, als ob es die Leute gern vermeiden, zweimal auf derselben 
Stelle zu schneiden. 

Auf Anschwellungen legt man einen angeblich zerteilend wirkenden 
Brei aus dem gekauten Kraut von ol agaramonni. 

Abscesse werden, sobald sie reif sind, mit einem kleinen, spitzen, zwei- 
schneidigen Messer aufgestochen und erst nach Entleerung des Eiters durch 
Druck aufgeschnitten. Darauf wird die Wunde mit angewärmtem Wasser aus- 
gewaschen und unter Gebrauch des N^els des Zeigefingers, sowie eventuell 
auch des erwähnten Messers als scharfen Löffels gereinigt. Schliesslich streut 



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- i83 - 

man ein ätzendes Pulver aus der Wurzel von ol gneriandus 1 cn doje (Pluni- 
bago ceylonica) hinein. Einen Verband legt der Wundarzt nicht auf. 

Brustdrüsenabscesse werden nur aufgestochen und entleert. 
\ Bei Panaritium wird der Nagel entfernt und die Wunde ausgewaschen. 
* Vereiterte Lymphdrüsen (ol gnarnari eti rt gimek) werden ebenso 
behandelt wie Abscesse, doch schneidet man vor Applikation des Aetzpulvers 
die Lymphdrüse heraus. 

Eine von den Masai ol dododoi 1 en dar^ = Ziegengeschwüre*) ge- 
nannte Krankheit äussert sich darin, dass der Befallene einen, seltener zwei 
haselnussgrosse, harte Knoten unter der Haut bekommt, die in eine schwanz- 
artige Spitze nach unten auslaufen. Ich sah diese Geschwüre (em boroi) und 
deren Narben — etwas über Markstück gross — an den Schläfen, auf der ' ■ 
Brust, an Armen, Beinen und am Gesäss. Als Entstehungsursache führen die 
Leute den Genuss von Fleisch von an der eftg ea nairogua = heisse Krankheit 
gefallenen Ziegen an. Man schneidet die noch harten Knoten heraus. Während 
der Krankheit bekommt der Patient als Nahrung auf Holzkohle geröstetes 
Fleisch und als durstlöschendes Getränk eine Abkochung der Wurzein von ol 
demellua (Solanum setaceum) und ol oki mit einem Honigzusatz. Die Krankheit 
soll zum Tod fuhren, wenn diese Diät nicht eingehalten wird und der Kranke 
besonders kaltes Wasser oder Milch, sowie gekochtes Fleisch geniesst. Wird 
dagegen die vorgeschriebene Lebensweise zwei bis drei Monate lang beobachtet, 
so soll der Knoten, allmählich nach aussen vorrückend, abfallen. Da indes die 
dauernde Fleischnahrung zu kostspiehg ist, die pflanzlichen Medizinen nicht 
ohne Mühe zu bekommen sind, zieht man in den weitaus meisten Fällen den 
operativen Eingriff vor. 

Ein mit Anschwellen der drei Rachentonsillen verbundenes, hart- 
näckiges Fieber, begleitet von heftigem Husten und einem ziemlich starken 
Kräfteverfall, besonders häufig im jugendlichen Alter, nennen die Masai ert el 
muH = Drüsenkrankheit. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um adenoide 
Wucherungen im Nasenrachenraum. Zur Heilung wendet süh der Kranke an 
den Wundarzt. Dieser kratzt, die Hand in den Mund des Patienten Ehrend, 
die Rachentonsillen mit dem Zeigefingernagel, oder auch mit einem kleinen 
Messer, so stark an, dass sie heßig bluten. Eine grössere Anzahl Leute, welche 
ich über den Erfolg der Kur befragte, sprachen sich dahin aus. dass sie immer 
auf sichere Heilung rechnen könnten. Zwei meiner Boys, Masai -Jungen, im 
Alter von ungefähr elf bis zwölf Jahren, erkrankten unter den obigen Symptomen. 
Trotz soi^ltiger, symptomatischer Behandlung war die Kräftezunahme eine so 
unbefriedigende, dass ich ihnen auf ihre Bitte Erlaubnis gab, zur Erholung in 
einen nahen Viehkraal in die Steppe zu gehen. Nach acht bis vierzehn Tagen 
kamen sie gesund und frisch zurück und erzählten, was auch der Wahrheit ent- 
sprach, dass sie der Wundarzt in geschilderter Weise behandelt habe. 

') Es handelt eich hier höchst w»hischeinlich um MiUbranilkarbunkel. 



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\. 



Frische, einfache Wunden (en dtinoto, n dungot) werden, wie oben 
von den Geschwüren geschildert, gereinigt, doch sucht man dabei jeden unnötigen 
Reiz wegen einer Verstärkung der Blutung zu vermeiden. Aus diesem Grunde 
gehen viele Wundärzte erst mehrere Stunden nach der Verwundung an die 
Behandlung der Wunde. Nach sorgfaltiger Reinigung wird die Wunde durch 
die umschlungene Naht geschlossen. Die aneinander gepassten Wundränder - 
werden mit zwei Fingern der linken Hand, wie zu einer Falte, etwas empor- 
gehoben, worauf man die spitze Ale in einem Tempo durch beide Wundiänder 
derart stösst, dass Ein- und AusstichöfTnung gleichen Abstand vom Wundrand 
haben. Dann wird die Ale wieder herausgezogen und an ihre Stelle ein nadei- 
förmiger Dorn von ol debbe (Acacia Merkeri), ol debessi (Acacia verrugera) ' 
oder ol giloriti (Acacia aby3.«inica) eingeführt. Unter den hervorstehenden - 
Dornenenden wird kreisförmig in mehreren Windungen ein Faden, aus Rinder- 
sehne gedreht, herumgeführt; dann werden die Fadenenden zusammengeknüpft 
und kurz über dem Knoten abgeschnitten. Die einzelnen Nadeln werden nicht) 
näher als vier Zentimeter von einander gelegt, damit zwischen ihnen der Ejl^r '■ 
ungehindert abfliessen kann. Eine frische Wunde, die zur Anlage einer Naht, 
zu unbedeutend erscheint, bedeckt man mit einer Faste, die aus dem geschabten 
Fruchtfleisch von ol darboi (Kigelia aethiopica) besteht, oder man tropft auch - 
den Saft von ol dorotua hinein. 

Bei penetrierenden Wunden (e remoto, e remot) wird nur die grössere 
der beiden Oeffnungen zugenäht, welche, da es sich immer um Schwert- oder 
Speerstiche handelt, die Einstichölfnung ist. Liegt diese erheblich höher als der 
Ausstich, so werden die Nadeln enger als vorhin gelegt, liegt sie gleich hoch 
oder tiefer, so gilt das oben Gesagte. Ebenso wie Wunden, werden ausgerissene 
Ohrläppchen zusammengenäht. 

Veraltete Wunden (em baldäga, m baldagani), welche nicht heilen 
wollen, werden mit einem glühend gemachten Messer ausgebrannt und dann 
mit einem daraufgelegten, gekochten und stark eingedickten Brei aus Wasser 
und der gesiebten Erde eines Termitenhaufens geschlossen. Die sogenannten 
Beingeschwüre (em baldAga) werden zunächst in derselben Weise ausgebrannt. 
Dann klebt man rings um die Wunde einen l Zentimeter hohen Rand von 
Rindcrmist, so dass die Wunde selbst den Boden einer Schüssel bildet, und giesst *■ 
\ schliesslich in diese kochendes Schaffett. Brandwunden bedeckt man zur Heilung 
mit einem dicken Brei aus den zerklopften Blättern einer rankenden Asparagus- 
Art (em bgre e baba). Als fördernd für die Heilung eiternder Wunden gilt der 
Genuss einer mit Rinderblut und Milch vermischten Auskochung von Wurzel 
und Rinde von ol gelai. Aehnlich soll das Dekokt des Holzes einer Rhus- 
Art (ol mesigie kete) wirken, indem sein Genuss »die Wunde trocken macht'. 

Bei Schlangenbiss (a-tonjo 'I assurai) drückt man die schnell unterbundene 
Wunde, um die man noch eine Anzahl Einstiche mit den scharfen Domen von 
ol gurschaschi (Barleria mucronata) gemacht hat, stark aus und brennt sie dann 



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- i85 - 

mit glühendem Eisendraht Gleichzeitig kaut man die Wurzel von ol asajet, 
worauf Erbrechen erfolgt. 

Auf einen Skorpionstich (a-tonjo eA golöwa) lässt man ein Weib, welches 
ZwilÜDge geboren hat oder, in Ermangelung eines solchen, ein schwangeres Weib 
spucken und verreibt den Speichel auf der schmerzenden Stelle. So lange der 
Schmerz anhält, isst der Kranke nur rohe Ziegenleber, der man — was auch 
daraus hervorgeht, dass siie die einzige feste Nahrung des ol oiboni -ist — irgend 
eine Wunderwirkung zuschreibt. 

Bei Conjunctivitis (eng ca en goAo) tropft man Tabakauslaugung (efi 
gare ol gumbau) oder den Saft der Blätter von ol ogildia (Coleus kilimandscha- '■' 
ricus), ol dungui (Harrisonia abyssinica Oliv.) und ol assajet oder eine Auslau- i^ 
gung der Blätter von ol gummi in die Augen. 

Die Reste eines gewaltsam zerstörten Auges entfernt der Wundarzt, 
indem er sie mit einer hakenförmig gebogenen Ale soweit aus der Augenhöhle 
hervorzieht, dass er sie mit dem Rasiermesser abschneiden kann. Die Augen- 
höhle wird dann mit warmem Wasser ausgewaschen und danach nicht verbunden. 

Verrenkte Glieder werden wieder eingerenkt und in einen nicht steifen 
Schienen verband gelegt. Bei einer Unterarm Verrenkung setzt sich der Wund- 
arzt vor den Patienten auf den Erdboden, fasst den Unterarm dicht über dem 
Handgejenk und renkt ihn durch einen allmählich stärker werdenden, in der er- 
forderlichen Richtung ausgeübten Zug wieder ein. Darauf le^t er um die kranke 
Stelle von der Mitte des Unterarmes bis zu der des Oberarmes, die in einem ' , 

Winkel von 135* einander genähert sind, einen Polster verband, bestehend aus T J 

einem Streifen Schafleder, welches mit möglichst dichtem und weichem Haar 
bedeckt ist Mit dünnen Lederriemen wird der Polster verband umschnürt. 
Darüber wird dann ein ^uxiter, steiferer Verband aus enthaartem Rindleder 
gelegt und wie der erste umschnürt. Schliesslich befestigt man auf dem Ver- 
band an der Innen- und Aussenseite je eine entsprechend gekrümmte Holz- 
schiene, wie vorher mit Lederriemen. Die Holzschienen äind spanartig dünn 
und sollen den Arm nur stützen, nicht steifen. Der Arm wird hoch gebunden, 
indem man ihn in einem um den Hals gelegten Riemen trägt. Der Verband 
' bleibt ungefähr einen Monat liegen. Bei andern Verrenkungen wird analog 
verfahren. Ein verrenkter Finger wird nicht geschient. Bei einer Einrenkung 
an den unteren Extremitäten liegt der Patient flach auf dem Erdboden. ^ 

Bei einem Knochenbruch untersucht der Wundarzt z.mächst auf Stelle ''' 

und Art des Bruches. Bei einem oder zwei zusammenliegenden, einfach ge- 
brochenen Knochen werden, wie bei uns, von zwei Assistenten Ausdehnung und 
Gegenausdehnung gemacht, während der Wundarzt das Einrichten besorgt. 
Darauf legt er den Polsterverband an und auf diesen zwei flache, aber feste 
Schienen, ehe er den oberen Verband aus harter Rinderhaut mit ledernen Riemen 
befestigt. Bei einem Armbnich bleibt der Verband zwei Monate, bei einem .-1 
Beinbruch länger liegen. Nach Heilung eines Armbruchs iässt der Wundarzt 



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den Patienten zur Kräftigung des Arms Steine, zuerst leichte, dann schwerere, 
heben. 

Stellt dagegen der Wundarzt durch Betasten fest, dass ein Knochen des 
Unterarms oder Unterschenkels stark zerschmettert ist, so schneidet er 
das betreffende Glied auf der Aussenseite in der Lange soweit auf, wie es zur 
Entfernung der einzelnen Knochensplitter nötig ist Sind diese herausgenommen, 
so wird der Arm wieder mit der umbundenen Naht zugenäht. »Solche Opera- 
tionen gelingen immer, schwieriger ist es aber bei einer Zertrümmerung des 
Oberarm- oder Oberschenkelknochens; da weiss man nie, ob man den Arm 
oder das Bein wird erhalten können.« So ungefähr äusserte sich ein in beson- 
ders gutem Ruf stehender Wundarzt zu mir. Seine weiteren Ausfuhrungen er- 
gaben, dass es sich hier weit häufiger um komplizierte Brüche handele. 
Findet der ol abani einen solchen Fall, so nimmt er die Knochensplitter wie 
vorhin heraus und vernäht, nachdem er Sehnen und Muskeln möglichst ge- 
ordnet hat, die Wunde wieder. Zeigt nach acht bis zehn Tagen der Bruch 
keine Tendenz zur Heilung, und leidet der Patient an Fieber, so schreitet der 
Wundarzt zur Amputation. 

Es sei hier noch eine von dem oben em'ähnten ol abani ausgeführte und 
glücklich verlaufene Operation geschildert: Ein Knabe hatte sich im No- 
vember 1901 das rechte Schienbein ziemlich nahe dem Knie gebrochen und 
wurde bald nach dem Unfall von seinen Freunden zu einer mehrere Stunden 
entfernten Europäerniederlassung getragen. Dort baten sie den Europäer um 
seine Hilfe, doch wagte dieser nicht, die Behandlung zu übernehmen und gab 
den Leuten den Auftrag, den Kranken ins Lazarett der Mtlitärstation Moschi 
zu bringen. Ob nun der Patient oder seine Träger mit dem Plan, einen zwei 
Tagemärsche weiten Weg zu machen, nicht einverstanden waren, bleibe dahin- 
gestellt, jedenfalls wurde der Kranke am folgenden Tag in einen grösseren Vieh- 
kraal gebracht, wohin bald der erwähnte Wundarzt, der übrigens sechs Stunden 
weit weg wohnte, geholt wurde. Er fand eine grosse, eiternde Wunde aus der 
das untere Ende des Schienbeinknochens herausragte, dessen Mark ebenfalls 
im Vereitern war. Der ol abani schnitt nun, von der Wunde ausgehend, den 
Unterschenkel auf dem Schienbein bis eine Handbreit über dem Fussgelenk auf 
und schälte ebenso weit das untere Knochenende heraus. Dann brach er dieses 
etwa zehn Zentimeter über dem unteren Gelenk ab, nahm das faulende Knochen- 
mark aus dem Rest des Schienbeins heraus, reinigte die Wunde mit warmem 
Wasser und ihren oberen Teil durch Auskratzen und nähte sie mit fünf Domen 
zu. Drei Monate später konnte der Knabe bereits herumgehen und seine Arbeit 
als Viehhirt aufnehmen. 

Von Fremdkörpern findet man in Wunden am häufigsten Pfeilspitzen. 
Die Herausnahme derselben ist sicher schwieriger, als die anderer Fremdkörper, 
und es wird daher genügen, die hierbei angewandten Methoden zu besprechen, 
da sich diejenigen bei Entfernung harmloserer Dinge daraus ergeben. Zu einer 



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- 18? - 

Operation kommt es zunäclist natürlich nur dann, wenn — was selten der Fall 
ist — der Pfeil nicht vergiftet, oder wenn — was zum Glück oft vorkommt — 
das Pfeilgifl durcli Zersetzung wirkungslos geworden war. Da im Kampf der 
Rumpf in der Regel durch den Schild geschützt ist und auch sonst der Leder- 
umhang den Pfeil oft abhält oder jedenfalls doch seine Kraft sehr abschwächt, 
so kommen tiefere Pfeilwunden meistens nur an den Extremitäten vor. Bleibt 
der ganze Pfeil in der Wunde stecken, so weiss der Operateur ohne langwierige 
Untersuchung sofort, wo die Spitze sitzt und wie sie liegt. Liegen vor der 
Spitze in der Richtung des Schusses nur Muskeln, so stösst er den Pfeil schnell 
durch und zieht Spitze und Dorn auf der andern, den Schaft auf der Einschuss- 
seite heraus. Liegen d^egen vor der Pfeilspitze Knochen, so verbietet sich 
diese Methode von selbst. Ein einfaches Herausziehen des Pfeils durch die 
EinschussöfTnung ist aber wegen seiner Widerhaken unmöglich. Der Wundarzt 
hat nun zwei Methoden. ' Welche davon er anwendet, richtet sich nach dem 
einzelnen Fall. Entweder quirlt er in der Wunde so lange mit dem Pfeil, 
bis sich dessen Widerhaken derart mit Muskelfasern ausgefüllt und überzogen 
haben, dass sie bei einem Herausziehen nach rückwärts keinen Widerstand mehr 
leisten können, oder aber er behandelt den Pfeil wie einen abgebrochenen, wo- 
für er drei Operationsarten hat. Die durch Betasten von aussen fühlbare Spitze 
wird in der Weise entfernt, dass man auf dem kürzesten Weg zwischen ihr und 
der Haut einen so breiten Schnitt macht, wie er nötig ist, um ihr Hindurch- 
ziehen zu ermöglichen. Da dem Operateur keine Zange zur Verfügung steht, 
sondern er die herauszunehmende Pfeilspitze mit den Fingern fassen muss, muss 
der Schnitt ziemlich breit sein. Eine verborgene Spitze wird in folgender Weise 
aufgesucht: der Wundarzt führt den Finger in den Einschusskanal und schneidet 
am Ende der Fii^erspitze von aussen nach innen durch, steckt dann den Finger 
in diese OetTnung und tastet im Schusskanal weiter, um einen zweiten Einschnitt 
dort zu machen, wo seine Fingerspitze jetzt liegt. So geht es weiter, bis er mit 
dem Finger die Pfeilspitze erreicht hat. Liegen jetzt nur Muskeln vor ihr, so 
wird sie in der Schussrichtung mit dem Finger bis zu ihrem Austritt vorwärts 
gestossen. Wenn aber ein Knochen diesen Weg versperrt, so drängt der 
Operateur die Pfeilspitze entweder aus ihrer Richtung nach aussen zu ab, oder 
aber er schneidet von aussen her auf die Pfeilspitze zu, um sie, wie oben ge- 
schildert, durch diesen neuen Kanal zu entfernen. 

Eine von vorn in die Bauchhöhle eingedrungene Pfeilspitze wird 
auf operativem Wege herausgenommen, wenngleich nach Angabc der Wund- 
ärzte die Voraussage ungünstig ist. Besser liegt dagegen der Fall, wenn die 
Pfeilspitze vom Rücken aus in die Bauchhöhle drang und dabei in den starken 
Rückenmuskeln schon emen erheblichen Widerstand gefunden hatte. Jedenfalls 
wird immer versucht, durch operativen Eingriff Hilfe zu bringen. Der Wundarzt l' 
folgt mit dem Finger dem Schusskanal, wozu dieser oft ausserordentlich stark : 
mit dem Messer erweitert wird, bis er die Spitze fühlt. Am umfangreichsten 



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wird die Operation natürlich, wenn die Pfeilspitze im Magen oder in einem Qarm 
steckt. Nachdem er sie dann mit den Fingern herausgezogen bat, näht er den 
' durchschnittenen Magen oder Darm mit Sehnenfaden und Ale zu, darauf die 
■ inneren und schliesslich die äusseren Wundränder der erweiterten Einschuss- 
Öffnung. Eine in die Lunge eingedrungene Pfeilspitze wird in analoger Weise 
herausgenommen. 

Nicht selten im Krieg sind Speerstiche in den Unterleib. Eine oder 
einige Darmwindungen sind dabei wohl immer verletzt. Ferner quillt aus der 
Einstichöffnung immer ein mehr oder weniger grosses Darmbündel hervor und 
ist so den gröbsten Verunreinigungen ausgesetzt. Gegen letztere geht man mit 
der allgemeinen Rücksichtslosigkeit vor, indem einige Kameraden des Ver- 
wundeten die beschmutzten Darmleile am nächsten Bach mit kaltem Wasser 
abwaschen. In einem oben um den Hals unten um den Hüftriemen, gelegten 
— unsauberen — Tuch trägt der Kranke die hervor- 
gequollenen Eingeweide bis zum nächsten Verbandplatz, 
Der Wundarzt näht dann zunächst die Darmrisse mit Sehnen- 
faden und Ale zu, wäscht danach den Darm mit ange- 
wärmtem Wasser und stopft ihn dann durch die Einstich- 
Öffnung wieder in die Bauchhöhle. Danach näht er die 
äusseren Wundränder der Bauchdecke mit der umschlungenen 
Naht zu. 

Ist eine Amputation angezeigt, so erfolgt sie am 
Bein unterhalb des Knies und am ganzen Arm im nächsten 
Gelenk. Nur am Oberschenkel wird sie, auch wenn die 
Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine zweite Amputation im 
Hüftgelenk vorgenommen werden muss, zuerst möglichst 
20 Zentimeter unter dem Hüf^jelenk, jedenfalls keinen Strich 
höher, wie nötig, ausgeführt, damit die Befestigung eines 
Stelzbeins (Fig. 79) möglich ist, Ueber die Technik der 
Abtrennung eines Gliedes im Gelenk ist nichts besonderes zu 
sagen. Von dem abgetragenen Glied erhält man zwei Haut- 
lappen, die über die Schnittfläche gezogen und dort zusammengenäht werden. 
Der Stelzfuss wird aus Holz gefertigt, seine Länge am gesunden Bein abgemessen. 
Die obere Höhlung, in welche der Beinstumpf hineinkommt, ist mit wolligem 
Schaffell gefüttert und trägt zwei 25 — 30 cm lange, flache Holzzapfen, mittels 
deren der Stelzfuss mit dem Bein durch umschnürte Lederriemen verschient wird. 




FiC- 79- 



Geburtshilfe und Frauenkrankheiten. 

Die Geburtshilfe liegt in den Händen älterer Frauen, die als A gaitoijok 

(S. eA gaitoijoni) den Beruf der Hebammen gewerbsmässig ausüben und über 

eine überraschend richtige anatomische Kenntnis der in Frage kommenden 

Körperteile verfugen. Wie es scheint, werden sie nur ausnahmsweise nicht zu 



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- l!9 - 

einer Entbindung herangezogen. Zu Beginn des letzten Scliwangerschaftsmonats 
untersucht die Hebamme mehrfach die Schwangere, um durch Betasten des 
Leibes die Lage des Kindes festzustellen. Als am günstigsten für die Geburt 
gilt die Kopflage; findet daher die Untersuchende eine andere, so sucht sie 
diese in die gewünschte durch Massage umzuwandeln. 

Sobald sich die ersten Wehen einstellen, wird die Hebamme, die ent- 
weder im selben oder einem nahen Kraal wohnt, wieder herbeigerufen. Sie 
findet die Kretssende, die übrigens nicht als unrein gilt, auf der Lagerstatt in 
ihrer Hütte in hockender, sitzender oder liegender Stellung. Bei einer normalen 
Geburt verhält sich die helfende Frau abwartend, ohne irgend welche aber- 
gläubischen oder unzweckmässigen Manipulationen vorzunehmen. Erweist es 
sich dagegen notwendig, eine Steigerung der Wehentätigkeit hervorzu- 
rufen, so führt die Hebamme mit Unterstützung einiger Frauen zunächst die 
Kreissende einige Schritte herum, und wenn hierdurch nicht der erhoffte Erfolg 
eintritt, wird durch eine leichte Massage nachgeholfen. Erst wenn sich diese 
Mittel als zu wenig wirksam erweisen, greift man zum letzten: die Gebärende 
wird von mehreren Frauen langsam an den Füssen hochgehoben, bis ihr Körper 
senkrecht hängt und ihr Scheitel die Erde berührt, worauf die Hebamme den 
Leib in der Richtung nach dem Nabel hin massiert. 

Die Anwendung innerer Medizinen zur Beförderung der Wehen- 
tätigkeit ist selten; als wirksam gilt ein Gemisch, bestehend aus flüssigem 
Schan'ett und einer Abkochung von os segi-Wurzel (Cordia quarenis Gurke). 

Die befragten Hebammen halten die Vornahme von Wendungen durch 
Einführung der Hand, nach Analogie der dem Vieh geleisteten Geburtshilfe, an 
und für sich für ausführbar und nützlich, furchten aber verständigerweise wegen 
der Unmöglichkeit, die nötige Sauberkeit zu beobachten, mehr Schaden als 
Nutzen damit zu bringen. Tiefere, innere, manuelle und operative Eingriffe, 
um dem Kind den Austritt zu erleichtern oder zu ermöglichen, scheinen nirgends 
geübt zu werden. Eine Unterstützung des Dammes zur Verhinderung von 
Rissen findet nicht statt, dagegen wird nicht selten die Schamspalte durch 
einen kleinen Einschnitt nach oben oder nach oben und unten vergrössert, um 
einem Zerreissen des ganzen Dammes vorzubeugen. 

Einer die Geburt verhindernden Beckenenge steht man ratlos gegenüber. 
Mutter und Kind gehen daran zu Grunde. Während dieser Fall bei dem im 
Stamm lebenden Masai so gut wie nie vorkommen soll, ist er bei den auf 
Europäeransiedlungen lebenden öfters beobachtet worden, und zwar hatte die 
Beckenenge stets ihren Grund in zu grosser Jugend der Frau. Diese letzteren 
Masai heiraten nach Art der Küstenleute im Gegensatz zu ersteren sehr früh, 
und da einmal die Frau immer bedeutend jünger wie der Mann sein muss und 
anderseits auch die Auswahl an Mädchen eine geringe ist, kommt es nicht 
selten vor, dass diese bei Eingehung der Ehe, obwohl geschlechtsreif, doch 
noch kein vollständig ausgewachsenes Knochengerüst besitzen. Diese bei Natur- 



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— igo — 

Völkern nicht seltene Erscheinung hat man vielleicht sowohl im allgemeiDai 
wie hier im besonderen auf einen verfrühten Geschlechtsverkehr und eine da- 
durch verfrühte Menstruation zurückzufuhren. 

Die Gebärende nimmt während des Geburtsaktes entweder eine Stellung 
>auf allen Vieren«, ähnlich der Knie-Ellenbogenlage, oder eine 
sitzende ein, bei welch letzterer sie die angewinkelten Beine g^en Hütten- 
pfosten stemmt und sich selbst an einen Hüttenpfahl anlehnt, den sie mit den 
über den Kopf gehaltenen Händen umfasst. Erstere Haltung ist wohl die am 
meisten verbreitete. Zwei neben der Gebärenden rechts und links stehende 
Frauen scheinen, sie an den Schultern fassend, bemüht zu sein, sie in der 
Schwebe zu halten. Vor dieser Gruppe, mit dem Kopf unter der Gebärenden, 
hockt die Hebamme, um das Kind in Empfang zu nehmen. 

>Soba)d der Kopf und eine Schulter geboren sind«, äusserte sich eine eü 
gaitoijoni, »folge das übrige von selbst nach; nur selten ist es nötig, dass ich 
nach hakenförmiger Einschiebung des Zeigefingers in die Achselhöhle des 
Kindes einen gelinden Zug ausübe.t ' 

Um den Abgang der Nachgeburt zu beschleunigen, sucht eine der 
assistierenden Frauen die Wchentätigkeit dadurch zu fordern, dass sie den 
Gaumen der Gebärenden mit einer Feder kitzelt Diese Manipulation wird in 
seltenen Fällen auch schon während der Perioden der vorbereitenden und der 
eigendichen Geburtswehen angewendet. Während der Nachgeburtsperiode wird 
das Kind abgenabelt, indem die Nabelschnur (os sotua) zunächst dicht am 
Körper mit einem Faden von Rindenbast abgebunden und darauf an einer loU- 
weit vom Körper entfernten Stelle mit dem sonst als Rasiermesser dienenden 
Instrument, dem ol moronja, durchschnitten wird. Eine Nabelbinde ist unbekannt. 
Die Nachgeburt, die nicht Gegenstand abergläubischer Gebräuche ist, wird in 
einigen Distrikten von der Hebamme in den Viehkraal geworfen, in andern 
dort des Nachts vei^raben. 

Das Neugeborene wird durch Abreiben mit flüssigem Fett gereinigt 
Nach Angabe der Leute soll diese Behandlung indes weniger eine Reinigung 
darstellen, als eine Stärkung und Erquickung. Darauf legt man das Kind auf 
eine weiche, frisch gefettete Lederhaut neben die Mutter. Sobald sich diese 
vom Geburtsakt erholt hat, kaut sie vier ol odoa-Kömer (Maesa lanceolata) und 
flösst deren Extrakt dem Kinde als Purgativ ein. Am folgenden Tag erhalt 
das Neugeborene sein erstes Bad, bestehend aus einer lauwarmen Auslaugung 
von ol gebere I e gemma (Sphaerantus microcephalus). Kalte Bäder, etwa zum 
Zweck der Abhärtung, sind unbekannt. Das Kind bleibt unbekleidet. 

Die Wöchnerin verlässt in der Regel die Hütte, sobald es ihr Zustand 
erlaubt, was meist schon am folgenden Tag der Fall ist. Ihre medikamentöse 
Behandlung besteht zunächst in Darreichung von Abführmitteln, wofür in diesem 
Fall eine Mischung aus flüssigem Fett, Honig, Steppensalz und einigen zer- 
stossenen ol odoa-Körnern besonders geschätzt ist. Ferner bekommt sie eine 



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— 191 — 

mit ol oilale-Rinde (Colubrisa asiatica Brongn.) gewürzte Rindfieischsuppe, sowie 
eine Abkochung von ol gebere 1 e gemma (Sphaerantus microcephalus), einer 
krautigen Sumpfpflanze. Beiden wird eine die Rückbildung der Geburtsteile 
fördernde Wirkung zugeschrieben. Diese wird weiter durch Anlegen einer 
20 Zentimeter breiten, ledernen Leibbinde (eft gitadi, ft gitadin] unterstutzt. 
In den ersten Lebenswochen bekommt das Neugeborene, das übrigens 
oft bald nach der Geburt an die Brust gelegt wird, ausser der Muttermilch viel 
flüssige Butter, die während der ersten acht Tage sogar ganz an Stelle jener 
tritt, falls das Kind die Brust verweigert Später bekommt ein solches Kind 
als Ersatz für Muttermilch Kuhmilch, und zwar aus einer Saugflasche 
n (em bugurf ert gerai [Fig. 8o]), die aus einem ausgehöhlten Flaschen- 

J^^ kürbis besteht, über dessen oberes, oflenes Ende als Saugpfropfen 
^H eine an der Spitze durchlöcherte Ledertüte gestülpt ist. Während 
Hflk des Säugens sitzt die Mutter meistens, während das Kind horizontal 
^*^^ auf ihrem Schoss liegt. Seltener steht die Frau und hält den 
Säugling auf dem Arm in sitzender Stellung, noch seltener femer 
liegen Mutter und Kind nebeneinander auf der Erde. Die Säugezeit 
dauert ungefähr zwei Jahre. Ihr Ende wird in der Regel durch den 
Eintritt einer neuen Schwangerschaft derart bedingt, dass dieFrau 
einen männlichen Säugling bis zum dritten, einen weiblichen bis 
zum vierten oder fönften Schwangerschaftsmonat nährt. Die Ent- 
wöhnung, bei der abei^läubische Rücksichten nicht mitsprechen, 
1 geschiebt entweder dadurch, dass man den Säugling von der Mutter 
entfernt, ihn in eine andere nahe Hütte bringt, oder dass die Mutter 
' ihm die Brust verekelt, indem sie ihre Brustwarzen mit dem bitteren 
Saft der os suguroi-Aloe bestreicht. Ein vorzeitiges Versiegen 
der Muttermilch erklärt man durch die Körperkonstitution der 
Frau. Die Frau sucht die Milchsekretion wieder herbeizufuhren durch 
reichlichen Genuss von flüssigem SchafTett, Das Kind wird inzwischen 
Fig So C/i") ™'' Kuhmilch ernährt. 

Gegen Schmerzen im Uterus (en gussSt) und in den Uterus- 
bändern (es saboi, es säb6) trinkt die Frau eine Wurzel-Abkochung von 
ol maägulai (Grewia villosa). 

Zur Herbeiführung eines Abortus trinkt die Betreflende eine Ab- 
kochung von getrocknetem Ziegenmist oder ein starkes Dekokt von os segi 
(Cordia quarensis) oder ol durgö-Wurzel. Während der nachfolgenden zwei- 
bis dreitägigen Rekonvalescenz geniesst sie eine schwache Abkochung von ol 
mokotan-Rinde oder eine solche der Rinde von ol oilale (Colubrina asiatica). 
Ueber Fruchtbarkeit, das Verhältnis der Geschlechter und die 
Kindersterblichkeit konnte ich folgendes feststellen. Die höchste mir be- 
kannt gewordene Zahl der Entbindungen einer Frau war siebzehn. Siebenund- 
achtzig befragte alte Frauen hatten zusammen 548 Kinder geboren, was für 



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— 192 — 

eine Frau im Durchschnitt 6,3 Entbindungen gibt. Davon waren 231, also 
42,2'/* Knaben, 317, also S/.S'/b Mädchen. Vor ihrer Beschneidung starben 
38,7 */* der Kinder, einschliesslich der Totgtborenen, 

Es sei noch erwähnt, dass man das Zustandekommen einer Zwillings- 
schwangerschaft als durch eine Empfängnis entstanden ansteht. 



Tod. — Hosiattuna:. — Erbfoli^. — Letzte WUnsclia des Sterbenden. — Opfer lur Abwendan^ des 

il rohen den TtxIcB. — llehaDdlunf; und Beslattun^ dei Leiche. — Totc^nachmaas. — Tiaucr. — Be- 

KTähni<i, — Becrilie-anj; des HänplUngs MbatvaD. — VerlolluDg- des Erbos. 

Wenn ein Familienvater den Tod nahen fühlt, ruft er seine Angehörigen, 
seine Ehefrauen und Kinder zu sich, um ihnen seine letzten Wünsche darzu- 
legen. Dieselben beziehen sich in der Hauptsache auf Teilung des Erbes und 
besagen weiter, dass — wohl immer ohne Ausnahme — der älteste Sohn der 
Hauptfrau der Nachfolger im väterlichen Kraal werden soll. Hieran anschliessend 
wendet sich der Alte mit den Worten öu, maltujuAo oder öu, maitanaba, d. h. 
ungefähr: »komm, ich will dich segnen*, an den Haupterben und gibt ihm 
Ratschläge über das Zusammenhalten der Familienangehörigen und ihre Unter- 
stützung bei eventueller Verarmung, über Fürsorge (tir die noch unmündigen 
Brüder, sowie fiir die hinterbleibenden Frauen und Töchter. Er ermahnt ihn 
ferner, freundlich und mildtätig zu sein gegen die Angehörigen der Familie, 
des Geschlechts, des Stammes und gegen alle Masai im allgemeinen. Er sagt 
ihm, dass er die Bittfeste feiern und beten solle und auch die Angehörigen 
dazu anhalten möge. Er rät ihm zur Sparsamkeit, warnt aber vor Geiz und 
übergibt ihm schliesslich zum Andenken an diese Stunde eines seiner Schmuck- 
stücke, in der Regel ein Armband. 

Am Sterbelager der Frau hockt deren Mann, um ihre letzten Wünsche, 
die darin bestehen, dass sit: ihm ihre — gleichfalls anwesenden — Kinder ans 
Herz legt, anzuhören. 

In der Hoffnung, den Tod abzuwenden, lässt der Sterbende einen schwanen 
Stier, als Opfer für Gott, schlachten. Sein ältester Sohn führt das Opfertier 
aus dem Kraal, schlachtet es, indem er es durch einen Stich ins Genick tötet, 
zieht dann die Haut ab, zerteilt das Tier wie sonst und lässt das aufgehäufte 
Fleisch als Opfer liegen. Ein Gebet wird nicht gesprochen. 

Dem verstorbenen Individuum werden zunächst die Schmucksachen ab- 
genommen, Sandalen und Lederschurz verbleiben ihm. Ist der Verstorbene ein 
Familienvater, so schlachten die Söhne eilig einen schwarzen Ochsen und kochen 
dessen Fett aus. Mit einem Teil desselben salben sie erst sich selbst, den 
andern giessen sie über die Leiche, nachdem diese aus der Hütte geschafft und 
auf einer Rinderhaut aufgebahrt ist. Unter dem Klagegeschrei der im Kraal 
verbleibenden Weiber tragen die Söhne den Toten heraus und legen ihn nach 



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- 193 — 

einigen hundert Schritt nieder. Die Leiche wird auf die linke Körperseite mit 
dem Kopf nach Norden gelegt, damit das Gesicht nach Osten gerichtet ist. 
Die Beine sind angezogen und liegen aufeinander. Der Unke Arm ist soweit 
angewinkelt, dass die Hand dicht vor den Kopf zu liegen kommt, während 
der rechte im Ellenbc^en zum rechten Winkel gekrümmt ^st; sein Oberarm 
ruht auf dem Leib des Toten, die Hand berührt davor den Erdboden. Würde 
man den Toten anders siederlegen, so würde nach dem Volksglauben schnell 
ein weiterer Todesfall unter den Nachkommen oder sonstigen Verwandten des 
Verstorbenen eintreten. Das gleiche befürchtet man, wenn ein verheirateter 
Mann fern von seinem Kraal stirbt, weshalb sich ein Familienvater, wenn er 
auswärts schwer krank wird, so schnell als möglich nach Hause bringen lässt. 
Im Gegensatz hierzu wollen Krieger nur auswärts sterben: der Tod in der 
Hütte ist kein rechter Soldatentod. Die im Krieg gefallenen lässt man auf der 
Stelle liegen, auf welcher sie fielen. In einigen Geschlechtem ist es Sitte, die 
Leichen alter Leute nicht einfach auf den Erdboden, sondern in eine fiache, 
höchstens einen halben Meter tiefe, muldenartige Grube zu legen, die aber nicht 
zugeschüttet wird. 

Nachdem die Leiche draussen niedergelegt ist, bedecken sie die Söhne 
unter Vortritt des Aeltesten oder — wenn dieser noch im Kindesalter steht — 
des Bruders des Verstorbenen mit grünen Zweigen, wobei jeder das Gebet 
spricht: >'Ng ai pasinai, etoa baba erta jamön, njage ol ogunja nahall, njage 
eii gischon, njage n gera«, d. h. : >Mein Gott, der Vater ist gestorben, ich bitte, 
gib Gesundheit, gib Besitz, gib Kinder.< 

Beim Tode einer Frau wird, nachdem schnell ein schwarzer Schafbock 
geschlachtet ist, ihr Leichnam von Weibern, die nicht zur Verwandtschaft ge- 
hören, mit Fett gesalbt und danach aus dem Kraal getragen; die Leiche einer 
Person, welche keine Kinder hinterlasst, wird ohne Salbung und andere Förm- 
lichkeit aus dem Kraal getragen und — wie immer — einige hundert Meter da- 
von niedergelegt. Wenn jemand ausserhalb des Kraals starb, so lässt man 
ihn auf der Stelle liegen, wo ihn der Tod ereilte, und die dabei Anwesenden 
werfen einige Büschel Gras oder Laub auf die Leiche. Beim späteren Fassieren 
des Ortes wirft man wieder einen Stein oder eine Handvoll Gras auf jene Stelle, 
wo der Tote lag. Je angesehener derselbe war, desto länger bleibt dieser Ver- 
ehrung ausdrückende Brauch bestehen. 

Wird die ausgelegte Leiche gleich in der ersten Nacht von Hyänen ge- 
fressen, so gilt dies als ein Zeichen 'Ng ais, auf dessen Geheiss hier die Tiere 
handeln, dass der Verstorbene ein guter Mensch war. Findet man dagegen 
am andern Morgen die Leiche noch unberührt, so bringen die Hinterbliebenen 
einen schwarzen Schafbock als Opfer zur Versöhnung des zürnenden Gottes. 
Ein Gebet wird dabei nicht gesprochen. 

Nach der Leichenbestattung findet ein Totenschmaus statt, bei dem das 
Tier, dessen Fett zur Salbung der verstorbenen Person diente, verzehrt wird. 



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— 194 — 

Zur Teilnahme ist jeder wUlkomnien. Eine förmliche Trauer kennt man nur 
nach dem Tode erwachsener männlicher Personen. Die Trauerzeit beginnt erst 
einen oder mehrere Monate nach dem Todesfall, und zwar damit, dass sich die 
Hinterbliebenen die Köpfe rasieren — und die Hauptwitwe auch die Nägel 
schneidet — , und endet, sobald das Haar wieder ungefähr zolllang gewachsen 
ist. Die Trauernden legen allen Schmuck ab, wozu die Weiber auch die Draht- 
spiralen vom Hals und die Drahtmanschetten von Armen und Beinen abwickeln; 
sie nehmen an keinem Fest oder Tanz teil und dürfen sich auch während der 
Trauerzeit nicht verheiraten. Um den Tod eines Kriegers trauern seine Kamerad- 
scbafts- und Korporalschafts-Genossen, sowie seine Brüder und Halbbrüder, in- 
dem sie sich die Köpfe rasieren und den Schmuck ablegen. 

Im Gegensatz zu dem einfachen Aussetzen der Leiche, wird die eines 
Häuptlings (ol oiboni), eines verheirateten Mannes vom Geschlecht der £1 kiboron 
und oft auch die eines Zauberers (ol goiatiki) begraben. Die Sohle einer meter- 
tiefen Grube wird mit einer mit Fett begossenen Rinderhaut bedeckt und darauf 
die Leiche in der oben geschilderten Stellung gelegt. Eine zweite, ebenfalls 
mit Fett eingeriebene Rinderhaut wird dann über die Leiche gebreitet Nun 
wird die Grube mit Steinen und Erde gefüllt und diese festgestampft, damit 
Hyänen das Grab nicht aufwühlen können. Das Häuptlingsgrab, sowie oft auch 
die Gräber der El kiboron-Greise, werden mit einem grösseren oder kleineren 
Steinhügel gekrönt. Vorübergehende Masat werfen später als Zeichen der Ver- 
ehrung fiir den Toten einige Büschel Gras auf letztere, wogegen sie auf das 
erstere, das als heilig gilt, von Zeit zu Zeit auch etwas Milch als Opfer ausgicssen. 

Ueber die Beerdigung Mbatyans erzählte mir sein Sohn Zendeo folgendes: 
Als der ol oiboni starb, war seine zahlreiche Leibwache um ihn versammelt, 
und sofort gingen Krieger nach allen Richtungen ab, um die Trauerkunde nach 
den weit auseinander liegenden Kraalen zu bringen. Von überall her kamen 
Masai zusammengeströmt, die Verwandtschaft des Entschlafenen war volbtändig 
bis zum kleinsten Säugling erschienen. Jeder Trauernde brachte einige Fett- 
schwanzschafe mit, die, nachdem eine grosse Herde beisammen war, geschlachtet 
wurden. Inzwischen war der Leichnam auf einer Rinderhaut aufgebahrt. 
An diese legten die nächsten Verwandten ihre Lederschurze und andere 
schlössen die ihrigen in einer ca. hundert Schritt langen Linie an, wobei die 
Schurze so gelegt wurden, dass sie eine Rinne bildeten. Nun wurde das aus- 
gekochte Fett auf die Leiche gegossen und floss die Rinne entlang. Dann 
wurde die Leiche begraben, worauf alle Leute Gras herbeischleppten und einen 
mehrere Meter hohen Haufen über dem Grab auftürmten, der dann sowohl an 
den Seiten wie oben durch aufgeschichtete Steine verkleidet wurde. Im Gegen- 
satz zu dieser Schilderung steht ein vielfach im Volk umlaufendes Gerücht, wo- 
nach Mbatyan einige Tage vor seinem Tode in geistiger Umnachtung heimlich 
bei Nacht den Kraal verlassen haben und in der Steppe umhergeirrt sein soll, 
ohne dass es den Leuten seiner Wache, die ihm nachgegangen waren, gelang. 



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— 195 — 

iha zu fiaden. Als man ihn dann am fünften Tag fand, war er tot und die 
Leiche schon vollkommen verwest 

Wenn in einem Kraal mehrere jüngere Leute oder auch Kinder in kürzerer 
Zeit an Krankheit gestorben sind, so wird er verlassen, einmal, weil er als un- 
l^ückbringend gilt, dann aber auch, um die Hinterbliebenen das traurige Ereignis 
lüchter vei^essen zu lassen. Ueber solche Todesfalle kann man bei den An- 
gehörigen immer einen tieferen Schmerz beobachten, während der Tod alter 
I^ute, auch der eigenen Eltern, ruhiger hingenommen wird. »Die Alten ruhen 
nun aus, sie schlafen, ihr Tag ist gekommen.« 

Beim Tode des Vaters erben seine Söhne die hinterlassene Herde, und 
zwar erbt jeder von ihnen von demjenigen Vieh, welches bisher seine Mutter 
zur Pflege und Nutzniessung hatte. Da der Mann die Hauptfrau am besten 
hält und ihr mehr Vieh übergibt als den andern Frauen, so erben naturgemäss 
auch ihre Söhne mehr als die der andern Weiber. Eigentümlich ist der Brauch, 
dass der Vater schon unter seine im Knabenalter stehenden Söhne einen nicht 
unbeträchtlichen Teil seines Viehes verteilt. Dasselbe bleibt aber in der Herde 
stehen; erst wenn der Sohn in den Kriegerkraat zieht, gibt ihm der Vater eine 
Anzahl Kühe davon, um seinen Bedarf an Milch decken zu können, und ferner 
von Zeit zu Zeit ein Rind zum Schlachten, So behält der Vater tatsächlich das 
Verfugungsrecht über das Vieh, wenn es auch die Söhne bereits als ihnen ge- 
hörig bezeichnen, und es gehört bei der Erbteilung zum Nachlass. Die Weiber 
des Verstorbenen gehen eigentlich in den Besitz seines ältesten Bruders über, 
bleiben aber in der Regel bei ihren Söhnen wohnen. Die andern Frauen, 
welche keine Söhne haben, kehren meist ins Vaterhaus zurück. An den hinter- 
lassenen Töchtern übernimmt der älteste Sohn des Verstorbenen die Vaterstelle, 
was sich praktisch darin äussert, dass er zu ihrer Verheiratung die Einwilligung 
erteilt und an ihn der Brautpreis gezahlt wird. Beim Tode der Mutter erben 
die Töchter ihren Schmuck, und auch der von jener bisher gebrauchte Hausrat 
geht auf sie über. Von der Hinterlassenschaft eines Kriegers erhalten dessen 
Brüder, vorzugsweise die älteren, seine Waffen und die eine Hälfte seines Viehes, 
während die andere seinem Vater zufallt. 



XXI. 

Relifion. — Monolhelsmus. — Glaubenslehre. — Krkläning der NaturerBchdDuiigeQ. — G»bele. -~ 
BitticEte. — Opier. — Die Schlangen. — Böse Geister, — Zauberei. — Amnlelle. — Böaer Blick. 

Nir|;ends zeigt sich bei einem Vei^leich der Ethnographie der Masai mit 
derjenigen der ihnen benaciibarten, um sie herumwohnenden Völker eine so 
tiefe Kluft wie auf dem Felde der religiösen Anschauung. Während wir sonst 
auf fast allen Gebieten der Etiinographie eine mehr oder weniger starke Beein- 
flussung der letzteren durch erstere finden — von mehr äusserlichen Dingen, 



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— igÖ — 

wie Schmuck und Waffen, bis zu tiefer einschneidenden sozialen Veränderungen, 
wie z. B. die Ausgestaltung des Kriegertums nach Masaivorbild — , zeigt die 
Religion beider eine scharfe Trennung, die nii^ends ein Hinüberspielen der 
einen in die andere zulässt In schroffem Gegensatz zu der Anthropolatrie, der 
Anbetung abgeschiedener Menschengeister, und dem in allen Formen und Graden 
vorkommenden Polydämonismus der Neger, steht der einfache, schlichte Mono- 
theismus der Masai. 

Ihr Gott heisst 'Ng ai und ist ein körperloses Wesen, ein Geist. Ueber 
sein Aussehen denken die Leute nicht nach. Die Anfertigung bildlicher oder 
figürlicher Darstellungen Gottes wäre nach seinem, den Masai gegebenen Gebot 
eine Sünde. Gott ist der Schöpfer der Welt, der Erde und alles dessen, was 
sie beherbergt. Er beherrscht alles durch seinen Willen. Er ist der Hüter der 
natürlichen und sitüichen Weltordnung. Die im Leben des Volkes und des 
einzelnen geltenden Gesetze und Gebote sind Ausdruck seines Willens. Gott 
ist allmächtig, allgegenwärtig, allwissend, gütig, unendlich, ewig. 'Ng ai najollo = 
Gott weiss es, 'Ng ai naischa el duAganak 'n dogitin sidan = Gott gibt den 
Menschen die guten Dinge, ol bai 'I Ehg ai = es ist der Wille Gottes, sind 
Worte, die man täglich hören kann, und die nicht häufig gedankenlos gebraucht 
werden, wie denn überhaupt den Masai eine tiefere Religiosität eigen ist. Gottes 
Güte verzeiht den Menschen viel und lange. Doch die Menschen sind zu 
schwach und sündig, als dass Gott nicht von Zeit zu Zeit zur Besserung strafen 
müsste. Er tut es dann durch Krankheit, Dürre oder Viehseuchen. 

Die Masai fühlen sich als das auserwählte Volk 'Ng ais; ihnen sollen alle 
andern Völker Untertan sein. Gott hat die Welt mit allem, was darin ist, nur 
für sie erschaffen, und ihnen gehört daher alles auf dem Erdboden. Wenn sie 
im Krieg gegen einen andern Volksstamm Beute machen, so nehmep sie nur 
das, was ihnen von Gott zu eigen gegeben ist, was ihnen rechtmässig gehört, 
und was ihnen jener Stamm unrechtmässig vorenthält. >Gäben uns die el meg 
unser Eigentum, denn das ist das in ihrem Besitz befindliche Vieh, freiwillig^, 
so brauchten wir sie nicht zu bekriegen. Da sie das aber nicht tun, so sind 
wir zum Krieg' gezwungen, t Und diesen Krieg führen sie auch dauernd gegen 
die verachteten, wilden Heiden, die von 'Ng ai nichts wissen und nicht zu ihm, 
sondern zu Geistern beten, weshalb er ihnen auch nicht beisteht und die Masai 
immer zu Siegern für die gerechte Sache macht 

Auf dem Weg durchs Leben schützt Gott die Masai durch Schutzengel, 
die man sich als beflügelte, unsichtbare Wesen von menschlicher Gestalt vor- 
stellt. Die Schutzengel sind von demselben Geschlecht wie ihre Schützlinge ; 
ein männliches Individuum hat einen ol duAgani 1 Eiig ai, ein weibliches eine 
en gorojoni Eiig ai über sich wachen. Der Engel begleitet den Menschen 
immer und überall und schützt ihn vor Gefahren, damit er dem Kampf des Da- 
seins nicht eher unterliegt, als bis die ihm von Gott vorher bestimmte Lebens- 
dauer abgelaufen ist; erst dann stirbt der Mensch. Seine Seele trägt der Engel 



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— 197 — 

ins Jenseits und übernimmt dann den Schutz eines am selben Tage geborenen 
Kjndes. Jeden Tag stirbt ein Masai und jeden Tag wird einer geboren, sagen 
die Leute. 

Ins Jenseits (en gatambö = Wolkenland, d. h. das Land, woher die Wolken 
kommen) kommen die Seelen aller Verstorbenen, sowohl die von Masai, wie 
von Nicbt-Masai, sowohl die der guten, als auch die der schlechten Menschen. 
Sobald eine Seele die Pforte des Jenseits, das weit im Norden (Kopekob) liegt, 
erreicht, bestimmt Gott über ihr weiteres Schicksal. Die Seelen guter Menschen 
erhalten Einlass ins Paradies, das mit allen Schönheiten und Herrlichkeiten der 
Natur ausgesuttet ist. Uepptgb Weiden mit fetten Rindern wechseln ab mit 
Seen, Flüssen und kühlen Hainen, deren Bäume mit den köstlichsten Früchten 
behangen sind. Inmitten dieser Pracht leben die guten Seelen in menschlicher 
Weise, doch ohne Sorge, Mühe und Arbeit. Täglich erhalten sie das beste 
Essen im Ueberfluss. Jeder darf hier aber nach Gottes Gebot nur eine Frau 
heiraten. Das Jenseits ist wie die Erde in einzelne Länder geteilt, deren jedes 
fiir die Seelen eines Volkes bestimmt ist, so dass der dahin kommende seine 
verstorbenen Angehörigen vorfindet Schlechten Menschen ist dieses Paradies 
verschlossen: sie werden in eine öde, wasserlose Wüste gejagt. Minder schlechte 
erhalten durch Gottes Gnade auch Eintritt ins Paradies, doch nicht, um in sorg- 
losem Glück zu leben, sondern um schwere Arbeit zu tun. 

Dies ist die Glaubenslehre der Masai, wie sie von den alten Männern über- 
liefert und gelehrt wird. Mit der Glaubenslehre hat die überirdische Erklärung 
von Naturerscheinungen »nichts zu tun. In ihnen sieht man nur Werke oder 
Aeusserungen Gottes und beobachtet daher wenigstens die gewaltigeren mit etwas 
wie ehrfürchtiger Scheu. Ausdrücklich sei hier betont, dass es sich nur hierum 
handelt und nicht etwa um Dämonolatrie, die Vei^öttening personifizierter 
Naturkräfte. 

Die Sonne (eAg olofi) gilt vielfach als ein Abglanz Gottes, ebenso wie das 
farbenprächtige Morgen- und Abendrot. Die Wolken verhüllen Gott vor den 
Augen der Menschheit, sie umgeben ihn, von ihnen herab schaut er auf das 
Getriebe der Erde, Hieraus scheint es erklärlich, dass die Masai die Röte des 
Morgen- und Abendhimmels 'Ng ai nanjugi, die Wolken 'Ng ai nabor und den 
blauen, wolkenlosen Himmel 'Ng ai narok nennen. Es heisst dies wörtlich »der rote 
Gott«, »der weisse Gottt und »der schwarze Gott«, ist aber sinngemäss mit »das gött- 
liche Rot«, »das göttliche Weiss« und »das göttliche Schwarz« zu übersetzen, denn 
tatsächlich sehen die Leute in diesen Erscheinungen keine Götter, auch nichts 
Gott ähnliches oder gleich ihm zu verehrendes. Es sei hier noch erwähnt, dass 
Gott, der im gewöhnlichen Sprachgebrauch stets 'Ng ai heisst, in den nachher 
zu besprechenden Bittgesängen oft 'Ng ai narok oder Hai narok, d. h. der 
schwarze Gott, genannt wird. Die Masai selbst wissen keine Erklärung für 
diese sonderbaren Wortbildungen, und ich habe auch nichts von ihnen erfahren 
können, woraus sich eine Deutung ableiten liesse. 



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— 198 — 

Seltener als die obige Erklärung für die Sonne ist die, dass sie und der 
Mond Diener Gottes sind, denen die Beleuchtung der Erde obliegt Die Sonne 
gilt dabei als weiblich, der Mond als männlich, entsprechend ihrer Wortbildung 
eAg olon und ol aba. Dass diese Anschauung den Masai nicht eigentümlich 
ist, sondern von ihnen ziemlich kritiklos angenommen wurde, geht daraus her- 
vor, dass man auf eine Frage nach ihrem Grund, wenn überhaupt, so eine recht 
kindliche Antwort bekommt. »Die Sonne muss den ganzen Tag arbeiten, der 
Mond nur wenige Nachtstunden, folglich wird entsprechend der irdischen Arbeits- 
leistung die überlastete Sonne wohl eine Frau seinU Andere wieder lassen Sonne 
und Mond verheiratet sein; bald ist erstere der Mann, bald die Frau in dieser 
Ehe; sicher ist nur, dass beide hintereinander her nach Westen gehen, wo in 
den Wolken die gemeinsame Hütte steht Wo einem Volk die Tendenz zur 
Personifizierung von Naturerscheinungen eigentümlich ist, muss man erwarten, 
dass wenigstens über die wichtigsten und häutigsten feste Anschauunges be- 
stehen, und daher zeigt auch die Unsicherheit in jenen Erklärungen, dass 
es sich um etwas handelt, was die Masai annahmen, ohne Verständnis datiir 
zu haben. 

Das erstgeborene Kind 'Ng ais, das Mädchen Barsai, bringt den Menschen 
die grösste Wohltat, den Regen, und zeigt damit, dass Gott mit dem Tun 
und Treiben auf der Erde zufrieden ist. Sein ältester Sohn Ol gurugur ver- 
kündet durch Donner und Blitz, dass Gott den Menschen wegen ihres schlechten 
Betragens grollt und ermahnt sie zugleich zur Besserung. Ein Regenbogen ist 
das Zeichen, dass Gott mit dem Tun der Masai zufrftden und ihnen deshalb 
wohlgeneigt ist. Wind und Sturm sind das Schnauben des zürnenden Gottes. 
Hagel kündet kommenden Regen an. Eine Feuerkugel (Bolide) zeigt an, dass 
nun reichlich Regen fallen wird und die Leute vor Unglück, wie Viehseuchen 
und Pocken, verschont bleiben sollen. Dagegen bedeutet ein Komet Unglück, 
es wird Krankheit und Tod Menschen und Vieh befallen. Auf das Erscheinen 
eines sehr hellen Kometen in den achtziger Jahren folgte bald die grosse Vieh- 
seuche, Rinderpest und Lungenseuche. 

Die Milchstrasse ist der Weg, auf dem die Kinder 'Ng ais als helle Sterne 
wandeln. Von hier aus sehen sie dem Treiben der Menschheit zu und berichten 
Gott darüber. Andere Sterne sind seine Augen, ab und zu schnellt eins davon 
nach der Erde zu vor, um genauer zu sehen — eine Sternschnuppe. Die Venus, 
welche die Masai en kilegen nennen, kündigt durch besonders helles Leuchten 
Regen an. Die nubes minor und major sind zwei Seen, aus welchen die Rinder 
'Ng ais trinken. Die Plejaden ('A gokwa) zeigen durch ihr Aufgehen im Westen 
den Eintritt der nach ihnen benannten, grossen Regenzeit an. Im Orion bilden 
l und die zwei kleinen bei ihm stehenden Sterne ein Sternbild Namens 'h golia 
= die Witwen. Die Sterne 6, e, C, & und die zwei in einer Linie mit ihm 
stehenden kleinen Sterne bilden ein anderes Sternbild. In ihm sind S, e und C 
drei el moruo, welche im Begriff stehen, drei Witwen zu freien. Man nennt 



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— 199 — 

dies Sterabild 'n gapiak = die wiederverheirateten Witwen, im Gegensatz zu 
den drei 'A golia, welche allein stehen. Die beiden grossen Sterne im Centaur 
(o) orugo) und die vier Hauptsterne im südlichen Kreuz sind Knaben, die die 
Rinder 'Ng als, welche durch die kleinen Sterne der Milchstrasse dargestellt 
sind, hüten. Ein Hof um Sonne oder Mond kündet Regen an. Den auf einem 
Zug befindlichen Kriegern gilt die Erscheinung als reiche Beute verheissend. 
Wie sich Sonne oder Mond einen Kraal gemacht haben, so werden auch die 
Krieger unterwegs «nen solchen für das Beutevieh anlegen müssen.*) 

In Fällen von Not, Gefahr, Krankheit oder andern Heimsuchungen beten alle 
Leute 2u Golt, Sonst sprechen die Männer meistens nur bei besonderen Gelegen- 
heiten ein Gebet, während die Weiber t^lich früh und abends beten. Kinder beten 
in einigen Distrikten gar nicht, in andern beten nur die Mädchen, und wieder 
in andern lernen es alle Kinder im Alter von sechs bis acht Jahren, meist durch 
ihre Mutter. Beim Beten wendet man das Gesicht nach Norden, oder früh zur 
aufgehenden und abends zur untergehenden Sonne. Im Norden liegt sowohl 
die Urheimat der Masai, als auch das Paradies, wo die Seelen der Verstorbenen 
wohnen. Jedes Gebet beginnt in der Regel mit: 'Ng at pasinai oder 'Ng at 
atomono oder 'Ng ai atasaia, d. h. Lieber Gott, ich bitte, ich flehe. Daran an- 
schliessend dankt eine betende Frau 'Ng ai, dass er sie und die ihrigen be- 
schützt hat und bittet ihn weiter um Schutz, um Erhaltung und Mehrung des 
Viehs, sowie darum, ihr viele Kinder zu schenken. Während des Gebets streckt 
sie die Arme gen Himmel. Dabei hält sie in beiden Händen Grasbüschel oder 
nur ein solches in der linken Hand, während sie um den rechten Oberarm 
mehrere Halme gebunden hat. Bei jedem Gebet opfert die Frau für Gott ein 
wenig Milch. Entweder drückt sie aus ihrer eigenen — und zwar der rechten 
— Brust ein paar Tropfen, oder sie giesst aus einer Kürbisflasche etwas auf 
die Erde. Ein ähnliches Opfer bringt sie moi^ens und abends beim Melken 
dar, indem sie sowohl aus dem Euter, als aus dem Melkgefäss etwas Milch zur 
Erde fliessen lässL 

Wie schon erwähnt, beten Männer im allgemeinen nur selten. Eine Aus- 
nahme machen die zum El kiboron-Geachlecht gehörigen Verheirateten, die oft 
motgens und abends beten. Ob dies alle regelmässig tun, muss ich dahin- 
gestellt sein lassen, da ich von diesem kleinen und jetzt sehr zersplitterten Ge- 
schlecht nur wenig ältere Männer getroffen habe. Unter den andern verheirateten 
Männern gibt es auch einzelne, die jeden Moigen Gott bitten, sie und die 
ihrigen gesund zu erhalten, sowie ihnen recht viel Weiber, Kinder und Vieh zu 
geben. Doch sind dies Ausnahmen. In der Regel begnügen sie sich damit, 

'' FUr die HlmmelsKeeeaileD (e' lubot EäK ai ^ die Seiten Gotles) haben die Mnini fol^eBile 
BenenDuntccD : Norden = KSpeköb oder Kipekdb, «ai auch das Laod der Urheimat beieichnet. 
Süden = o' müroi, d.h. der Kampf; et Ist die Richtung, auf der die nach Süden wandeniden Muai 
immer neue Kampfe gegen die alt-aoiässlKen el msg lU bestehen halten. Osten ^ ent^ebunoto 
«Dg oloA = die Sonne kommt herauf. Westen ^ endoijeroto eög olon = die Sonne geht hinunter. 



=,doogIe 



moi^ns nach Verlassen der Hütte Gott durch mehrfaches Ausspucken in der 
Richtung nach Norden, manchmal auch in der Richtung nach der aufgehenden 
Sonne, zu begTiiS3«i. Das Gebet da älteren Männer lautet: 'Ng ai pasüul, 
tadjabage si nanu, njage e magilö = Lieber Gott, schütze auch mich, gib mir 
die KraftI Die jüngeren Männer, die Krieger, beten am Morgen, ehe sie zu 
einer Fleischmahlzeit in den Wald ziehen, und während derselben morgens und 
abends. Ferner beten sie auf dem Kriegszug täglich früh vor Abmarsch und 
abends nach Ankunft im Lager. Sie hocken dabei dicht zusammen, während 
ein Anführer (el aigwenani) und ein Wohltater ('n gamnin) durch die Gruppe 
gehen, die einzelnen mit den Halmen eines für Rinder geschätzten Futtei^rases 
bestreuen und das Gebet sprechen. Dieses lautet: 'Ng ai pasinai, jo ijök li 
gischu, jo ijok A gischu kumok, Aia ijok kilofia = Gott gib uns Rinder, gib uns 
viele Rinder, erhalte uns gesund. Beim Zusammentreiben des erbeuteten Viehs 
singen sie einen Lobgesang, der mit den Worten begannt: Hai narok, oho, Hai 
kindera Ije oh = schwarzer Gott, oho, wir eilen herbei, oh! 

Bei Krankheiten betet sowohl der Kranke, als auch seine Angehörigen für 
ihn um Gesundheit. In schweren Krankheitsfallen wird ein schwarzer Schaf- 
bock oder ein schwarzer Ochse geschlachtet, und ein Teil seines Blutes als 
Opfer für Gott auf den Fussboden gegossen. Ist die kranke Person ein alter 
Mann oder eine alte Frau mit zahlreicher Nachkommenschaft, so schlachtet man 
eine ebenfalls schwarze, trächtige Kuh, deren Kalb man für Gott ausserhalb 
des Kraals liegen lässt, nachdem der Ort ringsherum mit dem Fruchtwasser be- 
sprengt ist. 

Sowohl um Gott zu ehren, als auch gleichzeitig, um ihn um etwas zu bitten, 
feiern die Masai in etwa monatlichen Zwischenräumen Feste; meistens finden 
diese an mondhellen Abenden statt, seltener beginnen sie schon morgens oder 
am frühen Nachmittag. 

Eines der häufigsten ßittfcste (ol ogör = das Bittfest) ist das ol ogor 1 ol 
geretti, welches zu manchen Zeiten und in manchen Gegenden fast alle Monate, 
in andern in bedeutend grösseren Zwischenräumen, von den verheirateten Männern 
und den Knaben zusammen gefeiert wird, um Gott um Gesunderhaltung von 
Menschen und Vieh zu bitten. Im Kraal wird ein grosses Feuer aus trockenem 
Holz (vom Baume ol oirien) angezündet, worauf man frisches Holz mit Blättern 
(vom Baume os segi) ') wirft, damit eine starke Rauchentwicklung zu stände kommt. 
In das Feuer streut man ein Pulver aus Holz und Rinde von der ol mogoiigora- 
Liane, welches weihrauchartig riecht. Die dicke Rauchsäule steigt gen Himmel 
und bringt den Wohlgeruch zu Gott. Nun führt man einen grossen schwarzen 
Schafbock herbei, wäscht ihn sorgfältig mit Honigbier und bestreut ihn mit dem 
Pulver des Baumes e mataftguju. Dann wird er erstickt, abgezogen und zer- 
teilt Vom Fleisch isst jeder der Teilnehmer ein Stückchen, nachdem er es in 
der Asche geröstet hat. Ferner erhält er einen Streifen aus dem Fell, woraus 

') Cordia quarensiB Gürkc. 



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er daan Amulettringe, einen für sich, die andern für seine Ai^ebörigen, fertigt. 
Der Ring schützt den Träger vor Krankheiten jeder Art, Manner tragen ihn 
am rechten Mittelfinger, Weiber tn^en ihn an dem grossen spiralförmigen Hals- 
sdimuck aus Eisendraht. Während des Festes singen die Teilnehmer fortwährend : 
Hai narok, oho, Hai kindera ije, oh, 
Hai narok, oho, Hai indogo ijok oh! 

(Hai iad<^o ijok = Gott ernähre uns; aidog = das Vieh tränken.) 

Am folgenden Tag tragen die Weiber frischen Rindermtst auf die Asche 
und kneten daraus einen Brei, in den eine Medizin gemengt wird, die ein ol 
goiatiki hei|;estellt und herbeigebracht hat Mit diesen Vorbereitungen hat der 
zweite Teil des Bittfestes begonnen, den man ol ogor I ofi gischu, d. h. Bitt- 
fest für die Rinder, nennt. Unter denselben Gesängen wie oben streichen die 
Weiber die Medizin in Form von Strichen und Bogen auf das Vieh, und zwar 
den Kühen und weiblichen Schafen aufs Rückgrat, den männlichen Tieren und 
solchen weiblichen, welche noch nicht geworfen haben, auf die rechte Bauch- 
seite. Hiermit ist das Fest zu Ende. Die Ziegen werden nicht bestrichen, 
sondern schon vor dieser Zeremonie auf die Weide getrieben. Als Grund da- 
für geben die Masai an, dass 'Ng ai die Ziegen nicht leiden mag, weil sie das 
Schwänzchen nicht züchtig als Feigenblatt nach unten tragen. 

Ein anderes Bittfest wird nur von den verheirateten Frauen gefeiert, um 
Gott anzuflehen, ihnen Kinder zu schenken. Es heisst iruga 'Ng ai ol adjo, 
d. h. erhöre Gott das Wort In oder bei dem Kraal versammeln sich schon 
am Vormittag die Weiber, zusammen mit einem Zauberer (ol goiatiki), um den 
sie sich rings im Kreis aufstellen. Jede Frau erhält dann von ihm ein Amulett, 
das sie an die Hüftschnur des Fellschurzes hängt. Darauf besprengt er ihnen 
Kopf und Schultern mit einer Medizin, welche ausser Milch und Honigbier noch 
eins seiner Geheimmittcl enthält, wofür er mit einigen Schafen belohnt wird. 
Dann tanzen und singen die Weiber tagsüber unter einem Schattenbaum, nachts 
im Kraal bis der Morgen graut. In den Gesängen wiederholt sich fortwährend 
folgendes Gebet: 'Ng ai atasaia, 'j' oschii^e amon, kiamon ag' ije, kiamon efl 
gcra, eng olobi en aischo, d. h. Gott, ich flehe immer zu dir; ich bitte, wir bitten 
dich allein, wir bitten um Kinder, um Fruchtbarkeit für die unfruchtbare Frau. 

Während die Bittfeste meist an den es sobiai'n-Tagen (vom 18. bis 20. des 
Monats) abgehalten werden, findet oft am Tage des Neumonds ein gemein- 
sames Bittgebet, ol dogÖm, statt. Die Leute des Kraals versammeln sich abends 
und trinken aus einem Büffel- oder Rinderhom ein Gemisch, bestehend aus 
Milch, einer kalten Auslaugung von eA gaitetojaiZweigen (Commelina Merkeri . 
K. Seh.) und einen vom ol oiboni erhaltenen weissen Pulver, wobei sie das 
Gebet sprechen: 'Ng ai jo ijok ert gischon, jo ijok n gischu, jo ijok eii gera! 
d. h. Gott gib uns Wohlstand, Vieh und Kinder. Wenn in einem Monat ein 
grösseres Bittfest abgehalten werden soll, so geht diesem am ersten Monatstag 
immer das gemeinsame Bittfest voraus. 



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Stirbt einem noch nicht lange aus dem Kriegeratand (i^chiedenen ein 
kleines Kind, so steht er darin nicht selten die Strafe Gottes dafür, dass er 
bei einem früheren Zug eine Schwangere getötet hat, vorausgesetzt, dass er 
einmal ein Weib tötete, welches in diesen Umständen hätte sein können. Um 
Vei^ebung zu erlangen, opfert er Gott ein schwarzes, trächtiges Schaf und zwar 
dicht neben der Stelle, wo er damals die Tat beging. Bevor er das Tier tötet, 
betet er zu Gott, nennt den Zweck des Opfers und bittet um Verzeihung. Blut 
und Fruchtwasser (ert gepa) des Opfertieres, sowie Frucht und Uterus, beides 
zerstückelt, wirft er zur Siihnung seiner Untat auf den Platz, wo sie geschah. 
Von dem geschlachteten Tier nimmt er weder Fleisch noch Fell mit, sondern 
lässt alles liegen, wenn er nach beendetem Opfer wieder in seinen Kraal 
zurückkehrt. 

Das Geschlecht der El kiboron glaubt, dass die Knochen der begrabenen 
Leichen ihrer verheirateten Männer sich in Schlangen verwandeln. Sie töten 
daher nicht, wie die andern Masai, diese Tiere, sondern freuen sich über ihre 
Anwesenheit im Kraal und an den Hütten und setzen, sobald sich eine Schlange 
zeigt, eine flache Schale mit Milch und Honig als Nahrung für sie auf den 
Erdboden. Schlangen in und bei El kiboron-Kraalen sind nicht selten. Dass 
sie die El kiboron-Leute beissen, soll nie vorkommen, dagegen verwenden diese 
sie oft als Schreckmittel sowohl Masai, als Negern gegenüber. 

Teufel kennen die Masai nicht, wohl aber den — männlichen — Dämon 
'Ngnaunir, dessen Körper steinhart und daher unverwundbar ist, der den Kopf 
eines Raubtieres trägt und dessen Füsse mit Krallen bewehrt sind. Er lauert 
an den Pfaden und ruft die Passanten mit ihren Namen, um dann die Heran- 
kommenden zu zerreissen und aufzufressen. Den meisten Erwachsenen ist 'Ne- 
naunir nur ein Schreckwesen für unartige Kinder. »Geht nicht zu weit weg«, 
sagt die Mutter den Kindern, »sonst holt euch der 'Nenaunir.« 

Wenn ein Mensch dem andern . durch Zauberei Unglück, Krankheit oder 
Tod bringt, so wirkt lediglich eine der Zaubermedizin innewohnende Kraft, 
welche in der Zusammensetzung der Medizin begründet ist und durch das Her- 
sagen bestimmter Formeln, sowie die Ausführung besonderer Gebärden wirksam 
wird. Gegen die Wirkung eines von einem andern Masai gemachten Zaubers 
schützt der oben erwähnte Amulettring {ol geretti). Weiber, welche zum Ein- 
kauf von Vegetabilien in die benachbarten Landschaften fremder Stämme gehen, 
schützen sich vor deren Zaubereien noch besonders. Sie bestreichen Stirn und 
Backen mit Rindermist oder tragen um den Hals eine Schnur, auf welche kleine, 
gespaltene Stäbchen gereiht sind. Weitere Amulette, die ich fand, enthielten, 
in Leder eingenäht, ein Gemisch von Pflanzenmehl (von Holz, Wurzeln, Rinden), 
wonach sie benannt sind, und eine Geheimmedizin des ol goiatiki, der allein 
das Ganze so zubereiten kann, dass es wirksam ist. Er verkauft die Dinger 
ziemlich teuer. Das Legumojig-Amulctt wird von Weibern um den Hals ge- 
tragen und gilt als Empfängnis befördernd. Ein anderes von den bisher un- 



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— 203 — 

fruchtbaren Frauen geschätztes Mittel haben wir beim Knabenfest eA gebäta 
kennen gelernt. Das eA goguroi wird um die Fessel gebunden und schützt 
vor Erkrankung der Beine. Das ol durge'i' tragen Krieger zum Schutz gegen 
Zauber um Hals oder Handgelenk. Im Handgemenge wird das darin enthaltene 
Pulver auch gegen den Feind gestreut, worauf dieser zum Aufgeben des Wider- 
stands gezwungen werden soll. Das en jorre schützt den Ehemann vor dem 
Zorn seiner Frau, wenn er eine Torheit begangen hat, z. B. über das gewöhn- 
liche Mass hinaus auf Liebesabenteuer ausgegangen ist. Das Pulver dient auch 
als Liebeszauber, indem das Weib sich und den Mann damit bestreut, wodurch 
dessen Liebe zu ihr gesteigert wird. - Verliert eine Frau das erste Kind bald 
nach der Geburt, so hängt sie während ihrer folgenden Schwangerschaft in die 
Türöfihung ihrer Hütte ein Amulett auf, welches aus einigen auf ein Stückchen 
Leder genähten Kaurimuscheln und einem vom ol goiatiki gefertigten Säckchen 
mit Holzmehl besteht, um das erwartete Kind vor Krankheit und Tod zu 
schützen. Die vom ol goiatiki zur Herstellung seiner Zaubermedizinen bevor- 
zugten Pflanzen sind: en gaitetojai (Commelina Merkeri K. Seh.), ol kiogc 
(Court>onia virgata), en gujcne (Cyathula Merkeri Gilg), ol assassiai (Osyris 
tenuifolia), os segi (Cordia quarensis], ol debbe (Acacia Merkeri Harms), en 
gadardar (Ochna Merkeri Gilg). 

^A%emein verbreitet ist auch der Glaube an den bösen Blick, der Vieh 
und^Menschen krank macht. Ein mit dem bösen Blick behafteter (erta gonjek) 
darf sich nicht in der Nähe der Kraale sehen lassen. Er wird von allen Leuten 
äi^tlich gemieden und baut sich daher einen eigenen Kraal, in dem er mit 
seiner Familie allein wohnt. W:^ er es, einen fremden Kraal zu betreten, so 
muss er gewärdg sein, totgeschl^en zu werden. Erkrankt oder stirbt ein 
Mensch oder ein Stück Vieh plötzlich, ohne dass man sich dies durch natür- 
liche Ursachen erklären kann, so glaubt man oft, den Grund dafür im Tun 
eines bösen Zauberers (ol osukutoni) suchen zu müssen. Erst wenn ein solcher 
seit langem nicht in der Nähe war, (lihrt man 'das Unglück auf eine Strafe 
Gottes zurück. 

xxn. 

Recht, — Ueber Familien- und Pcnoneureclit vergl. i. Abachnltt II. IV um) XX. — VcrmSKiit»- 
recht — Fund. — Taaich beiw. Kauf. — Haftung di^r Verwandten für Schulden. Geschenk. — 
Strsfrecht. — Mord and Tottrhing, — Raclie. — K(im|ioii(loii. — Fahrlösil^ Tötung. — Korper- 
leileiinne verschiedenen Gnules. — Beihilfe. — Slttllclikei Li vorgehen. — Selbsimord, ~ Menschen- 
ranb. — Diebstahl. — Kriefrevermt. — Brandstiftung. — Feigheit im Krieg. — Todesstmle. — 
ßoMen. — Ehrenstrale der Krieger. — EntschSiliguDg unschuldig Angeklagter. — Geisteskranke. — 
Verwarnung. — Proicssrecht. — Insianseii. — BelBjiiel eines Straiiiroipsscs. — Ermittelung ite.s 
anbekannten Täters. — VerhaniUung. — Beteuerung der Walirhcll. — Tortur lur lirprcssuiij; der 
Wahrheit. — Goltesuneile zur Ermittelung der Wahrheit. — Zaubcreiv ergehen. — Keine inter- 
nationale V'crlolgnng von -Slmflalen, 

Rechtsbewusstsein und Rechtsverständnis sind bei den Masai sehr wenig 
entwickelt Es existieren daher nur eine geringe Anzahl gewohnheitsrechtlichcr 



ayCiOOglc 



— 204 — 

Bestimmungen, die durchaus nicht für alle Masat einheitiich sind, sondern in 
den verschiedenen Distrikten oft genug variieren. Als Nomaden, bei denen 
häufig einzelne Familien allein oder mit ihrer nächsten Verwandtschaft in einem 
Kraal Tür sich leben, ohne in grösserer Nahe Nachbarn zu haben, kommen sie 
mit weniger Gesetzen aus als ein anderer Stamm, deren zahlreiche Angehörige 
innerhalb bestimmt festUegender Grenzen dauernd in Ordnung und Frieden 
leben sollen. Im weiteren fiihrt das Nomadenleben schon an und für sich eine 
leichtere Lebensauffassung herbei, die sich gegen eine Bevormundung durch 
Gesetze sträubt und es oft vorzieht, Macht vor Recht gehen zu lassen. Um 
aber die grosse Inkonsequenz in den einzelnen Rechtsentschetdungen zu ver- 
stehen, muss man vor allem das Gefühl der Zusammengehörigkeit berücksichtigen, 
welches in der Familie am stärksten und im Stamm noch immer stark genXig ist, 
um von vornherein gegen jeden nicht zum Stamm Gehörigen sehr einzunehmen. 

Die das Familien- und Personenrecht betreffenden Fragen sind schon 
an anderer Stelle'} besprochen. Alle hierbei etwa entstehenden Streitigkeiten 
werden ohne förmliches Verfahren vom Familienoberhaupt entschieden. 

Das Vermögensrecht ist wenig ausgebildet. Bestimmungen in Bezug 
auf Grund und Boden gibt es nicht. Das Weideland des Distrikts ist Gemein- 
gut aller seiner Bewohner. Die Flächen sind so gross, dass fiir die Herde eines 
jeden mehr als genug Weide vorhanden ist. Das Eigentum gehört dem ein- 
zelnen Individuum, nicht der Familie gemeinsam. Eine verlorene Sache wird, 
wenn der Verlierer in der Nähe wohnt und bekannt ist, gegen eine Belohnung 
zurückgegeben (z. B. wirt) für einen gefundenen Speer als Finderlohn eine kleine 
Ziege oder ein Stuck Fleisch gezahlt). Im andern Fall nimmt sie der Finder 
an sich und es steht in seinem Belieben, ob er sie überhaupt jemals zuriicl^bt 
Ist eine gestohlene Sache verkauf^ so wird der Käufer Eigentümer, während 
sich der Bestohtene wegen Schadenersatzes an den Dieb zu halten hat Ge- 
fundenes Elfenbein wurde noch bis vor 30 bis 40 Jahren achUos liegen gelassen. 
Dann lernten die Masai diirch von der Küste kommende Karawanen seinen 
Wert schätzen und es bildete sich der Brauch, dass von den beiden Stoss- 
zähnen eines gefundenen Elefanten einer dem Finder gehört, der andere den 
in der Nähe wohnenden und dem Finder bekannten Genossen seines Geschlechts 
zukommt. Die Teilung unter die letzteren erfolgt durch Eintausch des Zahnes 
gegen Vieh bei einem Aufkäufer von Elfenbein. Unter einander tauschen die 
Masai nur Vieh gegen Vieh. Eine kleine Kuh bezahlt man mit einem fetten 
Schlachtochsen. Ein Esel kostete früher, als die Leute vor der Rinderpest 
noch ungeheure Rinderherden, aber weniger Esel hatten, zwei kleine Kühe, 
während er jetzt, nachdem sich das Verhältnis geändert hat, mit fUnf Ziegen 
bezahlt wird. Eine fette Ziege oder ein Schaf kauft man für ein zwei bis drei 
Monate altes männliches Kalb. Im Verkehr mit Karawanen usw. gelten als 

') \>r«l. 2. Abscboitl n, IV. XX. 



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— 205 — 

Tauschmittel nächst Vieh besonders Eisen-, Messing- und Kupferdraht, Glas- 
perlen, wie sie bei der Aufzählung des Schmucks schon erwähnt sind, und 
neuerdings hier und da auch bunte Tücher, besonders die unter den Suaheli- 
namen schiti, konguni und gamti bekannten Baumwollenstoffe. Das erstere 
bezeichnen die Masai als en aäga en djfire, d. h. Kriegstuch, weil sich die 
Krieger gern damit putzen, das konguru nennen sie en aAga bos, d. h. buntes 
Tuch, und das gamti ol garascha. 

Die Nachfrage nach den einzelnen Tauschwaren ist sehr verschieden. Zeit- 
weise bt der Bedarf an einer Sorte derartig gedeckt, dass sie entweder gar nicht 
oder nur weit unter ihrem Wert genommen wird. Entsprechend steigt oft der 
Wert einer andern Art durch die gesteigerte Nachfrage unverhältnismässig hoch. 
Ein langwieriges Hin- und Herreden geht jedem Tausch- oder Kaufgeschäft vor- 
aus. Zum Zeichen eines Abschlusses spuckt der Verkäufer auf das Objekt, 
Der Austausch erfolgt Zug um Zug; nur vertrauensumrdigen Bekannten gewährt 
man Kredit Die Gefahr der Sache geht bei Vieh erst am Tag nach dem 
Kauf, sonst sofort auf den Käufer über. * 

Der Gläubiger geht gegen den nichtzahlenden Schuldner zuerst mittels 
Klage vor und, wenn diese ohne Wirkung bleibt, verhilft er sich selbst durch 
Gewalt zu seinem Eigentum; vorausgesetzt, dass der Schuldner bequem zahlen 
kann, aber aus irgend einem Grund, meist einem solchen, der mit der Schuld 
nichts zu tun hat, nicht zahlen will: — ein Weg, der auch oft als einziger einge- 
schlagen wird. Erst bei seiner Verarmung wird der Gläubiger ernstlich drängend. 
Dann müssen bei Zahlungsunfähigheit des Schuldners dessen Brüder und Halb- 
bruder oder, wenn solche nicht vorluden oder nicht erreichbar sind, seine 
Vettern väterlicherseits zahlen. Ob jener oder diese zahlen, immer wird die 
Tilgung der Schuld so geregelt, dass dem Zahlenden kein erheblicher wirtschaft- 
licher Schaden entsteht. Der Gläubiger wird hierzu, wenn er auf das Arrange- 
ment nicht freiwillig eingeht, von der öffentlichen Meinung, die sich oft in Gewalt 
ausdrückt, gezwungen. Ein rücksichtsloses Eintreiben einer ausstehenden Schuld 
kommt eigentlich nie vor; der Gläubiger zeigt vielmehr wohl immer eine ausser- 
ordentliche Gutmütigkeit und Langmut und lässt sich oft jahrelang vertrösten 
oder wartet geduld^, bis der Schuldner oder sein Erbe in eine derartig gute 
Lage gekommen sind, dass ihnen die Tilgung der Schuld leicht wird. Es kommt 
auch vor, dass der Gläubiger sich eine Tochter des Schuldners nimmt und sie, 
nachdem sie im Dienste einer seiner Frauen das heiratsfähige Alter erreicht 
hat, heiratet. Da der Gläubiger auch in diesem Fall seinem Schwiegervater den 
Brautpreis bezahlt, bleibt die Schuld voll bestehen und das verwandtschaftliche 
Band macht ihre Tilgung nur sicherer. Der Erbe haftet für die vollen Schulden, 
nicht nur bis zur Höhe des ererbten Gutes. Haftete ein Bürge fiir die Schuld, 
so muss er bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners den Gläubiger befriedigen 
und wird dadurch selbst Gläubiger des Schuldners. Die Haftung des Bürgen 
hört nicht bei dessen Tod auf, sondern geht auf seinen Erben über. 



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— 206 — 

Die Nicbtannahme eines Geschenkes ist eine grobe Beleidigung gegen den 
Geber und kommt daher nie vor. Auf Schenkung folgt Gegenschenkung, aus- 
genommen, wenn das Geschenkte durch das ol momai = Gottesurteil erbeten 
wurde. In die Verlegenheit, so bitten zu müssen, kommt der Masai nur dann, 
wenn er sich z. B. auf einem Kriegszug weiter von seinem Heimatsdistrikt ent- 
fernt hat und in dem Kraal, wo er vorspricht, keinen Geschlecht^enossen an- 
trifft. Der Bittende hängt in der Hütte dessen, von welchem er ein Rind haben 
möchte, einen Schemel mit den Beinen nach oben an die Decke, oder er um- 
windet die Beine des Schemels oder auch einen B(^ea mit Gras. Diese Art 
ist dringender als die erstere, da die Bitte erfüllt werden muss, ehe das Gras 
vertrocknet ist. Das ol momai ist ein Gottesurteil. Wer auf das ol momai- 
Zeichen hin die dadurch ausgedrückte Bitte nicht erfüllt, den wird 'Ng ai bald 
durch Tod oder Krankheit strafen. Wer erst die Bitte erfüllte, nachdem das 
Gras vertrocknet war, lässt sich zu seiner eigenen Beruhigung durch eine Ver- 
sammlung von Greisen, die er mit einem Rind und Honigbier bewirtet, von der 
Schuld freisprechen. Man |laubt, dass durch Befolgung dieser Förmlichkeit und 
durch den Losspruch der Greise auch Gott die Sünde vergeben hat. Der Geber 
spuckt immer bei der Uebergabe eines Geschenkes auf dieses. 

Darlehen oder Verträge sind unbekannt Ein Recht auf den Leichnam 
des Schuldners hat der Gläubiger nicht; weder Schulden noch Vergehen oder 
Verbrechen, welche der Verstorbene beging, haben auf die Art seiner Bestat- 
tung Einfluss. 

Zwischen Mord und Totschlag wird kein Unterschied gemacht, wohl 
aber zwischen diesen und fahrlässiger Tötung. Ist der Mord an einem Knaben 
oder Krieger begangen, so wird er durch Blutrache gesühnt, welche von Knaben 
und Kriegern bezw. nur von Kriegern ausgeübt wird. In erster Ijnie ist jeder 
Bruder des Ermordeten zur Ausübung der Blutrache berechtigt, weiter überhaupt 
jeder zur Familie gehörige Mann. Die Blutrache geht zunächst gegen den 
Mörder oder, wenn dieser entflohen und nicht erreichbar ist, gegen seinen Bruder 
oder jeden Mann der Familie des Mörders, Meist wird die Blutrache durch 
Komposition (Wehrgeld} abgelöst, über deren Höhe der Mörder durch einen 
Freund mit dem Bluträcher verhandelt. Sie besteht in der Regel aus zwei- bis 
dreihundert Rindern — jetzt vielfach weniger — , welche der Mörder zusammen 
mit seinen Angehörigen und seinen in der Nähe, d. h. im selben Distrikt 
wohnenden Geschlechts- und Stammesgenossen zusammenbringt Es steht im 
freien Willen des Bluträchers, die Komposition anzunehmen oder abzuschlagen. 
Länger als ein bis zwei Monate nach dem Mord wird die Blutrache nicht aus- 
geübt, es tritt dann die Komposition an ihre Stelle. 

Als Asylstätte gilt der Kraal des ol oiboni. Hat der Mörder hier seine 
Tat gestanden, so darf die Blutrache nicht mehr an ihm ausgeübt werden, je- 
doch bleibt er zur Zahlung der Komposition verpflichtet. Der an einem ver- 
heirateten Mann, einem Mädchen oder Weib begangene Mord wird nie durch 



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— 207 — 

Blutrache, sondern durch eine Busse gesühnt. Bis zur Tilgung von Komposition 
oder Busse nennt man den Mörder ol oikobani (el oikob). Der Mord an einem 
Schmied ist straflos. Wenn dagegen ein Schmied einen Masai ermordet oder 
auch nur fahiiässig tötet, so zieht sofort ein Trupp Masai, bestehend aus ver- 
heirateten Männern, Kri^ern und Knaben aus, um mehrere Schmiede zu töten. 

Fahrlässige Tötung wird nur durch Bussen gesühnt. Diese sind sehr 
gering, wenn Täter und Getöteter zu einem Geschlecht gehören. Gehören sie 
verschiedenen Geschlechtem desselben Stammes an, so muss jeder Geschlechts- 
geno&se (Krieger, verheirateter Mann) und jede verheiratete Geschlecht^enossin 
eine Kuh zahlen. Von diesem Vieh erhält der Bruder des Getöteten die eine 
Hälfte, während die andere gleichmässig an seine Geschlechtsgenossea verteilt 
wird. Analog wird die Busse gezahlt und verteilt, wenn Täter und Getöteter 
zu verschiedenen Stämmen gehören. Tötet ein Weib einen Mann fahrlässig, 
so wird es in den meisten Distrikten auch getötet Tötete dagegen ein Mann 
ein Weib, so bleibt er entweder straflos oder wird vom Bruder der Getöteten 
geprügelt. In einigen Distrikten macht man keinen Unterschied, ob der Täter 
absichtlich oder fahrlässig handelte, z. B. in Loita, wo auch die Blutrache nur 
sehr selten angewendet wird. In diesen Landschaften verliert der Täter als 
Strafe für die Tötung oder Ermordung eines Mannes seinen gesamten Besitz: 
sein Vieh, seine Weiber und Kinder gehen auf den Erben des Verstorbenen 
über. Bei Tötung eines Weibes, welches noch kein Kind gebar, wird nur die 
Hälfte des Viehs des Täters dem Witwer übergeben. Für die Tötui^ eines 
Weibes, welches Kinder hat, zahlt der Täter ihrem Mann neunzehn Rinder und 
neunzehn Ziegen oder Schafe. Einige unterscheiden hierbei noch, ob die Ge- 
tötete einen Sohn oder eine Tochter hatte; im erstercn Fall ist die Busse 
grösser als im letzteren, 

Körperverletzung mit tödlichem Ausgang wird einem Mord gleichgeachtet, 
ebenso wie eine solche, die den Verlust eines Beines zur Folge hat. Wer 
einem andern einen Arm (in einigen Distrikten gilt dies nur vom rechten Arm) 
abschlägt oder gebrauchsunfähig macht, zahlt dem Verletzten eJn^e Rinder 
und später, in dem Fall, dass der Verstümmelte im Kampf getötet wird, noch 
die als Sühne für Mord übliche Busse. Man nimmt hierbei an, dass der Krüppel 
nur infolge seiner Kampfunfähigkeit getötet worden ist. Schwere Verwundung 
am Kopf wird mit Zahlung einer Kuh, eines Ochsen und eines Schafes, bei 
andern nur mit Zahlung einer Kuh gesühnt, Arm- und Beinbruch mit Zahlung 
von ein bis zwei Rindern, ebenso Bruch oder Verlust eines Fingers, mit Aus- 
nahme der beiden Zeigefinger' (os soguti hol oder ol osokutoni), die als Zauber- 
finger igefahrlich und schlecht« sind. Zerstörung eines Auges bleibt straflos. 
Wer einem andern ein Ohrläppchen abreisst, zahlt ihm dafür eine Ziege oder 
ein Schaf. 

Wer Beihilfe zu einem Verbrechen gegen Leben und Gesundheit leistet, 
wird gleich dem Täter bestraft. 



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— 208 — 

Notzucht, Abtreibung, widernatürliche Unzucht, die als Sodomie ■} vor- 
kommen soll, sind straflos. 

Wer Selbstmord versucht, muss in einigen Distrikten dem, der ihn an der 
Ausübung seines Vorhabens hinderte, ein Rind zahlen. 

Menschenraub und Verkauf kommt nicht vor. Diebstahl von Vieh fiilirt, 
wenn Dieb und Bestohlener verschiedenen, weiter auseinander liegenden Kraalen 
und gleichzeitig verschiedenen Stämmen angehören, oft zu einem Kampf. Unter 
Stammes- und Kraalgenossen wird der Diebstahl eines Rindes mit einer Busse 
bis zu zehn Rindern, der eines Schafes oder einer Ziege mit Zahlung eines 
Rindes gesühnt. Wer von dem gestohlenen Vieh, auch wenn er nicht wusste, 
dass es gestohlen war, mitgegessen hat, muss zur Zahlung der Busse beitr^en. 
Wenn das gestohlene Rind noch lebendig gefunden und dem Eigentümer zu- 
rückgegeben wird, so wirkt dies derartig strafmildernd, dass in den mdsten 
Fällen überhaupt keine Strafe eintritt. ') Wer zu einem Diebstahl Beihilfe leistet, 
zahlt die Hälfte der Busse, während der Dieb die andere Hälfte aufzubringen 
hat. Wer einen Speer stiehlt, muss ihn zurückgeben und bekommt als Strafe 
Prügel. Ist der Speer schon^ verkauft, ehe der Bestohlene den Dieb ausfind^ 
gemacht hat, so hat letzterer dem ersteren eine Kuh zu zahlen, während der 
Speer dem augenblicklichen Besitzer verbleibt. Diebstahl eines Schildes wird 
mit Zahlung einer weiblichen Ziege geahndet. Wer fremdes Vieh tötet, ohne 
es zu stehlen, muss Et^atz leisten. 

Auf Kriegsverrat und absichtlicher Brandstiftung steht Todesstrafe. Fahr- 
lässige Brandstiftung ist strafTret. 

Auf Feigheit im Krieg steht keine besondere Strafe. Die Krieger ver- 
spotten aber den Feigling vor den Mädchen und machen ihn in deren Augen 
lächerlich. Wer jemanden durch Zauberei krank macht, zahlt ein Rind an den 
Verzauberten. Stirbt dieser, so hat der Zauberer die für Mord geltende Busse 
zu zahlen und wird selber verjagt. 

Die Todesstrafe wird vollstreckt, indem sich ein Haufen Bewaffneter auf 
den wehrlosen Sünder stürzt und ihn mit Speeren tötet. Bei einem Kriegs- 
verräter wird die Exekution durch Krieger, bei einem Brandstifter durch die 
von ihm Geschädigten ausgeführt. Die Bussen werden meistens ratenweise be- 
zahlt. Im allgemeinen steht ihre Höhe für die einzelnen Straftaten nicht fest 
In der einen Landschaft gilt dies, in der andern jenes als Norm. Verminderte 
Zahlungsfähigkeit durch vorausgegangene Viehkrankheiten oder unglückliche 
Kriege erniedrigt auch naturgemäss die Busse. Haben ferner im Distrikt die 
Geschlechts- oder Stammesgenossen des Täters ein Uebergewicht an Zahl oder 

') cf. das auffallend häufige Verboi im I. Mo, 33,19; 3. Mo. 30,15; 3- ^°' '^-^Si 5- ^°- 17-'I- 

') i. Matt 22, I uml 4: So jemaml einen Ochsen stiehlt oder ein Schaf und schlachtet es 

oiJer verkauft es, so soll er fUnf StUck Riiiilvieh erstatten lUr den Ocliscn und vier Stflck Kleisrieh 

iiir das Schaf. Wenn das Gestohlone wirldich in seiner Hnn<l gefunden wlnt, vom Ochsen bit mm 

Esel, bis zum Scliaf, Icbeulli;. so soll er das doppelte erslnttru. 



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— 209 — 

Macht über die des Geschädigten, so sind die Bussen bedeutend geringer als 
im entgegengesetzten Fall; man bestraft dann oft Mord als fahrlässige Tötung, 
oder lässt ihn manchmal sogar ebenso wie andere Verbrechen oder Vergehen 
gan^ straflos. Unzurechnungsfähigkeit gilt in einigen Distrikten als strafmildernd, 
in andern nicht. Versuch ist straflos. Notwehr ist nicht strafmildernd. Eine 
Ehrenstrafe exibtiert nur fiir die Krieger und besteht darin, dass man dem 
Schuldigen die ZopfTrisur, bekanntlich eines der Abzeichen seines Standes, ab- 
schneidet. Am häufigsten soll diese Strafe fiir Notzucht, begangen an einer 
verheirateten Frau, eintreten, seltener auch als Nebenstrafe für Diebstahl. Un- 
schuldig Angeklagte werden mit einer Ziege oder einem Schaf entschädigt. 
Geisteskranke nehmen nur insoweit eine Ausnahmestellung im Rechtsleben 
ein, als sie Bussen nicht zahlen können. In den meisten Fällen haften dann 
ihre Angehörigen. Diese halten daher den Kranken, der zu Vergehen oder 
Verbrechen neigt, gefesselt. Häußg wird er auch, wenn es einem ol goiatiki 
nicht gelingt, ihn durch Zaubermittel zu heilen, in grösserer Entfernung vom 
Kraal an einen Baum gebunden, den Raubtieren zum Frass. 

Unbekannt im Strafrecht sind: Verschärfte Todesstrafe, z. B. Feuertod, der 
Grundsatz: Auge um Auge, die Anschauung, dass der Täter mit dem Körper- 
teil büssen müsse, mit dem er gesündigt hat, ferner Symbolismus, Freiheits- 
strafen, Versklavung, eine staatliche Geldstrafe neben der Komposition, staat- 
liche Geldstrafen überhaupt, ein Begnadigungsrecht 

Es erübrigt noch, auf eine strafgesetzliche Bestimmung, die allerdings nur 
für die Krieger besteht, hinzuweisen. Dass Beruf und Lebensweise der Krieger, 
denen in erster Linie rohe Kraft und Gewalt imponiert, nicht geeignet ist, der 
Entstehung eines Rowdytums vorzubeugen, liegt auf der Hand und wird von 
den t^lichen, mehr oder weniger groben Prügeleien unter einander bewiesen. 
Soweit diese zur Förderung des persönlichen Mutes nützlich erscheinen, sind 
sie straflos, für die mit Körperverletzung verbundenen gilt das oben gesagte. 
Bei den Prügeleien bedient man sich als Waffe eines Knüppels oder einer Keule 
und zur Parade des Schildes. Um den Gegner zu zwingen. Blosse zu geben, 
fuhrt man einen Schlag auf den den Schild haltenden linken Unterarm, und zwar 
nicht selten so stark, dass dieser zerschmettert wird. Wenn nun ein Krieger 
bereits mehrfach dem Gegner Knochenbrüche, besonders in der eben gedachten 
Weise beigebracht hat, so treten alle Krieger unter Vorsitz ihres ol aigwenani 
zusammen und erklären ihm, dass er vogetfrei sei, sobald er sich noch einmal 
an einer Prügelei beteilige; übertritt der Verwarnte dieses Verbot, so ist jeder 
Krieger des Kraals berechtigt, ihn zu töten. 

Das Prozessverfahren ist in Zivil- und in Strafsachen dasselbe; in beiden 
gibt es für die Leute einer Landschaft nur eine Instanz. Diese ist für die 
Krieger der Sprecher (ol aigwenani); Tür die älteren verheirateten Männer ein 
jedesmal zur Erledigung des gerade vorliegenden Falls von den Interessenten 
gewählter älterer, angesehener, d. h. reicher Mann. Bei Streitsachen zwischen 



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Kriegern verschiedener Kraale oder, was meist dasselbe ist, verschiedener Land- 
schaften, beraten und entscheiden die betreffenden Sprecher gemeinsam, ent- 
weder allein oder, wenn sie zu keiner definitiven Entscheidung kommen, unter 
Zuziehung eines ol aunoni, dessen Stimme dann den Ausschls^ gibt Bei 
Streitigkeiten unter den Verheirateten verschiedener Landschaften entscheidet 
ein gemischter Rat von Greisen. Als Revisionsinstanz kann man den ol oiboni 
betrachten, der indes nur in solchen Fällen, welche das Gemeinwohl betreflen, 
angerufen wird. Zu einem Zivilprozess kommt es nur bei Geltendmachung ver- 
mögens rech dich er Ansprüche, und auch dabei nur in den seltenen Fällen, in 
denen nicht die Selbsthilfe dem Rechtswege vorgezogen wird. Die Verfolgung 
einer Straftat tritt nicht von Amtswegen, vielmehr nur auf Grund einer vom 
Verletzten erhobenen Klage ein. Allgemein übUch ist eine gerichtliche Ver- 
handlung. 

Das Verfahren soll an dem Straffalle eines der häufig vorkommenden Vieh- 
diebstähle gezeigt werden. Angenommen, auf der Weide ist ein Ochse ge- 
stohlen worden. Hat der das Vieh hutende Knabe den Diebstahl beobachtet, 
so macht er dem Eigentümer der Herde (Vater oder Bruder des Hirten) abends 
bei der Heimkehr Mitteilung. Andernfalls bemerken die Weiber des Eigen- 
tümers beim Besichtigen des Viehs sofort den Verlust, da sie jedes Stück 
genau kennen. Die ganze Unterhaltung im Kraal dreht sich nur um den Dieb- 
stahl, und dadurch wird dieser noch am selben Abend nicht nur im eigenen 
Kraal, sondern auch in den benachbarten bekannt. Die Freunde des Bestohlenen 
erklären sich bereit, den Dieb zu verfolgen und das gestohlene Rind aufzu- 
stöbern. Führen die Nachforschungen zur Auffindung des Ochsens oder von 
Teilen desselben, so dass der Dieb überführt werden kann, so kommt es in 
der Regel nicht zur gerichtlichen Verhandlung, da sich der Täter und seine 
Mithelfer meist sofort zur Zahlung der üblichen Busse bereit erklären. Bleibeu 
die Nachforschungen dagegen ohne jeden Erfolg, so wendet sich der Bestohlene 
an einen Zauberer (ol goiatiki), der ihm auf Grund eines Orakels (eA gidon) 
eine Beschreibung des Aeusseren des Diebes gibt, worauf der Bestohlene einen 
Mann, auf welchen diese Beschreibung passt, des Diebstahls beschuldigt. Der 
so Beschuldigte tritt in die folgende Verhandlung als Angeklagter in derselben 
Weise, wie etwa ein durch Indizienbeweise Belasteter. Als Leiter der Ver- 
handlung sucht sich der Bestohlene einen angesehenen alten Mann, welcher 
früher einmal Sprecher der Krieger gewesen sein, muss, aus. Dieser bestimmt 
Tag und Ort der Verhandlung und lässt dies durch einen Ausrufer bekannt 
machen, der zu den benachbarten Kraalen geht, die Aufmerksamkeit durch 
Blasen auf einem Kuddu- oder Oryxhorn auf sich zieht und den herzu- 
kommenden Leuten mitteilt, um was es sich handelt. Ferner ladet der Richter 
Kläger, Angeklagten und eventuell Zeugen durch Boten. Verweigert der An- 
geklagte sein Erscheinen, so wird er durch Freunde des Klägers zwangsweise 
vorgeführt. Als Zeuge kann jeder erscheinen. Verwandte des Angeklagten 



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köDoen sowohl ihr Zeugais, als auch ihr Ersdielaen verweigern. Andere Zeugen, 
welche nicht erscheinen, werden durch Prügel von der Partei des Klägers be- 
straft. Die Verhandlung, an der nur männliche Individuen teilnehmen dürfen, 
findet in der Regel unter cineoi Schaltenbaume dicht bei dem Kraal, in welchem 
der Richter wohnt, statt. Jeder Ankommende hockt sich, nachdem er den 
Richter begrüsst hat, vor diesem auf den Erdboden. Sind die Geladenen und 
eine grössere Anzahl Zbbörer erschienen, so beginnt die Verhandlung. Der 
Richter erhebt sich und spricht folgendes Gebet: 'Ng ai dadjaba ijok, jo ijok 
e magUo, jo ijok h gischu = Gott schütze uns, er gebe uns Kraft und Vieh, 
worauf die Versammelten eha oder escha (er gebe) antworten. Darauf wird zur 
Sache verhandelt Kläger, Angekla^er und Zeugen werden nach einander ge- 
hört. Man beteuert die Wahrheit entweder durch das Wort ewai = wahrhaft^, 
aischa 'Ng ai fl gischu = sowahr mir Gott Vieh geben möchte, oder durch ver- 
schiedene Verwünschungen; maoa'Ngai bedeutet: Gott möge mich töten, wenn 
ich die Unwahrheit sage, maoa en abere = ein Speer möge mich töten, wenn 
ich lüge. Bei dieser letzteren Formel nimmt man mit der Speerspitze etwas 
Sand auf und bringt diesen auf die Zungenspitze. Eine andere Verwünschung 
besteht darin, dass man ein paar Grashalme zerbcisst und dabei die Worte 
spricht: mada duarigi kuna ü gonjet ten eledjer ata 'Ng ai, d. h. dies Gras 
werde mir Gift, wenn ich vor Gott gelogen habe. 

Zur Erpressung der Wahrheit ist eine Tortur üblich, tena en obint, d. h. 
binde die Schnur! Man schnürt dem Angeklagten die Sehne eines Bogens so 
fest um den Oberarm, dass sie ins Fleisch einschneidet. Gehngt es durch die 
Aussagen nicht, den Angeklagten zu überfuhren, und kann dieser auch seine 
Unschuld nicht durch einen Alibi-Beweis dartun, so wird ein Gottesurteil ange- 
wandt. Das häufigste ist das ol momai I os sarge, d. h. das Gottesurteil des 
Blutes. Der Angeklagte erhält eine Schale mit einem Gemisch aus Blut und 
Milch. Ehe er trinkt, spricht er die Worte: 'Ng ai a-ok eile sarge, tena nanu 
ajawa ena getefi, nafa eile sarge, d. h. Gott, ich trinke dieses Blut, wenn ich 
jenes Rind genommen habe, wird mich dieses Blut töten. Stirbt der Angeklagte 
nach acht bis vierzehn Tagen nicht, so ist dadurch der Beweis seiner Unschuld 
erbracht. Ein anderes Gottesurteil ist das ol momai I en jerta natoijo, d. h. 
das Gottesurteil des trockenen Holzes. Man überreicht dem Angeklagten einen 
frischen grünen und einen vertrockneten Zweig. Durch Annahme derselben 
ladet er im Fall seiner Schuld Gottes Strafe auf sich. Er wird dann bald ebenso 
tot sein wie der trockene Ast, während er andernfalls frisch und gesund 
bleibt, wie es der grüne noch ist. Seltener ist das ol momai I en gauo, das 
Gottesurteil des Bogens. Man legt einen Bogen auf die Erde und stellt an 
jedes seiner Enden ein Zauberhorn. Es ist das ein Ziegenhom, welches mit 
einer von einem Zauberer gemachten Medizin gefüllt ist. Sobald der Angeklagte 
über den Bogen hinweggeschritten ist, ist er im Falle seiner Schuld der Strafe 
Gottes, d. h. hier dem Tod, verfallen. Die Wirkung der Gottesurteile beruht 



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auf dem festen Glauben daran. Der Schuldige ist überzeugt, dass ihn die 
Strafe Gottes treffen muss. Er bildet sich ein, krank zu sein und sieht seine 
Rettung nur noch in einem offenen Geständnis. Er geht zum Bestohlenen, 
beichtet ihm seine Tat, zahlt die übliche Busse und bittet um Verzeihung. Nur 
durch Erlangung der letzteren kann er den Folgen des falschen Schwures ent- 
gehen. Der Bestohlene muss in diesem Fall — will er nicht selbst eine Strafe 
Gottes auf sich laden — die Verzeihung gewähren und tut dies durch Worte 
und Ausspucken, wodurch gleichzeitig eine Freundschaft zwischen beiden ein- 
geleitet wird. Ausser den erwähnten Gottesurteilen gibt es noch zwei, welche 
nicht von Verwünschungen begleitet sind. Das ol momai I ol origa I en gulu- 
gok oder ol momai 1 ol origa I eA gob = das Gottesurteil des Schemels aus 
Erde. Der Angeklagte muss sich auf einen besonders gefertigten Erdkloss 
setzen. Zerbröckelt dieser unter ihm, so gilt er als schuldig. Das andere, das 
ol momai I efi gine (der Ziege), wird nur angewendet, wenn der Angeklagte 
ein Nicht-Masai ist. Der Angeklagte nimmt stehend eine Ziege zwischen die 
Beine und schneidet ihr ein Ohr ab. Bespritzt ihn dabei das aus dem Schnitt 
kommende Blut, so ist er schuldig. 

Ob und welches ol momai angewendet wird, entscheidet die Mehrheit der 
Versammlung. Der Beschuldigte muss steh dem Gottesurteil unterziehen, und 
zwar nur er allein Einen Stellvertreter kann er dazu nicht stellen. Gegen 
Zeugen und Kläger kommt es nie zur Anwendung. Das Gottesurteil bildet 
immer den Schluss der Sitzung, die der Vorsitzende danp mit demselben Gebet 
aufhebt, mit dem er sie eingeleitet hatte. 

Hat das Gottesurteil innerhalb zehn bis vierzehn Tagen dem Angeklagten 
keinen Schaden getan, so ist er von dem Verdacht vollständig gereinigt. Der 
Bestohlene wendet sich an einen Zauberer (hatte man sich schon zur ersten 
Verhandlung an einen solchen gewendet, so geht man nun zu einem andern), der 
wieder durch das eA gidoA eine Beschreibung des Schuldigen gibt. Sobald der 
Beschriebene gefunden ist, wird gegen ihn verhandelt. 

Auch Frauen sind klageberechtigt. Zeugenbeweis gilt nur, soweit die zur 
Verhandlung Versammelten sich davon überzeugen lassen wollen. 

Das Verbrechen der Zauberei wird nur selten in einer Gerichtsversammlung 
behandelt. Meist zieht es der Verzauberte vor, nachdem er durch einen ol 
goiatiki den Namen des Verzauberers erfahren hat, diesen durch Geschenke zu 
veranlassen, ihn wieder gesund zu zaubern. Darauf schliessen beide Freund- 
schaft oder aber — und dies passiert nicht selten — der Verzauberte tötet nun 
seinen Gegner, \md zwar ohne dadurch die Blutrache auf sich zu laden. 

Geheimbünde zum Zweck der Rechtsverwirklichung oder zu andern 
Zwecken gibt es nicht. Bahrprobe oder die Meinung, dass der Tote den 
Mörder im Traum kundgibt, sind unbekannt. 

Mit andern Volkern leben die Masai nicht in einem derartigen Verhältnis, 
dass jene eine Sühne für Ermordung oder ein anderes Verbrechen oder Ver- 



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-- 213 — 

gehen, begangen von einem Masai an einem Nicht-Masai, fordern oder erbitten 
könnten. Die Tat bleibt in diesem Fall also ungesUhnt, während die Masai, 
wenn die Tat an einem der ihrigen begangen ist, in der Regel Vergeltung üben. 
Ob der von einem Masai an einem Asä oder einem ol Kuafi begangene Mord 
gesühnt wird, hängt in jedem Fall von dem grösseren oder geringeren Grad 
des freundschaftlichen Verhältnisses ab, welches zwischen den Gemeinschaften 
des Mörders und des Ermordeten besteht In den meisten Fallen wird eine 
Sühne unterbleiben, während, wenn der Geschädigte ein Masai Ist, seine 
Stammesgenossen mit Krieg antworten werden. 



ErzähluDgeo; Löwe und IchDcumoD. — Hyine und Schnkol. — Hyäne, SchaL-ü und UnKclieucr. — 

Der mcngthenfregMiidp Stier. — Der iclilaue Alte. — Der be»onite Vater, — Da» Wild. — Die 

Strafe Golle». — Sprichwörter. 

Erzftbluageo. 

Löwe und Ichneumon. 
In alter Zeit lebten Menschen und Tiere friedlich nebeneinander, nur der 
Löwe stiftete durch Streit ab und zu Unfrieden. Dies wurde immer äi^er; fast 
jeden Tag wurde ein Kind oder ein Tier vermisst und war nicht wieder zu 
finden. Niemand wusste, wo die Verschwundenen geblieben waren. Da sah 
eines Tages ein Ichneumon aus seinem Erdloch, wie der Lowe mit einem Kind 
im Rachen ankam, sich in der Nähe niederliess und seinen Raub verzehrte. 
Menschen und Tiere waren mittlerweile durch das unerklärliche Verschwinden 
ihrer Kinder derart beunruhigt, dass man eine grosse Versammlung berief. Der 
Löwe fürchtete nicht, dass seine Schandtaten bekannt werden würden, denn 
selbst, wenn er dabei beobachtet worden wäre, würde doch niemand wagen, 
ihn, den Mächtigen und Gewaltigen, anzuklagen. Als alle versammelt waren, 
richtete ein alter Mann an die Versammlung die Frage, ob jemand wisse, wer 
der Uebeltäter sei. Alle schwiegen, bis sich plötzlich das feine Stimmchen des 
Ichneumons vernehmen liess. ilch weiss es«, rief es, worauf alle Anwesenden 
es mit Fragen bestürmten. Doch das Ichneumon antwortete: »Ich bin so klein, 
dass mich nicht alle hören würden, wenn ich spräche; lasst uns an jenen 
Termitenhügel gehen, ich will hinaufsteigen und euch dann den Schuldigen 
nennen.« Damit sprang es voraus und alte folgten. In der vordersten Reihe 
der Umstehenden hatte sich der Löwe aufgestellt und sah das Ichneumon mit 
drohendem Blick an, damit es schweigen solle. Doch dieses liess sich nicht 
beirren und rief: »Der Uebeltäter ist der Löwe * Kaum waren die Worte ge- 
sprochen, als der Löwe sich auf das Tierchen stürzte, doch dieses war bereits 



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— 214 — 

in einem Loch des Termitenhaufens verschwunden. Durch seine Wut hatte der 
Löwe gezeigt, dass er wirklich der Schuldige war. Elefant und Nashorn stürzten 
sich auf ihn, ehe er entfliehen konnte, und töteten ihn. 

Hyäne und Schakal. 
Eine Hyäne und ein Schakal lebten als Freunde zusammen in einem Kraal, 
Jeder von ihnen hatte Rinder, die Hyäne viel, der Schakal weniger. Abwechselnd 
hütete einer von ihnen die ganze Herde, und an den Tagen, an welchen die 
Hyäne beim Vieh war, verschwand jedesmal ein Rind des Schakals. Als die 
Hyäne das letzte seiner Rinder gefressen hatte, kam sie weinend nach Hause 
und sagte: »Als ich die Herde zur Tränke führte, verschwanden plötzlich deine 
Rinder im Wasser.* Der Schakal forderte, ungläubig, die Hyäne auf, ihm die 
Stelle zu zeigen. Diese führte ihn an das Ufer eines Teiches, in welches sie 
die Schwänze der gefressenen Rinder gesteckt hatte, und sagte: »Sieh her, die 
Schwänze deiner Rinder ragen noch heraus.* Da wollte der Schakal die Rinder 
wieder aus der Erde herausziehen; er zog an den Schwänzen; einen nach dem 
andern zog er heraus. Da sagte die Hyäne: >Die Rinder stecken zu tief, du 
hast ihnen die Schwänze abgerissen.* Der Schakal tat, als ob er es glaubte, 
da er sich vor der Hyäne fürchtete. Nun frass diese täglich eins ihrer eigenen 
Rinder, während der Schakal ausgegangen war, um für sich andere zu kaufen. 
Als er mit einer Kuh zurückkam, hatte die Hyäne nur noch einen Ochsen. Am 
folgenden Tage, während sie beide Tiere weidete, warf die Kuh ein Kalb. 
Abends zu Haus angekommen, erzählte die Hyäne dem Schakal, durch dessen 
scheinbare Leichtgläubigkeit dreist geworden, dass dies Kalb ihr gehöre, da es 
ihr Ochse geworfen hätte. iKönnen Ochsen Kälber zur Welt bringen? Ich weiss 
nur, dass dies die Kühe tun«, warf der Schakal ungläubig ein. Die Hyäne er- 
widerte: >Gibt nicht Gott den Kühen die Kälber.' Kann Gott nicht alles? Kann 
Gott nicht auch den Ochsen Kälber geben? Wenn du mir nicht glaubst, so 
wollen wir alle Tiere zusammenrufen, die unsem Streit schlichten sollen* Da- 
mit erklärte sich der Schakal einverstanden. Die Hyäne rief nun die grossen 
Tiere herbei, der Schakal die kleinen. Von diesen setzten sich die 
Vögel in das Laub des Baumes, unter dem die Beratung stattfinden sollte, 
während Schlangen und ähnliches Getier in die Löcher an seinen Wurzeln 
krochen. Der Schakal sagte nun zum Elefant: »Elefant, du bist das grösstc 
Tier und kannst am tautesten schreien. Schreie nach den Wolken und frage 
Gott, wem das Kalb gehört Gott wird dich hören, er ist überall, also auch 
oben über uns * Der Elefant schrie, und ein im Geäst versteckter kleiner Vogel 
antwortete: >Das Kalb gehört dem Schakal.* Daraufsagte dieser wieder: »Ele- 
fant, schreie nun auch nach unten, Gott ist überall, also auch in der Erde!« 
Der Elefant tat, um was er gebeten war, und eine versteckte Schlange antwortete: 
»Das Kalb gehört dem Schakal.« Diesem wurde nun von allen Tieren das 
Kalb zugesprochen, weil es ihm Gott zugesprochen hatte. 



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Der zweite Teil, in dem ein schwaches Tier ein mächtigeres überlistet, 
wiederholt sich in mehreren Fabeln. 

Hyäne, Schakal und Ungeheuer. 

Eine Hyäne und ein Schakal lebten als Freunde in einem Kraal zusammen. 
Jeden Abend gingen beide auf Raub aus. Die Hyäne kam erst immer mit 
Tagesanbruch und meistens noch hungrig nach Hause, während der Schakal 
schon nach wenigen Stunden vollgefressen zurückkehrte. Die Hyäne wollte 
nun den Ort, wo es solche reiche Atzung gebe, wissen und fragte den Schakal 
danach. Dieser erwiderte: >Ich suche mir allabendlich einen Aschehaufen und 
reibe das Maul darin, daher werde ich so schnell satt und fett.« In WirkUch- 
keit hatte der Schakal aber eines Tages ein Ungeheuer (en dlamassi oder tia- 
massi) getroffen, das Menschen und Tiere verschlingt. Er war ihm nach- 
geschlichen und hatte beobachtet, wie sich eine Felswand, an der es angekommen, 
auf seinen Ruf: >Stein, tue dich auf* (os soid boUo), öffnete, worauf das Un- 
geheuer im Fels verschwand und sich dieser hinter ihm wieder schloss. Dann 
hatte sich der Schakal in der Nähe auf die Lauer gelegt, und nachdem das Un- 
geheuer wieder angegangen war, rief er: >Stein, tue dich auf.i Als sich der 
Fels geöffnet hatte, ging der Schakal hinein und fand eine grosse Höhle, in der 
riesige Haufen von Fleisch und Knochen lagen. Nun ging er täglich hieiiier, 
wo er sich ebenso schneit wie mühelos sättigen konnte. 

Die Hyäne war seinem Rat gefolgt und kehrte mit einem von Asche 
weiss gefärbten Maul zurück. Gesättigt fühlte sie sich nicht, wohl aber war sie 
durch ihr Aussehen zum Spott der andern Tiere geworden. Dadurch wurde 
im Schakal das Mitleid wach; er nahm sie am Abend mit und führte sie in 
jene Höhle. Als er satt war, forderte er die Hyäne auf, mit ihm nach Hause 
zu gehen, doch diese wollte noch nicht Er sagte ihr daher die Formel, wo- 
durch sie den Fels öffnen könne. Die Hyäne war aber so eifrig mit Fressen 
beschäftigt, dass sie nur halb hinhörte, und als auch sie dann gehen wollte, 
wusste sie das Zauberwort nicht. Bald darauf kam das Ungeheuer nach Haus 
und war sehr erstaunt, die Hyäne zu finden. Diese erzählte ihm, wie sie her- 
eingekommen war. Das Ungeheuer antwortete ihr, sie könne bleiben, müsse 
ihm aber dienen, sie solle in seiner Abwesenheit Knochen zerbelssen und mit 
deren Mark sein Kind, das hinten in der Höhle liege, füttern. Als die Hyäne 
dann den ersten Knochen zerbrach, sprang ein Splitter davon dem Kind an den 
Kopf und blieb darin stecken. Sie wollte ihn schnell herausziehen, stiess ihn 
aber aus Unachtsamkeit noch tiefer hinein, so dass das Kind starb. Das alte 
Ungeheuer fragte bei der Rückkehr sofort; »Wo ist mein Kind?« Die Hyäne 
antwortete: >Es schläft.« »Bringe es zu mir« befahl das Ungeheuer, und als 
die Hyäne Ausflüchte machte und sagte: »Wenn man es weckt, wird es sterben«, 
ging die Alte selbst sehen und fand, dass es tot war. Nun band sie die Hyäne 
an einen Baum und ging dann fort, um einen Stock zu holen und die Mörderin 



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— 2l6 — 

ihres Kindes zu prügeln. Diese schrie aber so, dass alle Hyänen herzugelaufen 
kamen. Eine von ihnen fragte: »Warum bist du angebunden und wer tat es?* 
Sie antwortete: >Ich wohne bei einem Ungeheuer, das mir zu viel Fleisch zum 
Fressen gibt; den ganzen Tag habe ich gefressen, und jetzt sollte ich noch 
einen grossen Topf mit Fett trinken. Als ich dies nicht wollte, band es mich 
hier an, gleich wird es mit dem Fetttopf kommen.« Die andere erwiderte 
darauf: >Ich habe schon seit langer Zeit kein Fett bekommen, ich werde dich 
losbinden, binde du mich dann an deiner Stelle an.( Gesagt, getan. Als das 
Ungeheuer mit dem Stock zurückkam, prügelte es die fremde Hyäne, Hess aber 
davon ab, als sie das inzwischen geschehene erklärt hatte, und nahm sie freund- 
lich auf. Einige Tage später schlachtete das Ungeheuer viele Rinder zu einem 
grossen Fest, zu dem alle Hyänen eingeladen waren. Nachdem sie sich voll- 
gefressen hatten und das Ungeheuer sich als liebenswürdiger Wirt gezeigt hatte, 
sagte es freundlich lächelnd: >Ich hatte eine von euch als mein Kind aufge- 
nommen, sie ist entlaufen und hat diese an ihrer Stelle zurückgelassen. Wenn 
ich auch diese hier sehr liebe, so sehne ich mich doch nach jener und möchte 
sie wieder zu mir nehmen.« Darauf s^türzte die andere Hyäne vor und rief: 
»Mutter, hier bin ich!« Das Ungeheuer ergriff sie, führte sie in die Höhle und 
tötete sie dort. 

Der menschenfressende Stier. 
Die grösste Kuh im Kraal warf ein männliches Kalb. Durch seine schone 
Färbung (es war weiss, schwarz und rotbraun gescheckt) zog es die Aufmerk- 
samkeit aller auf sich. Als man aber die Kuh melkte, wurden die Hände der 
Melkweiber krank davon. Alle Weiber im Kraal versuchten es der Reihe nach, 
doch keine wollte ein zweites Mal die Kuh melken. So bekam das Kalb die 
ganze Milch seiner Mutter und wurde grösser und stärker als die andern Kälber. 
Es zeigte auch, nachdem es ausgewachsen war, eine seltene Zutraulichkeit, 
immer drängte es an die Hirten heran und die Kinder spielten mit Vorliebe 
um den schönen gescheckten Stier herum. Als sie eines Tages Verstecken 
spielten, wurde das Kind, welches die andern nachher suchen sollte, hinter 
jenen Stier gestellt. Doch vergebens warteten die versteckten Kinder auf das 
suchende. Schliesslich gingen sie nachsehen, aber fanden es nicht. Sie fragten 
den Stier und dieser antwortete: »Es ist nach Haus gegangen.« Dort suchten 
die Kinder dann weiter, doch auch ohne Erfolg. Ein alter Mann hatte die 
Herde von weitem beobachtet und gesehen, dass dfer Stier das Kind ver- 
schlungen hatte. Er lief in den Kraal und erzählte den Leuten, dass jener 
Stier in Wahrheit ein Ungeheuer (en diamassi) sei und eben ein Kind gefressen 
habe. Sie beschlossen daher, sofort umzuziehen und den Stier zurückzulassen. 
Nachts packten sie ihre Habe auf die Esel und zogen heimlich fort, den 
schlafenden Stier mit sechs um ihn liegenden Rindern zurücklassend. Am 
Morgen kamen acht fremde Krieger an den verlassenen Kraal und wollten sich 
in die Rinder teilen, doch da nur sieben vorhanden waren, wurde der Stier 



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— 217 - 

zwei Brüdern zugesprochen. Der jüngere von beiden war ganz besonders ent- 
zückt von dem schönen Tier und wich auf dem Marsch nicht von seiner Seite. 
Plötzlich hörte er, wie der Stier zwischen dem Brüllen immer sagte: »acht, 
acht, acht.* Das wurde ihm unheimUch, er meinte, der' Stier sei ein Ungeheuer, 
er habe die Krieger eben gezahlt und freue sich darauf, acht Menschen heute 
Nacht verspeisen zu können. Seine Vermutung teilte er den andern mit, doch 
diese verspotteten ihn, den jüngsten, der sich aus Furcht unmögliche Dinge 
einbilde. Nachdem sie gegen Abend in ihrem Kraal angekommen waren, 
l^en sich alle acht in eine Hütte zum Schlafen. Nachts rieb sich der Stier 
an der Hüttenwand, worauf einer der Krieger herausging, um ihn fortzuscheuchen. 
Nach einer kleinen Weile rieb sich der Stier wieder; ein zweiter ging heraus, 
und so fort, bis nur die beiden Brüder in der Hüite zurückblieben. Als sich 
der Stier wieder scheuerte, wollte der ältere von ihnen heraus. Der jüngere 
warnte ihn und sagte: »Der Stier ist ein Ungeheuer, er hat die andern ge- 
fressen und wird dich auch fressen, wenn du zu ihm gehst.» Doch der ältere 
glaubte ihm nicht, sondern ging und kehrte ebensowenig zurück, wie die andern. 
Nun machte der jüngere in die Aussenwand der Hütte ein Loch und entkam 
so. Er hef zu einem andern Kraal und holte viele Krieger herbei. Diese um- 
stellten den Stier, warfen ihre Speere und Schwerter auf ihn. In seiner Angst 
rief der Stier: »Tötet mich nicht, schneidet mir nur den Schwanz ab, dann 
werden die Verschlungenen aus meinem Leib herauskommen.« Die Krieger 
töteten ihn aber doch und schnitten ihn sorgfältig auf. Da kamen die sieben 
Krieger, die er in der Nacht gefressen hatte, heraus; das Kind aber, welches er 
zuerst verschlungen hatte, war bereits tot. 

Der schlaue Alte. 
Ein alter Mann besass eine grosse Ziegenherde, die er täglich selbst 
hütete. Seine Ziegen waren die fettesten weit und breit. Sie erregten den 
Neid aller fremden Leute, doch keinem von ihnen war es gelungen, den Alten 
zum Verkauf eines der Tiere zu überreden. Auch halte es seine Wachsamkeit 
unmöglich gemacht, dass ihm eine seiner Ziegen gestohlen wurde. Eines Tages 
verabredeten die Krieger eines Nachbarkraals, ihm ein paar Stücke zu stehlen. 
Dort, wo der Alte die Herde täglich vorbeitrieb, befanden sich mehrere von 
Wildschweinen gewühlte Löcher, In jedes von diesen kroch einer und deckte 
sich darauf mit Gras zu. Das Auge des Alten hatte sie aber bald erspäht. 
Lächelnd rief er ihnen zu: »Meine Kinder, kommt und helft mir altem Mann 
die Herde zusammentreiben.« Da standen sie auf und halfen ihm. Beschämt 
durch die List des Greises, beschlossen sie, ihn dazu zu bewegen, sich einen 
Moment umzudrehen, worauf sie ihn durch einen Schlag mit der Keule ins 
Genick betäuben wollten. Hierzu fanden sie sich am folgenden Tag bei ihm 
auf der Weide ein. Einer von ihnen knüpfte ein Gespräch mit ihm an, drehte 
sich dann plötzhch um und fragte den Alten: »Was frisst denn jener Vogel 



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— 2l8 — 

dort hinteni'« iDort?! fragte der Greis und zeigte, ohne sich umzudrehen, mit 
dem Stock nach hinten, >Ich weiss es nicht!« »Drehe dich doch um<, sagte 
der Krieger; doch der Alte erwiderte mit schlauem Lächeln: >Nein, sonst frisst 
mich der Vogel. auch.' Sie wollten es nun mit einem nächtlichen Einbruch 
versuchen. Einer von ihnen schlich sich dazu nachts in den Kraal des Greises, 
wo dieser bei seinen Ziegen Wache hielt Als er gerade einige Ziegen weg- 
bringen wollte, sah er den Alten mit gespanntem Bogen daliegen und fürchtete 
für den nächsten Moment den Pfeil. Er sdirie daher um Gnade. Nun erst 
erwachte der Alte, der mit Bogen und Pfeil in der Hand geschlafen hatte. 
Wieder zog der Krieger erfolglos und beschämt ab; wieder sahen sich die 
Jut^en Überlistet und dadurch beschämt. Mit List war dem Alten nicht bei- 
zukommen, das war ihnen nun k\ax geworden. Sie wollten daher zur Gewalt 
übergehen und ihn ermorden. Als er sie am folgenden Tag kommen sah, 
rief er ihnen zu: »Meine Kinder, ihr werdet hungrig sein, seht hier, diese zwei 
Ziegen sind besonders fett, nehmt sie und schlachtet sie gleich.« Ueberwunden 
durch diese Freundlichkeit, gaben sie ihren Plan auf, machten sich vielmehr 
sofort daran, die Ziegen zu verzehren. Während dessen trieb der Alte seine 
Herde mit langgezogenen üi-Rufen an (diese braucht man sonst nicht beim Hüten, 
sondern nur, um Leute herbeizurufen). Erstaunt darüber, fragten ihn die Kri^r, 
wen er rufe. Er antwortete: »Niemanden, dies ist mein Hütenif, dem ich es 
verdanke, dass meine Ziegen fetter sind, als die anderer.« Die Krieger glaubten 
ihm und vertieften sich beruhigt wieder in ihre Mahlzeit Plötzlich aber stürzten 
sich die auf die Rufe des Alten herbeigeeilten Leute auf sie und machten sie 
nieder. 

Der besorgte Vater. 

Die Krieger einer Wakuah-Ansiedlung wollten gegen die Masai zu Felde 
ziehen und sandten dazu Spione voraus. Diese kamen mit der Meldung zurück, 
sie hätten einen ol bul-Ptatz gefunden, auf dem Wurzeln des ol ofiorua-Baumes 
lägen. Hieraus schlössen sie, dass die Masai sich augenblicklich nur von Wurzeln 
nährten und deshalb sehr geschwächt sein müssten. Ein alter Mann aber belehrte 
sie und sagte ihnen, dass die Masai-Krieger gerade durch diese Wurzeln, welche 
sie mit Fleisch zusammen kochten, grosse Kräfte bekämen. Die Jungen glaubten 
ihm aber nicht und drängten weiter zum Krieg. Um seinen eigenen Sohn 
wenigstens von diesem Zug, dessen unglücklichen Ausgang er voraussah, 
zurückzuhalten, schlug er ihn mit seiner Keule derart aufs Knie, dass er für 
längere Zeit nicht laufen konnte. Die andern zogen in den Krieg und wurden 
alle getötet. 

Das Wild. 

Vor vielen, vielen Jahren lebten Männer und Weiber in verschiedenen 
Kraalen. Die ersteren hatten Rinder, den letzteren diente als Vieh das Wild, 
welches damals noch ganz zahm war. Eines Tages schlachtete ein Weib ein 
Stück Wild und beauftragte dann eins ihrer Kinder, die Herde auf die Weide 



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— 219 - 

zu treiben. Doch das Kind gehorchte nicht und wollte zuerst etwas Fleisch 
babeo. Inzwischen lief das Wild selbst auf die Weide und kehrte seither nie 
mehr zurück in den Kraal. 

Die Strafe Gottes. 
Eine arme Wandorobbowitwe, für die niemand sorgte, ging mit ihren 
beiden kleinen Jungen in einen Masaikraal, damit diese dort durch Viehhüten 
fiir sie und sich den Unterhalt verdienen sollten. Der Mann, dessen Vieh die 
Knaben dort hüteten, nahm die Alte auf. Bald darauf gebar ein Weib dieses 
Mannes Zwillinge. Das Wandorobboweib, welches gehofft hatte, dass sie der 
Masai bald heiraten würde, sah mit Unmut, wie er seine Sorge um die junge 
Mutter verdoppelte, und ihre Eifersucht auf diese sti^ so, dass sie auf ihr 
Verderben sann. Als die junge Mutter daher eines Tages den Kraal iiir kurze 
Zeit verliess, steckte das fremde Weib die beiden Kinder in einen grossen 
Holztopf und warf diesen in den nahen Fluss, der ihn weit weg trug. Dann 
erwartete sie, beide Hände voll Rinderblut, in der HUttentür die Mutter der 
Kleinen und beschmierte, als sie heimkam, deren Gesicht mit dem Blut, und 
stürzte schreiend heraus, jene beschuldigend, sie habe ihre eigenen Kinder auf- 
gefressen. Als die Leute das Blut im Gesicht der so Angeklagten sahen, 
glaubten sie den Anschuldigungen. Der Mann verstiess seine Frau und legte 
ihr als Strafe auf, dass sie bis zu ihrem Tode seine Esel hüten solle. Dann 
heiratete er das andere Weib. Inzwischen waren die zwei Kinder von einem 
fernen Volksstamm aufgenommen worden. Kinder, welche am Ufer spielten, 
hatten den Topf ankommen sehen, ihn aufgefangen und zu ihrem Vater ge- 
tragen. Die Knaben wuchsen dort zu Kriegern heran. Eines Tages wurde ein 
Kriegszug gegen die Masai unternommen und jene beiden als Spione voraus- 
geschickt. In der Nähe eines Masaikraais fanden sie ein altes Weib, welches 
Esel hütete. Da es nicht Brauch ist, dass die Weiber hüten, so fragten sie 
jene, weshalb sie diese Arbeit täte. Darauf erzählte sie die Geschichte ihres 
Unglücks und des an ihr begangenen Unrechts. Als die Krieger den Hass des 
Weibes gegen seine Stammesangehörigen sahen, enthüllten sie ihm ihren Plan 
und erlangten die Mithilfe der Alten. Nachdem sie die das Vieh hütenden 
Knaben schnell getötet hatten, nahmen sie einem Rind die Glocke vom Hals 
und hingen sie einem Esel um. Diesen banden sie recht kurz an einen Baum, 
so dass er fortwährend schrie und mit der Glocke läutete. Die Masai im Kraal 
hörten es und entnahmen daraus, dass Vieh und Esel ruhig weideten. Während 
dessen hatten sich aber die Krieget mit der Herde fortgemacht und die alte 
Frau zum Dank für ihre Hilfe mitgenommen. 

Sprichwörter. 
Meti ol duAgani lernet ol ogunj' enje = Es gibt nicht einen Menschen, 
der nicht hat seinen Kopf. (Soviel Köpfe, soviel Sinne.) 



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Meti ol dungani lernet dobir en dog' enje egenigo = Es gibt kemco 
Menschen, der nicht tut seine Sache nach seinem Plan. 

Ol dufigani tenejo nedim aidobira = Der Mensch, welcher will, kann tua. 
{Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.) 

Ol ari torono, ol ari sidai = Ein schlechtes Jahr, ein gutes Jahr; im Sinne 
von: auf Regen folgt Sonnenschein. 

Ol duiigani ahiäda ^ar^ t cm baie kete ^ Ein dummer Mensch wird ge- 
schlagen mit geringen Dingen. (Einem Dummen kommt man mit geringen 
Mitteln bei.) 

El jeruata kumok me sidan := Viele Freunde sind nicht gut. 

Ol ari sidai kake esodjo ol torono = Auf ein gutes Jahr folgt ein schlechtes; 
im Sinne von: Hochmut kommt vor dem Fall. 

Ol duiigani oerta 'n dogt eeta cl jeruata kumok, ol dungani lemeta 'n dogi 
mgta hanja = Ein reicher Mensch hat viele Freunde, ein armer Mensch hat 
nichts. (Freunde in der Not, gehn hundert auf ein Lot.) 

El duiiganak ate minje sidan, enigi jogi njage 'n dogt = Wen^c Leute 
sind gut, wenn wir etwas (von ihnen) haben wollen. 

Tonifio 'n gutuke ol dufigana' bage, kake torbare ol ogunj' enu = Höre 
den Rat aller Leute, aber folge deinem Kopfe. 

Gulla dungana' I enjerna m^'ollo (ol) adjo hanja, gulla dufigana' 1 egeiia 
ninje ejollo (el) adjo sidan = Die eigenen Leute wissen nichts, die fremden 
Leute wissen schöne Worte. Das Sprichwort hat die Bedeutung von »Der 
Prophet gilt nichts in seinem Vaterland.« 

Ol dungani oschäl ojello aiesCga duAgani ogul t ol ossSg l enje = Ein 
schwacher Mensch kann durch seinen Verstand einen starken Menschen besiegen. 

Alias enä "n dogi 'baidc^i en daa = Erst diese Sache, dann das Essen. 
(Erst die Arbeit, dann 's Vergnügen.) 



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DRITTER ABSCHNITT. 
I. 

Die Wnndorobbo der ilrei Zwclfre de« Matalrolkei. 

Die Sitten der Waicuafi gleichen im allgemeinen denen der Masai voll- 
kommen, und wo sich in einer oder der andern ihrer Kolonien ein geringer 
Unterschied geltend macht, ist er lediglich auf den Einfluss der benachbarten 
ansässigen Negerstamme zurückzuführen. Solche Abweichungen sind also dem 
Masaivolk als Ganzem nicht eigentümlich und ihre Besprechung würde über 
den Rahmen der vorliegenden Studie hinausgehen. Dagegen ist es nötig, noch 
näher auf die Sitten und Gebräuche der zum Masaivolk gehörenden Wandorobbo 
einzugehen, welche sich in ihrer scheuen Abgeschlossenheit ziemlich ohne fremden 
Einfluss gehalten haben,*} und die sich bei einem Vergleich mit den Sitten der 
Masai ergebenden Unterschiede darzustellen, wie auch die Uebereinstimmung in 
den Hauptpunkten zu konstatieren. 

Wir haben gesehen, dass unter diesen Namen Angehörige aller drei Zweige 
des Masaivolkes fallen.*) Aus der ältesten Epoche stammen die Asä, aus der 
mittleren die El asiti und aus der jüngsten die El gassurek.^) Dass den letzteren 
beiden die Asä in vielen Dingen als Vorbild dienten und dass sich die El asiti 
oft auch als Asä bezeichnen, liegt in den Verhältnissen. Sie sind beide nur 
Jäger, während sich bei den El gassurek noch hier und da die Neigung zur 
Viehzucht erhalten hat. 

Im folgenden sollen aus naheliegenden Gründen nur die Asä behandelt 
werden. Die beigegebenen einheimischen Worte sind daher dem Asä-Idiom 
entnommen, 

') Mil Autnalimc tines sulihcD der Tiito^a. eines dem MasHJvolk nDtliropolof^scIi sehr n:iho 
stehenden Volkstammes. 

*) Von den niclil zum Masaivolk gehörenden Wimdorobbo, welche slili all die Regle eine.« 
unterKCgangenen SemitcnTOlke« ~ ila» dem Sonnenkult liuldlgte — , in Venaigchuni; mil Talopi aiitl 
MacBi darstellen, ist im fotgt^den nielil die Rede. 

*} Die übrigen BczcirlmimBen. mit denen sich die Wandorobbo der einzelnen Distrikle be- 
nennfoi, h.ibrn [;eof;^aphische Bedeatung. 



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Dass die Asä sich in dieselben Stämme und Geschlechter teilen wie die 
Masai und Wakuafi und dass auch sie den ol oiboni als ihr Oberhaupt betrachten, 
ist bereits eingangs erwähnt. Es ist indes zu bemerken, dass unter den Asa 
keine EI idboron zu sein scheinen, wie sowohl die übereinstimmenden Angaben 
der Leute, als die Beobachtungen des Verfassers, der nii^ends unter ihnen 
einen Angehörigen jenes Geschlechtes fand, ergaben. Die Achtung und Wert- 
schätzung, welche die El kiboron beim ganzen Masaivolk geniessen, erklärt es zur 
Genüge, dass sie bei der damaligen Verdrängung der Wandorobbo in die Ge- 
meinschaft der Unterdrucker aufgenommen worden sind. 



Anlaire und Einteilung der Lager. — Die Hütten. — Hausrat. — Tigüchet Leben. Speiien, Arbeit. — 

Tontöpfe. — Körbe, — Lederbereitung. — Marktvcrkehr. — HoDlgeewinoang. — HertteUung *on 

Bogen und PCeÜen- — Speere. — Tanz und Gesang. 

Die Asi durchstreifen als Jäger die Steppen, indem sie mit dem Wild, 
dessen Fleisch ihnen Nahrung gibt und aus dessen Fellen sie die Kleidung 
fertigen, wandern. Dieser Umstand bringt es mit sich, dass sie nicht in grossen 
Kraalen zusammen wohnen können, sondern gezwungen sind, in kleine Trupps 
geteilt, sich heute hier und in einigen Wochen an einer entfernten Stelle auf- 
zuhalten. Dementsprechend bestehen ihre Lager (aijo) nur aus flüchtig gebauten 
kleinen Hütten (morög), die aus Zweigen und Gras errichtet sind. Die Lager 
sind in der Regel im dichten Busch versteckt und haben keine besondere Ein- 
friedigung. Die zu ihnen führenden Pfade und Wildwechsel werden sorgfaltig 
mit Dornenästen verbaut und dadurch ungangbar gemacht Nur das geübte 
Auge des Asä findet den wunderbar versteckten Eingang zum Lager. 

In einem Lager wohnen meist nur zwei bis drei Familien, seltener noch 
einige mehr. Neben ihren Hütten finden sich die, in denen die beschnittenen 
unverheirateten Männer (dobonog) mit den jungen Mädchen leben. Wie bei 
den Masai hat jeder junge Mann sein Lieblingsmädchen. Er nennt sie sanjet 
uan, sie ihn sanjeg uan, in welchen Worten man das Masaiwort sandja wieder- 
findet. Ihre Hütten bezeichnet man als morog to dobonog, d. h. Hütten der 
unverheirateten Männer, im Gegensatz zum aija to däima, dem Lager der Ver- 
heirateten. Wir finden also auch hier noch im Namen eine Trennung, analog 
der bei den Masai besprochenen in Kraal der Verheirateten und Kraal der 
Krieger. 

Die Einteilung des Innern der Hütte gleicht, wie die Form dieser seihst, 
der der Masai; ihre Einrichtung ist aber noch dürftiger. Ein Honigtopf (madj^, 
madjeog), eine Kürbisflasche (mget) für Trinkwasser und Honigbier, ein lederner 
Sack (lebenu, lebenua) zum Einsammeln des Honigs, ein grösserer (ndaro, nda- 
reraüg) für Wasser, einige Tontöpfe, grössere (idug, idia) und kleinere (ruguba, 
ruguba) zum Kochen, ein paar Holznäpfe (tagi), ein aus einer Tierhaut geschnittenes 



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— 223 — 

Tau (schani, schäniga) zum Zusammenbinden des erlegten Fleisches, ein aus 
den Rindenfasern des Baobab (Adansonia digitata) gedrehter Strick zum Her- 
au&iehen und Herablassen der auf Bäume gehängten Bienenkörbe (meringo) 
bilden neben einigen enthaarten Fellen (fulöt), die als Lager dienen, sowie Axt 
(haüo, hauereg) und Messer (pandyug) den hauptsächlichsten Hausrat. In einigen 
Hütten findet man auch noch das en dereta der Masai, hier lalaho (lelew§g) 
genannt, sowie einen Hammer ^rib^t) zum Anschmieden und einen Meissel zum 
Zeichnen der Pfeilspitzen (mad, mara) und schliesslich jenes als Rasiermesser 
(herä, herera) dienende geschärfte Stückchen Eisenblech. Die ganze Familie, 
d. h. Mann, Frau oder Frauen und die unbeschnlttenen Kinder, wohnen in einer 
Hütte. Männer und Knaben sind allerdings meist auswärts. Schon vor Sonnen- 
aufgang beginnt der Tag für die jagenden Männer. Mit einem Imbiss, bestehend 
aus einem Stückchen gekochten oder gerösteten Fleisches, ziehen sie aus, so 
dass sie das erste Morgengrauen schon in den Jagdgründen findet. Jetzt hält 
das Wild am besten; wie sie sagen, aest es dann eifriger und sorgloser als 
einige Stunden später, wo ihm die Sonne schon lästig wird. Mit Tagesanbruch 
verlassen Frauen und Kinder die Hütten; man schleppt Brennholz und Wasser 
herbei, um das aus der auf einem nahen Baum befindlichen Speisekammer ge- 
holte Fleisch zu kochen. Man bewahrt das Fleisch dort und nicht im Lager 
auf, damit es luftig hängt und sich dadurch länger frisch hält Darauf wird 
dann die Morgenmahlzeit eingenommen. Bestimmte Essenszeiten haben die 
Wandorobbo eigentlich nicht: so lange etwas Essbares da ist, essen sie einfach, 
so lange sie können. Kommen dann magere Zeiten, so sucht man, so gut es 
geht, den Magen mit rüben- oder knollenartigen wilden Wurzeln, mit Beeren 
oder andern kleinen Früchten, mit Honig und Honigbier zu befriedigen. Fleisch 
wird selten roh gegessen, meist gekocht oder am offenen Feuer geröstet. Zur 
Aufbewahrung schneidet man es in lange Streifen, die zum Trocknen an der 
Sonne aufgehängt werden. Ist das Fleisch gut angetrocknet, so wird es auf 
dem erwähnten Baum, dicht am Lager, verstaut; Rinder und Kleinvieh, die man 
für Elfenbein von Masai kauft, werden nicht gehalten, sondern sofort geschlachtet. 
Soweit die Wandorobbo durch Tauschhandel mit ansässigen Stämmen in den 
Besitz von Vegetabilien kommen können, leben sie auch von diesen, doch eigent- 
lich bloss in Zeiten, wo aus irgend einem Grund nur wenig Wildfleisch zu haben 
ist. Sonst bildet die erhandelte Pflanzenkost nur eine Zuspeise, besonders für 
Weiber und Kinder. Milch verabscheuen viele von ihnen und begründen dies 
damit, dass ihr von früher Jugend nur an Fleischkost gewöhnter Magen diese 
nicht vertrage. Manche gehen darin so weit, das Euter einer geschlachteten 
Kuh wegzuwerfen, obwohl sie das eines erlegten Stückes Wild essen. Es er- 
scheint wohl zweifellos, dass in diesen Sitten der früher erwähnte Masaiglaube, 
wonach Milch und Fleisch nicht zusammengebracht werden dürfen, liegt. Als 
Getränk dient ihnen ausser Wasser noch Honigbier, welches sie in derselben 
Weise wie die Masai herstellen. Letztere schätzen das von jenen bereitete mehr 



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— 224 — 

als das eigene, was woht daran liegt, dass die Wandorobbo den ^ten Honig 
für sich behalten und nur den minderwertigen verkaufen. Männer, Frauen und 
Kinder essen zusammen. Sowohl die Speisen fiir den Mann, seine Frauen und 
Kinder, als anderseits die für den Jüngling und sein Lieblingsmädchen werden 
in einem Topfe gekocht Aus diesem wird das Essen in kleine Holzschalen 
(kitokog) geschüttet, von denen jeder am Mahl teilnehmende Erwachsene seine 
eigene hat. Von den Speisegesetzen der Masai findet sich hier noch als Rest die 
Sitte, dass junge unverheiratete Männer kein Honigbier trinken dürfen. Tabak ist 
ein Genussmittel der Verheirateten. Männer rauchen ihn grobgeschnitten aus 
selbst geschnitzten Pfeifen. Zu Pulver zerrieben und mit etu'as Steppensalz und 
Fett vermischt, dient er sowohl Männern wie Frauen zum Schnupfen. Weiber 
kauen den Schnupftabak auch gern. 

Nach dem Frühstück beginnt das Tagewerk. Hütten müssen ausgebessert 
und erneuert werden, woliir zum Bau Aeste und Zweige, zum Binden derselben 
Ba.it und zum Eindecken des Daches und Verkleiden der Wände langhalmiges 
Gras herbeigeschafft wird. Wenn die Weiber nicht hiermit, mit Kochen, mit 
Wasserholen und Brennholzsammeln beschäftigt sind, sieht man sie meist im 



Fi«.8i. (V«) 

Schatten an einer Handarbeit sitzen. Sie nähen Kleidung, Taschen, lederne 
Deckel für die Holztöpfe, schneiden Riemen usw. Von den Schmucksachen 
fertigen die Wandorobbo diejenigen Sachen selbst, die auch die Masai selbst 
machen, nur die metallenen Schmiedearbeiten kaufen sie von Masaischmieden. 
Das Anfertigen der kugelförmigen tönernen Töpfe (Fig, 8l) liegt den Weibern 
ob. Aus dunkelgrauem Ton (anjet) formen sie den Topf mit der Hand (ohne 
Scheibe) und lassen ihn in der Sonne trocknen, nachdem er meist mit Schnur- 
omamenten verziert ist. Vor dem Brennen wird er meist mit trockenem Gras 
ausgestopft, ehe man ihn in ein Feuer aus trockenen Baumrinden bringt, mit dem 
er vollständig bedeckt wird und in dem er bleibt, bis er eine dunkelrote Färbung 
annimmt. Um den fertigen Topf »vor Zerspringen beim Gebrauch zu schützen«, 
erhitzt man ihn stark auf dem Herdfeuer und giesst dann siedendes Wasser, in 
welchem ein Knochen mitgekocht ist, hinein. 

Viel Zeit nimmt auch die Zurichtung der Felle von den letzten Jagdbeuten 
in Anspruch. Die zum Verkauf bestimmten werden allerdings nur sauber von 
allen Fleisch- und Fettteilen gereinigt und dann, mit Stäbchen auf den Erdboden 
gepflöckt, an der Sonne getrocknet. Die andern aber, die zur Herstellung der 



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225 



Kleidung Verwendung finden sollen, verarbeitet man in der bei den Masai be- 
schriebenen Weise zu Leder. Die gegerbten Felle werden, wie dort, mit Ale 
(maramaog) und einem aus Tiersehnen gedrehten Faden (asug) zu Kleidungs- 
stücken zusammengenäht. Ist eine Anzahl Felle, für die man augenblicklich 
keinen Bedarf zu eigenem Gebrauch hat, aufgestapelt, so machen sich einige 
Greise mit Frauen und Kindern, mit den Häuten und auch Steppensalz beladen, 
nach einer benachbarten Landschaft auf. Wo die Entfernung zwischen dieser 
und dem Wandorobbolager eine derartige ist, dass sie einen häufigen Verkehr 
gestattet, finden sich diese Karawanen auf den regelmässig abgehaltenen Märkten 
ein. Können sie dagegen nur seltener kommen, so gehen sie, da sie aus Un- 
kenntnis einer Zeitrechnung die Markttage nicht 
abpassen, mit ihren Waren hausieren. Ab- 
nehmer finden sie schnell, denn beide Artikel 
sind sehr begehrt. Salz braucht der haupt- 
sächlich auf Pflanzenkost angewiesene Acker- 
bauer immer, kann es aber nur selten selbst 
gewinnen, da in der Regel der kulturfähige 
Boden kein Salz oder solches nicht in genü- 
gender Menge enthält. Der Bedarf an Fellen 
ist auch oft grösser als die eigene Produktion, 
selbst heute noch, wo doch schon an die Stelle 
der Lederbekleidung vielfach Stoffe getreten 
sind. Nach langem Feilschen wird man endlich 
handetsemig und die Wandorobbo ziehen zu- 
frieden mit den eingetauschten Vegetabilien 
nach Hause. War die Jagd einmal besonders 
\ ergiebig oder wurde ein Elefant oder Nashorn 
zur Strecke gebracht, so wird auch ein Teil des 
Fleisches den immer fleischhungrigen Acker- 
bauern verkauft. Manche von diesen, z. B. die 
Wataita und Wakamba, kaufen den Wandorobbo 
auch das Fleisch von Raubtieren ab, andere verschmähen dieses durchaus und 
prüfen daher beim Handel jedes Stück auf Geruch und Geschmack. 

Alten Männern, die nur abends ab und zu an einer Tränke sich auf Wild an- 
setzen, liegt ausserhalb des Lagers besonders die Kontrolle und Beaufsichtigung 
der Bienenkörbe (Fig. S2} ob, von denen eine grosse Anzahl in stundenweitem 
Umkreis hängt. Diese sind 120 cm lange und 30 cm dicke Holzröhren, mit 
etwa 25 cm Innenweite. Sie werden durch Aushöhlen eines ebenso langen 
Stückes Baumstamm gefertigt, eine sehr mühselige Arbeit, weil die Werkzeuge 
so primitiv sind. Nachdem der Stamm durch Behauen mit einer Axt im Durch 
schnitt kreisrund und nach beiden Seiten verjüngt erscheint, wird er mit einem 
Messer (pandyug) äusserlich geglättet. Zum Aushöhlen dienen zwei Instrumente; 




Mctksr, MauL 



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— 22(3 — 

das erste besteht aus der wie ein Messer in einen Holzgriff gesteckten Axtklinge 
und wird als Stemmeisen gebraucht; das andere ist ein Hohlmeissel (nja), mit 
dem man die Röhre innen glättet. Die beiden Oeffnungen werden durch flache, 
in die Oeffnung hineinpassende Holzdeckel pfropfenartig geschlossen, in denen 
je zwei Fluglöcher den wilden Bienen Eingang gewähren. Zum Aufhängen legt 
man um den mittleren Teil zwei aus Lianen gedrehte Schlingen, die durch ein 
Lianengeflecht handgi iffartig, wie die Riemen einer Platdrolle, verbunden sind. 
Mit diesem Griff wird der Bienenkorb an einen Hakenast aufgehakt, an dessen 
oberem Ende ein zweiter mit dem Haken nach oben angebunden ist. Mit 
letzterem hängt man das Ganze in die Aeste höherer Bäume. Auf der nach 
unten hängenden Seite trägt der Bienenkorb eine Eigentumsmarke. Es ist in 
der Regel die gleiche wie die, welche am langen Dorn oder am Verlange! ungs- 
dorn der Pfeilspitze eingebrannt ist. Am Bienenkorb findet man sie entweder 
ganz oder nur ihren unteren Teil. Ehe man den Honig herausnimmt, werden 
durch ein unter dem Baum angezündetes, stark rauchendes Feuer die Bienen 
vertrieben. Dann klettert ein Mann bis an den Bienenkorb, befestigt ihn an 
einem Tau, hakt ihn aus und lässt ihn sehr langsam zur Erde, damit durch die 
weitere Raucheinwirkung auch die Bienen aus den Waben vertrieben oder in ihnen 
betäubt werften. Es liegt auf der Hand, dass der Honig hierdurch sehr ver- 
unreinigt werden muss, und in der Tat schmeckt er stark nach Rauch und ent- 
hält eine grosse Anzahl toter Bienen und Larven. Eine andere Methode zur 
Vertreibung der Bienen ist indes nicht möglich, und da diese äusserst bösartig 
sind und die nur dürftig bekleideten Leute ihren Stacheln so grosse Angriffs- 
flächen bieten, müssen die Honigsammler zu ihrem Schutz in eine dicke Rauch- 
wolke gehüllt sein. Mehrfach konnte ich die Bösartigkeit der hiesigen Bienen 
beobachten. Dass sich ein Schwärm auf eine Karawane stürzt und einige Träger 
und Esel bis zur Bewusstlosigkeit, letztere auch zu Tode sticht, ist durchaus 
nicht so selten. Besonders reizt sie Tabaksrauch zum AngriflT, aber auch lautes 
Singen und Schreien scheinen sie übel zu nehmen. 

Beim Ausnehmen des Honigs lässt man von jeder Wabe ungefähr ein 
Viertel zurück, damit die Bienen den Stock nicht verlassen. Der gewonnene 
Honig wird in Ledertaschen oder Holztöpfe gepackt und so aufbewahrt. Das 
Einfangen wilder Bienen ist unbekannt. Wo sich solche in einem hohlen Baum 
linden, hängt man in die Nähe einen leeren Bienenkorb, der vorher innen mit 
dem ausserordentlich aromatischen Honig einer el mai'n genannten Melipona- 
Art (Untergattung Trigona)') bestrichen wurde. Um aus hohlen Bäumen den 
Honig wilder Bienen herausholen zu können, vertreibt man sie durch Vorhalten 
eines brennenden Astes, mit dem man bis zum Loch klettert. 

Im Lager sieht man die Männer entweder stumpfsinnig herumhocken oder 
mit Schnitzarbeiten, wie die eben erwähnten Bienenkörbe, oder mit Anfertigung 

') Nni'li an (las Museum für Kiturkuu>lc, Bfilin, i^c'uiikUcii Kxciiipiarcii bestimmt von Herrn 



=, Google 



— 227 — 

von Bogen, Pfeilen und Keulen beschäftigt Der zur Herstellung eines Bogens 
(Fig. 83) bestimmte Stab (vom Baum ol borogoi) wird gerundet, an beiden 
Enden sich verjüngend zugeschnitten und dann glatt geschabt. Nachdem er 
mehrfach mit Fett eingerieben ist, wird er über dem 
Feuer gebogen. Die Sehne wird aus kurzen Tiersehnen 
drehend und zopfartig zusammengeflochten und durch 
Einflechten weiterer bis auf die erforderliche Lange ver- 
grossert. Die überstehenden Anfangsenden der einzelnen 
Sehnenstückchen werden sauber abgeschnitten, worauf 
man dann die nun fertige Bogensehne mit etwas Fett 
abreibt. 

Der Pfeilschaft (Fig. 84, siehe S. 228) wird aus einem 
trockenen Holzstab geschnitzt, erst gerundet, dann durch 
Schaben geglättet. Das obere Ende umwickelt man mit 
Sehnen, die mit dem lackartigen Saft der dirige genannten, 
noch nicht beschriebenen Gladiolusart bestrichen werden, 
worauf man oben hinein das einen Zentimeter lange Loch 
für den Dorn des Pfeils durch quirlende Bewegung mit 
einem dünnen Holzmeissel bohrt. Am unteren Ende 
wird die dreiteilige Befiederung — aus den Federn des 
Aasgeiers (Neophron percnopterus) — erst durch Um- 
wickeln mit einem sehr feinen Bastfaden aufgebunden 
und dann mit dem eben erwähnten Gladiolensaft fest- 
geklebt. Zwischen der Befiederung und der hinteren Ein- 
kerbung *für die Bogensehne findet sich noch eine Um- 
wicklung von Tiersehnen, um ein Spalten des Schaftes 
zu verhindern. 

Die eisernen Spitzen kaufen die Leute; nur wenn 
eine Spitze abbricht, schmieden sie in der Regel selbst 
eine neue an. Keulen werden, wie bei den Masai, aus 
einem Stück Holz geschnitzt. Die Speere, von denen 
sich fast in jedem Lager einer oder einige befinden, 
kaufen sie von den Schmieden der Masai. Die Speere 
dienen als Waffe nur im Lager, wo mit Pfeilen, da diese 
immer vergiftet sind, der damit verbundenen Gefahr 
wegen, nicht geschossen werden darf Holznäpfe und 
Kürbisflaschen kaufen die Asä meist von ansässigen 
Fig. 83. (Vio) Stämmen. Dagegen flechten sie stellenweise flache Körbe, 

die ihnen zur Aufbewahrung von Speisen dienen. 
Dass die Wandorobbo das bei den Masai so beliebte Brettspiel nicht 
spielen, erklärten sie mir mit den Worten: »Wir würden über das Spie! die 
Jagd vergessen und dann mit unsern Familien hungern müssen.« 



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Mit dem Dunkelwerden tritt in der Regel in den auch am Tage stillen 
Lagern vollständige Ruhe ein, das Tagewerk ist getan und jeder sucht seine 





FiE-84. CA) 
Hütte auf. Nur an mondhellen Abenden sitzen 
die Alten oft noch einige Stunden bei einer 
Kiirbisflasche Honigbier plaudernd im Freien, 
während die jungen Männer und Mädchen tanzen 
und ihren Falsett-Gesang durch die stille Nacht 
erschallen lassen, woher ab und zu, wie als Ant- 
wort, der Schrei eines Raubtiers zu ihnen herüber 
tönt. Der Tanz unterscheidet sich von dem der 
Masai dadurch, dass die Männer nicht die Füsse 
heben, sondern nur die Fersen lüften. Der enge, 
winklige Platz des Lagers gestattet eben nur 
einen Tanz auf der Stelle. Wie dort, wird er 
auch hier jedesmal mit Gesang begleitet. 



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— 229 — 

Mit Fistelstimme') wird der gerade noch erreichbare Ton, etwa das (ein- 
mal gestrichene) ä, stark betont und schrill herausgeschmettert. In höchst un- 
regelmässigem Takt steigt nun die Tonfolge im Quart-Sexten-Akkord des ä ab- 
wärts. Bei (kt.) a setzt Bruststimme ein, doch relativ leiser als das Falsett, bis 
in gleichen Tonstufen abwärts schreitend (gr.) A erreicht wird. Die letzten Töne 
sind bestimmter, weil sie dem Sänger besser Hegen; die Fistelstimme schwankt 
meist um den gesuchten Ton teils unsicher, teils spielend herum. 

Vorschläge, Triolen werden um so häufiger wiederholt, je sicherer sich all- 
mählich der Künstler im Festhalten der Melodie — sit venia verbi — fiihlt 
Andere Figuren werden nicht bemerkt. Schliesslich gleitet die Stimme noch 
einmal den Septimen- Akkord durch die letzte Oktave hinauf und hinunter; oder 
es wird kontrapunktartig der Grundton am Schlüsse phrasiert. Der ganze Gesang 
ist eine unregelmässige Variation eines Quart-Sexten-Akkords. Er beschränkt 
sich fast völlig auf zwei Oktaven. Durch die grössere Wahrscheinlichkeit, richtig 
getroffen zu werden, bilden die Grundtöne des Akkordes die natürlichen Ruhe- 
punktc für die Stimme und können zuweilen als schwere Taktteile aufgefasst 
werden. Sie fallen beim Marsche zusammen mit dem Aufsetzen eines Fusses. 
Doch lässt sich darum nicht etwa irgend eine Taktart feststellen. Der Vortrag 
ist vielfach parlando, und dieser Art entspricht auch das Tempo. Dass der 
Text ad libitum zum jedesmaligen Gebrauch zurecht gemacht wird, erhöht das 
Interesse, wenn auch nicht den musikalischen Genuss der Hörer. 

Ein belauschter Text ist: »Wenn ich ein Vogel wäre, der am Flusse sitzt, 
und es käme ein Zebra, um zu trinken, so würde ich es an Stelle des kleinen 
Vogels küssen {oder beissen), weil ich es sehr liebe. Aber ich bin gross und 
kann daher nicht.i 

Spätestens um zehn Uhr erreicht die Fröhlichkeit ihr Ende und das Lager 
hüllt sich endgültig in Schweigen. 

Auffallend erscheint die Angabe der Wandorobbo, wonach es noch nie 
vorgekommen sein soll, dass innerhalb des Lagers Menschen von Raubtieren 
getötet seien. Sie fürchten diese daher gar nicht und hatten sich vor ihnen 
durch ihre Zaubermedizinen geschützt, von denen einige nach dem Volksglauben 
die wilden Tiere fern halten, während andere die Wirkung der Tarnkappe haben. 

III. 

VorivaniltschaflsbpzciclmunKfn und Aiircilpii. 
Die Verwandtschaftsbezeichnungen sind folgende: 
Vater: aba oder baba. 
Mutter: jejo oder ea. 
Meine Frau: mai totuan. 
Mein ßruder: bidjog uan. 
I) AufKenommm von llfrrii Stiibs;iril Dr. Bkrodiki. 



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- 230 — 

Meine Schwester: bidjot uan. 
Halbbruder: weku baba, 
Halbschwester: wetu baba. 
Bruder des Vaters: bidjog e baba. 
Schwester des Vaters: bidjot baba. 
Bruder der Mutter: bidjog ea, 
Schwester der Mutter: bidjot ea. 
Sohn des Vaterbruders: weku bidjog baba. 
Sohn der Vaterschwester: weku bidjot baba. 
Tochter des Vaterbruders: wetu bidjog baba. 
Tochter der Vaterschwester: wetu bidjot baba. 
Sohn des Muttcrbniders : weku agogesch, 
Sohn der Mutterschwester: weku bidjot ea. 
Sohn meines Bruders: msumbetog bidjog uan. 
msumbetog bidjogcsch. 
Tochter meines Bruders: wetu bidjogesch. 
Sohn meiner Schwester: weku bidjot uan. 
Tochter meiner Schwester: wetu bidjesch. 
Grossvater: agoija. 
Grossmutter: a mama. 
Schwiegervater: roiagesch. 
Schwiegermutter: ratotuan. 

Die Anreden für Verwandte sind: 
Vater: aba oder baba. 
Mutter: jejo oder ea. 
Frau: mai. 
Halbmutter: ga. 

Sohn; msumbetog (P. msumbe). 
Tochter: illeto (P. illug). 
Grossvater: akuja. 
Grossmutter: akuja, koko, a mama, 
Schwiegervater: ba-geteii. 
Bruder: bidjogesch, ba-suben. 
Halbbruder: bidjoguan, ba-suben. 
Schwester: bidjesch. 
Halbschwester; bidjot uan. 
Onkel: agogesch. 
Tante: ea. 

Schwiegermutter: ba-ger. 
Schwager: ba-suben. 
Schwagerin: balelo. 



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— 231 — 

Das Oberhaupt der Familie ist der Familienvater, dem dieselben Rechte 
wie bei den Masai zustehen. 

Für die Masaianreden eraij'o, eneijo, abula und araba haben die Asä die 
Worte ego-ea, eto-ea, agogesch und arämö. {Siehe S. 43). 



IV 

Eheliche Verhältnisse. — Vielweiberei. — Verlobung. — Bi'aulstnml. — Uebertritt der jungen Uänncr 

in den Stand der Verlieirateteii, — Brautpreis. — ürzwinEUiig der Einwilligung des Vaters der Braut. 

— AuBtaasch von Weihern. - — EhchindemisBe, — Eingehung der Elic. — LÖsont! äct Ehe. 

Auch die eheUchen Verhältnisse bieten wenig Neues. Vielweiberei besteht 
nur in geringem Umfang; die meisten Leute sind eben zu arm, um mehr als 
eine Frau zu erwerben und zu ernähren; wenige nur haben zwei Frauen, und 
dass ein Mann deren drei hat, ist eine Seltenheit. Eine Verlobung in frühester 
Kindheit scheint hier häufiger, aber ebensowenig bindend und ohne rechtliche 
Folgen zu sein, wie bei den Masai. In der Regel verlobt sich der Jüngling 
nach der Beschneidung mit einem acht- bis zehnjährigen Mädchen, nachdem lur 
ihn sein Vater bei dessen Eltern geworben hat. Wie bei den Masai leben die 
Brautleute getrennt und dürfen sich nicht einmal sehen. In dem einen Lager 
wohnt der Bräutigam mit einem Mädchen und im andern die Braut mit einem 
andern Jüngling. Wird die Braut vor der Hochzeit schwanger, so tritt nicht 
immer, wie bei den Masai, eine Losung des Verlöbnisses ein, sondern der 
Schwängerer muss vielmehr den Bräutigam durch Zahlung eines Rindes ent- 
schädigen. 

Ebenso wie bei den Masai beschliessen hier die jungen Männer einer Alters- 
klasse zusammen ihren Uebertritt in den Stand der Verheirateten, und die Lager- 
genossen bekräftigen diese Absicht durch ein dem ol geteii 1 ol ba entsprechendes 
Fest, an dem Freunde und Nachbarn teilnehmen. Sie werden mit Wildfleisch 
und Honigbier bewirtet, von welch letzterem die Heiratskandidaten aber noch 
nichts trinken dürfen. Gern legt man das Fest auf den Tag nach einer erfolg- 
reichen Elefantenjagd, damit die Gäste tüchtig in Fleisch schwelgen können. 

Bevor die Ehe eingegangen werden kann, ist der Brautpreis zu zahlen. 
Der Bräutigam gibt dem Vater der Braut meist schon vor deren Beschneidung 
fünf Töpfe Honig, fünf Bienenkörbe, sowie bald nach ihrer Beschneidung die 
Hälfte eines erlegten weiblichen Elefanten mit dem dazu gehörigen Stosszahn; 
ferner zwei Rinder, die für Elfenbein von den Masai gekauft sind, und schliesslich 
die Hälfte des Fleisches von einem erlegten weiblichen Stück Wild von der 
ungefähren Grösse eines Zebras. Die Mutter d^r Braut und jeder ihrer Brüder 
bekommt vom Bräutigam je einen Bienenkorb. An Stelle der Bienenkörbe be- 
kommen die Schwiegereltern in einigen Gegenden, besonders dort, wo die 
Wandorobbo im engen Verkehr mit den Masai leben, Eisendraht. Nach Empfang 
der Geschenke nennen sich Bräutigam und Schwiegervater gegenseitig bageteft, 



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- 232 — 

Bräutigam und Schwiegermutter ba-ger, der Bräutigam und die Brüder der Braut 
ba-suben, nach alter Masaisitte. 

Für Schönheiten wird kein höherer Preis gezahlt Für eine kinderlose 
Witwe zahlt man den gewöhnlichen Preis, aber erst nach der Geburt des ersten 
Kindes und nachdem ihr Vater den vor ihrer ersten Ehe für sie erhaltenen 
Preis den Erben ihres verstorbenen Mannes zurückgegeben hat. Für eine Witwe, 
die nur Mädchen gebar, wird kein Brautpreis bezahlt; dafür behält der Erbe 
ihres verstorbenen Mannes aber ihre Töchter. Ebenso wird nichts für eine von 
ihrem Mann verjagte Frau gezahlt. Stirbt der Bräutigam vor der Ehe, so 
übernimmt sein Bruder die Braut. Stirbt die Braut vor der Ehe oder 
lösen die Brautleute die Verlobung, so wird der bereits gezahlte Teil des Braut- 
preises zurückgegeben. Ein Bräutigam, der zu arm ist, um den ganzen Preis 
zahlen zu können, dient für den schuldigen Rest dem Schwiegervater einige 
Monate als Jäger. 

Hatte sich der Vater des Mädchens hartnäckig der Werbung widersetzt, so 
wird er schliesslich durch ein Gottesurteil zur Einwilligung gezwungen. Der 
Liebhaber schleicht sich heimlich in die Hütte des Alten und bindet ein Tau 
aus Gras um den hölzernen Honigtopf. Der Vater soll nun regelmässig seine 
Zustimmung geben, da ihn sonst die Strafe Gottes töten würde. An Stelle 
dieses Brauches kommt es auch vor, dass der Liebhaber das Mädchen heimlich 
wegholt, oder dieses — wie bei den Masai — ohne Wissen der Eltern zu ihm 
flüchtet. 

Ein Austausch von Weibern kommt vor, doch entsteht daraus keine rechts- 
gültige Ehe, Länger als ein halbes bis ein ganzes Jahr bleibt die Frau nicht 
bei dem fremden Mann. Fühlt sie sich vor dieser Zeit schwanger, so kehrt sie 
zu ihrem Ehemann zurück. 

Bei den Asä gelten dieselben Ehehindernisse wie bei den MasaJ. doch 
zwingen die 'grossen Entfernungen zwischen den einzelnen winzigen Lagern oft 
zu -einer milderen Auffassung, so dass sich vielfach eine Praxis gebildet hat, 
wonach die Brautleute nur nicht näher als bis zum dritten Grad verwandt sein 
dürfen 

Nach beendeter Zahlung des Brautpreises wird die Braut dem Bräutigam 
übergeben und dieser nimmt sie entweder gleich mit oder lässt sie noch zwei 
bis drei Wochen zur Erlernung des Haushaltes bei seiner Mutter, damit diese 
sie im Haushalt unterweist. 

Ueber die Hoch Zeitsgebräuche ist nichts Neues zu erwähnen. Ein jusp. n, 
besteht auch hier, und zwar in derselben Form wie bei den Masai. 

Die Scheidung entsteht wie bei den Masai dadurch, dass der Mann die Frau 
verjagt oder diese ihm entläuft Ueber eventuelle Rückgabe des Brautpreises 
gilt ebenfalls das dort gesagte. Bei der Scheidung bleiben alle Kinder beim 
Vater. Die Frau behält den Säugling nur bis zum Ende der Säugezeit, die sie 
in der Regel bei ihren Eltern zubringt, worauf der Vater auch dies Kind zu 



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— 233 — 

sicli nimmt. Läuft die schwangere Frau ihrem Mann fort, so darf dieser das 
Kind nach der Entwöhnung ohne Entschädigung fordern. Mann und Frau 
können sich nach der Scheidung sofort wieder verheiraten, jedoch soll eine 
Frau, die ein Kind nährt, dessen Entwöhnung abwarten Geschiedene Eheleute 
können die Ehe durch beiderseitigen Wunsch, ohne irgend welche Förmlich- 
keiten, wieder herstellen, Ueber die Trennung der Ehe durch den Tod des 
einen Teils und über die Wiederverheiratung des andern Ehegatten gilt das von 
den Masai gesagte. 



SehwaoeerHchaft. — Veihullen der SchwanKeren unil ihres EhemanneB. — Pflege und BehandluDg 

der SchwanKeren, äer Kteissenden und der Wöcbnerlo. ^ Tötunc Neugeborener. — I^^chtbarkeic. 

— Kinderiterbllchkeit. 

Wunderbar erscheint die Ansicht, welche Verfasser mehrfach von Asä- 
Wandorobbo hörte, dass die Schwangerschaft mehr oder weniger an eine be- 
stimmte Jahreszeit gebunden ist, und zwar in der Weise, dass entweder die 
Empfängnis zur Zeit der Blüte, oder die Entbindung zur Zeit der Fruchtreife 
des Giftbaumes Acocanthera abyssinica stattfindet. 

Während der Schwangerschaft der Frau verfolgt der Ehemann ein auf der 
Jagd angeschossenes Wild nicht, weil man glaubt, dass dieses info^e seiner An- 
näherung dem Gifte widersteht und entkommt. Er kehrt daher, nachdem er 
ein Stück geschossen hat, ins Lager zurück und schickt von dort einen andern 
Mann aus, um nach dem Tier zu suchen. Die Schwangere darf nicht geschlagen 
werden. Weder er noch die schwangere Frau dürfen über einen Zug wandernder 
Ameisen hinwegschreiten. Ihr ist es verboten. Fleisch von gefallenem oder 
von einem Raubtier geschlagenen Wild zu essen, ebenso Suppe und ferner 
Honig, in welchem sich tote Bienenlarven befinden. Sie muss vermeiden, in 
die Nähe eines Chamäleon oder einer Schlange zu kommen, oder »sich der 
Sonnenhitze längere Zeit auszusetzen. Alles dies würde nach Ansicht der Asa 
der Frucht schaden. . 

Besucht die Frau ein anderes Lager, so bestreicht sie vorher, um dessen 
Bewohnern ihren Zustand anzuzeigen, die Stirn mit weissem Ton. Auf dena 
Weg dorthin wird sie von einem kleinen Mädchen begleitet, weiches sie an 
der Hand fuhrt. Als Grund hierfür geben die Leute an, dass eine Fehlgeburt 
eintreten würde, wenn die Frau ohne Jenes Mädchen ginge und unterwegs den 
schon erwähnten Webervogel sähe oder seine dil-dil-dil-Rufe hörte. Eine zum 
erstenmal Schwangere wird von allen Leuten (Männern, Frauen, Knaben, 
Mädchen] des Lagers und ihren Freunden in den benachbarten Lagern um die 
Mitte der Schwangerschaft beschenkt. Man gibt ihr einen Lederschurz, ein 
Paar Ohrgehänge, Perlen, Kettchen oder auch ein Stück Kleinvieh. 

Die letzten zwei Monate vor ihrer Entbindung bekommt die Frau nur 
schmale Kost, damit die Geburt leichter von statten geht. Wie bei den Masai 



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— 234 — 

tr^ auch hier die Schwangere keinen Schmuck. Am Tage der Entbindung 
darf der Mann das Lager nicht verlassen. Als Hebamme fungiert seine Mutter 
oder Schwiegermutter, Ausser den geburtshilflichen Mitteln der Masai besteht 
hier noch der Brauch, dass der Ehemann eventuell zur Erhöhung der Wehcn- 
tätigkett Brust, Leib und Rücken der Gebärenden mit seinem Speichel an- 
feuchtet und darauf in Kreisbewegungen leicht massiert. Hierbei ruft er mehr- 
fach die Worte: »Mächtiger Gott, lass das Kind herauskommen!« Die Nabel- 
schnur (os sotua) wird mit einem Rasiermesser {herera) durchschnitten und dann 
zusammen mit der Nachgeburt in der Hütte vergraben. Sie ist nicht Gegen- 
stand abergläubischer Gebräuche. Als Unglück bringend gilt, wenn dem Kind 
die oberen Schneidezähne vor den unteren durchbrechen; man glaubt, dass dies 
Krankheit oder Todesfälle in der Familie verursachen werde. Die junge Mutter 
darf, aus Rücksicht auf ihre Gesundheit, nicht aus abergläubischem Grund, erst 
fünf Tage nach der Entbindung die Hütte verlassen. Die Säugezeit dauert ein- 
einhalb bis zwei Jahre. Neben der Muttermilch bekommt das Kleine viel Wild- 
fett eingestopft, wovon das der grossen Dickhäuter als Säuglingsnahrung be- 
sonders geschätzt ist. 

Missgestaltete Neugeborene werden durch Erwürgen gleich nach der Ge- 
burt von der Hebamme getötet. Die höchste, mir bekannt gewordene Zahl 
der Entbindungen einer Frau war elf. Von siebenundzwanzig befragten alten 
Asä-Weibern waren 154 Kinder geboren worden, was für eine Frau die Durch- 
schnittszahl 5,7 gibt. Davon waren 81, also 52,67« Mädchen und 73, also 
47,4 "/o Knaben. Vor ihrer Beschneidung waren 70 = 45,5 '/o gestorben, worin 
die Totgeborenen eingeschlossen sind. Die Kinder wohnen bis zu ihrer Be- 
schneidung in der Hütte der Mutter. 



VI. 
NaineDgebuiig bezw. Annabme von Nameo; Knabeo, Mäilchen, Jäger, Ehefrau, Ellero. 
Mit Namen sind die Wandorobbo nicht so verschwenderisch wie die Masai. 
Sobald dem Kind — Knaben und Mädchen — die oberen Schneidezähne durch- 
brechen, erhält es bei einem kleinen Fest von der Mutter einen Namen, der 
während seines ganzen Lebens der Hauptname bleibt. Sobald der Knabe 
kriechen kann, gibt ihm der Vater einen zweiten Namen, mit dem nur er ihn 
nennt. Weder bei den Asä, noch bei andern Wandorobbo hat Verfasser ihnen 
eigentümliche Namen gefunden, vielmehr trugen die Leute solche, welche wir 
bei den Masai kennen lernten. Auf die Fr^e nach dem Grund, welcher die 
Wahl des Namens bestimmt hatte, antworteten sie meist: »Ein angesehener 
und reicher Masai hiess so.« Sind alle früher geborenen Kinder derselben Frau 
gestorben, so bekommt das Neugeborene den Namen Eolet. 

Einen zweiten Namen erhält das Mädchen bei der Verheiratung vom Ehe- 
mann, ausser welchem sie aber niemand damit nennt. Nach einer auf der Jagd 



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— 235 — 

vollbrachten Heldentat geben dem dobonatog seine Standesg^nossen einen 
Namen, entsprechend dem, welchen der ol morani nach Tötung eines Feindes 
im Krieg bekommt. Die Veranlassung ist oft die Erlegung eines EleFanten, 
worauf die Namen ol oibor giri oder kisedja Bezug nehmen. Erstcrer bezieht 
sich auf das Aussehen des Elefantenfleisches, welches durch das weisse {ol oibor) 
Fett gefleckt (giri) erscheint. Letzterer besagt, dass der Elefant in dem os sedja 
genannten Papyrus-Schilf geschossen wurde. Ein anderer Name ist ol oiba 
sioki (Masaiwort), d. h. der, welcher nicht zurückbleibt, sondern vorstürmt. 
Den, welchen ein grösserer Jagdzug längere Zeit vom Lager ferngehalten hatte, 
nennt man nach seiner Rückkehr ol dejeli, welchen Namen auch der bekommt, 
welcher sich eine Zeitlang den Masai angeschlossen hatte. 

Nach der Geburt des ersten Kindes nennt man die Eltern nach diesem. 
Heisst das Kind z. B. Boloiigoa, so wird der Vater als arag Bolongua (Vater 
des B.). die Mutter amo B. (Mutter des B.) bezeichnet. Nach dem Tode des 
ersten Kindes nennen sich die Eltern in gleicher Weise nach dem ältesten 
lebenden. Ebenso findet man bei den Asä den Brauch, wonach sich der Sohn 
nach dem Tod des Vaters mit dessen Namen nennt. 



Be«clinddung der Knaben. — Altersklassen. — OrganiiilioQ der besfbnittenen jungen Männer. — 
Bc^schneidung der M ad ehm. 

Die Beschneidung der Knaben und Mädchen ist ganz dieselbe wie bei 
den Masai und findet gleichzeitig mit der der Masaiknaben statt. Die neu be- 
schnittenen Knaben (bogodendet, bogododig) bilden eine Altersklasse (ebindadgt), 
die ihren Namen von der der Masai entlehnt. Während zwei bis drei Jahren 
nach ihrer Beschneidung heissen die Knaben barnotig (S. barnotendet), ent- 
sprechend den el barnot der Masai. Wenn diese el möran werden, werden 
jene entsprechend dobonog (S. dobonatog), und später mit ihrer Verheiratung 
daema (S. dacmog), entsprechend den el nioruak der Masai. Genau wie die 
es sibolio kleiden sich die bogododig und ziehen wie jene auf die Jagd nach 
kleinen Vögeln, mit deren Bälgen sie sich schmücken. Bekommt die ent- 
sprechende Altersklasse (ol boror) der Masai einen neuen Namen, so nimmt 
ihn die der Asä auch an. Sie hängen eben fest an ihren alten Sitten, auch 
da, wo ihre heutige Lebensweise sie entbehrlich macht, Dass die Wandorobbo 
keine eigenen Namen für die Altersklassen haben, liegt — auch nach ihrer 
eigenen Erklärung — daran, dass ihnen der ol oiboni, den die Asä auch 
ndgarug nennen, keine gibt und es als äusserste Vermessenheit betrachten 
würde, wenn die armen, verachteten Leute mit einem derartigen Anliegen zu 
ihm kämen. Die ebindadet wählt sich auch ihr Oberhaupt — den ol aunoni 
der Masai — , welcher hier njlg oder kisiridjo oder auch aunoni heisst. Wie bei 
den Masai ist dies eine Ehrenstellung ohne Pflichten, hier aber auch ohne 



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- 216 - 

Rechte. Dem ol aigwenani der Masai entspricht hier der kirua kidet, dessen 
Aufgabe besonders im Schlichten von Streitigkeiten besteht. Dem ol oiiioni 
der Masai entspricht der kirigit. Er ist der Anführer auf der Jagd, besonders 
bei grösseren Zügen, welche die jungen Wandorobbo zur Verfolgung der Ele- 
fanten oft weit von ihrem Lager wegführen. Zum kirigit wird nur einer ge- 
wählt, welcher sich bei der Jagd auf Elefanten, Büffel und Löwen durch Mut 
und Entschlossenheit ausgezeichnet hat und diese Eigenschaften immer wieder 
von neuem zeigt. 

Ueber die Beschneidung der Mädchen ist nur noch zu sagen, dass sie 
einige Tage vor der Operation geschmückt zu den benachbarten Lagern ziehen, 
um sich von den jüngeren Freundinnen zu verabschieden. Bei diesen Besuchen 
ist es ihnen gestattet, alles, was sie wünschen, ohne besondere Erlaubnis der 
Eigentümer an sich zu nehmen {Essen, Kleidung, Schmuck usw.), 

Ueber den Grund für die Beschneidung geben auch die Asä an, dass 
Gott ihnen befohlen habe, sie an den Kindern vorzunehmen. 



Jagd. — Die Waffen, Bogen, Pfeil, Jagiiapecr. — Eigen in mszeichcD. — Bereituue und WirkunR Ata 

PfcilgiftFH. — Beliandlunft von Pfeilwundcu. — PirscIicanR. — Jagdhunde. — Ansland. — Treibjagd. — 

Ausübung der Jagd. — Wildprcl. — Aberglauben. — Fleisch mahl leiten der Jäger im Buscli, 

Was für die El möran der Masai der Krieg ist, ist für die dobonog der 
Wandorobbo die Jagd. Ihre Hauptwaffen sind Bogen und Pfeile. Der zwei- 
schenklige Bogen {[Fig. 83, S.227] gari, geleweg) hat die Form eines flachgedrückten 
Kreissegments. Er ist in der Regel 1,50 Meter lang und sehr scharf federnd. 
Zu ihm gehört ein lederner Köcher {[Fig. 85] madiet, madimoig) mit Pfeilen 
([Fig. 84, S. 228] mat, mara). Der hölzerne Pfeilschaft tragt an seinem hinteren 
Ende eine kleine Einkerbung zum Einsetzen auf die Bogensehne und dicht davor 
die dreiteilige Befiederung (haiya). Die eiserne Spitze, welche 
die Wandorobbo meist von Wakuafi und Masaischmieden, 
aber auch von ansässigen Negern kaufen und seltener auch 
selbst fertigen, hat in der Regel die sogenannte Pfeilform. 
Sie trägt entweder einen kurzen, flachen Dorn, der durch 
Einschieben in einen zehn Zentimeter langen, walzenförmigen 
verlängert ist, oder dieser letztere und die Spitze sind zu- 
sammenhängend aus einem Stück gearbeitet. Ab und zu 
findet man auch Pfeile, bei denen der Verlängerungsdom 
aus HoIk ist. Diese stammen aus Ukamba, wo sie die 
Wandorobbo, welche sie mijerä nennen, gekauft haben. Der 
Dorn steckt lose im Pfeilschaft, damit dieser, wenn das 
Tier getroffen ist, abfallen kann. Seltener verwenden sie hölzerne Wurfspeere 
(Fig. 86) mit lose eingesetzter, vergifteter Eisenspitze, die in dem getroffenen 




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- 237 — 

Tier, ebenso wie die Pfeilspitze, stecken bleibt, während der hölzerne Schaft 

abfallt. Auch mit einem scharfen Schwert, das sie an einen Stock binden und 

als Stoss- oder Wurfspeer benutzen, gehen sie dem schlafenden Nashorn und 

Flusspferd zu Leibe. Diese Waffe lässt man in der Wunde stecken, 

Aso dass sie, wenn das Tier flüchtig wird, durch Anstossen auf dem 
Erdboden und an Büschen die Eingeweide noch weiter zerschneidet. 
Beide Speerarten heissen muschäg, Spitze und Dorn der Pfeile und 
Wurfspeere tragen je eine eingefeilte Eigentumsmarke (Tafel 5 und 6), 
■ woran man Stamm und Geschlecht des Besitzers erkennen kann, um beim 
Fund eines erlegten Wildes dessen Jäger festzustellen. Ebenso wie die 
Eigentumsmarken an den Rindern und Eseln der Masai, sind die Zeichen 
hier nicht für alle Wandorobbo dieselben, sondern variieren in den 
einzelnen Distrikten mehr oder weniger. Ausser solchen Marken findet 
man noch andere, die einzelnen grossen Familien gehören und dann an 
Stelle jener, nicht mit diesen zusammen, angebracht sind. Spitze und 
Dorn der Pfeile und Wurfspeere sind immer in ihrer ganzen Länge mit 
einem Pflanzengift bestrichen, welches die Wandorobbo selbst aus Holz 
und Wurzeln der Acocanthera abyssinica kochen.die sie adug, d. h. Gift, 
nennen. Obwohl der Baum in der Steppe um den Kilimandscharo 
nicht selten ist, scheint seine giftige Eigenschaft doch im allgemeinen 
nur den Wandorobbo bekannt zu sein, da andere Stämme das Gift 
nicht selbst fabrizieren. So verkaufen es jene z. B. an die Wadsch^ga, 
die Wakahe, die Wakuafi von Aruscha tschini und vom Meruberg, die 
Wapare usw. Zum Giftkochen gehen immer zwei Wandorobbo einige 
tausend Meter vom Lager fort in den Busch. Nachdem sie Aeste und 
Wurzeln der Acocanthera abyssinica gesammelt haben, spalten sie die- 
selben in daumendicke Stäbe und richten sich an getrennten Plätzen 
zum Kochen ein. In einem tönernen Topf, der mit Flusswasser halb 
gefüllt ist, wird das Holz mehrere Stunden ausgekocht. Dann nimmt 
man es heraus und dickt durch weiteres Kochen die gewonnene Flüssig- 
keit bis zu breiig-zäher Konsistenz ein. Das fertige Gift ist schwarz und 
sieht wie Pech aus. Während der Bereitung darf kein Weib weder in 
die Nähe des Gifttopfcs, noch in die des kochenden Mannes kommen. 
Die Frau, welche Essen und Brennholz herbeibringt, legt diese Sachen 
deshalb in Rufweite nieder, Sie glauben, dass die Wirkung des Giftes 
durch die Berührung oder auch nur Gegenwart einer Frau, deren Person 
sie in ihren naiven Anschauungen von dem Begriff Geschlechtsverkehr 
— denn dieser ist ein nach ihrer Ansicht dem Gift entgegen wirkendes 
(i/,o\ Element — nicht zu trennen vermögen, abgeschwächt oder ganz ver- 
nichtet, würde. Dasselbe würde der Fall sein, wenn die Frau in der 
Zeit, wo der Mann mit der Giftbereitung beschäftigt ist, mit einem andern Mann 
verkehrt, oder wenn der Mann Gift kochen würde, während seine Frau schwanger 



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- 238 - 

ist. Das fertige Gift wird in einem Holztopf (madje) oder einer Ledertasche 
(ameta) aufgehoben, und zwar ebenso wie der Kocher mit den vergifteten Pfeilen 
nicht in der Hütte, sondern aufgehängt an einem Baum unweit des Lagers. Nur 
bei Regenwetter schaffen sie die Sachen in den Kraal und verwahren sie dort 
in der Hütte eines alten Weibes, das selbst ihrer Ansicht nach in obiger Be- 
ziehung nicht mehr in Frage kommen kann. Sich selbst sogar machen sie be- 
züglich der Intensität des Geschlechtsverkehrs verantwortlich für das langsamere 
Verenden des vom Giftpfeil getroffenen Tieres. Mit einem hölzernen Spatel 
streicht man das Gift auf die Pfeilspitze und umwickelt diese, um die getrocknete 
Masse vor Zerbröckeln oder bei feuchtem Wetter vor Abfliessen (da sie sehr 
hygroskopisch ist) zu schützen, mit einem Streifen dünner Antilopenhaut, die 
enthaart und durch Einreiben mit Fett geschmeidig gemacht ist. Das Gift 
wirkt sehr schnell, und zwar durch plötzliches Aufheben der Herztätigkeit Bei 
einer durch den Unterleib geschossenen Ginsterkatze trat nach fünf Minuten unter 
lebhaften Bewegungen der Nasenöügel und heftigen, krampfartigen Muskelzuk- 
kungen des Rumpfes und der Glieder Atemnot ein. Mit kurzen Unterbrechungen 
von einer Viertel- bis einer Drittelminute wiederholten sich die Erscheinungen 
und nahmen an Intensität zu. Die Pupillen erweiterten sich zum Kreis. Neun 
Minuten achtzehn Sekunden nach dem Schuss erschienen die bis d^hin blau- 
schwarzen Pupillen plötzlich meergrün und zugleich mit einer kräftigen Zuckung 
trat der Tod ein. Bei ganz frischem Gift soll der Tod schon nach kürzerer Zeit 
eintreten. In der Steppe wird das Gift versucht, indem man eine Antilope mit 
einem neu vergifteten Pfeil schiesst. Findet man auf der Fährte des flüchtigen 
Tieres frischen Urin und Exkremente, so gilt das Gift als zu schwach wirkend. 
Gutes Gift in den Fuss einer lebenden Schildkröte gebracht, muss ihren Tod 
herbeiführen, ehe sie fünf bis sechs Schritt weit gekrochen ist. Ein physiologi- 
sches Antidot ist weder den Asä noch den Wandorobbo bekannt. Bei kleineren, 
einfachen und penetrierenden Fleischwunden soll sofortige Auswaschung mit 
frischem Urin helfen. Alte Wandorobbo zeigten mir mehrfach Narben am 
eigenen Körper, besonders an Armen und Beinen, die von zwei bis vier Zenti- 
meter tiefen Schüssen mit Giftpfeilen herrühren sollten. Sowohl das Aussehen 
der Narben, als auch die übereinstimmenden Aussagen von Leuten, die zeitlich 
und örtlich getrennt von Jenen waren, bestätigten diese Angaben. 

Wenn das Kochen des Giftes beendet ist, wird der Topf mit Sand und 
Wasser gereinigt und wieder zur Bereitung der Speisen benutzt. Die einmal 
gebrauchte Pfeilspitze wird gut gereinigt, ausgeglüht und wieder neu vergiftet. 

In die Ausübung der Jagd teilen sich die Männer in der Weise, dass die 
jüngeren in der freien Steppe pirschen, während sich die älteren an den Wild- 
tränken auf Anstand setzen. Der Pirschgang erfordert eine unvergleichlich 
grössere Ausdauer und Geivandtheit, als daheim. Den Wind muss der ol dorobbo 
genauer beachten, weil sein eigener starker Geruch dem Wild die Witterung 
äusserst erleichtert. Vor dem Gesicht des Wildes muss er sich aufs peinlichste 



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— 239 — 

decken, weil ihm jede Art von Anpassung an Gelände und Umgebung unbekannt 
ist, so dass sich sein schwarzer Körper auf der meist hellgelben Steppe schon 
auf grosse Entfernungen klar abhebt. Die Schwierigkeit des Anspringens er- 
höht sich noch durch die primitive Beschaffenheit seiner Waffen, die ihm erst 
auf 20 bis 30 Meter gestatten, einen sicheren Schuss anzubringen. Was Geduld, 
Ausdauer und Geschicklichkeit betrifii, welche die Wandorobbo hierbei be- 
weisen, so kann sich ein europäischer Jäger mit ihnen kaum messen. Häufig, 
nicht regelmässig, benutzt der Jäger auf dem Pirschgang einen Hund, Auf die 
Fährte gesetzt, führt er seinen Herrn, bis dieser das Wild sieht. Dann legt der 
Jäger seinen Lederschurz ab und während er nun das Wild anschleicht, bleibt 
der Hund neben dem Schurz liegen. Sobald das Wild den Giftpfeil bekommen 



Abb. bo. Wanilorobbo beim Zoiliili-u viius t'Iussptijivli's 

hat, wird der Hund wieder auf die Fährte gesetzt und verfolgt das kranke Tier 
bis es sich niederiut. Dann kehrt er zurück und bewährt sich als Totverweiser. 
Der Jäger lasst nun den Hund als Wache bei dem erlegten Stück zurück und 
geht selbst zum Lager, um Leute zu holen, die das Fleisch heimtragen. Die 
Wandorobbo ziehen die Hunde entweder selbst oder kaufen sie. In jedem 
Lager findet man ihrer zwei bis drei. Regelmässig werden sie auf grössere 
Ausflüge mitgenommen, um durch ihre Wachsamkeit die in der Wildnis lagern- 
den vor Raubtieren zu schützen. Die Hunde werden schon jung abgeführt, 
wozu man Kitze einfängt. Die Kinder üben sich daran im Bogenschiessen und 
die Hunde auf der Schweissspur. Auf dem Anstand an der Tränke stellt sich 
der Jäger aus zwei Aesten, die meterweit von einander stehen und mit Zweigen 



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— 240 — 

und Gras verbunden werden, eine kleine Deckung her. Dahinter hockend, er- 
wartet er das zum Wasser kommende Wild, das oft einzeln in ganz kurzen 
Zwischenräumen, oft auch im ganzen Rudel naht. Früh kommen, nach Angabe 
der Wandorobbo, oft Schwarzfersenantilope, Wasserbock und Wildschwein; 
Giralft und Elefant kommen nachts. Letzterer aber auch am Tag und wie das 
übrige Wild gegen Abend, Die Antilopen unter der Grösse eines schwachen 
Rehs sollen fast nie zur Tränke gehen. Der Jäger lässt das Wild erst einige 
Augenblicke tränken, ehe er schiesst. Sobald das Tier den Pfeil bekommt, 
wird es flüchtig. Die andern Tiere denken, so erzählt der ol dorobbo, dass 
das verwundete von einem Insekt gestochen sei und bleiben ruhig. Der 
Jäger schiesst ein zweites und drittes. Erst dann merken die Tiere, woher die 
Gefahr kommt und flüchten alle zusammen, worauf er noch ein- oder zweimal 
schiesst. Nun kehrt er in das Lager zurück und schickt Knaben hinter den 
verwundeten Tieren her. 

Von Zeit zu Zeit werden auch Treibjagden veranstaltet. Man wählt hierzu 
ein Gelände, wo zwei Flüsschen ein Ausbrechen des Wildes seitwärts zur 
Treibrichtung verhindern. Schon bei Sonnenaufgang ist das Wild hinten um- 
stellt worden, und zwar von Knaben und jungen Männern, die es nun durch 
Geschrei und Winken mit Stoff- oder Lederfetzen, die an die Bogenstöcke ge- 
bunden sind, auf die Reihe der Schützen, die bich bis zur Hüfte eing^p^ben 
haben, zutreiben. 

Eine waidgerechte Ausübung der Jagd ist den Leuten völlig fremd. 
Skrupellos schiessen sie das Kalb und das hochbeschlagene Muttertier. Fleisch- 
gewinnung ist der einzige Zweck ihrer Jagd. Schlingen, Gruben, Selbstschüsse 
und Fallen verwenden sie nicht, da auf diese Weise erlegtes Wild nur den Raub- 
tieren zur Beute fallen würde. Die Vertilgung des Raubzeugs liegt ihnen auch 
wenig am Herzen. Sein Fleisch verabscheuen sie — nur die am Donjo Kissale 
wohnenden Wandorobbo sollen manchmal Löwen essen — und seine Aus- 
rottung erscheint ihnen unnütz bei der gewaltigen Menge des stets wechselnden 
Wildes. Nur die dem Menschen gefährlichen Raubtiere, in erster Linie Löwe, 
Leopard und Hyäne, schiesst man, wenn man sie zufallig trifft. Macht ein 
Löwe mehrere Tage die Umgebung des Lagers unsicher, so legen sich die 
Männer ausserhalb desselben nachts auf die Lauer, um ihn mit Speeren zu töten. 
Seine Tötung durch ausgelegte Fleischköder, in welche man Pfeilgift gebracht 
hat, halten sie für nicht möglich. Mehrere Leute behaupteten, es vergeblich 
versucht zu haben und glauben, dass der Löwe das Gift wittere. 

Was die Güte des Wildprets anbelangt, so sind sie übrigens recht genüg- 
sam. Sie verschmähen ebensowenig da-^ grobfaserige Fleisch der schweren Dick- 
häuter, wie das haut-goüt des tagealten Elefantenkadavers, den selbst ihr Riesen- 
magen auf den ersten Anhieb nicht bewältigen konnte. Wie die Raubtiere 
schätzen sie das Gescheide besonders und verachten auch nicht das Fleisch von 
gefallenen oder geschlagenen Tieren, ja sogar die Haut vom Elefanten, Nashorn 



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— 241 — 

und Flusspferd wird geröstet verzehrt. Als jagdbar, d. h. hier essbar, gelten 
für die Wandorobbo Elefant, Nashorn, Flusspferd, Schweine, Zebra, alle Zwei- 
hufer von der Giraffe bis zu den winzigen Zwergantilopen, Hasen, Klippschliefer 
und von den Vögeln der Strauss, den sie aber nur seiner Federn wegen 
schiessen, welche die Masai zur Herstellung des Kriegskopfsch mucks gern kaufen. 
Affen und niedere Tiere jagen sie nicht, weil sie deren Fleisch nicht ge- 
niessen. 

Am Tag vor dem Neumond, und stellenweise auch am siebzehnten Tage, 



dem ol onjugi, geht niemand auf Jagd, weil man nach dem Volksglauben am 
crsteren Tag doch nichts erlegen, während am letzteren der Bogen zerbrechen 
würde. Als Unglück bringend gilt für den Jäger der rotköpfige Anaplectes 
melanotis. Sieht ihn der Jäger unterwegs, so kehrt er sofort ins Lager zurück 
und verlässt es erst wieder nach einigen Stunden, um von neuem sein Glück 
zu versuchen. 



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Wie die Krieger der Masai, so halten auch die dobonog der Wandorobbo 
ihre Fleischmahlzeiten im Wald. Während diese aber bei jenen eine Folge der 
Speisegesetze sind, wonach der Krieger im Kraal kein Fleisch essen darf, handelt 
es sich bei letzteren nur um das Festhalten an einer alten Sitte, zu der heute 
kein Grund mehr vorliegt, da der Unverheiratete gewöhnlich seine Fleisch- 
nahrung in der Hütte zu sich nimmt. Eine grössere Berechtigung hat dagegen 
das Beibehalten des ea dorfts, wo sie sich durch reichlichen Fleischgenuss zu 
einem grösseren Jagdzug auf entfernteres und zugleich gefahrliches Wild, wie 
Elefanten und Büffel, stärken. Die vielen Gewürze und Excitantia, welche wir 
bei den Masai kennen gelernt haben, verwenden auch die Wandorobbo, doch 
in ungleich geringerem Umfang. Für die Mahlzeiten im Busch teilen sie sich 
nicht in Genossenschaften ein, sondern nur zu Jagdausflügen. Eine jede Ge- 
sellschaft besteht in der Regel aus vier Mann und heisst e sirdet, worin man 
das heutige Masaiwort es sirit erkennt. Unter den Teilnehmern wird die Beute 
zu gleichen Teilen verteilt. Uebernachtet der einzelne Jäger oder ein e sirdgt 
in einem fremden Lager, so erhält der Gastfreund von der Jagdbeute ein Vorder- 
und ein Hinterblatt. 



IX. 

toflc, — Die cmielnen BfklciJuOK?- und Schmurkstilcke, vcrKliclicn 
pf- unii KörperliRare. — Nägel, — Scliminke. — Tfitoivierung. 

Zeugstoffe, wie sie das Zahlungsmittel der Karawanenleute im Tausch- 
verkehr sind, haben sich bei den Asä nur in äusserst geringem Umfang ein- 
gebürgert. Es liegt dies hauptsächlich daran, dass sie mit den Karawanen nur 
selten in direkten Verkehr treten, vielmehr unter dem Druck der Masai diesen 
ihre Ausbeute an Fllefanten-Stosszähnen, Flusspferdzähnen und Hörnern von 
Rhinozeros bicornis gegen eine geringe Entschädigung abzuliefern gezwungen 
' sind. Von einem legalen Tauschverkehr ist da nicht die Rede, die Masai 
kaufen kwa nguvu = mit Gewalt, wie die Küstenleute so treffend diese Art des 
Handelns bezeichnen. 

Man sieht die Asä daher fast nur in ihrer ursprünglichen Lederkleidung 
(zu Leder verarbeitetes Fell magadgg, magadaig), die in Schnitt und Tragweise 
vollkommen der der Masai gleicht, aber ärmlicher und oft abgerissen aussieht. 
Besonders fällt diese Dürftigkeit bei den von den Masai e megiti und en jÄriba 
genannten Umhängen der Knaben und Männer auf, welche die Wandorobbo 
ebenso nennen und die hier auch von älteren Männern getragen werden, weil 
das ol gela auf der Jagd durch seine Länge zu unbequem ist. Die dobonog 
tragen übrigens das e megiti nicht allgemein, öfters vielmehr ein en joriba aus 
Kalbfellen, die sie von den Masai kaufen; ältere Männer haben es häufig aus 
dem Fell der weiblichen Schxvarzfersenantilope. Das Kostüm der Weiber heisst 
hier eök (P. ekS), ebenso wie der obere Teil desselben (ol egischobo der Masai) 



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— 243 — 

allein, während der untere nach der Masaibezeichnung ol ogessana gessäna (P. 
gessanäa) genannt ist. Das ol gela I el moruak heisst hier gok o daemä und 
ist bedeutend kürzer als jenes, nur wenig länger als das en jorlba. Als Fuss- 
bekleidung dienen ihnen Sandalen (ischfba), die aber nicht allgemein im Ge- 
brauch sind. Im Schmuck macht sich besonders die Armut der Asä bei den 
dobonog geltend, wenn man auch berücksichtigen muss, dass ihr Drang nach 
Gefallen in den Augen des schönen Geschlechts ein durch die Verhältnisse 
ganz bedeutend vermin de rterer ist als der, welcher die el möran erfüllt. Während 
diese unter einander um die Gunst so vieler Mädchen wetteifern, haben jene 
in ihren kleinen Lagern kaum eine Konkurrenz zu liirchten. Ein reicher und 
auffälliger Schmuck würde dem Jäger aber auch auf der Jagd lästig und hinder- 
lich sein. Man findet daher bei ihnen, ebenso wie bei den verheirateten Männern, 
meist nur im Ohrläppchen das röhrenförmige ol gissoi der Masai, welches sie 
ebenso bezeichnen, und um den Hals eine geringe Zahl einfacherer Ringe. Da- 
gegen kommen die Wandorobboweiber, was Menge und Arten des Schmuckes 
betrifft, denen der Masai ziemlich gleich. Allerdings findet man bei jenen nie 
solch aufgedonnerte Modeschönen wie bei diesen; das einzelne Weib hat viel- 
mehr nur wenige Schmuckstücke. Verfasser fand ausser den erwähnten noch 
folgende Schmuckarten, die der Kürze wegen nur mit den Namen der Masai 
und Wandorobbo aufgeführt werden sollen. (Aus ersterer Bezeichnung ist dann 
nach Abschnitt II zu ersehen, um was es sich handelt): ol orowtl, hier lilüod; 
ol eleschua, hier ebenso genannt; eA gtmeta, hier ebenso; e rab, hier cAguan; 
ol kibaba, hier ebenso; en jili, hier ebenso genannt; ol beniet, hier ebenso; 
oiaiai, hier na hauet; femer die schweren Messingdraht-Ohrgehänge der Weiber 
(surudia), hier tamaschiet, tamagig, und den grossen Schmuck aus Eisendraht 
es segeiigei e murt, hier es segeAgei* endet to issat; es segengei ol baraiigasch, 
hier es segeAgei to lubaog; es segengei en dagule, hier es segeiigei to n dagulfit, 
und den es segengei ol oreschet, hier es segeftgei to ee. 

Fingerringe {hier ol gissoi ku sengetok) tragen nur Weiber, und zwar be- 
sonders am Mittelfinger der rfchten Hand. Männer tragen keine, weil angeblich 
die Bogensehne beim Schiessen leicht daran hängen bleibt. 

Männer, Weiber und Kinder rasieren in der Regel die Köpfe und lassen 
das Haar zwischen zwei Rasuren höchstens zwei Zoll lang werden. Selten trifft 
man einen dobonog mit der Kopffrisur (s^mug). Kopf- und Körperhaare werden 
in demselben Umfang und in gleicher Weise wie bei den Masai entfernt, doch 
werden hier von beiden Geschlechtern auch die Augenbrauen rasiert. Die Nägel 
werden mit einem gewöhnlichen zweischneidigen Messer geschnitten. Die beiden 
mittleren unteren Schneidezähne werden nicht bei allen ausgebrochen. Haar- 
und Nagelabschnitte werden in grösserer Entfernung vom Kraal weggeworfen 
oder versteckt, damit sie keinem bösen Zauberer in die Hände fallen, der daraus 
einen Krankheit herbeiführenden Zauber gegen ihren früheren Träger machen 
könnte. 



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— 244 — 

Die jungen Männer und die Mädchen färben den ganzen Körper mit einer 
Schminke aus Fett und roter Erde (ol garia), oder ersterc auch nur Beine und 
Unterarme, und wischen dann die Farbe wieder in Schlangenlinien (lama), die 
einen Zoll weit von einander parallel laufen, fort. Nach Erlegung eines Elefanten 
bemalt der glückliche Jäger seine Brust mit drei Strichen, von denen die beiden 





Fijf. 87. 



Flg. 88. 



äusseren vom Schlüsselbein über Brustwarze zur Hüfte gehen, der mittelste von 
der Brust bis zum Nabel (Fig. 87), oder sie bemalen den ganzen Körper mit 
Ausnahme des Leibes mit weissen und roten Streifen (wie die Masaikrieger). 
Erstere Bemalung nennen sie katadirjdi, letztere bezeichnen sie mit dem Masaiwort 
en gituAguat. Bei Festen ziehen die Männer mit dem Pulver der ol mc^ägora- 





Vig. 89«. 



Fig. 89 b, 



Wurzel einen Strich von der Oberlippe aufwärts über Nase und Stirn bis zum 
Haaransatz. Knaben (Fig. 88} und Mädchen (Fig. 89) tätowieren die Lyrafigur 
der Masai, letztere auch eine andere ähnliche auf den Bauch. Nicht selten 
findet man im Gesicht der Weiber auch die eingeätzte Zeichnung ol kigerot, 
welche bei den Masai besprochen wurde. 



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KrankbeileD. 

Bei Krankheiten brauchen die Wandorobbo dieselben Medizinen wie die 
Masai und bereiten sie auch in entsprechender Weise zu. Solche Medikamente, 
welche diese mit Milch oder Blut vermengt einnehmen, mischen sie nur mit 
Wasser oder Wildbouillon. Die von den Masatkriegem so viel genossenen, 
nervenerregenden Mittel kennen auch die Wandorobbo, doch brauchen sie sie 
nicht in so ausgedehntem Masse und nie in solcher Menge, dass sich bei ihnen 
Wutanfölle einstellten. Ihre Bezeichnungen für die hauptsächlichsten Erkran- 
kungen sind folgende: Kopfschmerz = sogog agema = kranker Kopf, Zahn- 
schmerz = ligä agema = kranker Zahn; Husten ohotu oder ahotu, Brustschmerz 
Hba agema = kranke Brust; Leibschmerz = waia agema = kranker Leib; Durch- 
fall waia katidji, Verstopfung waia gischuAgurgue. Pocken ol maschuggu oder 
ajög. Dysenterie soll angebhch nicht voi^ommen. Gonorrhoe damäg, Lues 
en ebitiro. Windpocken simir§g. Elephantiasis, auch E. scroti soll nicht vor- 
kommen. Fieber kaesegomo, Gallenfieber ol odoa. Tänien pinib^g, Askariden 
menana. Verletzte Adern werden unterbunden, Knochenbrüche geschient. Auf 
Brandwunden legt man den weichen plüschartigen Ueberzug der Wurzeln des 
ol dungui-Strauches. Ueberzählige Finger und Zehen werden nicht amputiert; 
man Bndet sie nicht besonders unschön. 

Helfen die bekannten Medikamente nicht, so wendet sich der Kranke an 
einen ol goiatiki, von dessen Zaubermedizin er Heilung erwartet. Der Wundarzt 
heisst bei den Wandorobbo asik-asa, die Hebamme gascha-hatta-hawa-kerint. 



XL 

BcBtattang der Leiche. — Erbfolge. 

Die Bestattung der Leiche unterscheidet sich von dem bei den Masai 
üblichen Brauch nur insofern, als die Armut der Asa dies bedingt. Sie halten 
weder einen Totenschmaus noch salben sie die Lpiche mit Fett. Reiche 
Leute, d. h, hier solche mit zahlreicher Nachkommenschaft, werden bei einigen 
begraben, und zwar im Kraal nahe der Hütte, damit sie noch nach dem 
Tode die Gespräche ihrer Kinder hören und den Duft von deren Mahl7.eiten 
geniessen können. Alle andern Leichen werden nur aus dem Kraal geschleift 
und ungefähr loo Schritt davon niedergelegt. Wenn die Leiche nicht schon in 
der ersten Nacht von Hyänen verzehrt wird, was übrigens nur sehr selten aus- 
bleiben soll, da diese Aasfresser eigentlich jede Nacht um die meist übe 
duftenden Lager herumstreichen, so verbrennt man als Opfer die aus Wachs- 
teilchen bestehenden Rückstande des Honigbiers bei der Leiche. Ein Eingraben 
von Leichen ausserhalb des Lagers wird nirgends geübt. Das Gebet an der 
Leiche eines Familienvaters lautet hier: Uet, nge gurgurta, nge haga = Gott, 



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Vater, gib Rat, gib Fleisch. Für die Trauer gilt das oben über die Masai 
gesagte. 

Im Erbrecht gelten dieselben Grundsätze wie bei den Masai. Indessen 
macht die Geringfügigkeit des hinterlassenen Gutes oft eine Teilung unter den 
Erbberechtigten unmöglich, und man kann daher in der Praxis sehr häufig be- 
obachten, dass der älteste Sohn (der Hauptfrau} das ganze aus Bogen, Pfeilen 
und Bienenkörben bestehende Erbe erhält. Letztere bilden den Hauptteil der 
Hinterlassenschaft und werden nach dem Tode eines Mannes in derselben 
Weise unter die Söhne verteilt, wie die Rinder bei den Masai. Wie dieser 
jedem seiner Weiber eine Anzahl Rinder zur Wartung und Nutzniessung gibt, 
überlässt der ol dorobbo jeder seiner Frauen einen Teil seiner Bienenstöcke, 
welche dann die Söhne der betreffenden Frau erben. Die Witwen schliessen 
sich in der Regel an einen Mann ihrer Altersklasse an und leben mit diesem 
zusammen. Hinterlassene Töchter gehen insofern in den Besitz des ältesten 
Sohnes über, als an diesen bei ihrer Verheiratung der Brautpreis zu zahlen ist 



xn. 

Cbaraktct der Asi, verKlichco mit dem der MaBal. 

Im Charakter gleichen die Asä im allgemeinen den Masai sehr, nur 
scheint der Stammesdunkel durch ihre Notlage bedeutend abgeschwächt zu sein, 
wenn er auch immer noch in der Verachtung der el meg, die sie mondo 
nennen, zu Tage tritt. Ueber ihr Verhalten den Europäern gegenüber lässt 
sich ein allgemeines Urteil nicht fällen, da sie mit diesen eigentlich nur in 
Ausnahmefällen persönlich in Berührung gekommen sind und sie sonst nur aus 
den Erzählungen der Masai kennen. Im ganzen heben sich die selbständig 
lebenden Asä von denen, die bei den Masai Anschluss gefunden haben, vorteil- 
haft ab, indem jene bescheidener und weniger verschlagen zu sein scheinen, 
während diese in Unverfrorenheit den Masai gleichkommen. Das Verhältnis 
beider Stämme zu einander beruht auf einer vollkommenen Unterordnung der 
Wandorobbo, die in den Masai ihre Herren und in grösseren Rechtsstreiten auch 
ihre Richter sehen. 

Ausgenommen sind hiervon die Masaischmiede, die in der Achtung der 
Wandorobbo ebenso tief, wie in der der Masai stehen. Der ol kononi ist auch 
dem ol dorobbo') gegenüber vollkommen rechtlos. Gegen durchziehende 
Karawanen und ansässige Neger zeigen sich die Wandorobbo friedlich. Wo 
sie einmal, ohne selbst angegriffen zu sein, jene mit Giftpfeilen beschossen, 
scheinen sie in vermeintlicher Notwehr gehandelt zu haben; jedenfalls kann 

') Grammatisch richtiger ol dorobbonl, doch IÜbbI der Sprachgebrauch in der Regel die lernt 
Silbe iallt-n. 



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- 24; - 

man ihnen weder Kriegs- noch Mordtust nachsagen. Mit diesen Einschränkungen 
gilt über ihre Charaktereigenschaften, über ihr Zusammenhalten den Angehorigea 
aller fremden Stämme gegenüber, über die Stellung ihrer Frauen usw. das oben 
über die Masai gesagte. Neu ist hier zu erwähnen, dass ich mehrfach die 
Sitte fand, wonach ein Weib, eben wegen seiner untergeordneten Stellung, nicht 
durch eine Gruppe Männer hindurchgehen darf 

Zur Begrüssung brauchen die Wandorobbo dieselben Worte und Formeln 
wie die Masai, und begleiten sie mit denselben Gesten. 

Der Abschiedsgruss des Gehenden lautet aija matida. Die Antwort darauf, 
adi, soll heissen *geh!t Auf den Einwurf, dass dies doch wenig höflich sei, 
erwiderte ein alter Asä: »Wir sind arme Leute, wenn der Besucher gegangen 
ist, brauchen wir ihm von unserm Essen nichts mehr zu geben!« 



XIII. 
Sprache. — Zahlen, — Tagesieitcn, — Bezeichnung der Dücbslc^o Tngc in Ver):;angenhelt und Zaknnft, 

Die Asä sprechen zwei verschiedene Idiome, nämlich einmal je nach ihrem 
Wohnsitz einen der von den Masai gesprochenen Dialekte, und zweitens ein zu 
einer eigenen »Sprache« gewordenes S p räch ge misch. Sein Grundelement ist 
ein älterer Dialekt des -Masaivolks, der im Laufe der Zeit zwei Beimischungen 
bekommen hat. Die ältere von beiden stammt aus der Tatogasprache.') Als 
die Asä in die ostafrikanischen Steppen einzogen, fanden sie hier als Vieh- 
nomaden die Tatoga und als armes Jägervolk die zum Tatogavolk gehörigen 
Saoska vor. Der zwischen allen dreien entstehende Verkehr mag die Aufnahme 
von Tatogaworten in die Asäsprache und die Umbildung von Asäworten in 
eine tatoga ähnliche Form eingeleitet haben. Weiter schritt dieser Prozess fort, 
als die Asä von dem zweiten Trupp des Masaivolks verdrängt wurden und die 
inzwischen zu Jägern gewordenen Tatoga und die Saoska ihre Lehrmeister 
waren, die ihnen halfen, aus Viehzüchtern zu Jägern zu werden. Diese Tatoga- 
isierung der Asäworte äussert sich besonders in Verstümmelung des Artikels 
und Anhängung einer der in der Tatogasprache häufigen Endungen an das 
Substantiv. 

Da nun die Asä bis heute in engerem Verkehr mit den Wakuafi und 
Masai stehen, so nahmen sie auch von diesen Worte auf, d. h. Worte neuerer Masai- 
dialekte und auch Worte aus Negersprachen, die durch die mit Negern ver- 
mischten Wakuafi bei ihnen Eingang fanden. Dies ist die jüngere der beiden 
Beimischungen. 

Zahlworte wenden die Wandorobbo nur sehr selten an, weil sie eigentlich 
nichts zu zählen haben; das einzige dazu geeignete wären ihre Bienenkörbe, und 

') Wahrscheinlich auch auB äer eines andern, bereits untergegangenen, d, h. durch Veniii»chung 
mit Negern In diesen aufgegangenen Semitenvolkei. 



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— 24« — 

diese zahlen sie nicht, weil — wie mir einige Leute erklärten — die Bienen 
dann keinen Honig mehr sammeln oder — wie andere meinten — sterben 
würden. Wo sie indes 2^hlworte brauchen, benutzen sie im allgemeinen, 
sowohl im Verkehr unter sich als auch mit Fremden, die, welche wir oben bei 
den Masai kennen gelernt haben, und zwar in derselben Weise und mit den- 
selben Hand- bezw. Fingerbewegungen. Wie die Leute angaben, bedienen sich 
alle Asä und auch die andern Wandorobbo dieser Zahlworte, was mir deshalb 
glaubhaft erscheint, weil ich selbst keinen getroffen habe, dem sie nicht geläufig 
gewesen wären. Daneben haben sie sich im Tauschverkehr mit Ackerbauern auch 
einige von deren Zahlworten angeeignet und zum Teil zu einer für sie bequemeren 
Form verstümmelt. Schliesslich haben sich bei den Asä noch einige eigene 
erhalten, die im Verein mit einigen der Tatogasprache entlehnten heute von 
ihnen als eigene bezeichnet werden. Es sind die folgenden: 

1 = kind^. Der Zeigefinger der linken Hand ist ausgestreckt, die 

andern Finger liegen lose in der Hand. 

2 = xlam. Zeige- und Mittelfinger der linken Hand sind aus- 

gestreckt, die andern wie vorher. 

3 = sämä oder sämäg. Zeige-. Mittel- und nächster Finger der hnken Hand 

sind ausgestreckt, die andern wie vorher. 

4 = hä oder häg. Die vier Finger der Linken sind ausgestreckt, der 

Daumen liegt lose in der Hand. 

5 = müt. Die linke Hand ist zur Faust geschlossen. 

6 = la I 

7 ^ isuba. 

8 = isiet. 

9 = endurudji. 

10 = aguhgan. J 

11 = aguhgan kinde. 

12 = aguhgan ;[lam 

13 == aguiigan a sama' {oder aguAgan a samag). 
20 = ditfm. 

Weiter dürften die eigenen Worte nicht reichen. Nach den Beobachtungen 
des Verfassers benutzen die Wandorobbo diese Zahlworte besonders bei Auf- 
zählung der auf einem Jagdausflug erlegten Stücke Wild, der erbeuteten Elfen- 
beinzähne und Rhinoceroshörner. 

Für ihre Fähigkeit im Rechnen gilt das über die Masai gesagte. Die 
Finger bezeichnen die Wandorobbo meist mit den Namen, welche die Masai 
dafür haben. Von eigenen Bezeichnungen kennen sie nur seAget6k für Finger 
und sengelä liir die Hand, 

Ordinaira bildet man aus den Grundzahlen durch Hinzufügung des Wortes 
sätisch oder kärätisch. Der erste: kinde satisch, der zweite: x'^™ satisch, der 
dritte: satisch sama', der vierte: satisch hag, der fünfte: satisch mut; oder kinde 



Dieselben Zeichen wie vorher, doch mit der rechten 
Hand ausgeführt. 



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— 249 — 

karatiscb, zl*"" * karatisch. Diese Bezeichnungen scheinen nur sehr selten ge- 
braucht zu werden, an ihrer Stelle wendet man lieber die der M.isaisprache an, 
Brüche drücken die Wandorobbo in analoger Weise wie die Masai aus. Zur 
Multiplikation dient das Wort sigä. Einmal heisst siga kinde, zweimal siga z'3™i 
dreimal siga sama', viermal siga hag. fünfmal siga mut usw. 

Für Jahreszeiten und Monate haben sie keine eigenen Bezeichnungen und 
brauchen auch die der Masai nur sehr selten, da sie kein Bedürfnis dafür kennen. 
Von den Tagen benennen sie nur den letzten im Monat leheg tagarawasch, an 
dem sie nicht auf Jagd gehen. D^egen bezeichnen sie die Tageszeiten mit 
eigenen Worten in folgender Weise: 

Die Stunde vor Sonnenaufgang, wo es noch dunkel ist: demog dädi. 

Sobald es etwas hell wird: erenä saha. 

Sonnenaufgang: adjid sauaschasch. 

Zehn Uhr vormittags: schirahög. 

Zwölf Uhr mittags: adj'odä. 

Zwei Uhr nachmittags: sadj'i foa, 

Nachmittag, in Sonderheit die Zeit bis um fiinf Uhr: haia. 

Die Zeit von fünf Uhr bis Sonnenuntergang: adjid saduisch. 

Dämmerung: tara. 

Nacht: e ramesä. 

Heute heisst Igtdl oder tgtäla, morgen läpe oder lÄbe, gestern aresch; 
ebenso wie die Masai, haben sie für vorgestern und übermorgen nur ein Wort, 
nämlich mflek; der nächste Tag heisst to samag, der dann folgende to hag; 
für die weiteren Tage braucht man die Masaiworte. 



XIV. 

Religion. — Gebet. — lültffiilt. — Amulette. — Ziiubcrci, — Büäor Blick. 

Die religiösen Anschauungen der Wandorobbo gleichen denen, die wir bei 
den Masai kennen gelernt haben, vollkommen, nur nennen sie Gott nicht 'Ng ai, 
sondern Ued. In den Gesängen heisst Gott auch häuüg der schwarze Gott, 
Ued kabiassa; dagegen finden sich den Masai ausdrücken für Wolken und 
Himmelsröte analoge Bezeichnungen hier nicht; erstere heissen adja kabaka, 
letztere adja kahoma. Von den Sternbildern kennen sie die, welche auch die 
Masai kennen, und bezeichnen sie mit denselben Namen. Bildliche Darstellungen 
von Ued haben sie, aus demselben Grunde wie die Masai, nicht. Alle Leute 
beten. Verheiratete und Kinder zu Haus, die dobonog unterwegs, wenn sie von 
Not oder Krankheit heimgesucht werden; im gewöhnlichen Leben beten die 
dobonog nicht. Das Weib betet jeden Morgen beim Feuermachen; wenn der 
Mann und die Kinder das sehen, stellen sie sich oft dazu und sprechen auch 
ein Gebet. Dieses enthält immer nur eine Bitte, nie einen Dank. Eine Bitte 



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— 250 — 

um Schutz lautet: Ued sigima gemischin; um Kinder: Ued nge hawa; um 
Weiber: Ufed nge mai; um Fleisch: Ued nge aga; um Honig: Ued nge agung; 
um Essen: Ued nge e haiug; um Gesundheit, wenn man krank ist: Ued 
adudere an. Ueber das Schicksal der Seele denken — im Gegensatz zu den 
Masai — auch die alten Leute nur sehr selten nach. Verfasser traf nur wenige 
alte Wandorobbo, welche darüber Angaben machen konnten. Diese deckten 
sich mit den Mitteilungen der Masai. 

Von Zeit zu Zeit feiern die Leute ein Bittfest fiir Ued, welches sie korodjeg 
oder koroseg nennen. Zu einem korosgg a hawa, ein Fest, um von Gott Kinder 
zu erbitten, steilen sich die verheirateten Frauen im Kreis auf um ein kleines 
Feuer, in welches sie, wie auch bei jedem andern Bittfest, den hauptsächlich 
aus Wachs teilchen bestehenden Rückstand des Honigbiers streuen, damit der 
Duft davon zu Gott emporsteige. Während ein alter angesehener Mann im 
Kreis herumgeht und die Anwesenden mit Honigbier besprengt, singen sie: Ued, 
nge hawa! Nachdem dies eine Viertelstunde fortgesetzt ist, fangen sie an zu 
tanzen, dieselben' Worte weiter singend. An den Tanz schliesst sich ein Mahl, 
bei dem Fleisch und Honigbier genossen wird. Bei einem koros^ e aga bitten 
sie Gott um Fleisch. An ein kleines Feuer stellen sie senkrecht einen oben 
mehrfach gegabelten, geraden Ast, dessen Zweige kurz abgeschnitten sind. Mit 
dem leeren Stock soll Gott gezeigt werden, dass man kein Fleisch hat. Alle 
Lagergenossen stellen sich ums Feuer und singen: Ued ngeri' magat {magat = 
Wild). Am nächsten Motten ziehen die Jäger aus. und sobald sie Fleisch heim- 
bringen, wird davon auf jeden Gabelzweig des Astes ein kleines Stückchen 
gelegt Wieder umstellen alle das neu angezündete Feuer und singen nun: Ued 
urag haiug ara, wa.s heissen soll: Gott, gib uns noch mehr Essen. Ein anderes 
Bittfest feiern die Männer vor einem grösseren Jagdzug. In der Mitte des Lagers 
wird ein kleines Feuer gemacht, um welches sich die Männer im Kreis aufstellen. 
Jeder hat in der linken Hand den Bogen, in der rechten einen Zweig des oiti- 
Baumes {Acacia mellifera). Dann umschreiten sie, links herum gehend, das 
Feuer viermal, wobei sie singen: Ued ngeri' magat Sie behaupten, in dieser 
Weise noch nie vergeblich gebeten zu haben, vielmehr na^h einem koroseg c 
aga stets mit reicher Beute von der Jagd zurückgekommen zu sein. Ein dem 
ol ogor 1 ol gereiti entsprechendes Fest haben die Wandorobbo nicht. Sic 
schneiden sich vielmehr ohne bestimmte Zeremonien aus dem Fell eines eben 
erlegten Tieres einen Streifen heraus und tragen ihn als Amulett um den 
rechten Mittelfinger. Sobald ihnen unterwe^is etwas begegnet, was ihnen Furcht 
einflösst, sei es ein Raubtier oder ein Feind, so blasen sie auf den Fellstreifei;, 
was gleichbedeutend mit einem Gebet um Schutz ist. Andere Amulette sieht 
man ausserordentlich selten. Verfasser sah nur eins, welches sie tütöro nannten 
und das aus einem Wurzelstückchen bestand. Es wurde am Halsring getragen 
und sollte gegen Raubtiere schützen. Wenn einzelne Leute ausserhalb des 
Lagers in der Steppe übernachten oder ein erlegtes Stück Wild während der 



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— 251 — 

Nacht draussen liegen lassen müssen, umschreiten sie vor Einbruch der Dunkel- 
heit den Platz mit einem brennenden Zweig des mondeja-Strauches. Wenn man 
dies getan hat, kann kein Raubtier herankommen, versichern sie. An dem beim 
Schiessen schräg nach oben gehaltenen Ende des Bogens findet man häufig eine 
schilderhausartige Zeichnung, welche nach dem Glauben der Leute Gott selbst 
vor Zeiten sie gelehrt hat und .welche es bewirken soll, dass sie auf der Jagd 
nur fettes Wild erlegen. 

Das Wesen der Zauberei, wodurch Krankheit und Tod herbeigeführt 
werden kann, erklären sie wie die Masai. Böse, überirdische Geister haben 
damit nichts zu tun. Sie ist lediglich das Werk böser Menschen, die man 
verabscheut, fürchtet und deshalb ausstösst; sie werden schogoto genannt, worin 
man das Masaiwort ol osokutoni wiedererkennt. Leute mit bösem .Blick, die 
man gailagumma nennt, werden ebenso gehalst und ausgestossen. Kennt man 
für eine Krankheit oder einen plötzlichen Todesfall keine natürliche Ursache, 
so gelten sie als Werk dieser Zauberer. 



XV. 

Recht. — Allirenieines. — Eigentum. — Teilung der Jagdbeute. — Fund. — Tauscb. — Schuldca. — 
Haftung. — Sebcnkun^. — Blutsircundschafl. — Mord und TotEtchlat;. — FahrLH-Ssige Tötung. — 
Körperverletiung'. — Sitllichkeitsvergehen, — Diobatalil. — Ermittelung unbekannter Missptäler. — 
Gcrichltichc Verhandlung. — Beteuerung. -- Tortur. — Goltcäurteile. — Bahtprobe. — Frau vor 
Gericht. — Geistes kranke. 

Die Rechtsanschauungen und Rechtsgebräuche der Asä gleichen im allge- 
meinen denen der Masai. Ueberall finden wir dieselben leitenden Gedanken. Auch 
hier geht oft Macht vor Recht, wenn auch nicht in demselben Umfang wie dort. 

Ueber das Familien- und Personenrecht ist nichts Neues zu sagen. Die 
einzige Instanz im Prozessrecht ist ein von beiden Parteien gewählter angesehener 
Mann, wenn Kläger und Beklagter zu einem Stamm gehören. Prostess- oder 
Strafsachen, in welchen Kläger und Beklagter zu zwei verschiedenen Stämmen 
gehören, erledigen die Wandorobbo nicht unter sich, sondern übertragen die 
Schlichtung derselben den Masai des nächsten Kraals. Eine Verfolgung von 
Straftaten von Rechtswegen ist unbekannt. 

Ein Eigentumsrecht an Grund und Boden oder ein Nutzungsrecht der 
Jagdgründe steht der einzelnen Person nicht ausschliesslich zu. Beides ist viel- 
mehr Gemeingut. Von jedem erlegten Wild, bis herab zur Grösse einer mitt- 
leren Antilope, gehört dem Jäger und seinen Lagergenossen zusammen nur die 
eine Hälfte, während die andere von einem männlichen Tier den Genossen 
seines Geschlechts zukommt, die von einem weiblichen den Angehörigen seiner 
Frau oder Frauen; in beiden Fällen: soweit die Empfangsberechtigten ganz in 
der Nähe wolinen. Von den beiden Stosszähnen (ligatok, ligasch) des Elefanten 
gehört jeder zu einer Hälfte. Ebenso werden seit kurzem auch die grossen 



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— 252 — 

Zähne des Flusspferdes geteilt, während man sie früher mit den Knochen zu- 
sammen liegen liess. Für die Hörner (hadoflg, hadama) des Nashorns tauscht 
der Jäger Gift oder Pfeilspitzen ein und verteilt diese Sachen dann an die Leute, 
die sich vorher in das Fleisch des Tieres zu teilen hatten. Die Felle des er- 
legten Wildes gehören dem Jäger. , 

Alles kleinere Wild gehört ganz dem Jäger und seinen Lagergenossen. 

Das Eigentum gehört dem einzelnen Individuum, nicht der Familiengemdn- 
schaft. Eine verlorene Sache wird dem Eigentümer zurückgegeben, ohne dass 
der Finder eine Belohnung zu beanspruchen hat. Eine Strafe für Fundunter- 
schlagung besteht nicht. 

Ein allgemeines Tauschmittel gibt es nicht. Geld ist noch nii^ends in 
Aufnahme gekommen. Immer werden Waren gegen Waren getauscht. Für 
Elfenbein zahlen die Karawanenleute Rinder, Ziegen, Schafe, Eisendraht, Perlen, 
Stoffe. Nie wollen die Wandorobbo beim einzelnen Tauschgeschäft eine Waren- 
gattung allein, sondern immer mehrere und von den leblosen noch möglichst 
viel verschiedene Arten. Der Austausch geschieht Zug um Zug und wird 
durch Bespucken der Objekte rechtskräftig. Nur ausnahmsweise wird für 
einen kleinen Teil der Zahlung ein kurzer Aufschub gewährt. Dem säumigen 
Schuldner gegenüber sucht sich der Gläubiger durch Selbsthilfe schadlos zu 
halten, und erst, wenn er damit keinen Erfolg hat, wird er klagbar. Es kommt 
nicht selten vor, dass der Gläubiger eine kleine Tochter des Schuldners als 
Pfand und eine heiratsfähige zur Frau nimmt; in letzterem Fall zieht er von 
dem Brautpreis die Schuldsumme ab. Der Erbe des Schuldners ist haftbar, 
und zwar für die ganze Schuld. Bei Zahlungsunföhigkeit des Schuldners haftet 
der Bürge, wenn — was selten der Fall — ein solcher überhaupt vorhanden ist. 
Auch der Erbe des Bürgen ist haftbar. Durch die Weigerung, ein Geschenk 
anzunehnlen, wird der Geber beleidigt. Auf Schenkung folgt Gegenschenkung 
von annähernd dem gleichen Wert. Der Geber spuckt auf das Geschenk bei 
der Uebcrgabe. Untereinander schliessen die Wandorobbo keine Blutsfreund- 
schaft, sondern nur — und zwar sehr selten — mit Angehörigen anderer Stämme. 
Die dabei beobachtete Zeremonie gleicht der bei den Masai oben beschriebenen. 
Wenn ein Fremder von ihnen Elfenbein gekauft und erst einen Teil des Preises 
bezahlt hat, schliesst mancher ol dorobbo gern mit ihm Blutsfreundschaft, weil 
er meint, dass dann der Schuldner bei nicht möglichst schneller Tilgung der 
Schuld sterben müsse.') 

Ebenso wie bei den Masai, macht die Rechtsanschauung keinen Unterschied 
zwischen Mord und Totschlag, wohl aber zwischen diesem und fahrlässiger 
Tötung. Der auf frischer Tat ertappte Mörder verfällt der Blutrache, zu deren 
Ausfuhrung jeder zur Familie des Ermordeten gehörige Mann und in manchen 
Distrikten auch jeder seiner Freunde und Lagergenossen berechtigt ist. Gelingt 

'l Diost? A05i-liituunK isl im allgemeinen scUcti; sie ist den Asa nicht urcieontilmlicli, sondfra 



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— 253 — 

es den Rächern nicht, den Mörder am Tag des Mordes zu ergreifen, so ist 
dieser nun vor der Blutrache sicher, weil man in der erfolglosen Suche nach 
ihm den Befehl Gottes, ihn am Leben zu lassen, sieht. Er muss aber zur 
Siihnung seiner Tat dem Haupterben des Verstorbenen einen grossen und zwei 
kleine Elfenbeinzähne zahlen. Fahrläss^e Tötung wird mit Zahlung eines mittel- 
grossen Elfenbeinzahnes bestraft. Gehören Täter und Getöteter demselben 
Geschlecht an, so ist die Strafe bedeutend geringer, als wenn sie von ver- 
schiedenen Geschlechtern desselben Stammes sind. Gehören die beiden dagegen 
verschiedenen Stämmen an, so übergeben die zur Blutrache Berechtigten die 
Ausübung derselben häufig den Masai, die den Täter, auch wenn sie ihn erst 
nach einigen Monaten ergreifen, töten. Bis zur vollendeten Zahlung gilt der 
Täter als puni-and£t, entsprechend dem ol oikob der Masai. Wenn ein Asä 
einen Masaischmied tötet, so bleibt cjie Tat straflos, weil die Schmiede zu 
schwach zur Rache sind und die Masai sich nie dazu hergeben wi^rden, ihre 
Partei zu nehmen. Wird dagegen ein Asä von einem Schmied getötet, so stellen 
sich die Masai sofort auf Seiten der Geschädigten und rächen Mord, Totschlag 
oder fahrlässige Tötung durch Ermordung des Täters. Die Wandorobbo wären 
zwar selbst im stände, die Rache auszuüben, doch gestatten dies die Masai 
nicht, weil sie darin einen Eingriff in ihre Rechte als Herren des Landes und im 
besonderen auch der el kononi sehen. 

Körperverletzung mit tödtlichem Ausgang gilt, wenn absichtlich zugefügt, 
als Mord, wenn fahrlässig, als fahrlässige Tötung. Geringere Körperverletzungen 
werden mit Zahlung einer bestimmten Anzahl Bienenstöcke gesühnt. Für die 
Zerstörung eines Fingers wird ein Bienenstock bezahlt, für die einer Hand acht; 
bei einigen Wandorobbo, die eng zusammen mit Masai leben, beträgt die Sühne 
fiir Zerstörung eines Fingers oder der ganzen Hand ein Fettschwanzschaf. Eine 
nur zum Verlust eines Zeigefingers oder eines Auges fuhrende Körperverletzung 
bleibt oft straflos, ebenso wie Notzucht, Abtreibung soll unbekannt sein, wider- 
natürliche Unzucht nicht vorkommen. Menschenraub und Verkauf sind un- 
bekannt. 

Ein im Lager von einem Mitbewohner oder Fremden begangener Dieb- 
stahl wird durch Rückgabe des Gestohlenen gesühnt, der eines ausserhalb des 
Lagers aufgehängten Bienenstocks mit .Zahlung von zehn neuen. Wer den 
Honig aus einen Bienenstock stiehlt, zahlt fünf Bienenstöcke. Brandstiftung soll 
nicht vorkommen; wer durch Zauberei die Krankheit eines andern verschuldet, 
wird nicht selten getötet, nachdem er sich hat überreden lassen, den Kranken 
wieder gesund zu zaubern. Aufs strengste verpönt ist wegen der damit ver- 
bundenen Gefahr das Schiessen mit Giftpfeilen im Lager. Wer dies Gesetz 
übertritt, muss gewärtig sein, von seinen Lagergenossen sofort getötet zu werden. 

Unbekannt sind: verschärfte Todesarten, der Grundsatz, gleiches mit 
gleichem zu vergelten, Busse an dem sündenden Körperteil, Symbolismus, Frei- 
heitsstrafen, Versklavung, staatliche Strafen, Begnadigungsrecht. 



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— 254 — 

Zur Ermittelung eines unbekannten Missetäters wendet sich der Geschädigte 
— wie schon erwähnt — an einen Zauberer, der auch bei den Wandorobbo 
Ol goiatiki genannt wird. Anstelle der Manipulationen mit dem eA gidofl wirft 
er ein Paar Sandalen achtmal vor sich auf die Erde, nimmt sie dann auf und 
legt sie nachts unter seinen Kopf; am nächsten Morgen wirft er die Sandalen 
wieder, diesmal fünf Mal, worauf er erklärt, dass der Schuldige so und so aus- 
sehe und in dem und dem Lager wohne usw. Wenn von einem erlegten Ele- 
fanten die Stosszähne gestohlen werden (der Jäger nimmt sie nicht sofort her- 
aus, sondern wartet damit, bis sie sich durch Fäulnis des Zahnfleisches gelockert 
haben), so macht der, welcher das Tier zur Strecke brachte, gegen den Dieb 
einen Zauber, indem er mehrfach auf den Elefantenkopf schiesst, wobei er als 
Pfeil das Feuerquirlholz benutzt. Darauf zerbricht er dieses und legt es neben 
den Kopf. Dieser Zauber ist nach der. Versicherung der Wandorobbo so wirk- 
sam, dass der Dieb unrettbar nach wenigen Tagen sterben muss, wenn er nicht ~ 
was fast immer geschehen soll — die Zähne dem Eigentümer schleunigst zustellt. 

Nur in Strafsachen kommt es zu einer gerichtlichen Verhandlung, die sich 
in derselben Weise wie bei den Masai abspielt. Zur Teilnahme daran i-t jedes 
männliche Individuum berechtigt. Die Ankommenden begrüssen den Vorsitzenden, 
der mit einigen Freunden schon im Schatten eines Baumes nahe seinem Lager 
wartet, mit dem üblichen Gruss und Handschlag, worauf dieser durch einige der 
oben genannten Bittgebete Ued nge hawa, U^d nge mai, Ued ngeri' aga! die 
Sitzung eröffnet und nach beendeter Beratung in derselben Weise schliesst. 

Eine Beteuerung der Wahrheit geschieht durch dieselben Gesten und auch 
die gleichen Worte wie bei den Masai. Ausser den letzteren ist noch die Formel 
Ued kiweta = Gott soll mich töten, gebräuchlich. 

Zur Erzwingung von Geständnissen wendet man die bei den Masai übliche 
Tortur, das Umschnüren des Oberarms mit einer Bogensehne an. Die Wando- 
robbo nennen es: andoga rasug. Andere Gottesurteile (momgg) als die, welche 
bei den Masai besprochen sind, kennen die Asä in ihren Gerichtssitzungen nicht. 
Von jenen brauchen sie die drei folgenden: Das Gottesurteil des Bogens, hier 
gari waschää. das Gottesurteil des trockenen Holzes, hier kaschingo waguruf, 
und das des Schemels aus Erde, das sie ebenso wie die Masai bezeichnen 
Der Schuldige muss sich auf Verlangen des Klägers dem Gottesurteil unter- 
werfen und kann keinen Vertreter stellen. Nach den Angaben der Wandorobbo 
gesteht ein wirklich Schuldiger stets, che er sich dem ol momai, wie es ausser 
momeg auch hier genaunt wird, unterzieht, weil der Glaube, dass er sonst schon 
am nächsten Tage sterben werde, unerschütterlich fest im Volke sitzt. Ausser 
den Gottesurteilen gilt bei Mord auch die Bahrprobe als Mittel zur Ueberführung 
des Angeschuldigten. Im Gegensatz zu den Masai bekommt hier der unschuldig 
Angeklagte keine Entschädigung. 

Frauen dürfen als Zeugen vor Gericht erscheinen, klageberechtigt sind sie 
dagegen nicht; für sie klagt vielmehr ihr Ehemann. 



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- 25S — 

Auch hier nehmen Geisteskranke eine Ausnahmestellung im Rechtsteben 
ein, indem sie bei Vergehen, die durch Bussen gesühnt werden, straflos bleiben. 
Man fesselt sie nicht, lässt sie vielmehr frei herumgehen und gibt ihnen, solange 
sie harmlos sind, Obdach und Nahrung. Gefährlichen Geisteskranken wird dies 
verwe^ert, wodurch sie schnell zu Grunde gehen. 



XVL 

EHe Erziüi1uii)f von der Erfinduni; des PEeilgifls. — VVEitere EiEShlun^n naä Fabeln. 

Die Erzählungen der Wandorobbo schildern zumeist eigene Jagderlebnisse, 
besonders natürlich solche merkwürdiger Art und mit grossem gefährlichen 
Wild. Dass dabei auch »Jägerlateinc unterfliesst, ist wohl selbstverständlich. 

Die Erfindung des Pfeilgifts. 
Eine arme Witwe, die niemand zu sich nehmen und ernähren wollte, 
durchstreifte täglich Steppe und Busch, um sich kümmerlich mit Wurzeln, 
Beeren und Baumrinden zu sättigen- Eines Tages kaute sie ein kleines Stuck- 
chen Rinde, welches sich durch sehr schlechten Geschmack auszeichnete. Bald 
danach stellte sich Erbrechen ein, so heftig, dass sie einige Tage krank war. 
Sie dachte: »Wahrscheinlich wäre ich gestorben, hätte ich noch mehr davon 
gegessen; da ich kein Wild jagen kann, kann ich es vielleicht hiermit töten. c 
Als sie wieder gesund war, ging sie mit ihrem Topf an eine Stelle der Steppe, 
wo in einem Felsbecken Wasser war, zu dem das Wild tränken kam. Hier 
kochte sie mehrere Tage hintereinander das Holz jenes Giftstrauches aus und 
goss die Brühe immer in den kleinen Tümpel. Endlich eines Morgens fand 
sie in der Nähe desselben zehn tote Büffel liegen, Sie lief ins Lager, um Leute 
zu holen, damit diese das Fleisch nach Hause tragen sollten. Als sie die 
toten Büffel sahen, konnten sie nicht begreifen, wie es möghch gewesen war, 
so viele auf einmal zu töten. Da erzählte ihnen die Frau, wie sie es voll- 
bracht hatte, und nun priesen sie sie als die beste und klügste der Frauen und 
jeder wollte sie heiraten. Nachdem ihnen die Frau die Bereitung des Gifts 
gezeigt hatte, fertigten sie sich solches und bestrichen damit die Jagdpfeile. 

Einige Erzählungen und Fabeln. 
Ein ol dorobbo schoss eine Giraffe, und da es Abend war und er es weit 
bis zum Lager hatte, blieb er während der Nacht bei dem Tier. Er wollte 
wegen der zu erwartenden Raubtiere wachen, doch übermannte ihn die Müdig- 
keit. Im Traum sah er einen Löwen heranschleichen. Er wachte davon mit 
einem Angstschrei auf. Noch verschlafen, hielt er sein eigenes Bein für den 
Löwen und schlug mit aller Kraft mit seinem Messer darauf. Mit einer grossen 
Wunde fanden ihn seine Lagergenossen, die ausgegangen waren ihn zu suchen, 
am folgenden Tag in der Steppe und trugen ihn heim. 



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— 256 — 

Ein ol dorobbo fand in der Steppe eine Antilope, die er für tot hielt. Er 
legte Bogen und Köcher neben das Tier und ging daran, es abzuhäuten. Nach- 
dem er schon zwei Schnitte auf der Bauchseite gemacht hatte, sprang das Tier 
auf und lief mit dem Messer im Leib davon. 

Ein Vater ging täglich mit seinem Knaben auf die Jagd. Eine lange Weile 
waren sie glücklich und brachten täglich Beute nach Hause. Dann aber kam 
eine Zeit, wo es ihnen nicht gelingen wollte, auch nur ein einziges Stück zu 
erleben. Eines Tages, als sie wieder vergeblich gepirscht hatten, lagerten sie 
weit ab von ihrer Hütte in der freien Steppe. Um sich zu wärmen, machten 
sie ein Feuer an. Beide quälte der Hunger furchtbar. Da kam der Alte auf 
den Gedanken, den Sohn zu töten und mit der Leiche seinen Hunger zu stillen. 
Er sagte zum Knaben: »Gehe hin und hole Brennholz, damit das Feuer grösser 
wird.« Der Junge tat, wie ihm geheissen war. Als er mit einer Last Holz 
zurückkam, rief er: »Vater, komm rasch her, hier ist Wild herangekommen.« 
Der Alte lief herzu, sah zwei grosse Antilopen und erlegte sie. Nun fing er 
an zu weinen und sagte: »Mein liebes Kind, setz dich her undiss«. Er selber 
ass aber nichts. Als der Knabe satt war, war auch der Morgen angebrochen, 
und der Vater schickte ihn ins Lager, damit er die Leute rufe und diese auch 
kämen zu essen. Als sie kamen, fragte der Alte: »Ist dieser da, ist jener da? 
und so fort, bis er die Namen aller Lagergenossen genannt hatte. Nachdem 
er überzeugt war, dass alle zugegen waren und assen, sagte er; »Hört mich, ich 
bin schlecht, ich bin kein Mensch, sondern ein Ungeheuer. Ehe ich diese An- 
tilopen schoss, wollte ich meinen Sohn töten und verzehren. Ich bin zu schlecht, 
um noch länger mit euch zu leben und verdiene den Tod.« Mit diesen Worten 
schlitzte er sich den Bauch auf, riss die Eingeweide heraus und zerschnitt 

Ein Mann hatte eine Antilope erlegt; ein anderer stahl ihm das Wildpret. 
Nun sann der Geschädigte auf Rache. Eines Tages nahm er ein Kind des 
Diebes mit in die Steppe und sagte ihm, es solle in das Erdloch eines Wild- 
schweins kriechen. Nachdem es dies getan hatte, rief er den Vater des Kindes 
herbei und sagte zu ihm: »Dort in diesen Löchern ist ein Wildschwein, gleich 
wird es herauskommen, schiesse es.« Nun kloplle er auf die Erde als Zeichen, 
dass das Kind aus dem Loch kommen sollte. Als es hervorstürzte, erschoss es 
der eigene Vater, der es Tür ein Wildschwein hielt, mit seinem Giftpfeil, 



Ein ol dorobbo hatte einen Büffel geschossen und verkaufte ein Stück 
von dessen Haut an einen Masaikrieger, der sich ein Schild daraus machen 
wollte und die Bezahlung schuldig blieb. Eines Tages trafen beide im Busch 
zusammen. Der Krieger war eben von einem Viehraub gekommen und führte 
ein grosses Rind bei sich. Er beauftragte nun den ol dorobbo, dieses einen 
Augenblick zu beaufsichtigen, während er zum nahen Bach gehen wollte, um 
Wasser zu trinken. Als der Krieger weggegangen war, schlug der ol dorobbo 



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— 257 — 

mit trockenem Holz aufeinander und schrie, als ob er bedroht wäre. Der ol 
morani dachte, dass der Besitzer des Rindes mit seinen Freunden gekommen 
sei, um es wieder zurückzuholen und blieb deshalb fern. Dies wollte der ol 
dorobbo auch erreichen. Er tötete nun das Tier sofort, fing sein Blut in einer 
Ledertasche auf und trug das Fleisch heim. Am nächsten Tag glaubte der ol 
morani, dass ihn der ol dorobbo getäuscht habe, und ging zu dessen Lager. 
Er fragte die Frau; »Wann hat dein Mann zum letzten Mal Fleisch nach Hause 
gebrachtPc Sie antwortete: »Im letzten Monat.( Auf seine weitere Frage: 
>Wo ist dein Mann?( sagte sie: »Er liegt in der Hütte und ist sehr krank.( 
Der Krieger glaubte es nicht und wollte selbst den Mann sehen. Der alte ol 
dorobbo nahm schnell etwas Rindsblut in den Mund und kam dann langsam und 
stöhnend herausgekrochen. Darauf fing er an zu husten und spie das Blut aus. 
Der Krieger glaubte, dass der Kranke gleich sterben würde und lief schnell davon. 
So hatte sich der ol dorobbo für sein Stück Büffelhaut reichlich bezahlt gemacht. 



Zwei Wandorobbo, ein fleissiger und ein fauler, gingen auf die Jagd. 
Ersterer erlegte eine Antilope, von der beide gleich assen. Dann bekam der 
Fleissige Durst und sagte zu dem andern, er solle Wasser holen. Doch dieser 
weigerte sich und meinte, er wolle das Fleisch bewachen, während der andere 
trinken ginge. Nachdem er fort war, machte sich der Faule daran, das Fleisch 
zusammenzubinden und trug es fort. Unterwegs traf er den andern. Dieser 
sagte: »Warum hast du mein Fleisch weggenommen?« Jener erwiderte: »Dies 
ist mein Fleisch, das deinige liegt noch auf der Stelle, wo du es gelassen hast.« 
Darauf ging der Fleissige in der Richtung auf den Platz weiter, kehrte aber 
nach einigen Schritten um und lief, einen Umweg machend, eilig ins Lager. 
Dort sagte er zur Frau des Faulen: »Geh in die Hütte zu meiner Frau, ich 
erwarte in deiner Hütte deinen Mann, wir haben etwas zu besprechen.* Die 
Frau ging und der Fleissige erwartete den Faulen in dessen Hütte. Als dieser 
kam, rief er: »Frau, hier ist Fleisch, nimm es.« Der Fleissige sagte: »Hm!« 
und nahm das Fleisch. »Ich gehe jetzt«, sagte der Faule, »und hole noch die 
Haut des Wildes.« Damit ging er fort, und gleich darauf trug der andere das 
Fleisch in seine Hütte, wo es sofort gebraten wurde und schon verzehrt war, 
als der andere zurückkam. Die Haut hatte er nicht mehr gefunden, eine 
Hyäne hatte sie we^eschleppt oder gefressen. 



Zwei Wandorobbo erlegten einen ßuffe) und wollten ihn sofort ganz auf- 
essen, um nichts davon einem ihnen folgenden Greise geben zu brauchen. Sie 
assen solche Mengen, dass sogar die Ohren ganz dick wurden und die Ohr- 
läppchen so anschwollen, dass sie den o! gissoi - Schmuck zersprengten. Nun 
sahen sie den Alten von weitem kommen und wollten schnell noch den Rest 
des Fleisches vertilgen. Da platzte aber beiden der Magen, und als der Greis 
erschien, fand er sie schon tot. 



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- 2SS - 

Ein ot dorobbo ging aus zu jagen und schoss eine grosse Antilope. Gleich 
darauf gewahrte er, wie hoch über ihm die Geier das erlegte Tier umkreisten. 
Er fürchtete, dass andere Waudorobbo, durch die Vögel aufmerksam gemacht, 
herzueilen wurden, um mitzuessen. Er schoss deshalb nach den Vögeln und 
spannte, da sie sehr hoch schwebten, den Bogen mit ganzer Kraft. Der Pfeil 
schnellte so hoch, dass er seinem Auge entschwand. Nun beugte er sich 
nieder, um das frische Blut der Antilope zu trinken. Im nächsten Moment 
kam der Pfeil zurück und traf ihn ins Genick, so dass er starb. Die Herbei- 
kommenden fanden Tier und Jäger tot neben einander liegen; sie schleiften 
den letzteren beiseite und verzehrten das Wild. 



Ein ol dorobbo schoss eine Kuhanlilope, und da er niemandem von dem 
Fleisch geben wollte, ass er sie gleich an Ort und Stelle auf Um darauf 
seinen Durst zu stillen, legte er sich an die einzige kleine Wasserpfütze, die 
weit und breit zu finden war, und trank sie bis auf den letzten Tropfen aus. 
Als er nun aufstehen wollte, um nach Hause zu gehen, konnte er sich nicht 
rühren. Ein Löwe kam und frass ihn auf. Das war die Strafe für seine Gier, 
die den andern nichts gönnte. 

Ein ol dorobbo hatte zwei Söhne, die er sehr liebte und für die er sorgte, 
so gut er irgend konnte. Täglich brachte er Fleisch von der Jagd heim und 
gab ihnen grosse Stücke davon, damit sie gross und stark werden sollten. Als 
sie erwachsen waren, gingen beide zusammen auf die Jagd und verabredeten, 
sie wollten das erlegte Wild gleich aufessen und nichts davon mit ins Lager 
für die Eltern nehmen. Sie pirschten den ganzen Tag, ohne ein Stück erlegen 
zu können, und abends kehrten sie müde und hungrig heim und bekamen von 
ihrem Vater zu essen. Am folgenden Tag gingen sie wieder mit derselben 
Verabredung aus, und als sie kein Wild sahen, stieg einer auf einen Baum, 
um Ausschau zu halten. Da kam plötzlich eine Giraffe, weiche von den Regen- 
tropfen, die an den Blättern jenes Baumes hingen, trinken wollte Schnell hatte 
der auf dem Baum sitzende ihren Hals umschlungen und gleich darauf auch 
mit dem Messer durchschnitten. Das zusammenbrechende Tier begrub ihn halb 
unter sich, so dass er bewusstlos dalag. Da kam sein Bruder herbei und be- 
sprengte ihn mit Wasser, doch vergebens. Dann schnitt er aus der Giraffe ein 
Stuckchen Fett und hielt es ihm unter die Nase. Als der Kranke das Fett roch, 
erwachte er; die Gier danach hatte ihn geweckt. Der andere gab nun seiner Freude 
darüber, dass der Kranke noch nicht essen konnte und er das riesige WUd allein 
und ungestört würde verspeisen können, durch ein so unbändiges Lachen Aus- 
druck, dass auch er ohnmächtig hinfiel. Nun brachte ihn sein Bruder, wie er 
diesen zuvor, durch den Geruch eines Stückchens Fett zum Bewusstsein. Doch 
auch er blieb so schwach, dass er nicht ans Essen denken konnte. Bald kamen 
die Leute ihres Lagers herbei, trugen die Kranken, die noch mehrere Tage 
lang nichts essen konnten, nach Hause und verzehrten das Fleisch der Giraffe. 



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— 259 — 

Ein ol dorobbo schoss eine grosse Antilope, setzte sich gleich daran und 
ass, so viel er hinunter würgen konnte. Den Rest des Fleisches versteckte er 
sich für später. Durch das viele Essen war er durstig geworden und ging da- 
her auf die Suche nach Wasser. Dabei traf er einen andern Mann, der ihn zu 
dem einzigen Wassertümpel in der ganzen Umgebung führte. Als dieser den 
ersteren nun um ein Stück Fleisch zur Belohnung bat, gab er ihm nur ein 
kleines, schiechtes Stückchen. Dann kehrte er wieder zu dem Platz, wo er das 
Fleisch versteckt hatte, zurück, um weiter zu essen. Doch beim ersten Bissen 
verschluckte er sich; er musste so sehr husten, dass in seinem vollgepfropften 
Leib etwas zerriss. Mit Mühe schleppte er sich nach Hause, wo er lange krank 
lag. Diese Krankheit war die Strafe Gottes für seinen Geiz. Auch seinen 
eigenen Kindern gegenüber war er so geizig. Eines Tages hatte er ein Wild- 
schwein geschossen Wieder setzte er sich sofort hin und ass von dem Tier 
mehr als die Hälfte auf einmal und versteckte das andere Fleisch auf einem 
Baum. Unter diesen legte er sich, um zu schlafen, da brach der Ast, an 
welchen er das Fleisch gehängt hatte, und zerschmetterte ihm das Rückgrat. 



Ein Löwe war mit einer Hyäne befreundet. Der Lowe tötete täglich ein 
Stück Wild und Hess der Hyäne davon nur die Knochen übrig. Diese sagte 
daher eines Tages zum Löwen: >Friss nicht die Herzen des Wildes, denn sonst 
wirst du krank, du hast davon im Leben schon so viel gefressen.« Der Löwe 
frass von da ab das Herz nicht mehr, aber wenn er sein Mahl verlassen hatte, 
kam die Hyäne und frass das Herz oder brachte es ihren Jungen. Als nun 
einmal die Kinder der Hyäne mit denen des Löwen spielten, sahen die letzteren, 
dass erstere ein Stück Herz hatten, und erzählten es später ihrem Vater. Der 
alte Löwe sagte ihnen, sie sollten weinen und der Hyäne sagen, dass er ge- 
storben wäre. Schluchzend kam diese bald herbei und Jammerte ein über das 
andere Mal: »Wer wird nun Wild jagen und mir das Herz des Wildes über- 
lassen.^« Dies hörte der Löwe, Er sah, dass ihn die Hyäne betrogen hatte, 
stürzte sich auf sie und tötete sie. 



Ein alter erblindeter ol dorobbo, dessen Frau gestorben war, lebte mit 
einem kleinen Sohn allein. Die andern Leute des Lagers waren weitergezogen 
und beide hatten ihnen nicht folgen können. Meist nährten sie sich von Wurzeln 
und Beeren, doch das Kind war noch zu klein, um genug Nahrung für beide 
suchen zu können. So musste der Alte öfters auf die Jagd gehen, wobei ihn 
sein Sohn führte und ihm den Pfeil richtete. Wenn der Vater geschossen 
hatte, glaubte der Kleine immer, dass er nicht getroffen habe, weil das Wild 
flüchtig wurde. Doch der Alte hörte es, wenn der Pfeil traf und schickte dann 
das Kind nach, um das erlegte Stück zu suchen. 



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VIERTER ABSCHNITT. 



I. 

Die Ueberliefening aus der Urzeit. — Uiiustani), — Drachenkarapf. — Paradies. — Wellschöpfunf;. — 
Das erste Mcnsclienpanr. — Sündcnfall, — Slrafe der SchlaDge. — Vertreibung der Mensclien ans 
dem Paradies. — Gott tpbt den Mensclien Itiiider, Esel und Zielen. — Die Menseben bckommcD 
die Schafe. — Sindillo, Nabe, Sisia. — Serea. — Gott lehrt die Menschen, den lebenden Tieren Biut 
abzapfen. — Golt bestraft das Weib Sagatl für ihren Ungehorsam, — Scfaagarda. — Der erste 
Schmied. — LCmajan. — Learin. — Tumbaiilol. — Der erste Mord. — Die Sintflut. — El bari. — 
El mujalala. — El derlim. — Damalige Tracht. — Naraba. — Die feurige Seb1anl;e. — Die lefan 
Gebote. — Ei ljarl«oam. — Loi;ota. — Musana. — Die siebeatSgige Woche. — Gott befictilt den 
unblutigen Kampf Ke^cn die UnifläubiscD. — El mairab. — Der erste ol oibonl. — El ^njoio. — 
Geriga. — Der erste Ehebruch. — Mulatl — Der Betrug um das Recht der Ersljfeburl. — Gcraine- 
Eramram: Maruini, Labot, Meria. — El ROwaL — Golt befiehlt die Beschneidung. — Gott befiehlt 
den blutigen Krieg ge^n die L'ngUubigen. — Der erste Diebstalil. — Ks siawai. . — Fahrlässige 
Tötung eines weiblichen l'ieres. — El glitali. — Absichtliche Tötong eine» weibllcliea Tieres. — 
El kigerlg, — Der erste Mord nach der Sintflut. — Gulale. — Erinnerangcn über fremde Völter aua 
der Urzeit. — Neuere Zeil. 

Am Anfang war die Erde eine öde, dürre Wüste, in der ein Drache,') 
Namens Ngnaunlr, hauste. Da stieg Gott vom Himmel herab, kämpfte gegen 
den Drachen und besiegte ihn. Durch das aus dem Kadaver fliessende Blut, 
das Wasser, wurde die wilde Steinwiiste befruchtet. Dort, wo Gott das Un- 
geheuer getötet hatte und wo aus dem Leichnam sich dessen Blut ergoss, ent- 
stand das mit reichster Vegetation ausgestattete Paradies.') Die Erde war nun 
frei von Gefahren. Dann schuf Gott — durch sein Schöpferwort — Sonoe, 
Dh tn'e Mond, Sterne, Pflanzen und Tiere, und zuletzt liess er das erste Menschenpaar 
erstehen. Den Mann Maitumb| sandte er vom Himmel*) herab, während das 
Weib Naiterogob*) auf Gottes Geheiss dem Schosse der Erde entstieg. Beide 
begegneten sich im Paradies, dessen Bäume mit den köstlichsten Früchten be- 
hängen waren und wohin Gott den Maitumbe gefuhrt hatte. Gott sprach zu den 
Menschen: >Von allen diesen Früchten sollt ihr essen, sie seien eure Nahrung; 

') en diama-ssi. P. 'd diamassuni; das d wird ancl) t gesprochen. 

') cA galambo ^ das Wolkenland. 

•) r= en aitero cü gob ^ die Erste des Lande«, die Erste im Land. 



UdKchon- 



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_ 26l — 

nur von den Früchten eines einzigen Baumes,') der dort stehti, wobei Gott mit 
der Hand auf jenen Baum wies, »sollt ihr nicht essen. Das ist mein Befehl.« 
Die beiden Menschen gehorchten Gott und verlebten sorglos ein idyllisches 
Hirtenleben, 

Morgens zogen sie mit einem Stier, drei Kühen und ein Paar Ziegen auf 
die Weide, nährten sich tagsüber von den Früchten und betteten sich abends 
auf Moos und Zweige, denn eine Hütte hatten sie ebensowenig wie Kleidung. 

Im Paradies besuchte Gott die Menschen fast täglich, wozu er auf einer 
Leiter*) vom Himmel herabstieg, die nur im Moment, wo er sie benutzte, den 
Menschen sichtbar war und bei seiner Rückkehr in den Himmel mit ihm zu- 
sammen verschwand. Wenn Gott herunterkam, rief er die Menschen herbei, die 
ihm jedesmal freudig entgegen eilten. 

Eines Tages kam Gott wieder einmal zur Erde herab. Er rief zunächst 
vergebens nach den Menschen. Sie hatten sich in den Büschen versteckt, und 
als Gott sie dort gewahrte, rief er sie hervor. Auf die Frage Gottes, warum sie 
sich versteckt hätten, antwortete Maitumbe: >Wir schämen uns (=: wir bereuen), 
weil wir Böses getan und deinem Befehl nicht gehorcht haben. Wir haben von 
den Früchten des Baumes gegessen, von dessen Früchten zu essen du uns ver- 
boten hast. Die Naiterogob gab mir von den Früchten und überredete mich, 
davon zu essen, nachdem sie selbst davon gegessen hatte.« Auf die weitere 
Frage Gottes an die Naiterogob, warum sie nicht gehorcht und gegen seinen 
Willen von jenen Früchten gegessen habe, antwortete sie: >Die dreiköpfige 
Schlange*) kam zu mir und sagte, durch den Genuss jener Früchte würden wir 
dir gleich und allmächtig wie du werden. Deshalb habe ich von jenen Früchten 
gegessen und auch dem Maitumbe davon zu essen gegeben.« Gott war darüber 
zornig und sprach zu den Menschen: »Weil ihr meinem Befehl nicht gehorcht 
habt, werdet ihr nun das Paradies verlassen«, und zu der Schlange gewendet. sats* 
fuhr er fort: »und du sollst zur Strafe ewig in Erdlöchern wohnen.* Nach ^"^'^'""f 
diesen Worten wandte sich Gott weg und ging schnell in den Himmel zurück. 
Maitumbe wollte ihm nacheilen und ihn um Verzeihung bitten, doch bald traf vemdbong 
er den Ktlegen, den Moi^enstern, welcher von Gott gesandt war, um die ,u.d™p»™° 
Menschen aus dem Paradies zu treiben und dann als Wache*) davor stehen zu '**' 
bleiben. Draussen mussten die Menschen sich nun mühsam ihre Nahrung 
suchen, denn Gott sorgte zunächst nicht mehr für ihren Lebensunterhalt und 
kümmerte sich auch nicht in dem Masse wie vorher um ihre Angelegenheiten. 

Als Gott sah, dass die Menschen hungerten — denn dort, wohin sie nach coniibtd« 
der Vertreibung aus dem Paradies gekommen waren, war Steppe, in der es Räd«, ehi 

*) Euige neniMn deo Baum ol oilai. 

*) en jau61*ni, jede ihrer beiden senkrechten Staugen = ol mtbÄ. 

*) ol ailuml 1 el oi^DJ' uni. Eine andere Beieichnuni; fUr S('tilan)(e war [ruber noch ol jafiito 
1 oA Kojlt = das Din^ des Gratcü. Als Ei^enDame der Paradiei-Schlangc wird genannl ol ai 
weil tie im Schilf ^ or roitua wohnte; femer Nairamba, von unbekannter Bedeutung, 

') es »iai. 



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— 262 — 

keine Fruchtbäume gab — , beschloss er, ihnen Vieh zu geben. Er Hess daher an 
einem vom Himmel bis zur Erde reichenden Tau ') zahme Rinder, Esel und Ziegen 
herab, damit die Menschen deren Milch tränken. Töten durften sie die Tiere nicht. 
n Einige Zeit später warf ein Hund*) den Schwanz eines Fettschwanzschafes 

vom Himmel herab. Ein Geier^ fing das Schwanzstück auf und trug es in die 
Aeste eines hohen Baumes, von wo es weiter durch einen Raben*} zu den 
Menschen heruntergebracht wurde. Als diese es sahen, waren sie sehr erstaunt 
Dass es ein Teil von einem Tier war, erkannten sie wohl; doch musste es von 
einem Tier stammen, welche» sie noch nicht gesehen hatten, noch nicht be- 
sasscn. Jenes Stück konnte weder vom Rind*) noch vom Esel*) oder der 
Ziege'} sein. Die Menschen beteten nun alle Tage zu Gott, er möge ihnen 
jenes fremde Tier auch noch geben. Gott wollte ihnen zuerst ihre Bitte nicht 
erfüllen, weil er meinte, dass die Menschen durch die Güte des Schaffetts, 
dessen Anbhck ihr Verlangen nach den Schafen hervorgebracht hatte, sich ver- 
leiten lassen würden, die Schafe zu töten. Die Leute hörten aber nicht auf zu 
bitten, so dass Gott ihnen schliesslich willfahrte. Zu dem Hund aber sprach en 
■Du hast bisher bei mir Pflege und Nahrung gehabt; meine Güte hast du mtss- 
braucht. Du sollst nun nicht länger bei mir bleiben, sondern auf die Erde 
herabgehen. Keine Wohnung und Pflege soll dir werden und nur ekelhafte 
Nahrung sollst du dort finden.» 

Um die Zeit, als Gott den Menschen die Rinder gab, gebar Naiterogob 
das erste Kind, den Sohn Sindillo, der später dem Vater beim Hüten des Viehs 
behilflich war. Als er eines Tages einen Bienenschwarm an einem hohlen Baum 
sah, fand er bei genauerer Untersuchung den Honig;') er brachte ihn in den 
Kraal seines Vaters. Seit dieser Zeit ist der Honig ein Nahrungsmittel der 
Masai. Später, als Sindillo erwachsen war, baute er seinen eigenen Kraal und 
brachte die nach dem Tode Maitumbes von diesem geerbten Rinder dahin. 
Als alter Mann erfand er das Brettspiel.') 

Als Naiterogob den' zweiten Sohn gebar, nannte sie ihn Nabe,*) weil er 
sich vor seiner Geburt in ihrem Leib ziemlich stark bewegt hatts. Als Knabe 
hütete Ndbe die Ziegen und Schafe seines Vaters, und als dieser starb, fielen sie 
ihm als Erbe zu. Ebenso wie sein älterer Bruder, war auch er ein Viehzüchter. 

Das dritte Kind, welches Naiterogob gebar, wieder ein Sohn, erhielt den 
Namen Stsia, weil seine Mutter, während sie das Kind unter dem Herzen trug, 

') L11 gia' EAg ai; et Rene = Tau, Rienieo, Strick. 

*) Der Hund hicss üamata ol gba oder os siratan, nicht ol dia wie jetzt. 
■) ol ^iJ, P. cl gÜiÜ; in der alten Sprache: ol Qabischoi. 
*) ol Ronig, P, el gonirt, in der alten Sprache: or rogelä. 

') In (1er alten Sprache hiessen angeblich: Rind isuaml, P. iauam; Esel ol andia, P. '1 aadia; 
Zielte e mOKorioi, F. mo^orioDi; Schaf eö gcheria, P. i gcheriam. 
'; Der Honig hiess froher e' riroi. 
') Das Brettspiel liiess früher en geachi, 

beucRt aicEi. Die auffalleDde BeweguiiR des Foetos fphl 
da8B da» erwartete Kind kräftig and gesund werden wird. 



»LiOOgIc 



- 263 - 

lange das Gefühl hatte, als sei es voa seinem natürlichen Platz weiter nach 
hinten in ihren Rücken gewandert.') Sisia war anders geartet als seine Brüder 
und weigerte sich, dem Wunsche des Vaters entsprechend, das Vieh zu hüten. 
Er lief daher bald aus dem elterlichen Kraal fort, und zwar zu einem ackerbau- 
treiljenden, ansässigen Volksstamm, den El gandus, wo er sich mit einem 
Mädchen dieses Volkes verheiratete, 

Sindillo heiratete die Nairascho; sie war an einem Fluss geboren, an dessen 
Ufern die e! airascharasch- Sträucher,*) wonach sie benannt war, in Menge 
wuchsen. Nairascho gebar einen Sohn und nannte ihn S^r^a, weil der Ochse, Sm*. 
den der Vater bei der Geburt des Kindes schlachtete, schwarz und weiss ge- 
streift war.*) S6r€a erfand die aus Holz geschnitzte Keule.*) 

Als S^rCa eben geboren war, sah Gott, dass die Milch allein zur Sättigung Goniihndie 
der Menschen nicht mehr reiche. Er zeigte ihnen daher, wie sie das itlut des dco icbnd« 
lebenden Viehes abzapfen könnten und gab ihnen den dazu nötigen Pfeil und BimSnpf«. 
Bogen. Aber er verbot den Menschen nochmals ausdrucklich, ein Tier zu töten. 
Damals lebte ein Mann, Namens NdegSnja. Er war sehr arm und hatte lange ca» boiran 
Zeit hindurch seinen Hunger mit Rinden gestillt, die er von den Bäumen und sujnd fiir 
Sträuchern abschälte, welchem Umstand er seinen Namen verdankte.') Seine ' ™r^"^ 
Lebenswebe lehne ihn die Heilwirkung verschiedener Baumrinden, durch der^n 
Kenntnis er zum ersten Arzt wurde. Seine Frau hiess Sagati. Man hatte sie 
so genannt, weil sie das Licht der Welt gleich nach Ankunft ihrer Eltern auf 
einem neuen Weideplatz in einer als Herberge für die erste Nacht flüchtig er- 
bauten kleinen Hütte*} erblickt hatte. Eines Tages sprach Sagati zu ihrem Mann: 
• Mein Kind ist krank; bringe mir Blut als Speise für dasselbe.« Ndegenja ging 
hin und zapfte einem Rind Blut ab. Am folgenden Tage sprach die Frau: 
»Mein Kind ist noch nicht gesund; bringe mir Fett.* Ndegenja bereitete darauf 
durch Schütteln der Milch Butter und brachte sie seiner Frau. Am dritten Tag 
sagte die S^^ti zu ihrem Mann: iMein Kind ist noch immer krank; gib mir 
das Mark aus den Knochen eines Rindes.* Der Mann erwiderte ihr: »Gott 
hat es verboten, ein Tier zu töten; ich will zu ihm gehen und seine Erlaubnis 
erbitten.« Er begab sich darauf zu Gott und trug ihm seine Bitte vor, doch 
dieser antwortete: »Nein, du darfst kein Tier töten.* Mit diesem Bescheid 
kehrte der Mann zurück. Als er aber seinen Kraal erreichte, sah er, dass die 
Frau bereits einen Ochsen hatte schlachten lassen. Er begab sich daher wieder 
zu Gott und berichtete ihm, was geschehen war. Gott war sehr zornig und be- 
fahl ihm, die Frau mit Stockschlägen zu bestrafen. Als der Mann dies tat, 

') es siianian heisit diese Wahnvorilelluog, die bei »chwangercD MaBBifrauen nicht gelten «ein soll. 

*) Crotaltuia UbumifoUa. 

*) Diese I^buDj; heisst et sSra. 

') Die Keole hiegs damala o' Tiltgi, nicht ol gämA wie jetiL 

*) Icgenja = die BaumriDde abscliälen. 

*") ei Biagat heisst eioe solclie Hlilte. 



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— 264 — 

zerbrach der Stock; er eilte deshalb wieder zu Gott, um dessen weiteren Rat 
zu erbitten. Darauf befahl Gott, dass alle Leute, welche in jenem Kraal wohnten, 
diesen verlassen sollten. Alle gehorchten und zogen aus, nur das ungehorsame 
Weib blieb gegen Gottes Befehl im Kraal zurück. Da warf Gott Feuer in den 
Kraal und mit ihm verbrannte die Frau und ihr Kind. Nun sprach Gott zu 
den Menschen: >Die Frauen sind böse und tun Schlechtes. Erst war es ein 
Weib, das gegen mein Gebot von den verbotenen Früchten ass; jetzt war es 
wieder ein Weib, welches zweimal meinem Befehl nicht gehorchte. Zur Strafe 
dafür sollen die Frauen alle Arbeit allein verrichten; der Mann soll die Frau 
schlagen, welche ihm nicht gehorcht, oder welche ihre Arbeit nicht tut.« 

Danach gab Gott den Menschen die Erlaubnis, männliche Tiere, soweit 
sie ihres Fleisches als Nahrung bedurften, zu töten. Das Tier sollte erstickt 
werden, damit vor Eintritt des Todes kein Blut herausträte. 

Nachdem Serea geboren war, erfuhr Sindillo, dass der bei den El gandus 
wohnende Sisia zwei Kinder gezeugt habe. Er schickte daher seine Frau nach 
dort, um die Kinder zu holen. Doch Sisia gab sie nicht heraus, sondern sandte 
seinem Bruder als Geschenk ein Rind, ein Schaf und eine Ziege- 

Serea heiratete die NailölS; sie hatte diesen Namen erhalten, als gleich 
nach ihrer Hochzeit ein Umzug auf einen neuen Weideplatz ausgeführt war. 
Hier fehlte noch alles zur Unterbringung von Menschen und Tieren. Hütten 
und Kraale mussten erst gebaut werden; es war daher sehr viel Arbeit {= ol 
oilale] zu tun. 

Nailole gebar den Knaben Scbagarda. Als Schagarda geboren wurde, 
brachte ein Bruder Sereas, Namens SitÖn, einen Ochsen als Geschenk für die 
Wöchnerin. Als Serea dies sah, sprach er: >Er bringt einen Ochsen, obwohl 
es doch meine Sache ist, den Ochsen zu geben; iju negör en gerai ai ^ er 
will mein Kind erlangen. < Danach wurde der Knabe zuerst Ol ogarde und 
später Schagarda genannt. Schagarda war ein gewalttätiger Mensch, der die 
Rinder auf de^ Weide sehr schlug. Als er eines Tages einen Stier mit einem 
schweren Stock gemisshandelt hatte, erzürnte sein Vater darüber und schlug 
ihn mit der Keule auf die Hüfte, wodurch er hüftlahm wurde.') Schagarda 
heiratete als erste Frau die Assin^t und danach die Naiwandi, welche in ihrer 
Jugend den Namen Nabonf gefuhrt hatte. Als ihr zum ersten Male als Säugling 
die Haare geschnitten wurden, war ein so mageres Schaf geschlachtet worden, 
dass dessen Fett nicht zur Salbung von Mutter und Kind genügte. Der Vater 
sprach daher: >tÖbona!( d. h. bringt noch eins, wonach das Kind Naboni 
genannt worden war. Die dritte Frau, welche Schagarda heiratete, hiess Seroija; 
.weil sie sich weder schmückte noch putzte (sero ^ ohne Schmuck), hatte sie 
diesen Namen bekommen. Die Assinet gebar den Knaben Lemajan, genannt 



') ol ödo, der Hdftknochea, oi amori, die Hlifle; bUftlabm = fieodjln' ol 5do oder Agodjin' 
ori; Ol oder c& e<><'j'°>^ lieisst dio Hväno, itcren Gang dem eines HafcUhmcti abnelt. 



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- 26s - 

nach nämäjänä = verzeihen, vergeben. Seine Mutter hatte wenige Tage vor 
seiner Geburt von dem Fleisch, welches nach den Speisegesetzen den ver- 
heirateten Männern zukommt, genommen. Als es bemerkt wurde, brachte man 
sie vor die Geschädigten und diese verziehen ihr unter Hinweis auf ihren 
Zustand. Die Naiwandi gebar den Knaben Tiambati. Die Seroija gebar zwei 
Kinder, den Knaben Mboi und das Mädchen Nai^Awa, welches bei der Geburt 
scheintot, asphyktisch = S|Awa war. 

Als Schagarda hochbetagt war, kam ein Nachkomme' des Sisia zu den 
Masai, um bei ihnen zu wohnen. Er war ein Schmied und verheiratete sich 
mit einem Masai-Mädchen. Sein Sohn Tarafeti wurde der erste Schmied bei 
den Masai. 

Lemajan heiratete die Kibubet Vier Tage nach ihrer Geburt war der 
väteHiche Kraat abgebrannt, weshalb man sie nach den hochlodemden Flammen 
(en gibuboto) genannt hatte. Sie gebar zuerst den Knaben Leartn, welcher 
Name >viel Regenc bedeutet, und dann im späteren Alter den Sohn Tumbene, 
denn sie sagte bei der Geburt desselben: itendob bätum« = endlich habe ich 
erhalten. 

Learin heiratete die Nasianda, welche ihm den Tumbaihöt gebar. So 
hatte man ihn genannt nach der Wurzel Aotitot, welche seine Mutter während 
der letzten Monate vor seiner Geburt mit grosser Vorliebe aas. 

TumbaiAot war ein frommer Mann, den Gott liebte. Er heiratete die 
Naipande, welche ihm drei Söhne gebar. Der älteste erhielt den Namen 
Oschomö, d. h- der Stammhalter, weil kurz vor seiner Geburt eine Epidemie 
ausser vielen andern Menschen auch die männlichen Verwandten Tumbainots 
hingerafft hatte. Der zweite Sohn hiess Bartimaro; er wurde später ein Richter, 
der Vorsitzende im Rat der Alten. Dem dritten Sohn gab man den Namen 
Barmao, nach einem damals üblichen Bittgesang, in dem die Worte: *barmao,') 
oh, 'Ng ai atasaiac immer wiederkehrten. 

Als Bruder hatte Tumbaiftot den Leflgerni, vom Volk der El detea, an- 
genommen. Er hatte ihn um Aufnahme in seinen Kraal gebeten, und bald 
hatte eine innige Freundschaft beide eng verbunden. Als LeAgemi gestorben 
war, heiratete TumbalAot dessen kinderlose Witwe Nahaba-logunja, welche 
diesen Namen ihrem hohen schmalen Kopf verdankte.*) Auch sie gebar ihm 
drei Söhne. Kurze Zeit, ehe ihr ältester Sohn zur Welt kam, hatte sie mit 
ihrem Mann einen Zank, infolgedessen sie ihm den Milchtrunk nach dem abend- 
lichen Melken verweigerte. TumbaiAot war darüber so erzürnt, dass er sie aus 

•) el mao, die Zwllliniti:^ ba-niao oder, des Wohllauts wegen, barmao [st der. wclcLer Zwil- 
linge gibt, daher in obigem Gesang in der Bedeutung: »Du. der uns Zviilingc gibti, wobei das 
Wort »Zwiillngec eine in Freude und Dankbaikeit begründete Steigcning des Begrifis iKinder« 
darstellt. Vergl. auch die Anrede ba-mao in Abscbn. a, LI. ^ 

*) Diese Kopfform entspricht dem Schönheitsideal der Masai. Naliaba- logunjas Vater hiess 
Ol jauo. ihre Mutier Digoi. 



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— 266 — 

dem Kraal wies. Draussen machte sie sich einen kleinen Domenkraal zum Schutz 
gegen Raubtiere als Wohnplatz zurecht Als sie dann dort niederkam, nannte 
sie das Kind, einen Knaben, Lesita, denn es sita heisst der Wohnplatz. Als 
ihr zweites Kind zur Welt kam, wurde es neben die Mutter auf eine kleine 
Lederdecke gelegt, die sonst auf längeren Wanderungen dem auf dem Rücken 
getragenen Kind über den Kopf gezogen wird, um diesen vor der schädlichen 
Wirkung der Sonnenstrahlung zu schützen. Diese Decke heisst ol gesan, und 
nach ihr nannte die Mutter das Kind L ol gesan. Ihrem dritten Sohn gab sie 
den Namen L os sero, weil sie ausserhalb des Kraals von den Wehen über- 
rascht wurde und nicht mehr die Kraft hatte, in ihre Hütte zu gehen, sondern 
in der Steppe (= os sero] ihre Niederkunft durchmachen musste. 

Zur Zeit Tumbainots war die Erde schon reich bevölkert; die Menschen 
aber waren nicht gut, sondern sündig und gehorchten den Geboten Gottes nicht. 
Nur das schlimmste Verbrechen, der Mord, war noch nicht vorgekommen, bis 
eines Tages der Nambija den Suage, den Sohn eines frommen Mannes, erschlug. 

Nambija war jener genannt worden nach 'n ambia = der Igel, denn ein 
Igel war in dfe Hütte der Mutter drei Tage vor ihrer Entbindung gekommen 
und trotz mehrfachen Fortjagens immer wieder zurückgekehrt. Erst am T^ 
der Geburt war er au^ebheben. Als Suage geboren wurde, litt seine Mutter 
sehr unter fünf Tage lang dauernden Wehen. Während dieser Zeit besprengte 
ihre Schwester die Hütte der Kreissenden unaufhörlich mit Honigbier, wobei 
sie Gott um Hilfe anrief. Nach dem Besprengen (= es suaga) erhielt das Kind 
den Namen. 

Auf die von Nambija begangene Mordtat hin beschloss Gott, die Menschen 
zu vernichten. Nur der fromme Tumbaiftot hatte Gnade vor Gott gefunden. 
Gott befahl ihm, eine Hütte aus Holz, eine Arche,') zu bauen und mit seinen 
zwei Frauen, seinen sechs Söhnen und deren Frauen hineinzugehen, sowie einige 
Tiere von jeder Art mit hineinzunehmen. Nachdem Menschen und Tiere im 
Kasten untei^ebracht waren und Tumbaitiot darin auch eine grosse Menge 
Lebensmittel verstaut hatte, liess es Gott lange und heftig regnen, so dass eine 
grosse Ueberschwemmung entstand und alle Menschen und Tiere, welche ausser- 
halb der Arche waren, ertranken. Diese selbst schwamm auf den Wassern der 
Regenflut.') 

Mit Sehnsucht erwartete Tumbainot das Ende des Regens,^) denn die 
Lebensmittel in der Arche ßngen an knapp zu werden. Endlich hörte der 
Regen auf. Tumbaiiiot wollte sich nun über den Stand des Wassers unterrichten. 
Er liess daher eine Taube*) aus der Arche fliegen. Als sie abends sehr ermüdet 

') eA^ adji oA gig. die Hütte von Holz, in der jetzigen Sprache; ol dombo 1 ofi gfg in der 
altfn Sprache. 

') In der alten Sprache angeblich äribo. 

') Jetit: ertascha Eng ai e= es giesst von Golt; früher: es sujasuj.i. 

') en durgulu. 



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— 267 — 

zurückkam, wusste Tumbairiot, dass das Wasser noch sehr hoch sei und die 
Taube sich deswegen nicht hatte ausruhen können. Einige Tage später Hess 
er einen Aasgeier*) auffliegen. Vorher hatte er ihm einen Pfeil derart an eine 
der Schwanzfedern gebunden, dass der Pfeil, sobald sich der Vogel beim Frass 
niedersetzte und ihn nachschleppte, festhaken und mit der betreffenden Feder 
zusammen verloren gehen musste. Als der Geier abends zur Arche zurückkam, 
fehlte ihm Pfeil und Schwanzfeder. TumbaiAot ersah daraus, dass der Vogel 
sich draussen auf ein Aas niedergelassen hatte, die Flut also im Schwinden 
begrifTen sein musste. Als sich dann das Wasser noch weiter verlaufen hatte, 
landete die Arche in der Steppe, wo ihr Menschen und Tiere entstiegen. Beim 
Verlassen der Arche gewahrte Tumbaiiiot vier Regenbogen*) am Himmel, einen 
in jeder Himmelsrichtung. Dies galt ihm als ein Zeichen dafiir, dass der Zorn 
Gottes vorüber war. 

Die drei Söhne, welche Tumbainot mit seiner Hauptfrau, der Naipande, 
gezeugt hatte, begründeten die drei Stämme, während die von der Nahaba- 
logunja geborenen Söhne die Stammväter der drei Geschlechtsgruppen wurden. 

Die Zeitrechnung nach der Sintflut gründet sich auf die Altersklassen- 
Verbände.^ Der Ueberlieferung gemäss war das erste ol adji das der Kl bäri. 
Zu ihnen gehörten die Söhne Tumbainots. 

Oschomo, welcher den Stamm der El mengana begründete, hatte die 
Naisäla geheiratet, um deren Gunst er erst lange mit zwei andern Männern 
geworben (= esola) hatte. Sie gebar ihm den Sohn L|n. 

Bartimaro wurde der Stammvater der 'L ais6r. Er hatte die Namindi ge- 
heiratet, deren Name durch den Umstand bestimmt worden war, dass der Kraal 
ihres Vaters zur Zeit ihrer Geburt dicht an einam Walde {= en dim) lag. Sie 
gebar vier Söhne: Bamai, Lesebbe, Ridanji und Doroja. 

Barmao wurde der Stammvater der El muleljan. Seine Frau hiess Nadun- 
eft gob, d. h. die, welche das Land durchquert, denn sie wurde am Ende einer 
ausnahmsweise langen Wanderung zu einem neuen Weideplatz geboren. Sie 
gebar zwei Kinder, die Tochter Duimet und den Sohn Gegarde. 

Lesita begründete die Geschlecbtsgruppe der El mamasita. Seine P'rau 
hiess MagSlo, denn der Ochse, welcher bei ihrer Namengebung geschlachtet 
worden war, war schwarz und weiss gefleckt (= magiSlo) gewesen. Sie 
gebar drei Kinder, zwei Knaben: Orlafiata und Marawasch, und die Tochter 
Naitoi. 

'L ol gesan begründete die El magesan. £r heiratete zwei Frauen. Die 
erste hiess Male, nach einer Landschaft gleichen Namens benannt, in der sie 
geboren war. Sie gebar den Sohn Maütu. Seine zweite Frau hiess Suriat. In 
ihrer Mädchenzeit hatten einmal die Beratungen der Krieger zu einem Feldzug 



') Jplit: ol motonj erok; früher: ob salaibuggo. 

*) Jeut: Ol agerai; früher: os somo. 

*) Vergl. 2. Abschnitt IX; der Alleraklasscn- Verband = 



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_ 268 — 

mit einem en dorosi') geendet, und da das Mädchen sehr beliebt war, halten 
sich mehrere Krieger von ihrem Lederschurz je einen Streifen abgeschnitten, 
um ihn als en doros zu tragen. In solchen Zeiten fuhren die Krieger dauernd 
das Wort es suriat im Munde, welches die Hoffnung, einen erlittenen Verlust 
wieder einzubringen, eine Schlappe im Feld wieder wett zu machen, ausdrückt 
Danach hatte man dem Mädchen den Namen Suriat gegeben. Sie gebar dem 
L ol gesan die Tochter Najoma. 

Losere wurde der Stammvater der 'N darasero. Seine Frau hiess Kai^. 
So hatte man sie genannt, weil sie in einem Kraal geboren wurde, der auf einem 
mit Steinen besäten Platz (= er ragÖr) angelegt war. Sie gebar drei Kinder, 
die Söhne Tumbfit und Kischabui, sowie die Tochter Tumbale. 

Gott hiess zu dieser Zeit ol omonni ^ der, welchen man bittet,*) 
L Den El bari folgten die El mujalala, und auf sie die £1 dertim. Um diese 

Zeit trugen die unverheirateten Männer -noch nicht die ol daiga-Frisur, sondern 
sie hatten das Haar in lange, dünne Strähne gedreht, die lose und wirr um den 
Kopf hingen. Zur Bekleidung diente ihnen ein kleiner, ovaler Lederschurz,*) 
welcher in der Mitte ein Loch hatte, durch das der Träger den Kopf stcckte- 
Vorn bedeckte das Kleidungstiick die Brust bis zum Nabel und hinten den 
Rücken ebenso tief herab. In den Krieg durften sie dem Gebot Gattes gemäss 
nicht ziehen. Die Waffen — Keule, Bogen und Pfeil — und das Messer sollten 
sie nur zur Verteidigung gegen wilde Tiere brauchen. 

Um diese Zeit lebte ein Mann, Namens Narabä. Er war so genannt 
worden, weil er als kleiner Knabe wegen Schwäche in den Beinen nicht laufen, 
sondern nur kriechen (= erabalarf) konnte. Sein Vater hies Kigolongol; diesen 
Namen hatte er bekommen, weil die Mutter ihn gleich nach der Geburt mit 
den perlenartigen Früchten des ft goloAgol-Baumes geschmückt hatte. Seine 
Frau, die Mutter Narabas, hiess GombSti. Als sie geboren wurde, lebte ihre 
Mutter in recht dürftigen Verhältnissen, denn sie besass nur noch zwei Milch- 
ziegen. Da sie die Milch derselben notwendig für die Ernährung des Neu- 
geborenen brauchte, verekelte sie den Zicklein das Euter, indem sie es mit 
Ziegenmist bestrich (= etabeto). Danach nannte sie das Kind Gombeti. Naraba, 
der zu den EI muleljan und zum Geschlecht der El mugurere gehörte, heiratete 
die Nolftobor von den Ei mamasita. Sie war in einer unfertigen, nur mit 
Häuten überdeckten Hütte (= ol rtobor) zur Welt gekommen und danach be- 
nannt. Naraba war ein reicher Mann, der grosse Viehherden besass, die er, 
um sich vor Diebstahl zu schützen, jeden Abend, wenn sie von der Weide 
kamen, genau durchsehen musste. Dabei erfand er das Zählen und die Zahl- 
worte. Noihobor gebar ihm zwei Kinder, denJCnaben LeAgonin und das Mädchen 
Pendu; beide starben früh. 

') VergL 2. AbBchnltt XJ. 

') Vom Verb tomoDno bilteji. 

*) Dira Kleidungstiick hieu er laijaii (P. er raljanl). 



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— 269 

, dass eint 
erschien und versuchte, die Menschen Gott abwendig zu machen, indem sie 
vorgab, selbst Gott zu sein und den, welchen die Masai bisher als Gott verehrt 
hatten, an Macht zu übertrefTen, Doch die Menschen Uessen sich nicht beirren, 
wozu wohl auch der Umstand beitrug, dass Gott bald darauf einen Engel') aut 
die Erde schickte. 

Eines Tages hörten die Masai auf dem Berge Gottes, dem ol donjo gcri,°) DerEnj. 
Sturmbrausen und Rufe, und als sie herbeigeeilt waren, hörten sie aus einer die Rbn 
Wolke an der Spitze des Berges folgende Worte erschallen: >Gott hat mich 
gesandt, den Masai zehn Dinge*) zu sagen. Morgen werde ich wieder- 
kommen und morgen früh sollen daher die Aeltesten') hierher kommen.« Am 
folgenden T^ versammelten sich die Aeltesten in der Frühe am Fusse des 
Berges und stiegen dann zusammen hinauf. Nachdem sie bereits ein gutes 
Stück gegangen waren, gebot ihnen eine laute Stimme halt*) Als sie nach der 
Höhe des Berges blickten, sahen sie ein Wesen in der Gestalt eines Menschen, 
doch hatte dasselbe zwei grosse Flügel wie ein Vogel auf dem Rücken, aber 
nur ein Bein. Um sich mit dem einen Bein fortbewegen zu können, hatte der 
Engel einen Stock in der Hand, den er beim Gehen wie eine Sprungstange 
benutzte. Die Greise sprachen: lolotu en diriman« = er kommt mit einer 
Krücke, und nannten ihn daher Ol dirKma. 

Als sich die Aeltesten auf die Erde geworfen hatten, sprach der Engel: 
>Gott hat mich gesandt, um euch zehn Dinge zu sagen. 
1. 

Es gibt nur einen Gott. Er hat mich hierher gesandt Ihr nanntet 
ihn bisher E' majan') oder E' magelant; von nun an sollt ihr ihn 'Ng ai nennen. 
Ihr sollt euch von 'Ng al kein Bild machen. Wenn ihr seinen Geboten folgt, 
wird es euch gut gehen; wenn ihr aber nicht gehorcht, so wird er euch mit 
Hungersnot und Seuchen strafen. 

Wenn ihr mit den el meg in Streit geratet, so sollt ihr nur mit Stöcken 
schlagen oder mit hölzernen Pfeilen ohne Eisenspitze schiessen; ihr sollt dabei 
keine Messer gebrauchen, denn Gott hat verboten, dass ihr einen Menschen 
tötet und wird euch schwer bestrafen, wenn ihr nicht gehorcht. 

') dt aatural I öl dili; ol <3ili, der Funkeo, 

*) ol duägani 1 Ene ai. 

*) Wörtlich der gefleckte Berg; er halte der Sage Dach vcisse Flecken; In der alten Sprache 
hieM er Dicht ol donjo gerl, sondern ol dalats K^i^ 

*} n dogiltn tomÖo; der Ton Hegt auf tomon = 10. 

*) el momak kitwa. 

*) eoda scheto! 

'j E" majan ^ der Vergebende, der Verzeihende; E' magelani ^ der Allmächtige. 

*) DI« Reihenfolge der Gebote iwei bl» lehn ist «ehr unalcher. dagegen wurde das erste Gebot 
meist an erster Stelle genannt. 



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— 270 — 

(3-) 
Jeder soll zufrieden sein mit dem, was er besitzt, und soll nicht das 
Eigentum eines andern Masai nehmen. 

(4.) 
Ihr sollt euch vertragen und nicht mit einander streiten. Nur alte Männer 
dürfen Honigbier trinken, denn die jüngeren werden davon berauscht und erregt 
und beginnen dann Zank und Schlägerei. 

(5-) 

Kein Krieger oder Jüngling, kein unverheirateter Mann, soll die Frau eines 
Verheirateten berühren. 

(6.) 

Wenn ein Masai seinen Besitz verloren hat, so sollen ihn die andern 
Masai unterstützen; wer all sein Hab verloren hat, soll von jedem etwas erhalten, 
damit er schnell wieder zu Wohlstand komme. Der Verarmte soll einen Pfahl 
vom Baum e' naunir eingraben. Dann sollen die Aeltesten des Stammes, zu 
dem der Verarmte gehört, und desjenigen seiner Frau unter den alten Männern 
einen allgemein beliebten und wohltätigen auswählen. Dieser soll eine schwarze 
Färse von schönem Körperbau und ohne Fehler und Abzeichen') an jenen 
Pfahl binden. Danach soll jeder der Ai^ehÖrigen der beiden Stämme je ein 
Rindj abwechselnd ein weibliches und ein männliches, für den Verarmten herbei- 
bringen.*) Der Greis, welcher die schwarze Färse brachte, wird von Gott durch 
Glück in seiner Familie und seinem Wohlstand belohnt werden. 

(70 
Nur einer soll über euch herrschen; ihm sollen alle gehorchen. Streitig- 
keiten sollen in einer Ratsversammlung von alten Männern geschlichtet werden. 

(8) 

Der Mann soll zur Zeit immer nur eine Frau haben; erst wenn sie ge- 
storben oder entlassen ist, soll er eine zweite heiraten. 

Am Tage, an welchem dem Neugeborenen mit einem os saiigasch-Splitter') 
die Nabelschnur durchschnitten ist, sollt ihr einen weissen oder braunen Schaf- 
bock*) schlachten und Dankgebete singen. Wenn die Wöchnerin zum ersten 
Male nach ihrer Niederkunft ihren Kopf und den des Neugeborenen rasiert, 
sollt ihr einen Schafbock') von brauner Farbe mit weissen Flanken schlachten 



') Ohue eiii);ebraiiiilc odfr in die Ohren gcgchnitteoe Eli^eotumsmarkciL 

'} DieB Verfahren hrisst eo jerta sero = der gestreifte Stock; der Arme zeigte deo Umstand 
seiner Vcrarmaag an, indem er mit einem Stock, desBen Rlnüe in Qaerringen abgeachilt war, doicl] 
die Landschaft (•ing'. 

*) Sowolü Rohrkolbenschilf als eine kleine Bambusart. üin älteres Wort für ob Bangasrh 'm 
ol anämischo. 

') Dai Töten eine» »chwarzen Schafbocks würde Unfruchtbarkeit der Frau lur Folge habo. 



»LiOOgIc 



— 271 — 

und Dankgebete singen. Sobald das Kind laufen kann, soll die Hebamme ein 
Lamm zum Geschenk erhalten. 

(9) 
Ihr sollt keine weiblichen Tiere töten, auch keine Stiere, Böcke oder 
Eselhengste. Nur geschnittene männliche Tiere dürft ihr als Nahrung für 
euch töten. 

(i°0 

Ihr sollt zu Ehren Gottes alle Jahre am achten Tage des neunten Monats, 
des Kudjarok, das ol ogor 1 ol gereti") mit dem Feueropfer des wohlriechenden 
OS segi-Holzes*) feiern, wofür euch Gott die Plagen, wie Hungersnot und 
Krankheit, fernhalten wird. 

Alle Jahre am siebenten Tag des siebenten Monats des le logunja airod- 
jerod, sollt ihr eine schwarze Färse an den Fuss des Berges Gottes, des ol donj'o 
geri, bringen und daneben vier Töpfe mit duftendem Honigbier stellen.*) Wenn 
Gott die Färse annimmt, so ist dies ein Zeichen, dass er euch wohlgesinnt ist; 
nimmt er sie nicht an, so zürnt er euch.< - 

Nachdem der Engel diese Worte gesprochen hatte, senkte sich eine Wolke 
nieder und entzog ihn den Blicken der Aeltesten. Diese verliessen nun den 
Berg und kehrten in ihre Kraale zurück, wo sie von dem Gesehenen und 
Gehörten berichteten. 

Auf die El dertlin folgten die El barisuam. Zu Beginn dieser Zeit lebte 
ein ol aigwenani, Namens Legöta. Er war so genannt worden, weil zur Zeit 
seiner Geburt grosse Regenpfützen (el göta) um den Kraal seines Vaters herum 
standen. Legota führte die Trennung der Kraale in solche für die Verheirateten 
und solche fiir die Krieger ein. 

Um diese Zeit lebte ein Mann, Namens Odirai, aus dem Geschlecht der 
El maguberia. Seine Mutter hatte sich nicht, wie dies sonst üblich, bald nach 
ihrer Beschneidung verheiratet, sondern war noch längere Zeit im väterlichen 
Kraal verblieben. Während dieser Zeit wurde sie schwanger, und als sie dann 
heiratete und in den Kraal ihres Mannes zog, sagten die Leute ctidirua en 
gerai en gohogge ^ sie trägt ein Kind im Leib. Danach nannte man dieses 
dann Odirai. Odirai heiratete ein Mädchen, Namens Tombaigo, aus dem 
Geschlecht der Es sumaga. Sie hatte ihren Namen nach einer gleichnamigen 
Landschaft bekommen. Tombaigo gab einem Sohn das Leben und nannte ihn 
Kimdre. Schon im Knabenalter stockte sein Wachstum; er wurde später nur 
noch etwas stärker, aber nicht mehr länger. Man nannte ihn daher Musana*} 
^ Zwerg.') Trotz seiner bespöttelten Kürze wurde er der Nachfolger Legotas als 

') Vecsl. 2- AbgchDitt XXI. 

*) Cordia quareDili Gurke. 

') Daa Opfer heisst ol dmäl. 

*) Das u in Musana ist ein sclir kurzer Laut, der Jwisclien u und o liegt. 

') Ein HOormal korzer, aber sooRt re|:;elinässi|; gebauter Menscti. 



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ol aigwenant, wodurch er grösseren Einfluss gewann. Diesen benutzte er dazu, 
regelmässige Belehrungen an jedem siebenten Tag einzurichten. 
Die Musana führte hierdurch die fortlaufende siebentägige Woche') ein; die 

"wocbe!*^" Zählung begann ursprünglich an einem Neumond, Der Unterrichtstag durfte 
auf jeden Monatstag, ausgenommen den ol onjugi als Unglückstag, fallen. Traf 
er auf diesen, so wurde er erst am folgenden Tag gefeiert. Am Tage vor dem 
siebenten versammelten sich die Leute unter einem Schattenbaum in der Nähe 
des Kraals des ol aigwenani. Zur Verpfl^ung schlachtete man neun Rinder, 
welche von den Teilnehmern geliefert wurden, und brachte ausserdem Honig- 
bier, dieses aber nur zur Bewirtung der alten Männer und des ol aigwenani, 
herbei. Nach dem gemeinsamen Mahl kehrten die Leute in ihre Kraale zurück 
und versammelten sich dann am folgenden Tag zum Unterricht. Dieser 
erstreckte sich auf folgende drei Punkte: 

1. Die unverheirateten jungen Männer sollen in ihrem eigenen Kraal 
schlafen und nicht in den der Verheirateten zu den verheirateten 
Frauen kommen. (In dieser Absicht hatte schon Legota die Trennung 
der Kraale eingeführt, doch war der erwünschte Erfolg noch aus- 
geblieben.) Ohne Erlaubnis des ol oiboni dürfen die Krieger nicht 
in den Kampf ziehen. 

2. Kein Zuchttier, sondern nur geschnittene mannliche Tiere dürfen zur 
Nahrung der Leute getötet werden. 

3. Niemand soll das einem andern Gehörige nehmen. Die Notleidenden 
sollen unterstützt werden. Gott gibt dem guten Menschen Freunde, 
die ihm gern helfen. 

Welche Wichtigkeit Musana und seine Zeitgenossen diesen Belehrungen 
beimassen, geht daraus hervor, dass man den Tag, an welchem eine solche 
stattfand, also jeden siebenten, den esubat 'n oloö = den guten Tag, den Glücks- 
tag nannte. 

Musanas Frau hiess DaraAg^, so genannt nach einer gleichnamigen Land- 
schaft; ihr Vater hiess Tödi. Als Kinder Musanas und der Darang6 werden 
genannt der Knabe Logöna und das Mädchen Taraiti. 
Co« befiehlt In späterer Zeit berief Gott zwei einflussreiche Greise, den einen aus dem 

itn Kvnpf Geschlecht der 'N darasero, Namens MStänS, den andern aus dem Geschlecht 
u^^bj^n. ^^^ E' muiAgo, Namens Rfsö, zu sich auf den Bei^. Als sie fast die Höhe 
erreicht hatten, sahen sie auf der Spitze des Beides ein grosses Feuer und 
hörten daraus die Stimme Gottes erschallen. Gott sprach: »Weil die el rngg*) 
schlechte Menschen sind, will ich sie nicht länger beschützen. Die Masai dürfen 
sie von nun an bekämpfen; doch es darf dabei kein Blut fliessen und daher 
sollen die Masai nur mit Stöcken bewaffnet in den Kampf ziehen. Keinen ol 
megi dürft ihr töten, aber das Vieh sollt ihr alten abnehmen.« 

') Jetzt CD giruascha oder cn i^niaha, in der alteD Spracbc ei gtmägas. 

') In der allen Spracbc hicisen die Uagläubiiftm aicbi cl meg, sondern el doDJa (S. ol donjni). 



»Lioogic 



- 273 — 

Auf die El barisuara folgten die £1 mairab. Während bisher die Masai ei i 
von einem ol airohani regiert worden waren, sollte von nun an ein ol oiboni d> 
über sie herrschen. Gott berief daher eines Tages einen Mann, Namens Kidonoi, "k 
d. h. der Geschwänzte, denn nach der Sage hatte er einen etwa Handspanne 
langen Schwanz. KidoAoi gehörte zum Stamm der 'L aiser und begründete das 
Geschlecht der EA gidoA. Nachdem Kidohoi auf dem Berge angekommen war, 
ernannte ihn Gott zum ol oiboni und übei^b ihm das eft gidoA-Horn und die 
Medizinen zur Herstellung der Amulette.') Dann fuhr Gott fort: >Die Masai 
dürfen von nun an mehr als eine Frau heiraten, c 

Um diese Zeit hatte Naraba schon ein aussergewöhnlich hohes Alter er- b 
reicht, aber er war noch sehr rüstig. Nur laufen konnte er nicht recht, was er 
wegen angeborener Schwäche in den Beinen während seines ganzen Lebens 
nicht ordentlich gelernt hatte. Daher bediente er sich stets eines Esels zum 
Reiten, wenn er mit seinen grossen Herden auf einea neuen Weideplatz zog. 
Wegen seiner Klugheit war er von Kidonoi zu dessen Berater ernannt worden, 
und weil er zählen konnte, übertrug ihm dieser auch das Amt eines Einnehmers 
der von den einzelnen Landschaften dem ol oiboni zu leistenden Abgaben. 

Als Kidonoi die Erlaubnis Gottes, wonach der Masai mehr als eine Frau 
heiraten durfte, den Leuten verkündete, war der Greis Naraba der erste, welcher 
davon Gebrauch machte. Er verheiratete sich mit dem Mädchen Dujessi vom 
Stamme der X aiser, der Tochter des Morfito') und der Näir. Sie schenkte 
ihm zwei Kinder, den Knaben Mutari und das Mädchen Namonjak. Mutari 
wurde gegen Abend geboren (= emuto eini), wonach sein Name gewählt wurde. 
Als Dujessi die Namonjak unter dem Herzen trug, herrschte infolge langer 
Dürre grosser Mangel an Viehfutter, und die Kühe gaben nur wenig- Milch. 
Erst wenige Wochen vor Dujessis Niederkunft fiel reichlich Regen, und bald 
gab es Milch in Fülle. Als das Mädchen dann zur Welt kam, nannte man es 
Namonjak, d. h. die Glückliche. 

Kidonoi hatte die Nairenda, die nach einem gleichnamigen Fluss benannt 
war, geheiratet Sie gehörte zum Geschlecht der EI masafigua und gebar zwei 
Kinder,*} den Knaben Geriga und das Mädchen Somai. 

Auf die El mairab folgten die El ginjoio. ei 

Als Geriga erwachsen war, heiratete er die Silalo vom Geschlecht der 
El magesan. Sie gebar den Sohn Bargumbe oder auch Bamjumbe*) geheissen. 
Den Namen Silalo hatte die Frau bekommen, weil die Mutter ihr gleich nach 
der Geburt ein Schmuckband, welches mit den es sila genannten, erbsengrossen. 



') e'mascho ol oiboni; altes Wort fit c'mas.-lio isl cn daleiioi (P. eo daleio}. 

') Mordto war aelir (geschickt in der Gcborlsliilfe beim Vieli^ ner^to hcisst iliese TäliEkeif 
ausüben. 

■) Die Rcilipnfolge der Nachkommen Kidoftois, sowie die NamcD ilerselbeu und die ilirer 
Frauen und Kinder ist UDsicIjer. 

*) Bamjumbe wunlc von einitjen weni);on aucb als Sobn des Bar^pimbe beielctmet. 



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— 274 — 

roten Fruchten benäht war, um die Hüfte legte. Später heiratete Geriga noch 

die NegaAgaA, vom Geschlecht der El mamasita. Sic war unfruchtbar. Danach 

0«%«. starb Kidoftoi, und Geriga wurde sein Nachfolger als ol oiboni. Zu dieser Zeit 

geschah es, dass zum ersten Male ein Krieger sich mit der Frau eines ol monio 

D« tniB verging. Gott strafte diesen Ehebruch dadurch, dass er eine Pockenepidemie') 

unter den Masai entstehen IJess. 
Mu»ii. Als Mulari erwachsen war, heiratete er die Nasiftgoi, die nach dem Strauch 

e' nasSgo genannt war, dessen Wurzeln ihre Mutter während der Schwanger- 
schaft mit Vorliebe gegessen hatte, Nasingoii Vater gehörte zum Geschlecht 
der El bartimaro und hiess LolgSlfi. Er hatte diesen Namen nach einem aus 
Lederstreifen und Perlen zusammengenähten Halsband (= ol gfite), das er zuerst 
herstellte und das lange Zeit für erstgeborene Kinder üblich war, erhalten. Seine 
Frau hieasSiwa und gehörte zum Geschlecht der El magesan. Als Nasingoi schwanger 
Der Batnic War, trug sic Drillinge, und als sie gebar, kamen zunächst nur zwei Kinder, zwei 
Ta Eni^' Knaben zur Welt, Der erstgeborene war schon bei der Geburt stark behaart 
""^ und hatte einen Bart (ol munjoi), weshalb er den Namen 'L ol munjoi bekam. 
Den andern nannte die Mutter 'L en jergog, weil sie ihn gleich nach der Geburt 
in ein enthaartes, weiches Stuck Leder {en jergog) einhüllte. Erst drei Monate 
später wurde das dritte Kind, ebenfalls ein Sohn, geboren. Er erhielt den 
Namen Ndarassi = der Verweiler'), 

Während der übermässige Haarwuchs 'L ol munjois mit dem Alter noch 
zunahm, bekam 'L en jergog nur einen kleinen Bart, und Ndarassi blieb voll- 
kommen bartlos. Die beiden älteren Brüder hingen sehr aneinander und gingen 
ausserhalb des väterlichen Kraals immer zusammen. Eines Tages, als der alte 
Vater sehr krank war, gingen die beiden älteren Brüder zu einem Bittfest,*} 
das in der Nähe gefeiert wurde, um Gott für die Genesung des Vaters zu bitten. 
Ndarassi ging nicht mit, sondern blieb daheim im Kraal. Während 'L ol munjoi 
und 'L en jergog abwesend waren, wurde der Vater viel kränker, und da er 
fühlte, dass er bald sterben würde, rief er nach 'L ol munjoi, als dem Aeltesten, 
um ihn zu segnen, d, h. um ihm das Erbe zu übergeben, Anweisung in dessen 
Verwaltung, in der Abfindung der Brüder, der Sorge für die Mutter usw. zu 
erteilen. 

Als Ndarassi die Rufe des Vaters hörte, zerschnitt er schnell ein Ziegen- 
fell und band sich die Teile desselben um Arme, Schultern und Wangen. 
Dann trat er in die dunkle Hütte, in welcher der sterbende Vater lag, und 
sprach; »Vater, du hast nach mir gerufen, hier bin ich.« Mutari erwiderte: 
>Icli rief nach 'L ol munjoi, während du, wie ich an deiner Stimme höre, 
Ndarassi bist.« Doch Ndarassi antwortete: »Nein, Vater, ich bin 'L ol munjoi.« 
Darauf rief ihn der Vater herein und betastete ihn. Als er das Ziegenfell fühlte, 

') Ol minjalol. 

*) KtaiiaTHSsi, er hat verweilt. 

*) ologor 1 ol gpretii. 



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— 275 — 

glaubte er, es wäre die naturliche Behaarung des 'L ol munjoi und hielt den 
Ndarassi daher für jenen. Nun gab er ihm genaue Anweisung über das Erbe, 
setzte ihn zum Haupterben ein, übertrug ihm die Verwaltung des ganzen Nach- 
lasses und ermahnte ihn, gut zu sein. 

Bald darauf kamen die beiden älteren Brüder heim und 'L ol munjoi 
begab sich sofort in die Hütte an die Lagerstatt des Vaters, der ihn bei seinem 
Eintreten mit den Worten anredete: **L ol munjoi, ich sterbe jetzt.c Darauf 
bat dieser: »Vater, segne mich, bevor du stirbst.c Der Alte antwortete: »Ich 
habe dich ja eben gesegnet.« Und als der Sohn erwiderte, dass er jetzt erst 
mit 'L en jei^og zusammen von dem Bittfest zurückgekehrt sei, fuhr der Vater 
fort: »Wenn du nicht hier warst und auch 'L en jergog nicht, so muss ich den . 
Ndarassi gesegnet haben.< Mit diesen Worten starb Mutan. 

Den Worten des Vaters entsprechend, übernahm Ndarassi das Erbe, Kraal, 
Vieh und alles, was sonst dem ältesten Bruder zugefallen wäre. 'L ol munjoi 
zog darauf weit fort, kehrte aber nach einiger Zeit mit einer Anzahl Krieger 
zurück, um den Ndarassi zu bekämpfen. Als dieser davon hörte, ging er dem 
Bruder freundlich en^egen und sprach zu ihm: »Mein Bruder, nicht ich bin 
Schuld daran, dass mich der Vater an deiner Stelle gesegnet hat; vielleicht 
war der Vater nicht mehr bei klarem Verstand, als er immerfort nach mir 
rief; ich ging zu ihm hinein, weil er meinen Namen rief. Wir wollen 
nun Freundschaft schliessen und dazu bringe ich dir zwei Rinder, zwei 
Schafe und zwei Ziegen.« 'L ol munjoi willigte ein und schloss mit Ndarassi 
Freundschaft. 

Mutaris Schwester, Namonjak, heiratete den Oibäge, vom Geschlecht der 
El muiAgo. Als sie einen Sohn gebar, nannte sie ihn Dirgolio, weil sie während 
der letzten Schwangerschaftswochen unter seinen stürmischen Kindesbewegungen 
{e dirgolio) zu leiden gehabt hatte. 

Um dieselbe Zeit lebte ein Mann, Namens Geraine, vom Geschlecht der g< 
El manimai. Er entstammte einer Familie, in welcher das Stottern erblich war. 
Deshalb hatte schon der Stammvater, dann er und andere Familienmitglieder, 
die an diesem Gebrechen litten, den Beinamen Eramram, d. h. der Stotterer, 
bekommen. Geraine heiratete die Lanja, aus dem Geschlecht der El magesan. 
Sie gebar ihm drei Kinder, die Knaben Marumi und LäbOt, sowie die Tochter mi 
Meria. Von diesen stotterte nur der erstere, der älteste. 

Auf die El ginjoio folgten die El gowai. Zu der bedeutendsten Person- ei 
lichkeit dieser Epoche wurde Manimi. Er hatte die Msaläm, die Tochter des 
DuabSs vom Geschlecht der 'Ndarasero, und seiner Frau, der Rgscho, geheiratet. 
Msalam gebar ihm zwei Söhne, den Kiserta und den Roriti. Sein Bruder 
Läböt, welcher nicht stotterte, hatte die Uaiiga, vom Geschlecht der El mama- 
sita, geheiratet. Auch sie gebar zwei Söhne, den GerCbiS und den Kiborö. 
Die Schwester Marumis, Meria, blieb unverheiratet, denn sie starb sehr früh 
an einem brandig gewordenen Unterschenkelbruch. 



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— 276 — 

Marumi war ein frommer Mann, ein Mann Gottes,') durch den Gott den 
Menschen seine Befehle übersandte. Ausserdem war Marumi ein Sternkundiger, 
der aus der Stellung der Sterne weissagte und die kommende Witterung ersah. 
Eines Tages rief ihn Gott zu sich auf den Ol donjo g6ri und erschien ihm dort 
in einer grossen Wolke. Nachdem Marumi sich vor Gott zur Erde geworfen 
hatte, sprach dieser: 
Co« bcBabh >Die Masai sollen fortan die Kinder beschneiden. Zur Beschneidung der 

duD2 **^ Knaben ist dieses Messer«, und er reichte ihm ein kleines, spitzes, zwei- 
schneidiges Messer.') iZur Beschneidung der Mädchen ist dies«, und er reichte 
ihm ein ol moronja. °) > Hiermit«, fuhr Gott fort, >soll von nun an auch die 
Nabelschnur des Neugeborenen durchschnitten werden.« Schliesslich gab ihm 
Gott noch einen handbreiten, ledernen Gürtel*) und sprach: »Einen solchen 
Gürtel soll die Wöchnerin um ihre Lenden tragen, damit sie schnell genese.« 
Goit buiehu Einige Zeit später rief Gott den Marumi nochmals zu sich auf den Berg 

»^eg'e'ej^a ""*^ erschien ihm wieder in einer Wolke. Gott sprach zu Marumi: »Die el 
^"w^"''*" ""^S sind so schlecht, dass sie länger keine Schonung verdienen. Die Masai 
sollen daher von jetzt an mit Waffen gegen sie in den Krieg ziehen. Gegen 
alle el meg sollen die Masai Krieg führen und sie besiegen.« 

Um diese Zeit ereignete es sich, dass zum erstenmal seit der Sintflut ein 
Diebstahl vorkam. Ein jüngerer ol moruo, vom Geschlecht der El mamasita, 
Namens Lindi, stahl eines Tages drei Ziegen, die einem älteren ol moruo, aus 
dem Geschlecht der El barsinde, Namens NeschübS, gehörten. Darauf sandte 
Gott als Strafe Krankheit unter die Masai. Um der Ansteckung zu entgehen, 
zerstreuten sich die Menschen und flohen aus der verseuchten Steppe auf Hügel 
und Ber^je. Nirgends waren mehr als höchstens die zu einer Familie gehörigen 
Menschen zusammen. Von einem jeden solchen Lager leuchtete allabendlich 
der Schein des Herdfeuers wie ein Funken (ol diii), weshalb man die Krank- 
heit die Funkenkrankheit nannte (efi ge' ol dili oder kürzer 'n ol dili). 

Nach dem Tode Gerigas wurde Bargumbe ol oiboni. Er zeugte den 
LesigiriSschi. Difcser erweiterte den religiösen Kult durch Einführung des Bitt- 
■ festes »iruga 'Ng ai ol adjo«,') welches die Frauen feiern, um von Gott Kinder- 
segen zu erbitten. Die Anfertigung der Zaubermedizin, mit weicher die Weiber 
bei diesem Fest besprengt werden, lehrte Lesigiriesch einem Mann, Namens 
Ndoloki, welcher der erste ol goiatiki wurde. 
i. Auf die El gowai folgten die Es siawai. Ndoloki der zum Geschlecht der 

EA gidoii gehörte, hatte die Tunda vom Geschlecht der EI magesan geheiratet. 
Sie gebar den Knaben Ngobd und das Mädchen Naibimai. Als letzteres geboren 

') Ol monio I ErtK al. 

>) Ul atem kete, votrI. z. Abschnitt VII; früher statt ol nlem, ol baget. 

") Verel. 2. Abschnitt VII; eini! ältere Bezeichnung itotiir Ist ol bamcl. 

*) rb gltadJ, verfil. 2. Abschnitt XIX. 

«) Vcrgl. 2. Abschnitt XXI. 



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— 277 -- 

wurde, bedrängte die unfruchtbare Schwester der Tundä diese, ihr das Kind zu 
überlassen. Da die Eltern des Kindes entschieden dagegen waren, kam es zu 
einem Streiten und Zanken (= cbirnöte), weshalb das Mädchen den Namen 
Naibirnai erhielt. Als Ngob^ erwachsen war, folgte er seinem Vater als ol 
goiatiki. 

Zu dieser Zeit lebte ein Mann, Namens Dirimam, vom Geschlecht der Es Fahtibiic« 
suma^. Eines Nachts sah er ausserhalb des Kraals ein grosses Tier, und da weibiieiMo 
er es für einen Löwen hielt, tötete er es durch einen Messerwurf. Doch nun ""^ 
zeigte es sich, dass es kein Löwe, sondern eine säugende Eselin war. Da Gott 
das Töten weiblicher Tiere untersagt hatte, erheischte die Tat Dirimams Strafe; 
doch weil er nicht absichtlich Gottes Gebot übertreten hatte, sandte Gott nur 
eine milde Plage über die Masai. Er schickte grosse Mengen der pillendrehenden 
Mistkäfer, ') welche die Wurzeln der Gräser abfrassen, wodurch Futtemot und 
infolgedessen Mangel an Milch entstand. 

Auf die Es siawai folgten die El gissali. In dieser Epoche schlachtete ei (i«»ii. 
ein Mann eine Kuh und verstiess so bewusst gegen das Gebot Gottes. Gott TüniiwtinM 
sandte zur Strafe Heuschrecken,*) die das Gras bis auf die Wurzeln abfrassen, *ti.™." 
so dass eine schwere Hungersnot entstand. 

Zur Zeit der El kigerie, welche den El gissali folgten, ereignete sich nach ei ki(«ri». 
der Sintflut der erste Mord, Ein Mann aus dem Geschlecht der El bartimaro, Mord. 
Namens Lemberua, nach cm bfire = der Speer genannt, tötete durch Speerstich 
einen Mann aus dem Geschlecht der El ugumoi, Namens Dibirtt. Gott war 
darüber sehr erzürnt und schickte die urgeg-Seuche, an der Menschen und Vieh 
in grosser Menge starben. Die Ueberlebenden nährten sich viele Jahre hindurch 
nur dürftig von Wild und wilden Kräutern. 

Der bedeutendste Mann dieser Epoche war der ol aunoni der El kigerie, 
Namens Güläl£, aus dem Geschlecht der EI barserefigo. Sein Weib hiess Geto- Güias. 
bua, weil sie barmherzig (= etobua) war, denn sie hatte alle durch die urg€g- 
Seuche verwaisten Kinder, deren sie habhaft werden konnte, gesammelt und zu 
sich genommen. Gulale befestigte von neuem die von Musana herrührende 
und durch die letzten Seuchen arg erschütterte Einrichtung des Unterrichtes an 
jedem siebenten Tag, den esubat 'n oloA. Zur Abhaltung der Belehrung ge- 
nügte der ol aigwenani allein nicht mehr, weshalb noch einige Greise dazu her- 
angezogen wurden. Diese nannte man el anenl (S. ol aAenf); sie ergänzten sich 
in der ersten Zeit aus dem Geschlecht der EI marumai. 

Die Plagen hatten einen bisher nicht gekannten Gegensatz von arm und 
reich geschaffen. Um diesen zu mildern, die Verarmten wieder zu Wohlstand 
zu bringen, führte Gulale ein, dass sich am Neumond des siebenten Monats, 
des ol ogunj' airodjerod, die Leute eines grösseren Umkreises versammelten. 
Auf diese Weise erreichte er, dass sich die Stammes- und Geschlechtsgenossen 

') Ol molla, el moilälc. 

*) Jetit: Ol mSti, Gl m±t; früher: ol munjololo, el munjololoni. 



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— 278 — 

wenigstens einmal im Jahre trafen, sich näher kennen lernten und enger anein- 
ander anschlössen. Abgesehen davon, dass mit der Stärkung des GeRihls der 
Zusammengehörigkeit die Teilnahme an dem Geschick der verarmten Stammes- 
genossen wuchs, sollte die neue Einrichtung in erster Linie die im sechsten der 
von Ol dirima überbrachten Gebote vorgeschriebene Unterstützungsart erleichtem. 
Dieses Fest am siebenten Neumond jeden Jahres nennt man kitok n oloh essu- 
bäte. Boten des ol aigwenani verkündeten das Herannahen des Tages in den 
einzelnen Distrikten, innerhalb derer dann die Leute durch den Schall der als 
Trompeten dienenden Antilopenhömer, wie dies noch jetzt zu jeder Versamm- 
lung üblich ist, zusammengerufen wurden. 

Die Getobua gebar den Knaben Lengutok (= kleiner Mund), der sich 
später als Jüngling durch grosse Körperkraft auszeichnete; wenn sich ein Löive 
der Herde nahte, stürzte er sich auf ihn und erwürgte ihn mit den Händen. 
Als mutiger Krieger fiel er, noch jung an Jahren, im Kampf gegen die el meg 
durch einen Pfeilschuss. Kurz vorher hatte er sich mit der LahaJne verheiratet, 
die nach einem gleichnamigen Berg genannt war. Nach Lengutoks Tod ver- 
heiratete sie sich mit einem Adoptivsohn der Getobua, Namens Ngamnin, der 
zu jenen verwaisten Kindern gehört hatte, und gebar ihm zuerst die Tochter 
Nairenna. So hatte man sie genannt, weil bei ihrer Geburt die Nabelschnur 
um ihren Hals geschlungen war (= os sotua erlnaginno e murt). Nairenna 
wurde später die erste Hebamme. Danach gebar die Getobua den Knaben 
Gariungi. Er erfand den Ziehbrunnen.*) 

Es erübrigt noch, einiger Reminiszenzen aus der Urzeit der Masai zu ge- 
denken, welche sich in vorstehende chronologische Wiedergabe ihrer Tradition 
an keiner bestimmten Stelle einordnen lassen. 

In der Urzeit hiess das ganze Volk Amai, während die ihm ethnographisch 
nahe stehenden Völker als El ma bezeichnet wurden. Allmählich spaltete e-i 
sich, bedingt durch eine infolge von Viehseuchen entstandene Verarmung 
vieler Leute, in zwei Teile: die Reichen und die Armen. Letztere halten 
nicht genug Rinder, um jedesmal einen Ochsen zur Hand zu haben, wenn sie 
einen solchen der Sitte gemäss schlachten wollten. Es entstand daher bei 
ihnen der noch heute bei ärmeren Masai übliche Brauch, ein junges weibliches 
Rind gegen einen fetten Ochsen zu vertauschen. Wollte einer der Aermeren 
also einen Ochsen schlachten, so nahm er, wenn es ihm an einem geeigneten 
fehlte — was oft der Fall war — ein weibliches Kalb und zog damit zu den 
Kraalen der Begüterteren, um es gegen das gewünschte Tier einzutauschen. 
Dieses Vertauschen heisst tSmfirä, und danach erhielten die Aermeren den Namen 
'L amerak (S. ol amerani oder Ameroi und Amöroi, S. ol ameroi). Weitere 
Viehseuchen trennten die 'L amerak immer mehr von den Reicheren, denn 
während diese dank ihrer grossen Herden noch allein von deren Erträgen leben 

') ol Efssimet, el c^sslmeti. 



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— 279 — 

konnten, mussten jene schon einen Teil ihres Lebensunterhalts durch Acker- 
produkte, die sie von ansässigen Völkern, besonders den gleich zu besprechenden 
El dinet, kaurcen, zu decken suchen. Diese Notlage machte es den 'L amerak 
unmöglich, mit ihren Stammesgenossen weiterzuwandern, und hielt sie in der 
Kähe der Ackerbauer fest. So kam es, dass sie in der Urheimat zurückblieben, 
als die Wohlhabenderen, für welche um diese Zeit der Name El masai entstand, 
während der Regierungszeit des ol oiboni Lesigirieschi nach Afrika zogen. 

Den Namen El amerak führten die Verarmten nur kurze Zeit; dann wurde 
er den Schmieden, welche täglich die Produkte ihrer Kunst gegen Vieh ver- 
tauschen, beigelegt, während man die ersteren nur noch Ameroi nannte. 

Unter diesen befand sich ein, wenn auch selbst armer, so doch einfluss- 
reicher Mann, Namens Ol eberet, dessen Vorfahren derartig verarmt waren, dass 
sie sich lediglich von den Ergebnissen der Jagd nährten. Er hatte seinen Namen 
nach dem Strauch ol eberetti (Phytlanthus spec.) erhalten, aus dessen Zweigen, 
da keine andern Büsche in der Umgebung des Kraals \vuchsen, die Hütte, in 
der er geboren wurde, geflochten war. Ol eberet wurde der Gründer des Ge- 
schlechts der El eberet, von dem ein Teil mit den Ameroi in der Urheimat 
zuriickblieb, während der andere mit den Masai weiterzog. Ol eberet hatte das 
Weib Naisandi geheiratet, die ihm den Sohn Gereua gebar, der zu den Masai zog. 

Uebcr die Völker, mit denen die Masai in der Urheimat in Berührung 
gekommen sind, und an welche sich die immer mehr verarmenden Ameroi mit 
den El eberet anlehnten, erzählt die UeberUeferung folgendes: 

In eineiti ebenen Land, Aroi geheissen, welches von langen Kanälen durch- 
zogen war, die zur Bewässerung der Pflanzungen dienten, wohnten die El dinet. 
Das Land war so genannt, weil zwei darin befindliche, weit sichtbare Hügel in 
ihrer Form der mit arö bezeichneten Stellung der Höriier mancher R inder ähnelten. 

Die El dinet wohnten in festgebauten Temben, die, ringförmig anein- 
ander gesetzt, geschlossene kleine Dörfer bildeten. Wohlhabende Leute lebten 
hauptsächlich von den Erträgnissen ihrer Herden, arme bebauten in grossem 
Umfang den Boden und pflanzten besonders Bohnen und Sorghum. Ihre 
Ziegen und Schafe waren fleckenlos weiss und so gross wie Kälber. Um ein 
Rind zu töten, hielt ihm ein Mann einen an einen Stock gebundenen Holzkeil 
vor die Stirn, den ein anderer dann mit einem grossen, keulenartigen Knüppel 
durch einen Schlag in das Gehirn des Tieres trieb. Darauf löste man die 
Haut ab und Öffnete die Halsschlagadern, damit alles Blut herausfliesse, denn 
Blut oder blutiges Fleisch durften die Leute nicht geniessen. Das Fleisch 
kochten sie in Tontöpfen. Die Beine des Rindes wurden unzerschnitten zu- 
bereitet. Da die Töpfe nicht so gross waren, dass man hätte das ganze Ochsen- 
bein hineinstecken können, so hing man es an einem Strick am Dach der Hütte 
so auf, dass die nach unten hängende Hälfte sich im Topf befand und gekocht 
werden konnte. Sobald sie gar war, wurde das Bein umgekehrt aufgehängt 
und die andere Hälfte gekocht. 



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— 28o — 

Die Männer und Knaben rasierten die Köpfe, die Weiber rasierten nur 
den Rand des Kopfhaares und liessen um den Wirbel auf einem kreisrunden 
Fleck, der ungefähr so gross wie eine Hand mit ausgespreizten Fingern war, 
das Haar lang wachsen, so dass es bis zur Mitte des Rückens herunterfiel; sie 
schmückten es durch Einflechten von Kaurimuscheln. Eine Beschneidung war 
den El dinet unbekannt Bei oder vor der Heirat zahlte der Bräutigam keinen 
Brautpreis; erst wenn die Frau einem Kind das Leben gab, brachte der Mann 
ihrem Vater 20 Rinder und 8 Ziegen oder Schafe. Wenn die Frau gebar, 
schlachtete der Mann ein Schaf und verzehrte dessen Fleisch mit seinen 
Freunden. Erst am nächsten Tag schlachtete er ein zweites für die Wöchnerin 
und ihre Nachbarinnen. Sie erklärten diesen Brauch damit, dass der Mann das 
Kind zuerst gezeugt und danach die Frau es geboren habe. 

In den Krieg zogen die jungen Männer nicht; sie kämpften nur mit den 
Bienen, von denen es ungeheure Mengen in ihrem Lande gab. An allen 
Bäumen und an sehr vielen Stellen im harten roten Erdboden sah man Löcher, 
in welchen Bienen wohnten. Jedes Loch hatte seinen Besitzer, der sein Eigen- 
tum mit einer daneben geritzten Marke bezeichnet hatte. 

Zu den Gerichtssitzungen wurden die Leute durch den Schall einer sehr 
grossen Trommel, die mit einem ganzen Ochsenfell überspannt war, gerufen. 
Jeder, welcher Recht suchte, brachte als Abgabe grössere oder kleinere Perlen 
mit, die er auf die Trommel niederlegte. 

Ihr Gott, den sie Njau') nannten, glich in seinem Wesen dem Gott der 
Masai, 'Ng ai. 

Ihren Häuptling Ijezeichneten sie seiner Stellung nach als ol gureAg^. 
Sein Name war TuAgassoi. 
u Die schon Eingangs dieses Kapitels erwähnten El gandus teilten ihr 

flaches, von Hügeln begrenztes Land Bora mit einem andern Volksstamm, den 
'LariAai. Durch das Land floss ein grosser Fluss, der den Namen emirimir 
führte und von dem sehr lai^e Kanäle zur Bewässerung des Landes abgeleitet 
waren. Ein grosser Berg an der Grenze des Landes führte die Namen ol donjo 
1 ol usien, d h. Tunnelberg, weil ein durch Geschiebe gebildeter Tunnel hin- 
durchging, oder ol donjo I ol diain, d. h. Berg der Hunde, weil eines Tages 
ein angesehener Greis, Namens L^bala, oben auf der Spitze des Berges eine 
Anzahl Hunde gefunden hatte. 

Die El gandus wohnten in tcmbenartigen Hütten. Die Wohlhabenden 
lebten nur von den Erträgnissen ihrer Herden, die ärmeren Leute auch von 
den Produkten des Ackerbaus. Sie pflanzten besonders Sorghum und Kürbisse, 
sowie ein Gewächs, dessen Wurzel eine mehr als kopfgrosse Rübe oder Knolle, 
welche eA gere hiess, bildete, die zwei etwa einen halben Meter lange, dünne 

') Wohl richtiger 'n jau zu schreiben, da das voi^esetzte n ala ArtiLel aniuspiecheu isl. 
Bemerkt sei. dass jau. als die nssTrlsche Form lUr jahve, die illeile semitische Form fUr die israelitische 
GottesbcicichuilDg nach dem jetzigCD Stand unseres WiMcDS Ist. 



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- 28l - 

Sprossen trieb. Ferner pflanzten sie ein zuckerrohrartiges Gewächs, welches 
engari genannt wurde. Ihre Rinder gehörten zur Zebu-Rasse. Schafe und 
Ziegen besassen sie in grosser Menge. Diese wurden durch Ersticken getötet, 
Schlachtrinder dagegen mit einer grossen Keule erschlagen. Der Grund dafür 
war, dass vor Eintritt des Todes kein Blut aus dem Tier fliessen sollte. Gott 
nannten sie Sua;'] über sein Wesen ist den Masai nichts bekannt 

Ueberail im Land sah man aus Holz geschnitzte menschliche Figuren 
stehen, welchen angeblich die Kraft innewohnte, Menschen zu schützen und 
wilde Tiere fem zu halten. Ob diese Gestalten Götter vorstellten, wissen die 
Masai nicht. 

Den Stand des Häuptlings bezeichnen die El gandus mit ol nirö, sein 
Name war Duabes. 

Die Knaben wurden nicht beschnitten, wohl aber die Mädchen, und zwar 
im Pubertätsaltcr, kurz vor ihrer Verheiratung. Einen Brautpreis zahlte der 
Mann vor oder bei seiner Verheiratung nicht. Die Braut bekam von Ihrem 
Vater eine Ausstattung, bestehend in Vtehhäuten zur Kleidung, Perlen und 
Drahtringen als Schmuck und ein Fell als Lagerstatt. Bei ihrer ersten Nieder- 
kunft zahlte der Mann an ihren Vater 25 Rinder, 28 Ziegen oder Schafe, 
zo Strähne der ovalen borö-Perlen und 22 Töpfe Honig. Eine unfruchtbare 
Frau behielt der Mann nicht, sondern schickte sie zu ihrem Vater zurück, bei 
dem sie verblieb. Bei der Gebart eines Knaben wurde ein fünftägiges, bei der 
eines Mädchens ein eintägiges Fest gefeiert. War der Knabe 15 Monate alt, 
so trug ihn seine Mutter einige Wegstunden weit fort von der Hütte in den 
Busch und rasierte ihm dort zum ersten Male den Kopf. Eine mitgegangene 
Frau rasierte darauf der jungen Mutter gleichfalls das Kopfhaar. Die erste 
Kopfrasur eines Mädchens fand zwei Monate nach dessen Geburt statt, und zwar 
nicht ausserhalb, sondern in der Hütte seiner Mutter. 

Die Lebenshaltung der 'LariAai war dieselbe, wie die der El gandus. Sie 
machten sich, wie es auch viele El gandus taten, Steinwälle um ihre Hütten. 
Andere füllten den Raum zwischen- den Steinwällen mit Erde und stellten so 
eine Plattform her, auf welche sie dann die Hütten bauten. Ihr Häuptling hiess 
Dionö, seine Stellung bezeichnete man mit dem Wort maube. 

Die Bekleidung der 'Lariflai bestand, wie auch die der El gandus, aus 
weichgemachten Rinderhäuten. 

Sie machten sich Gottesbitder aus Lehm, welche die Gestalt einer Giraffe 
hatten, deren Kopf aber keine Hörner trug.*) 

Nördlich des ol donjo geri, im Lande Mola mit dem ol donjo 1 ol bs 
(Pfeilberg), wohnten eng bei einander zwei Volksstämme, deren Namen El 

') Wahiicheiiilicb der SoDDeogntt, des ebenso wie die Sonne selbst die Semilo - NiKfltier des 
Kilimandscharo Rua, die Ton Umbugwe Jua und die Nigri 10 -Semiten von Iraku Loa neouen. 

*) Nach Prof. A. WledemaiiD ist der Ko]>f, den die Ae^ypler dem Gotte Set häufi); aulBctzlen, 
der des Okapi. 



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— 282 — 

1. inaguria und El detea sind. Sie pflanzten alle den heutigen Masal bdcannten 
Ackerprodukte. Unter ihren Rindern hatten sehr vide weisse Rücken und 
schwarze Flanken. Alle Rinder wareo hornlos, da man den Kälbern die Hom- 
ansätze aasbrannte, 

Die Beschneidung der Knaben bestand in der Circumcision, während die 
Mädchen wie bei den Masai beschnitten wurden, und zwar beide im Pubertäts- 
alter. Bei der Verheiratung zahlte der Mann an den Vater der Frau einen 
Brautpreis, bestehend aus Schafen, Ziegen, Honig und Armringen aus Eisen. 
Bei der ersten Niederkunft der Frau zahlte ihr Mann noch einige Rinder an 
den Schwiegervater. Eine unfruchtbare Frau behielt der Mann. Mädchen und 
Krieger trugen das Haar wie die Frauen der El dinct; bei der Verheiratung 
und von da ab dauernd rasierten sie den Kopf, Als Bekleidung dienten Leder- 
schurze. Als Schmuck trugen die Krieger einen handspannnebreiten Fell- 
streifen, der vom Nacken nach hinten herabhing. 

In einem vollkommen flachen Land, welches von zwei Flüssen, Mi?ib§n und 
1. BorS, bewässert wurde, lebten — unweit den El dinet — die El gargrSs. Sie 
besassen Kleinvieh und Rinder, welch letztere kleiner waren als die der Masai. 
Ihren Lebensunterhalt gewannen sie aber hauptsächlich aus den Erträgen ihrer 
Aecker, in welchen sie ausser grossen roten Bohnen und Mais noch ein em 
baio genanntes Gewächs anpflanzten. Aus seiner Wurzel entspross ein Kranz 
von fusslangen Blättern, in deren Mitte ein ebenso langer Stengel eine Blüte 
trug, aus welcher sich die Frucht entwickelte. Diese war etwa handgross und 
barg in ihrem Innern tfine Menge weicher, essbarer Kerne von der Grösse der 
Maiskörner. Ueberall im Land waren Bienenstöcke aufgestellt, die doppelt so 
dick und halb so lang wie diejenigen, welche die Wandorobbo haben, waren. 

In der Mitte des Landes hatten die Leute einen künstlichen Hügel aus 
Erde und Steinen aufgeschüttet. Von seiner Spitze wurden die weidenden 
Herden von einigen Wächtern beobachtet, die sich die Zeit ihrer Wache ao 
einem in Stein gemeisselten en dedoi-Spiel *) verkürzten. Da das Land sehr 
arm an Bäumen war, so hielten sieb die Leute gern im Schatten des Hügels 
auf und feierten dort auch ihre Opferfeste. Hierbei wurde ein Schaf erstickt 
und dessen Fett als Opfer fiir Gott, den sie Schambä nannten, verbrannt. Das 
Fell des Schafes wurde danach in dünne Streifen geschnitten, von denen jeder 
Festteilnehmer einen bekam, um ihn als Halsband zu tragen. 

. Wenn ein Mädchen den Antrag eines Mannes erhört hatte, tauschten die 
nun Verlobten eiserne Fingerringe aus. Dann holten die Freunde des Bräutigams 
acht Bambusstämme herbei und stellten sie um die Hütte des Brautvaters zum 
Zeichen dafür, dass das Mädchen, welches in dieser Hütte wohne, Braut sei. 
Bei der Verlobung bekam das Mädchen, welches bis dahin, ebenso wie die 
Männer, unbekleidet war, ihr erstes Kleidungstück. Dies bestand aus einem 

') Textfigur No. 8. Seite 36, 



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- 283 - 

etwa fussbreiten und zwei Meter langen Lederstreifen, der auf einer — auf der 
nach aussen zu tretenden — Seite mit zylindrischen Elsenperlen benäht war. 
Durch ein kreisrundes Loch in seiner Mitte steckte die holde Trägerin den Kopf 
und liess dann ein Ende des Gewandes nach vorn, das andere nach hinten 
herunterfallen. 

Wenn die Frau zum ersten Male niederkam, zahlte ihr Mann den Brautpreis, 
und zwar bekam sein Schwiegervater vier Rinder und zwei Ziegen, die Schwieger- 
mutter zwei Rinder und vier Ziegen. Nach der Geburt eines Knaben blieb die 
Wöchnerin einen Monat, nach der eines Mädchens 15 Tage in der Hütte. Am 
letzten Tage dieses Wochenbetts wurde der Mutter und dem Kind das Kopf- 
haar rasiert. 

Eine Beschneidung war nicht üblich. 

Zu den Gerichtsverhandlungen wurden die Leute durch den Schall einer 
gössen Trommel zusammengerufen. 

Dem Verstorbenen legte man eine Drahtschlinge um den Hals und hängte 
ihn an dieser in das Grab. Mit dem Moment des Zerreissens der Halswirbel, 
wonach der Tote ins Grab gelegt und dieses verschlossen wurde, begann eine 
dreitägige Totenldage. 

Der Häuptling der El gargur^s hiess Endlssfi; seiner Stellung nach wurde 
er als ol gltrdtn bezeichnet. 

In einem Gebirgsland, Moinfit genannt, durch welches ein reissender Fluss 
strömte, wohnten die El galaAgala. Politisch war das Land in zwei Distrikte 
geteilt: der eine stand unter dem Sultan Lindi, der andere unter der Sultanin 
Biallo. Jedes Dorf bestand aus einem geschlossenen Hüttenring, innerhalb 
desselben befand sich ein ringförmiger Verhau von Dornenästen, in dem zur 
Nachtzeit das Vieh untergebracht war. Da die Leute in ihrem steinigen Ge- 
birgsland nicht genug Gras für ihr zwar nur weniges Vieh hatten, wurde dieses 
in der trockenen Zeit an den Fuss der Berge gebracht, wo es während der Nacht 
in schnell hergestellten Dornenkraalen Schutz gegen Raubtiere fand. Das 
Melken der Kühe war Arbeit der Männer. Auf den Aeckern wurden besonders 
Mais, Zuckerrohr, Bohnen, Sorghum und Bataten angepflanzt. 

Die Circumcision der Knaben und die £lxcisio clitoridis der . Mädchen 
nahm man im Pubcrtätsalter vor. Der Mann warb bei dem Vater des Mädchens 
um dieses und brachte ihm zum Zeichen seiner Absicht 15 Kürbisflaschen 
Honigbier, durch deren Annahme der Alte seine Einwilligung gab. Vor der 
Hochzeit erhielt der Brautvater als Brautpreis zwei Kühe und zwei Ziegen, 
sowie vier Säcke Mais oder Bohnen, wie dies auch die Mutter der Braut bekam. 
Nach der Geburt eines Knaben blieb die Frau neun Tage in der Hütte; nur während 
dieser Zeit erhielt der Kleine Muttermilch, später bekam er als Ersatz dafür Kuh- 
milch und Schaffett. Nach der Geburt eines Mädchens blieb die Frau einen 
Monat in der Hütte; das Mädchen wurde gesäugt bis es laufen konnte. Am Ende 
des Wochenbetts wurde der Wöchnerin und dem Kind das Kopfhaar rasiert. 



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— 2^4 — 

Ausser Ackerbau und Viehzucht betrieben die £1 galaAgala auch die Jagd, 
und zwar zum Zweck der Gewinnung von Fleisch und Fellen, aus welch letzteren 
sie ihre Kleidung, in Form und Schnitt wie die der Masai, herstellten. Ihr 
Handel beschränkte sich auf einen Tauschverkehr mit dem am Fuss ihrer Berge, 
in der Landschaft Samburuat, wohnenden Jägervolk der El debeti, die jenen 
selbst gefertigte Tontöpfe verkauften und dafür Ackerbauprodukte erhielten. Gott 
nannten die El galaAgala 'Ng ai. 

Dieselbe Goitesvorstcllung hatten die eben erwähnten El debeti, welche 
weder Aecker anlegten, noch Vieh züchteten, sondern nur von den Erträgen 
der Jagd lebten, der sie mit vergifteten Pfeilen oblagen. Ihre Kleidung glich 
in Form und Art der der Masai und war aus Wildfellen het^estellt. 

Die Circumcision der Knaben und die Excisio clitoridis der Mädchen wurde 
im Pubertätsalter ausgeführt. Als Brautpreis zahlte der Bräutigam vor der 
Hochzeit an den Vater der Braut zehn Bienenstöcke und zehn Töpfe Honig. 
Wenn die Frau einem Knaben das Leben gegeben hatte, blieb sie i; Tage, 
nach der Geburt eines Mädchens 25 Tage in ihrer Hütte. Am Tag, an welchem 
sie die Hütte verliess, wurde der Mutter und dem Kind das Kopfhaar rasiert. 
Die Kinder wurden entwöhnt, sobald sie laufen konnten. 

In Einehe lebten die El maina im Lande Endobosat. Sie waren vieh- 
züchtende Ackerbauer und pflanzten ausser einer en gere genannten grossen 
Hirseart noch Bohnen, sehr grosse Bataten und fusslange JamsknoUen, welche 
el oiboribori hiessen. Ihren Gott nannten sie Bomboro. 

Die Circumcision der Knaben und die Excisio clitoridis der Mädchen wurde 
im Pubertätsalter vorgenommen. Die Hütten der Unverheirateten lagen abseits 
der der Verheirateten. In ersteren lebte jeder junge Mann mit dem Mädchen 
zusammen, welches später seine Frau wurde. Vor der Hochzeit zahlte der 
Bräutigam an den Vater der Braut neun Rinder und neun Ziegen oder Schafe, 
von denen dieser vier Rinder seiner Frau und das Kleinvieh seinen andern 
Kindern gab. Wenn die Frau einen Knaben geboren hatte, blieb sie zwei Tage 
in der Hütte und ging am dritten Tag mit dem Säugling auf dem Arm zu ihrem 
Vater, der sie mit einem Rind beschenkte. Nach der Geburt eines Mädchens 
hielt die Frau ein fünfzehntägiges Wochenbett. Am Tag, an dem sie die Hütte 
verliess, wurde ihr und dem Säugling das Kopfhaar rasiert. 

Die Kleidung fertigten die Leute aus Viehhäuten, und zwar nach derselben 
Art und Form wie die Masai. Nur der untere Schurz der Weiberkleidung war 
etwas kürzer ab das ol ogessana der Masaifrauen und reichte nur bis zum Knie. 
Oberhalb der Wade und um das Handgelenk trugen die Weiber eiserne Schmuck- 
ringe. Die durchbohrten Ohrläppchen schmückte ein runder Holzpflock. 

Viehzüchtende Ackerbauer waren auch die EI giduA im Lande Loisa. 
Sie besassen sehr viel Ziegen, weniger Rinder und Schafe. Besonders pflanzten 
sie eine grosse Maisart, sowie Bataten, Bohnen und Sorghum. Sie wohnten in 
hohen viereckigen Hütten, deren Wände und flaches Dach mit Gras verkleidet 



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- 28s - 

waren. Die Hülten waren eng aneinander gebaut und umschlossen einen 
runden oder viereckigen Platz oder Hof, in dessen Mitte ein Pallisadenzaun den 
Stand Tür das Vieh abgrenzte. 

Die Circumcision der Knaben und die Excisio clitoridis der Mädchen wurde 
im Kindesalter vorgenommen, sobald das Kind laufen konnte. Vor der Hochzeit 
zahlte der Bräutigam an den Vater der Braut einen Topf Schaffett, mehrere 
Töpfe Honigbier, ein Schaf, eine Ziege und eine Kuh, an die Mutter eine 
weitere Kuh. Wenn die Frau niederkam, schlachtete ihr Mann einen Ochsen 
und bewirtete seine Freunde und Nachbarn mit dessen Fleisch. Nach der 
Entbindung durfte die Frau, gleichgültig ob das Neugeborene ein Knabe oder 
ein Mädchen war, während sechs Monaten die Hütte nicht verlassen. Nach 
Ablauf dieser Zeit wurde ihr und dem Säugling das Kopfhaar rasiert. 

Im Krieg waren die Leute mit Bc^en, Pfeil, Messer und Keule bewaffnet. 
Gefangene Männer führten sie nicht mit sich fort, sondern Hessen sie, nachdem 
ihnen Hände und Füsse abgeschnitten waren, liegen. 

' Die El merro waren Viehzucht treibende Ackerbauer. Ihre Rinder waren ei 
sehr gross und meist von rotbrauner Farbe; auch ihre Ziegen waren gross, die 
Schafe dagegen sehr klein. Auf den Feldern pflanzten sie besonders Zucker- 
rohr, Mais und Bataten. 

Die Circumcision der Knaben erfolgte im Pubertätsalter, während die 
Mädchen im Kindesalter beschnitten wurden (Exe. clit). Als Brautpreis hatte 
der Bräutigam dem Vater der Braut vor der Hochzeit vier Kühe, einen Ochsen, 
drei Ziegen und 12 Töpfe Honig zu zahlen. Nach der Geburt eines Knaben 
blieb die Frau fiinf, nach der eines Mädchens zehn Tage in ihrer Hütte. Das 
Kopfhaar von Mutter und Kind wurde rasiert, sobald letzteres laufen konnte. 

Die £1 merro machten sich aus Erde Figuren in Form von Menschen und 
Ziegen und bezeichneten sie als Götter. 

Ihr Häuptling hiess Mombarisiet, ihr Land Laria. 

Die El tumbaine wohnten in dem Hochland Olinotti. Sie waren arm ei < 
dorthin gekommen und hatten die bisherigen Bewohner, die El moitanik, aus- 
geraubt und vertrieben. Da sie hier zu Besitz gekommen waren, nannten sie 
das Land Olinotti, nach kinotto = wir haben erhalten. Auf den Aeckern 
pflanzten sie Bohnen, Bataten und Mais. Ihre Rinder waren klein und hatten 
ausserordentlich lange Hörner; ihre Ziegen und Schafe waren sehr gross; 
letztere hatten einen dicken Stummelschwanz. In geringem Umfang betrieben 
die Leute auch die Jagd; das Fleisch des erlegten Wildes behielten sie, 
die Felle dagegen vertauschten sie gegen vegetabile Lebensmittel bei den 
£1 ginjoUo. 

Die Et tumbaine kannten die Beschneidung nicht Die Verheirateten und 
Unverheirateten wohnten in getrennten Kraalen. Ihre Kleidung glich der der 
Masai und war auch aus Viehhäuten gemacht. Die Kleidungstücke der Weiber 
zeigten reichlichen Kauribesatz. Mädchen und Frauen trugen in den durch- 



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bohrten und erweiterten Ohrläppchen runde Scheiben aus Elfenbein. Nach der 
Entbindung musste die Frau zehn Tage in der Hütte verbleiben. 

Von ihrem Gott, Momesso, machten sie sich Statuen aus Ton. Die meisten 
derselben stellten weibliche Figuren dar, die auf dem Kopf ein Tuch trugen;') 
auch männliche Figuren sah man dort, doch wissen meine Masai-Gewährsmänner 
nicht, ob auch sie Gottesdarstellungen waren. 
1. Im Lande Ardai, welches sehr waldig war und dessen Name daher nach 

dem Wort erd' = dicht in Bezug auf den Wald (erd' el dim = dichter Wald) 
gebildet ist, wohnten die El ginjollo. Die meisten Bäume darin trugen süsse, 
wohlschmeckende Fruchte; auf den Feldern wuchsen besonders Bananen, Bohnen, 
Mais und Zuckerrohr. Vieh besassen die Leute nur sehr wenig, und die Wohl- 
habenden nannten kaum mehr als zehn Rinder und etwas mehr Ziegen und 
Schafe ihr eigen. 

Knaben und Mädchen wurden im Kindesalter beschnitten (Circumcision 
bezw. Excisio clitoridis). Nach der Entbindung blieb die Frau acht Tage in 
ihrer Hütte. Am Tag, an welchem sie dieselbe verliess, wurde ihr und 'dem 
Neugeborenen der Kopf rasiert; war dieses ein Mädchen, so nahm man die 
Rasur in der Hütte vor, bei einem Knaben dagegen ausserhalb des Gehöftes. 

Gott nannten sie Mogoivet. 
o. Unweit der El merro wohnten die El mamunjo. Sie waren in der 

Hauptsache Viehzüchter und besassen sehr viel Rinder, Ziegen und Schafe. 
Nur in sehr geringem Umfang bebauten sie den Boden und pflanzten ol oibori- 
bori, was besonders den älteren Männern zur Nahrung diente, während für die 
Weiber und Kinder eine Kartoßelart und Bohnen gezogen wurden. Die unver- 
heirateten Männer lebten fast nur von Milch und Fleisch. 

Die Circumcision der Knaben sowie die Excisio clitoridis der Mädchen 
wurde nach Eintritt der Pubertät vorgenommen. Bei der Verlobung wurde 
den Mädchen der Kopf mit Fett gesalbt. Als Brautpreis zahlte der Bräutigam 
an den Vater der Braut 24 Rinder, wovon 14 junge Kühe, welche noch nicht 
gekalbt hatten, sein mussten, ferner 8 Ziegen oder Schafe und 25 Töpfe Honig, 
während er der Braut 8 Schellen schenkte, von denen sie am Hochzeitst^ Je 
zwei an jedem Arm und Bein trug. Nach der Geburt eines Knaben blieb die 
junge Mutter acht Tage in der Hütte, nach der eines Mädchens nur vier. Am 
Tj^e des ersten Ausgangs wurde der Mutter und dem Kind das Kopfhaar 
rasiert. War das Neugeborene ein Knabe, so fand die Rasur ausserhalb des 
Kraales statt; war es dagegen ein Mädchen, so nahm man sie in der Hütte vor. 

Ein anderes Volk, bei dem die armen Ameroi und El eberet vegetabile 
Lebensmittel kauften, waren die Ireta im Lande Ol donjo le tombd. Sie waren 
Ackerbauer und pflanzten Bohnen, Bataten, Hirse, Mais und Zuckerrohr. Da sie 

V' ]ii sei daran erinnprl, äass auch der Kopf der assrilsclicii Astarle-Staluen mit einem Tucli 



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- 287 - 

kein Vieh besassen, suchten sie ihren Bedarf an Fleisch durch die Jagd zu 
decken. 

Gott nannten sie Timitim. Man sah bei ihnen kleine Tonfiguren, welche 
Stiere oder männliche Kälber vorstellten. Meine Masai-Gewährsmänner glauben 
nicht, dass dies Darstellungen Gottes sein sollten, sondern halten sie für 
Kinderspielzeug. 

Die Circumcision der Knaben wurde im Pubertätsalter vorgenommen, die 
Exe. cht, der Mädchen dagegen in früher Kindheit. Bei der Werbung gab der 
junge Mann dem Mädchen einige Eisendrahtkettchen ; nahm das Mädchen den 
Antrag an, so hing es sich die Kettchen um den Hals oder bandolicrartig um 
Hals und linke Schulter; andernfalls wickelte es dieselben senkrecht um den 
Kopf. Nach erlangter Einwilligung von selten des Mädchens, warb der Mann 
bei dessen Vater, indem er ihm ein Schaf brachte, durch dessen Annahme der 
Alte seine Zustimmung gab. Bis zur Hochzeit heferte dann der Bräutigam 
alles erlegte weibliche Wild der Familie der Braut, während das männliche ihm 
un4 seiner Familie gehörte. Am Hochzeitstag zahlte er dem Vater der Braut 
schliesslich noch 22 Töpfe Honigbier. Am vierten Tag nach der Geburt eines 
Knaben, am dritten nach der eines Mädchens, begab sich der Mann auf die 
Jagd; sobald er ein Stück Wild erlegt hatte, schickte er seiner Frau Nachricht, 
die darauf sofort mit dem Neugeborenen kam. Nachdem beiden auf der Stelle, 
wo das Wild gefallen, das Kopfhaar rasiert war, kehrte man nach Hause zurück, 
und die Frau, die seit ihrer Entbindung die Hütte nicht verlassen hatte, nahm 
nun ihre tägliche Arbeit wieder auf War der Pirschgang des Mannes dagegen 
vei^eblich gewesen, so wiederholte er ihn an den folgenden Tagen, bis der -^ 
erwünschte Erfolg erreicht war. Das Wochenbett der Frau dauerte dann bis 
zu diesem Tag. 

Im Lande Ererait wohnten die Herdennomaden El gamassia. Sie be- ei g 
Sassen grosse Rinder mit armlangen Hörnern, grosse Ziegen, kleinere Schafe, 
Esel und Kamele. Letztere lieferten viel Milch, die von den Leuten mehr als 
Kuhmilch geschätzt wurde. 

Ihr Häuptling hiess NaAgessia. Gott nannten sie Em bä und machten 
sich Standbilder von ihm, welche eine Giraffe darstellten, deren Kopf keine 
Hörner trug. 

Die Beschneidung der Knaben und Mädchen fand statt, sobald das Kind 
anfing zu sprechen. Bei der Verlobung brachte der Mann der Mutter der 
Braut zwei Schafe und einen Topf Honigbier. Vor der Hochzeit zahlte der 
Bräutigam an den Vater der Braut 9 Kühe, 9 Ochsen und 14 Töpfe Honigbier. 
Nach der Geburt eines Knaben durfte die Frau zwölf Tage, nach der eines 
Mädchens acht Tage lang die Hütte nicht verlassen. 

Das Land Ererait war sehr flach und stand in der Regenzeit fast ganz 
unter Wasser, weshalb kriegerische Ueberfälle auf die El gamassia nur in der 
trockenen Jahreszeit unternommen werden konnten. Zur Sicherung nach aussen 



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— 288 — 

benutzten sie gezähmte Geier,'] die bei der Annäherung des Feindes eilig nach 
den Kraalen flogen und dort durch die gleichzeitige Ankunft in Massen die 
drohende Gefahr ankündigten. Durch das Land floss ein grösserer Fluss, Namens 
Timbinigi, und ein kleinerer, Narok morti, nach den schwarzen Steinen seines 
Bettes benannt, 
r Ein nur von den Erträgen der Viehzucht lebendes Nomadenvolk waren 

die El marimar, deren Häuptling Lesiti hiess. Ihre Rinder waren schwarz 
und weiss gefleckt; ihre Ziegen waren weiss und hatten einen halben Meter 
lange Hörner; die Schafe waren braun. 

Eine Beschneidung wurde bei ihnen nicht geübt. Vor der Hochzeit zahlte 
der Bräutigam an den Vater der Braut zwei Kühe und drei Ochsen, ferner acht 
Ziegen oder Schafe und fünfzehn Töpfe Honig, während die Mutter der Braut 
acht Schaffelle zur Kleidung und Eisendraht zur Anfertigung von Schmuck er- 
hielt. Nach der Geburt eines Knaben durfte die Frau während eines Monats 
die Hütte nicht verlassen, wogegen das Wochenbett nach der Geburt eines 
Mädchens nur fünf Tage dauerte. Am Tage des ersten Ausgangs wurde der 
Mutter und dem Kind das Kopfhaar rasiert. 

Zur Teilnahme an einem Kriegszug war jeder Krieger, d. h. jeder noch 
nicht verheiratete Mann, verpflichtet. War jemand daran durch Krankheit ver- 
hindert, so musste seine Familie einen Vertreter stellen; als solcher kam sowohl 
der im Knabenalter befindliche Bruder, als auch der Vater, ja sogar die noch 
unverheiratete Schwester in Betracht. Vor dem Auszug in den Krieg ver- 
sammelten sich alle Teilnehmer beim Häuptling, der, nachdem ein Ochse durch 
einen Stich ins Genick getötet und dann zerteilt war, aus dessen Eingeweiden 
den Ausgang des Kampfes weissagte. Lautete sein Spruch günstig, so wurde 
der Zug unternommen, im andern Fall verschob man ihn vorläufig. 

Von Gott, den sie Sita nannten, machten sie sich Standbilder in Form 
einer männlichen Figur, die nur ein Bein hatte. 

Im Lande Gaiwos lebten dort, wo der gleichnamige Fluss eine grosse 
Menge kleiner Inseln bildete, die El diditi von Ackerbau und Fischfang. Auf 
den Feldern pflanzten sie Mais und ein ogarf genanntes Gewächs, aus dessen 
kopfgrossen Wurzeln, nachdem sie in Scheiben geschnitten und getrocknet waren, 
Mehl bereitet wurde. Die Fische fingen sie mit an Schnüre gebundenen 
Drahthaken und Reusen. Ueber die zahlreichen Fiussarme hatten sie Brücken 
geschlagen. (Boote waren ihnen unbekannt.) Alle paar Tage fanden Märkte 
statt, auf denen Fische gegen Vegetabilien gehandelt wurden. 



') Zu solclier Verwendung kam der graubraune Geier, von den Masai ol moton] ingiro. Ton 
den Kl gamasäia — nach Anßabe der Matal — ol atcnai genannt, und der schnarie Geier, den die 
Masai Ol moionj crok und die Kl KamaOTia kilcflitoi nannten. — Vielleiclii licui in dieser Bonutmine- 
de» Geiers oder Adlers üum Vorposlendienst der Ur^frand för die Veriicndung dieses Vogels als 
Wappentier. Das Dopjicladicmappen leigen schon die bctiiitiscLen Reliefs an der Felswand bei 
Bogbatküi, die aus dem 13. Jahi-hundert v. Chr. stammen durften. Die Scldsebukken-Snltanc Ober- 
nniimcn ila» Wappen um 1217, und die dcutscbcn Kaiser nahmen es in iiir Wappen im Jahre 1345 auf. 



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— 289 — 

Gott nannten sie Se; sie hielten Versammlungen am Fuss eines nahen 
Berges ab, bei denen sie Gott um Nahrung und Gesundheit baten. 

Die Beschneidung der Knaben (Circumcision) und der Mädchen (Exe. clit.) 
fand im Pubertätsalter statt. Als Brautpreis zahlte der Mann an den Vater der 
Braut acht Töpfe Honig und arbeitete zwei Monate in einem seiner Felder. 
Nach der Geburt eines Knaben durfte die Frau die Hütte während l6 Tj^en 
nicht verlassen; nach der eines Mädchens hielt sie ein fünftägiges Wochenbett. 
Am Tage des ersten Ausgangs wurde der Mutter und dem Kind das Kopf- 
haar rasiert. 

Ein sehr armes Volk waren die El gassiarok, denn sie besassen ausser Bi««.«i 
einigen sehr wenigen Stücken Vieh nur Bienenstöcke. 

Bei ihnen wurden die Knaben im Alter von 10 — 12 Jahren beschnitten 
(Circumc), die Mädchen im Alter von etwa sechs Jahren (Exe. clit). Als 
Brautpreis zahlte der Mann an den Vater der Braut 40 Bienenstöcke und zwöli 
Töpfe Honig. Nach der Geburt eines Kindes verliess die Frau fünf Tage lang 
die Hütte nicht. Am Tag des ersten Ausgangs wurde ihr und dem Neugeborenen 
der Kopf rasiert. 

Mehrere Male im Monat zogen ganze Trupps von älteren Frauen und 
Männern, beladen mit Honig und Tontöpfen, welche sie selbst fertigten, zu 
Ackerbau treibenden Volksstämmen, um dafür vegetabile Lebensmittel einzu- 
tauschen. 

Ueber die Bedeutung der aus Ton gefertigten Tierfiguren, die man in 
ihren Kraalen und Hütten sah, ist meinen Gewährsmännern nichts bekannt 

Gott nannten sie Seh abischab. 

Im Gegensatz zu den umfangreichen und festgeprägten Ueberlieferungen Neu. 
aus ältester Vergangenheit steht die Dürftigkeit und Unsicherheit der Mittellungen 
aus neuerer Zeit Die zusammenhängende geschichtliche Erinnerung reicht 
nicht über ein Menschenalter hinaus; was davor liegt, ist unsicher. Das einiger- 
massen Sichere erzählt von Kriegszügen, Viehseuchen, Dürre und ähnlichen 
belanglosen Dingen. Es sei daher nur noch die Reihe der Altersklassenver- 
bände, die übrigens auch lückenhaft und unsicher ist, und die der Häuptlinge 
vervollständigt 

El difegi ol oiboni: Kibebste. 

El kisaroni ol oiboni: Sitonik. 

El merischari ol oiboni: Subet. 

El kidotu. 

El duati ol oiboni: Mbatyan, 

El Aiai^gussi. 

'L aimerr ol oiboni: Lenana. '] 



,t lur Altersklasse Jer Kl kipuani, die i. Z. mit der nächst älteren, den 
eioem ol adji vorbunclen ist. 



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— 290 — 

11. 

Eine Ter(^«chende BelmclitunR der Traditionen der Maaai and Isiaelilen. anter Berücksichtlgaiig der 
1a BabylonicD j^cfimdeoea Berichle der Urzeitraj'theD ; Weltschöpfuni;, die Enchaffung der entcn 
Meiucben, Paradies und Sündenfall, die Sintflut, die Kentter der Bibel, die Schmiede der Matal, der 
Betrncr nm das Recht der Eriti;ebiirt, Moses •Maniinl-Miitatui iu«„ die BeschneMung, die Be- 
neoDuni; Gölte«, die feuiiKe Scblange, die zehn Gebolc. — Einige weitere BerOlmuigBpDnbte. 

Die streng monotheistische Religion der Masai und die oft bis zur Ueber- 
einstimmung gehende Aehnlichkeit ihrer Urzeitmythen mit den uns aus der 
Bibel bekannten des Volkes Israel fordern zu einer näheren und vergleichenden 
.Betrachtung auf. Dass ein Vei^leich sich hier nur auf einige Hauptpunkte 
erstrecken kann und diese auch nur kurz und skizzenhaft behandelt werden 
können, sei damit erklärt, dass diese Zeilen in afrikanischer Einsam- 
keit entstehen. 

Die neuere Forschung, besonders die Ausgrabungen in dem alten vorder- 
asiatischen Kulturzentrum, auf dem Boden des babylonischen Reiches, hat eine 
ganze Reihe von alttestamentlichen Anschauungen aus der Urzeit auf baby- 
lonischen Ursprung zurückgeführt. Die Gründe dafiir waren im Grossen und 
Ganzen folgende: 

Man fand, dass ähnliche Anschauungen, wie die z. B. in den biblischen 
Mythen über Weltschöpfung, Paradies, Sintflut usw. enthaltenen, in dem Kulturstaat 
Babel schriftlich oder bildlich bereits zu einer Zeit festgelegt waren, in der die 
alten Israeliten noch als kutturarme Nomaden die arabisch -syrischen Steppen 
bewohnten. Man fand ferner in jenen Anschauungen teilweise ein derart 
spezifisch babylonisches Gepräge, dass man meinte, sie hätten in ihrer biblischen 
Form nur in einem Lande wie Babylonien, nicht aber in den trockenen Steppen 
entstanden sein können, oder auch nur in der Atmosphäre babylonischen Geistes- 
lebens und nicht im Vorsteilungskreis der Hirten Alt - Israels. Man hatte 
schliesslich auch mit der Tatsache zu rechnen, dass Kanaan, das Land, in dem 
die Israeliten nach ihrem langen Nomadentum ansässig wurden, bei seiner Er- 
oberung durch Israel von Babylonismus durchtränkt war, und dass die Juden 
dort einen von der alten babylonischen Kultur bereits längst bearbeiteten Boden 
vorfanden, der ihnen die Aufnahme neuer Kulturelemente und fremder An- 
schauungen erleichterte. 

Betrachten wir nun kurz die Frage, wann Israel zu jenen babylonischen 
Anschauungen gekommen sein soll. Neben dem, was man als spezifisch Baby- 
lonisches in jenen gemeinsamen Mythen ansah, fand sich doch auch viel echt 
Israelitisches, wozu vor allem der überall im Alten Testament herrschende 
Monotheismus zu rechnen ist. Jene Anschauungen mussten also eine lange 
Entwicklung in Israel durchgemacht haben, bis sie die Formen, in denen sie 
uns die Bibel überliefert hat, annehmen konnten. Man kam hierdurch zu der 
Vermutung, dass die von Babylon ausgegangene Beeinflussung durch Vermitte- 
lung der Ureinwohner Kanaans ungefähr um die Mitte des zweiten vorchrist- 



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— 291 — 

liehen Jahrtausends begonnen habe, auf die Israeliten zu wirken. Der Fund 
der Teil el-Amarna- Tafeln, welche u. a. lehrten, dass ein reger Briefverkehr In 
babylonischer Schrii^ und Sprache schon zu jener Zeit zwischen Babel einer- 
seits und Aegypten und Palästina anderseits bestand, bestärkte jene Annahme. 

Diese kurze Skizze möge genügen, um zu zeigen, wie und wann baby- 
lonischer Einfluss auf das Geistesleben Israels einwirken konnte. 

Wenden wir uns nun zu den Masai! 

Hier fanden wir die überraschende Tatsache, dass eine grosse Anzahl von 
Anschauungen, besonders in den Mythen der Urzeit, teils sehr stark an die 
betreffenden Darstellungen, wie sie uns die Bibel lehrt und die babylonischen 
Ausgrabungen sie zeigen, anklingen, teils nur mit den alttestamentlichen über- 
einstimmen. Zur Erklärung dieser wunderbaren Erscheinung kommen vier 
Mo^icbkeiten in Betracht: 

1. auch <fie Masai sind von Babylon beeinflusst; 

2. den Masai sind jene Anschauungen durch den Islam oder die Ein- 
wirkung israelitischer oder cbcistlicher Missionare gebracht; 

3. das, was wir bei Masai, Israeliten und Babyloniern gemeinsam finden, 
ist gemeinsamen Ursprungs; 

4. jene Anschauungen entstammen dem Masaivolk. 

Um die erste Möglichkeit zu untersuchen, ist zuerst die Frage zu beant- 
worten: wann haben die Masai ihre Urheimat in der arabischen Halbinsel verlassen? 
Gegen die Annahme, dass sie das Land Aegypten in ägyptisch-historischer Zeit 
— etwa um 4000 v. Chr. — durchzogen, spricht das gänzliche Fehlen ägyptischer 
Urkunden über ein solches Ereignis.') Oder könnte man etwa annehmen, dass 
die Masai damals ein so unbedeutendes kleines Völkchen gewesen seien, dass 
ihr Zug durch Aegypten gewissermassen unbemerkt blieb und den Zeitgenossen 
der Aufzeichnung nicht wert erschien? Wäre es in diesem Fall nicht wahr- 
scheinlich gewesen, dass die kleine Schar in Aegypten hängen blieb und dort 
unterging? Und wie wäre es weiter bei jener Annahme zu erklären, dass die 
Masai zu einem solch mächtigen Volk sich in den afrikanischen Steppen ent- 
wickelt haben könnten, da uns doch die Geschichte lehrt, dass der Aequator 
jenen aus Vorderasien eingewanderten Steppenvölkern ein Ende setzt? Wie die 
beiden Tatoga-Völker und die zwei ersten Einwanderungstrupps der Masai 
bereits untergingen, so sehen wir heute auf Schritt und Tritt die Masai selbst 
dem gleichen Los entgegeneilen. Ein weiterer Grund gegen jene Annahme liegt 
auch in den Sitten und Gewohnheiten, in der ganzen Ethnographie der Masai. 



') Es ist sehr unnrnbricheinlich, dass in dcD nuch wcDig bekannteti FeriodeD Jer 7. bis II. 
und IJ. bis 17. Dynastie crössece Vällterwandenmgell durch Aegypten hindurchgegangen sind, Dean 
es würden dann doch wenigstens Andeutungen über derartig tief eimchneidcnde Ereignisse vorliegen. 
Dagegen ist es aber nicht unmäglich, dass sich in der noch fast gani unbekaiuitcn Zeil vor der 
4. Dynastie grössere Völkerbcwcgongeti im Gesichtskreis Aegyptcns abgespielt haben. Ist dies der 
Fall, so liann es sich dabei aber nicht um das Masai-Volk, sondern um die erst nacli ihm nach 
Afrika eingeiranderten Välkerschaften, wie Somali, Galla usw.. handeln. 

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— 292 — 

Ein kleines, schwächliches Volk hätte sich dieselbe weder in ihrer vorderasiati- 
schen Ursprünglichkeit erhalten können, noch hätte es vermocht, so vieles da- 
von andern Völkern, mit denen es später In Berührung kam, aurzudrängen. 
Ich glaube, diese Erwägungen dürften genügen, um die Annahme wahrscbeinlicb 
zu machen, dass die Masai bei ihrer Einwanderung nach Afrika bereits ein 
starkes und mächtiges Volk waren. 

Wie würde sich der Zug der Masai durch ein von einem politischen 
Gemeinwesen beherrschtes Aegypten nun gestaltet haben? Könnten sie friedlich 
und langsam hindurchgewandert sein, oder hätten sie sich durch Krieg den 
Durchzug erzwingen müssen? Die erste Möglichkeit wird durch den Umstand, 
dass die Masai damals bereits ein starkes Volk gewesen sein dürften, unwahr- 
scheinlich. Mit der Tatsache, dass sie auch ein solches Volk blieben und weiter, 
dass ihre Ethnographie nii^ends Spuren einer Beeinflussung des entstehenden 
oder bestehenden Kulturstaates Aegypten zeigt, scheidet sie aber ganz aus dem 
Bereich des Wahrscheinlichen aus. Wir kommen so zu der Annahme, dass die 
Masai sich den Zug durch Aegypten mit Krieg hätten erzwingen müssen, 
und dies wäre sicher ein Ereignis gewesen, von dem — wenn in geschichtlicher 
Zeit passiert — uns viele Inschriften Kunde geben würden. 

Es bleibt nun noch eine andere — weniger unwahrscheinliche — Möglichkeit, 
nämlich die, dass die Masai zu ägyptisch-historischer Zeit nach Afrika ein- 
wanderten und, ohne Aegypten zu durchqueren, längs des Roten Meeres, wie 
noch heute viele Beduinen, nach Süden zogen. Wenn man berücksichtigt, dass 
die ägyptische Regierung jetzt noch keine durchgreifende Kontrolle über die 
allerdings nur kleinen hin- und herwandernden Beduinentrupps zwischen dem 
Niltal und dem Roten Meer auszuüben vermag, so ist es Ja an und für sich nicht 
unmöglich, dass z. Z. des alten Aegyptens auch grössere Volksmassen auf jenen 
Wegen durch die Wüste von Wasserplatz zu Wasserplatz gezogen sein mögen. 
Ein solcher Weg würde den Masai die Möglichkeit einer Einwanderung ohne 
kriegerische Zusammenstösse mit den Aegyptern gegeben haben, vorau^esetzt, 
dass diese in jenen Horden nicht Bedroher ihrer eigenen Sicherheit gesehen 
hätten und deshalb zum Angriff gegen sie vorgegangen wären. Wie dem aber 
auch sei, unbekannt konnte den Aegyptern der Vorbeimarsch solch grosser 
Volksmengen nicht bleiben, und deshalb dürfen wir annehmen, dass sie, wenn 
er zu einer Zeit stattgefunden hätte, aus der wir Urkunden von ihnen besitzen, 
auch wohl davon erzählt haben würden. 

Die letzte Möghchkeit, eine Einwanderung über das Rote Meer, kommt 
dir die Masai nicht in Frage. Viehzüchtende Nomaden können mit ihren Herden 
auf diese Weise nicht wandern. 

Ich komme daher zu dem Schluss, dass die Masai bereits lange vor der 
Zeit, aus der wir ägyptische Urkunden besitzen, nach Afrika einzogen. Hiermit 
beantwortet sich die erste Frage schon; denn der Einfluss Babels, dessen Kultur 
erst im vierten Jahrtausend entstand, konnte damals keineswegs schon so weit- 



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— 293 — 

tragend sein, und überdies herrschte zu jener Zeit dort noch der Schamantsmus 
der Sumerer. Aber auch wenn man eine spätere Einwanderung der Masai 
nach Afrika annehmen könnte, so fehlt doch jede Veranlassung zu der Annahme, 
dass die Masai jemals ansässig gewesen seien. Dies wäre aber die Grund- 
bedingung für die Möglichkeit eines babylonischen Einflusses. Ein ansässiges 
Volk von Ackerbauern konnte Babel mit der so viel höheren Kultur und dem 
mächtigen Heer in seinen Bannkreis ziehen; auf ein nomadisierendes Steppen- 
volk vermochte es aber weder durch geistige Ueberlegenheit, noch durch Gewalt 
zu wirken, ohne ihm vorher seine Unabhängigkeit zu rauben. Verlust der Un- 
abhängigkeit heisst für ein solches Volk aber nichts anderes als Zerfall des 
Volksbestandes — Untei^ang. 

Aber auch, wenn in zeitlicher oder örtlicher Beziehung eine Beeinflussung 
durch Babylon denkbar wäre, so würde die Möglichkeit einer solchen am 
deutlichsten und sichersten durch Inhalt und Geist der Masai -Tradition selbst 
ausgeschlossen. 

Um den zweiten Fall auszuschalten, ist zunächst die Tatsache zu kon- 
statieren, dass u. W. bis heute niemals und nirgends der Islam, das Juden- 
tum oder die christlichen Missionen einen Einfluss auf das die Steppen 
ruhelos durchwandernde Masaivolk ausüben konnten. Auch die Möglichkeit, 
dass meine Gewährsmänner (Leute im Alter von 50 und mehr Jahren) in jenen 
Punkten in gedachter Weise beeinfli;sst sein könnten, muss ich nach meinen in 
dieser Richtung eingehend geführten Nachforschungen ausschliessen. Zudem 
behaupten die Leute auf das bestimmteste, jene Erzählungen von ihren Vätern 
gelernt zu haben, welche sie angeblich wieder von ihren Vätern gehört hätten. 

Nun schliesst die Tatsache, dass Missionare irgend welchen Glaubens 
u. W. niemals einen Einfluss auf das Masaivolk geübt haben, zwar die Mög- 
lichkeit einer Beeinflussung einzelner Individuen, die durch irgend welchen 
Zufall, z. B. im Krieg als Kriegsgefangene, vom Volk getrennt waren, in ge- 
dachter Richtung nicht aus. Dass diese dann zum Volk zurückgekehrt seien 
und dort von dem Erlauschten berichtet haben könnten, wäre ebenfalls denkbar. 
Wie dem aber auch sei, hätte denn überhaupt eine uns etwa unbekannt 
gebliebene Missionstätigkeit unter den Masai, oder der Umstand, dass einzelne 
von Missionaren unterrichtete Leute für die Weiterverbreitung des Gehörten 
unter ihren Volksgenossen Sorge getragen hätten, die Masai in den Besitz 
jener Erzählungen, wie ich sie bei ihnen fand, bringen können? Wäre es etwa 
möglich, dass israelitische, muhammedanische oder christliche Glaubenslehrer, die 
ja doch alle für jene Mythen keine ältere Uebcrliefcrung als die des Pentateuch 
haben, sie in der Form verbreiten .konnten, in der ich sie bei den Masai fand, 
in einer Form, die viel älter, ursprünglicher als die der Bibel ist und die noch 
manches zu berichten weiss, was zur Zeit der Abfassung der in Frage 
kommenden biblischen Schriften bereits vergessen oder was durch die Weiter- 
bitdung der Religion, wozu die Sesshaftwerdung der Israeliten einen machtvollen 



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— 294 — 

Anstoss gab, längst durch neues, dem neu errungenen Kulturzustand ent- 
sprechendes verdrängt und ersetzt war? Die Verschiedenheiten, welche die 
Mythen der Masai von den biblischen trennen, wird der nachfolgende Vergleich 
hervorheben und uns dadurch zeigen, dass die Masai zu jenen Erzählungen 
durch Vermittclung von Missionaren, die — ich wiederhole es — ja nur aus 
dem Pentateuch hätten schöpfen können, nicht gekommen sein können. 

Nun könnte man vielleicht einwerfen: ist es nicht möglich, dass Misstonare 
den Masai jene Urzeitberichte in der biblischen Fassung mitteilten, und dass 
sich die Masai dieselben dann ihrem Verständnis und Geistesleben entsprechend 
umformten? Darauf ist zu erwidern: wie will man es dann erklaren, dass die 
Masai gerade zu der Form gel^mmen seien, die, obwohl in der Bibel nicht 
mehr mit klaren Worten enthalten, so doch noch daraus zu erkennen ist? Ich 
denke dabei z. B. an den der Schöpfung vorausgegangenen Kampf Jahves mit 
dem Drachen, ferner an die Annahme nur eines verbotenen Baumes im 
Paradies, dann an den ersten Mord als Veranlassung zur Sintflut, an die aus 
verschiedenen Stellen der Masaitradition deutlich erkennbare Scheidung der im 
Pentateuch zusammengearbeiteten Quellenschriften und schliesslich an die vielen 
andern nachstehend hervorgehobenen Stellen. Sollten das. alles Zufalle sein? 
Handelte es sich nur um einen Punkt, so könnte man vielleicht aus Mangel an 
einer besseren Erklärung vorläufig die Annahme eines Zufalles gelten lassen. 
Nie und nimmer aber kann man das dann tun, wenn sich die Ueberein- 
stimmungen in solchem Masse häufen. Dies gilt auch in sprachlicher Beziehung, 
für die Lautähnlichkeit der Personennamen beider Mythenreihen und für die 
Bedeutung von Namen, wofür die Bibel keine Erklärung gibt und welche die 
Masaitradition in einem in der entsprechenden biblischen Erzählung enthaltenen 
Sinn deutet, wie z. B. die Namen Naraba und Eramram. 

Femer ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Urzeittradition, die ich bei 
den Masai fand, und wofür die Bibel Parallelstücke enthält, mit der Epoche der 
Gesetzgebung abschliesst. Diese Tatsache gibt einen weiteren wichtigen Beweis 
für die Unmöglichkeit, dass es fremde Glaubenslehrer gewesen sein könnten, 
die den Masai jene Mythen brachten. Wenn es auch an und für sich -denkbar 
ist, dass israelitische Glaubensboten einen besonderen Nachdruck auf jene Er- 
zählungen aus der Vorzeit gelegt hätten, so ist es doch höchst unwahrscheinlich, 
dass sie ihre Lehre lediglich darauf beschränkt und nicht auch von dem Wirken 
jahves in späterer Zeit geredet haben wurden. Christliche oder muhammedanische 
Missionare würden doch überhaupt nicht den fraglichen Stoff zum wichtigsten 
und einzigen Gegenstand ihrer Lehrtätigkeit machen, sondern diese zu einer 
Verbreitung der wesentlichen Lehren Christi bezw. Muhammeds gestalten. 

Es bleibt nur die dritte Möglichkeit, nämlich die, dass den Darstellungen 
der Masai, der Israeliten und der Babylonier*) eine gemeinsame Uranschauung zu 
I welche BevälkerungKst'hicbt Babyloniens es sich hier handelt, soll noch 



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— 295 — 

Grunde liegt, oder die vierte, wonach jene Mythen den Masai der Urzeit ent- 
stammen. Die Antwort auf diese Fragen werden wir im folgenden finden. 

Wenn wir nun berücksichtigen, dass, nachdem die Masai die Urheimat in 
Arabien verlassen hatten, in ihrem Rücken sich der Kulturstaat Aegypten mit 
seinem, wilden Nomaden fremden Geistesleben entwickelte und dadurch die 
Masai von weiteren Einflüssen aus Vorderasien abschnitt, so dürfen wir wohl 
annehmen, dass sie, denen durch Verharren in ihrer ursprünglichen Lebens- 
weise und Unabhängigkeit jede Ursache zur kulturlichen Fortentwicklung in 
neuer Richtung und zur Aufnahme fremder Ideen und Sitten fehlte, uns die 
Ethnographie jener gemeinsamen Urheimat am reinsten und ursprünglichsten 
erhalten konnten. 

Das Geistesleben der Israeliten und Babylonier wurde schon durch ihre 
Sesshaftwerdung aus der alten Bahn in eine neue geleitet. Der Nomade denkt 
und empfindet anders als der Landbauer, und dieser wieder steht dem geistigen 
Leben der Stadtebewohner fern. Einem ansässig werdenden Volk fuhrt nicht 
nur das von ihm verdrängte Volk, sondern auch die bereits ansässigen Nach- 
barn neue physische und — bei Naturvölkern nicht selten erst hierdurch — auch 
psychische Elemente zu; durch Reibung und Verschmelzung dieser entsteht 
der Fortschritt, aus dem sich dann das, was man gewöhnlich als Kultur be- 
zeichnet, entwickelt Auf der untersten Stufe dieses Werdeganges stehen von 
den drei uns hier interessierenden Völkern die Masai, auf der höchsten die 
Babylonier, und zwischen beiden Polen schwebt das Volk Israel, durch das Fest- 
halten des Monotheismus am Alten hängend und durch den, dank eines fünf- 
hundertjährigen Aufenthaltes in Aegypten und die darauf folgende Sesshaft- 
werdung entstandenen oder geförderten Drang nach Vorwärts zu Babel hinge- 
zogen, trotz des dort herrschenden und ihm widerstrebenden Polytheismus. Von 
dem Kampf und der Versöhnung beider Richtungen zeugen viele Stellen des 
Alten Testamentes; doch hat in idealen Dingen fast immer die ursprüngliche 
Auffassung die Führung behalten, während in praktischen, in Fragen des täg- 
lichen Lebens sich allmählich die durch die fortschreitende Kultur, also haupt- 
sächlich durch babylonischen Einfluss modifizierte Anschauung empor ringt und 
in den Vordergrund drängt') 

Bei dem nun folgenden Vergleich der einzelnen Mythen sollen neben der 
biblischen und der Masai-Fassung auch die in Babel gefundenen Gegenstücke 
bezw. das, was die Babel-Bibelforschung dafür hält, soweit es mir bekannt 
wurde, berücksichtigt werden. 

Die Weitschöpfung. 
Nach dem Mythus der Masai war die Erde im Uranfang eine öde, leere, 
dunkle Wüste, in der ein Drache hauste. Dieser, der nach den Märchen der 
Masai ein Menschen und Tiere verschlingendes Ungeheuer ist, stand der Be- 

') Am deutlichsten spiegelt sich <il?s naturgemüss im Geseti wieder. 



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— 296 — 

lebung der Erde mit Menschen und Tieren entgegen, weshalb ihn Gott vor 
Beginn setner Schöpfertätigkeit tötete. Das aus dem Kadaver des Ungeheuers 
fliessende Blut, das Wasser, befruchtete das bisher trockene, sterile Land. Dort, 
wo der Drache starb, entfaltete sich die erste und auch die üppigste Vegetation. 
Dann schuf Gott durch sein Schöpferwort Sonne, Mond, Sterne, l'flanzen und 
Tiere, und zuletzt liess er das erste Menschenpaar erstehe«; den Mann Maitumbe 
sandte er vom Himmel herab, das Weib 'Naiterogob entstieg auf sein Geheiss 
dem Schosse der Erde. 

Wenn auch der biblische Schöpfungsbericht als bekannt vorausgesetzt 
werden darf, so seien doch die für den Vei^leich wichtigsten Punkte hervor- 
gehoben. Die Bibel gibt über Schöpfung bezw. Uranfang drei Redaktionen. 
Die erste finden wir Gen. i, worin der 2. Vers zwei Anschauungen über den 
Urzustand enthält: >und die Erde war Wüste und Leere«,') und dann: »und 
Finsternis war über die Flut hin und der Geist Gottes brütend über den 
Wassern, c Ako einmal die wüste, leere Erde und dann die finstere ürflut. 
Letztere Vorstellung ist im folgenden Rest des ersten Kapitels beibehalten. 
Gott scheidet dann durch sein allmächtiges Wort das Liebt von der Finsternis; 
er trennt darauf die Urflut in die Wasser ober- und unterhalb des Himmels 
und lässt die letzteren sich sammeln, wodurch Festtand und Meer entstehen. 

In Gen. 2, V. 4 bis 6, tritt die erstere Auffassung wieder hervor, wonach 
die Erde im Anfang eine öde Wüste war, in der noch kein Strauch und kein 
Kraut des Feldes wuchs. Darauf schickte Gott den befruchtenden Regen und 
tränkte die ganze Oberfläche des Erdbodens. Hier fehlt also die Urflut gaiu. 

Eine dritte Auffassung findet sich verstreut an verschiedenen Stellen des 
Alten Testamentes, besonders im 74. und 89. Psalm, im 51. Kapitel Jesajas und 
im 26. und 40. des Buches Hiob. Sie wurde zuerst von Hommel gefunden und 
dann von Gunkel zu einer Schöpfungsdarstellung rekonstruiert. Danach zieht 
Gott Jahve in den Kampf gegen den Drachen Rahab oder Liwjatan und zer- 
schmettert seine Häupter, Dann trocknet er das Meer, die Wasser der grossen 
Tehom, aus und beginnt damit seine Schöpfertätigkeit. 

Im babylonischen Schöpfungsmythus*) finden wir im Anfang die Urflut, 
die bald als männliches, bald als weibliches Wesen personifiziert ist In letzterem 
Falle beisst sie Tiamat. Dann entstehen zunächst die Götter, unter denen Marduk 
der oberste ist. Die Tiamat ist mit den Göttern unzufrieden, erschafft sich 
Drachen zum Kampf gegen die Götterwelt und empört sich. Gott Marduk zichi 
gegen sie in den Kampf, tötet sie und macht aus ihrem in zwei Teile gespaltenen 
Leichnam die Wasser über und unter dem Himmel. Danach erschafft Marduk 
Sonne, Mond und Sterne, das Festland, die Pflanzen und Tiere und zuletzt 
den Menschen. 

') i)io IÜIh;! stellen sind nach dem Teit der revidierten Uebcrsetiung der Parallel -Bibel ([tgebeii- 
') NHrh Prof. Dr. Heinritli Zimmern, »Biblische und babylonische Unjcscliiclite. Der alte 
Orient II.. 



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— 297 — 

Bei allen drei Völkern Bnden wir im Anfang, vor Beginn der eigentlichen 
Schöpfung, den Kampf Gottes mit dem Drachen. Ueber den Urzustand fanden 
wir zwei Auffassungen: die öde, sterile Wüste bei den Masai und in Gen. i 
und 2, die Urflut in Gen. i, den andern biblischen Stellen und in Babylon. 

Dass die Urflutsage besonders für Babylon passt, weist Jensen in seiner 
Kosmologie der Babylonier nach. Ihre Ausbildung zu der babylonischen Form *) 
setzt ein Alluvialland wie Babylonien voraus und einen besonderen FrUhltngs- 
sonnen-Gott — Marduk — , der in jedem Jahr wieder, wie im Anfang, die 
Wasser des Winterregens besiegt. Für die Annahme, dass die Urfluts^e nicht 
in Israel entstanden ist, brauchen wir nun jenen Nachweis kaum, denn wie 
sollte ein in trockenen Steppen wohnendes Nomadenvolk zu dieser Anschauung 
kommen? Drängt nicht vielmehr der tagliche Anblick von sandigen und 
steinigen, jedes Pflanzenwuchses und Tierlebens baren Strecken dem Steppen- 
bewohner die Vorstellung auf, dass so alles Land vor dem Erscheinen des be- 
fruchtenden Wassers gewesen sein mag? Die trockene, steinige Wüste, in der 
weder Menschen noch Tiere und Pflanzen leben konnten, das ist für ihn der 
Urzustand der Erde. So ist es bei den Masai, und so war es bei den Israeliten 
(Gen. I und 2). 

Dass der Kampf Gottes mit dem Drachen in der Bibel immer in Ver- 
bindung mit der Flutsage vorkommt, kann kein Beweis dafiir sein, dass der 
Drachenkampf aus Babel stamme, sondern besagt zunächst nur, dass er durch 
die babylonische Anschauung in jene Verbindung gebracht sein mag. Dass die 
Vorstellung von Ungeheuern in den Ideenkreis kulturarmer Völker hineinpasst, 
sehen wir wieder bei den Masai mit ihren zahlreichen Drachenmärchen.*) 

Im weiteren Vei^leich der drei Darstellungen finden wir in der Hauptsache 
äusserlich eine fast vollst^dige Uebereinstimmung, *) nur mit dem Unterschied, 
dass die Annahme des Urmeeres die spätere Erschaffung des Festlandes nötig 
macht. Innerlich aber stehen die biblische und die Masai-Darstellung durch 
ihre streng monotheistische Auffassung eng zusammen und daher in schroffem 
Gegensatz zu der polytheistischen Erzählung der Babylonier. 

'; Der UrsprunR der Urfluls.ißc liegt aber iivcücllos viel weiter lurück, denn ich fand z. B. 
einen Anklang <l3ran hei den Irakulcuten. einem dem Sonnenkult huldii;cndcn Mischvolk von Net^ern 
□ad einem als poliliscbe Gemeinscliafl ausgestorbenen Semilenvolk. 

*) Im BabyloniscUen heiäst der Urdracbc Tiamat, im HcbrÜiscUen Teliom und in der Masai- 
npracbc en diamassi oder en tiamaüsi; wir liaben also Bberall ilassclbc Won, das auch in allen drei 
Sjirachen vciblicben Gcsehleclits ist. Nun ist das Wort der Masai nii-lit Eigenname, sondern 
GaltunKsbiaeichnunK; sie etziUlLen in ihren Drachen märchen nicht ron einem bestimmten, sondern 
von irgend einem Un^heuer. Sie bezeichnen femer eine Missgeburt und, weil man vor der Geburt 
nicht wissen kann, ob ein normales oder Inissgeslaltetes Kind zur Welt kommen wird, auch den 
Foetus mit dem gleichen Wort. Sollten nicht auch liellciclit die Worte Tinnial und Tehom ur- 
aprünglich die Galtung Dracbe oder Ungeheuer bezeichnet haben un<I erst sekundär zu Eigennamen 
(ör den L'rdrachen bezw. das personifizierte Urmecr geworden seiti? 

*) Auf die Zeitilaucr iler Schöpfungsarbeit wird man, <ln sie eine spätere Zutat ist, hier keinen 
besonderen Werl legen können. 



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— 298 — 

Zusammenfassend komme ich zu dem Schluss, dass der in Israel ursprüng- 
liche Mythus über die Schöpfung dem der Masai in allen wesentlichen Punkten, 
wenn nicht gar wörtlich, glich. Von Babel könnte in die Bibel nu^ die Vor- 
stellung des Urmeers hineingetragen worden sein, doch ist es nicht nötig, dies 
anzunehmen, da es die Israeliten wohl ebensogut schon früher von einem andern 
Semitenvolk, welches dem Sonnenkult huldigte, entlehnt haben können. 

Die Erschaffung der ersten Menschen. 

Die Masai erzählen, dass der erste Mann, Maitumbe, von Gott vom 
Himmel herabgesandt wurde und auf dem Erdboden das auf Gottes Gehdss 
eben dem Schoss der Erde entstiegene Weib 'Naiterogob traf. 

Die Darstellung des Jahvisten ') in Gen. 2, 7, darf ich als bekannt vor- 
aussetzen. 

Die Legende der Babylonier berichtet, wie Marduk befiehlt, dass einem 
der Götter das Haupt abgeschlagen werde, damit er aus der mit Götterblut 
vermischten Erde die Menschen formen könne. 

Die Anschauung der Masai steht hier der Israels und Babels gegenüber. 
Nach den vielen Uebereinstimmungen, die wir zwischen den Mythen der Masai 
und denjenigen der Bibel finden, werden wir an und fiir sich schon eine spätere 
Beeinflussung Israels vermuten dürfen. Die Vorstellung des aus Lehm die 
menschlichen Figuren formenden Gottes scheint aus dem Ideenkreis eines wilden 
Nomadenvolkes nicht hervorgegangen zu sein, weshalb auch die Möglichkeit, 
dass die Masai ursprüngUch eine der biblischen und babylonischen Anschauung 
ähnliche Mythe gehabt hätten, wohl nicht in Frage kommen kann. Ein solches 
Volk lebt von den Erträgnissen der Herden, d. h. von Milch und Fleisch. 
Erstere wird entweder frisch genossen oder man lasst sie in Holzschalen oder 
andern einfach und sctinell überall herzustellenden Geiassen, wie Ledersäckeo 
oder Kürbtsflaschen, die auch zugleich als Melkgefässe dienen, sauer werden. 
Das Fleisch wird am offenen Feuer geröstet. Eine zwingende Notwendigkeit 
zur Herstellung von Töpfen aus Ton, wie sie der Ackerbauer braucht, um die 
vegetabilen Lebensmittel, z. B. die harten Körner von Bohnen, Mais und den 
verschiedenen Getreidearten, erst geniessbar zu machen, besteht für den Nomaden 
nicht. Zudem sind ihm auch die schweren und leicht zerbrechlichen Tontöpfe 
auf den Wanderungen von Weideplatz zu Weideplatz ein lästiger Ballast Aber 
auch der Umstand, dass er auf seinen Kriegszügen gegen ackerbautreibende 
Stämme die Töpfe und vielleicht auch ihre Herstellungsweise kennen lernt, kann 
ihn nicht auf den Gedanken bringen, dass in ähnlicher Weise einst von der 
Hand des Schöpfers die ersten Menschen gebildet sein könnten. Ich meine, 
eine solche Vorstellung kann bei einem wilden Volk erst entstehen, wenn es 
bei einem andern — vielleicht höher stehenden — die aus Ton geformten 

') Die Bibclforsrhung' imlei^cheidct vier Qnelleaschrlften, welche dem Pentatench lu Gnmdc 
liegen, n.lmllch; Jahvist, EloMsI, Dcuteronomiker udcI die Prieiterschrift. 



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— 299 — 

Göttert>tlder in der Gestalt von Menschen sieht. Dies dürften nun die Masai 
und Israeliten schon sehr früh gesehen haben, denn das Bestehen des ausdrück- 
lichen göttlichen Befehls an beide Völker, sich kein Abbild Gottes zu machen, 
beweist, dass die Neigung dazu einmal bestanden haben muas — ob bei ihnen 
oder bei Nachbarn, ist hier gleichgültig — , und zwar bereits zu einer Zeit, ehe 
die Masai die gemeinsame arabische Urheimat verliessen. Die Masat erzählen 
s<^ar aus der Urzeit von einem ansässigen Volk, den El merro, die im Lande 
Lariawohnten und deren Häupding Mombarisiet hiess, dass es sich aus Erde 
Figuren in Form von Menschen und Ziegen machte, diese seine Götter nannte 
und sie anbetete. So kann die biblische Mythe schon sehr viel früher entstanden 
sein, als zu der Zeit, während welcher Babel Israel beeinflussen konnte. Gegen 
eine Entstehung aus Babel spricht ferner der tiefmnere Unterschied in der Auf- 
fassung und dann auch der Umstand, dass die Bibel nichts von älteren Vor- 
stellungen enthält, was man — z. B. nach Analogie der Weltschöpfungsberichte 
— wohl erwarten dürfte, wenn die Aufnahme jenes Bildes erst durch Babel 
veranlasst wäre. 

Es erscheint mir daher wahrscheinlicher, dass sich die biblische und die 
babylonische Darstellung von einem gemeinsamen Ausgangspunkt, jede für sich 
selbständig, entwickelte. 

Paradies und SündenfalK 

Nach der Erzählung der Masai entstand dort, wo aus dem Kadaver des 
getöteten Drachen sich dessen Blut über die Erde ergoss und die bis dahin 
sterile Wüste befruchtete, das Paradies, ein Fleckchen Erde mit der wunderbar 
üppigsten Vegeution. Inmitten der mit den köstlichsten Früchten behangenen 
Bäume stand einer, dessen Früchte Gott den Menschen zu essen verboten hatte. 
Da nahte sich eines Tages die Schlange als Verführerin dem Weib und über- 
redete es, von den verbotenen Früchten zu essen, deren Genuss den Menschen 
Gott gleich machen würde. Das Weib ass und gab auch dem Mann davon. 
Nachdem beide gegessen hatten, schämten sie sich ihres Ungehorsams und ver- 
steckten sich vor Gott, als dieser wieder — wie oft — zu ihnen in das Paradies 
kam. Als sie ihm auf Befragen ihre Schuld gestanden hatten, wies er sie aus 
dem Paradies und stellte den Morgenstern als Wächter davor. 

Ob wir eine auf den Sündenfall bezügliche Darstellung aus dem Baby- 
lonischen in dem t)ekannten Bild auf einem im Britischen Museum befindlichen 
Siegelzylinder zu sehen haben, muss noch unentschieden bleiben. In der Mitte 
steht ein mit zwei Früchten behangener tannenartiger Baum, in dem Professor 
Hommel') die heilige Zeder von Eridu mit ihren die Lebens- und Zeugungs- 
kraft fördernden Früchten erkennt. Rechts und links davon sitzt je eine mit 
langen Gewändern bekleidete Gestalt auf einer Art Thron- Die rechte trägt 
als Kopfputz zwei Hörner und wird dadurch als Gott oder wenigstens halbgött- 

*) Prof. Dr. Fr. Hommel, iDic altorientallschen Denkmäler und das Alte Testament i. 



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— 3°° — 

liebes Wesen bezeichnet; die linke Person wird meist als eine Frau gedeutet. 
Hinter ihr steht aufgerichtet eine Schlange. Beide Gestalten strecken je eine 
Hand nach einer der Fruchte. Vielleicht ist die Jensensche Deutung,'] wonach 
zwei Götter von den Früchten des Lebensbaumes essen, dessen Hüterin die 
Schlange ist, die richtige, wenn auch anderseits die Möglichkeit, dass der 
Hömerkopfputz des Mannes auf seinen göttlichen, das Fehlen dieses Schmuckes 
beim Weib auf ihren irdischen Ursprung, entsprechend dem Mythus der Masai 
über die Herkunft der ersten Menschen, hindeuten soll, nicht von der Hand zu 
weisen ist. 

Aus dem babylonischen Schrifttum ist noch eine Erzählung erhalten, die 
man in Verbindung mit dem biblischen Sündenfall gebracht hat. Ich meine den 
Adapa-Mythus, in dem erzählt wird, wie der vom Himmelsgott Anu vor den 
Thron gerufene Adapa, der Sohn des Meer^octes Ea, die Lebensspeise und das 
Lebenswasser, das ihm Anu anbietet, ausschl^, weil er der Warnung Eas 
gemäss glaubt, es sei Todesspeise und Todeswasser. Selbst wenn man annehmen 
durfte, dass Adapa der erste Mensch sei, so wäre doch das ganze Bild so grund- 
verschieden von dem Kern der biblischen Erzählung, dass es für diese gar nicht 
in Betracht kommen kann. 

Die biblische Darstellung in Genesis 2 und 3, die im allgemeinen als 
bekannt vorausgesetzt werden darf, zeigt unverkennbare Spuren einer späteren 
Umarbeitung, und zwar zu einer Zeit, als die Israeliten bereits äe& Zustand 
wilden, kulturarmen Nomadentums verlassen hatten und in Kanaan ansässig 
geworden waren. Dies sehen wir z. B. in der geographischen Bestimmung und 
der Benennung der Flüsse (2, 11 — 14) und in der ausdrücklichen Erwähnung 
des Vorkommens guten Goldes im Lande Chavila (2,12). Aber auch abgesehen 
von diesen mehr nebensächlichen Bemerkungen zeigt die Schilderung in ihren 
Hauptpunkten eine spätere AufTassung. Hierzu rechne ich die Unterscheidung: 
ein Baum des Lebens und ein Baum der Erkenntnis von Gut und Böse (2,9), 
die sich später nur noch einmal in dem polytheistisch klingenden 22. Vers des 
dritten Kapitels findet, wonach Jahve sprach: »Siehe der Mensch ist geworden 
wie einer von uns« usw., wogegen das Verbot Gottes (2,17), das Zwiegespräch 
zwischen der Heva und der Schlange (3, l — 6) und die Worte Gottes, als er 
die Menschen nach der Tat trifft und straft (3,11), also gerade die den Kern 
der ganzen Darstellung bildenden Punkte, nur einen Baum, den Baum der 
Erkenntnis, erwähnen. Eine andere Auffassung, die einem Naturvolk fremd 
sein muss, liegt sowohl darin, dass sich die Menschen nach Uebertretung des 
göttlichen Gebotes ihrer Nacktheit schämen (3,7), als auch in dem Hinweis auf 
das Schmerzbringende in der dem Weib von der Natur zugewiesenen Aufgabe 
{3.16); und eine Vorstellung, die dem Gedankenkreis eines von dem Ertrag 

■) Piof. P. Jensen, »CbristUdie Weite, Sp. 4ES: uDürlte man in den beiden Gestallen iwci Gßner 
■eben, die beim Lebensbaum wohnen, und in iler Schlange dessen Hüterin, so giDge alle« ohne 
Rest aul.« 



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— 301 — 

seiner Viehherden lebenden Nomadenvolkes nicht entsprungen sein kann, zeigt 
die Verfluchung des Erdbodens, die Verurteilung der Menschheit zum mühe- 
vollen Ackerbau und zur Nahrung vom Kraut des Feldes {3, 17 — 18). 

Scheidet man diese Punkte aus, so gestaltet sich die Urform der biblischen 
Darstellung etwa folgendermassen: 

In der Mitte des Paradieses stand ein Baum, von dessen Früchten Gott 
den Menschen zu essen verboten hatte. Da nahte sich die Schlange dem 
Weib, erzählte ihm, dass der Genuss jener Früchte die Menschen Gott gleich 
machen würde und üt)erredete es, das Verbot Gottes zu übertreten. Nachdem 
das Weib von den Früchten gegessen hatte, gab es auch dem Mann davon zu 
essen. Als die Menschen darauf Gottes Stimme im Garten hörten, kam ihnen 
ihr Unrecht gegen den gutigen, sorgenden Gott zum Bewusstsein, sie schämten 
sich ihres Ungehorsams und versteckten sich, vielleicht aus Furcht vor der zu 
erwartenden Strafe. Gott rief sie aus ihrem Versteck hervor und fragte sie 
nach dem Grund ihres ungewohnten Gebarens. Sie gestanden ihre Schuld und 
wurden für ihren Ungehorsam von Gott aus dem Paradies, aus der Nähe Gottes 
und aus dem Bereich seiner täglichen väterlichen Fürsorge gewiesen. Als sie 
es verlassen hatten, stellte Gott als Wächter Kerube davor. 

Wenn wir nun weiter berücksichtigen, dass das aus dem Leichnam des 
getöteten Drachen fliessende Blut das Urbild des Stromes ist, der von Eden 
ausgeht, den Garten zu bewässern (2, 10), so zeigt ein Vergleich der eben 
gewonnenen Darstellung mit der, von welcher die Tradition der Masai berichtet 
eine vollkommene Uebereinstimmung. 

Da diese rekonstruierte Darstellung nur einen Baum kennt, von dessen 
Fruchten zu essen Gott den Menschen verbot, so entsteht die Frage, welcher 
von beiden Bäumen dieser eine war. 

Bei den Masai und den alten Israeliten besteht das ganze Gesetz, die 
natürliche und sittliche Ordnung aus Geboten und Verboten Gottes. Das Gute 
befiehlt er den Menschen zu tun, das Böse verbietet er ihnen. Er ist der Lehr- 
meister der Menschen in der Unterscheidung von gut und böse, so dass diese 
Unterscheidungsfahigkeit eine seiner vornehmsten Eigenschaften schon in der 
religiösen Anschauung eines Naturvolkes ist. 

Die Vorstellung von dem Baum des Lebens setzt das Verlangen nach 
einer andern, Gott innewohnenden Eigenschaft, nach dem ewigen, durch keinen 
Tod begrenzten Leben voraus. Liegt ein solches Verlangen nun aber in dem 
Sehnen und Empfinden eines wilden, kulturarmen Menschen ? Die ausser- 
ordentliche Geringschätzung des Menschenlebens, das Fehlen einer über die 
übliche Bestattungszeremonie hinausgebenden Trauer, die Vorstellung, dass der 
Tod den Bejahrten zum Schlaf, zum Ausruhen vom irdischen Leben bringt, 
lassen die Frage verneinen. Das Verlangen nach einem langen Leben ist die 
Folge einer höheren Kultur, und ein ewiges Leben auf der Erde wünscht sich 
wohl der Kulturmensch, nicht aber der Angehörige eines Naturvolkes. 



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— 302 — 

Ich vermute daher, dass die israelitische Urvorstellung vom Paradies nur 
einen Baum ohne nähere Bezeichnung kannte, >den Baum, in BetrefT dessen ich 
dir gebot, nicht davon zu essenc, wie Jahve in Genesis 3,11 ihn bezeichnet 
Die Aufnahme des Baumes des Lebens, der einem babylonischen Mythus ent- 
stammen dürfte, gab dem ursprünglichen einen Baum dann den Zusatz »der 
Erkenntnis von gut und böse.* 

In der bibUscben Darstellung und in der der Masai finden wir das Bild 
der Verftihrui^ des Weibes durch die Schlange, die sich dadurch als Sinnbild 
des Bösen, der Sünde darstellt. Für die Masai findet sich diese Auf&ssung 
noch in einigen ihrer Sitten. Wir sahen, dass die Angehörigen des friedfertigen 
und deshalb von Gott besonders geliebten Gescbleclita der El ldb»niB die 
Schlangen nicht furchten^ and weiter, dass sie glauben, die Gebeine ihrer 
begrabenen Toten verwandeln sich in Schlangen. Davon ausgehend, dass die 
Erzählung des Sündenfalls das Primäre ist, zeigt der erstere Glaube in der 
naiven Form der Naturvölker, dass die nach Gottes Geboten Lebenden und von 
seiner Gnade Beschienenen die Gewalt, die das Böse über den Menschen hat, 
nicht zu furchten brauchen, während die zweite Anschauung dartut, dass das 
Sündige des Menschen auch nach seinem Tode auf der Erde bleibt und fort- 
lebt. Es erscheint aber auch nicht unmöglich, dass sich das Bild des Sünden- 
falls erst aus diesen Anschauungen entwickelte. Noch in einem andern Punkt 
finden wir bei den Masai den Glauben an äae, der Schlange innewohnende, 
geheinmisvolle Zerstörungsmacht. Ich meine den Brauch, nach welchem die 
Krieger dem Feind im Kampf eine ßeinschelle entgegen schleudern, welche mit 
einem Gemisch gefüllt ist, dessen quantitativ grösster und wirkungsvollster 
Bestandteil der ganze oder teilweise Inhalt eines Schlangeneis ist. 

Die Sintflut. 
Nach dem Mythus der Masai beschloss Gott die furchtbare Strafe der 
Sintflut, als die Schlechtigkeit der Menschen durch Begehung des ersten Mordes 
ihren Höhepunkt erreicht hatte. Auf der Erde lebte damals ein guter frommer 
Mann, Namens TumbaiAot. Diesen wollte Gott mit seiner Familie retten, um 
den guten Zweig des Menschengeschlechts auf der Erde zu erhalten. Er befahl 
ihm daher, einen Holzkasten zu bauen und mit seinen Angehörigen sowie einigen 
Tieren aller Art hineinzugehen. Sobald alle und alles in der Arche verstaut 
waren, begann die Regenflut. Nach einiger Zeit, als die Wasser alle lebenden 
Wesen ausserhalb des Kastens vernichtet hatten, liess Gott die Erde allmählich 
trocken werden. Da mittlerweile in der Arche die Lebensmittel knapp ge- 
worden waren, wollte sich TumbaiAot über den Stand der Flut unterrichten 
und sandte erst eine Taube aus, die ihm am Abend bei ihrer Rückkehr zur 
Arche durch ihre Müdigkeit zeigte, dass sie keinen Ruheplatz gefunden hatte, 
das Wasser mithin noch hoch sein müsse. Darauf sandte er nach einigen 
Tagen einen Aasgeier, dem er einen Pfeil an eine Schwanzfeder angebunden 



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— 303 — 

hatte. Als dieser Vogel abends zurück kam, fehlten ihm Pfeil und Schwanz- 
feder. Beide konnten nur dadurch verloren sein, dass der Pfeil, nachdem sich 
der Geier niedergesetzt hatte, mit seinen Widerhaken festgehakt war. Als sich 
die Wasser verlaufen hatten, landete die Arche in der Steppe, wo ihr Menschen 
und Tiere entstiegen. Als Tumbaifiot heraustrat, gewahrte er vier Regenbogen, 
einen in jeder Himmelsrichtung, als Zeichen, dass Gottes Zorn gewichen war. 
Von den sechs Söhnen TumbaiAots begründen die drei der Hauptfrau die drei 
Stämme, die drei der andern Frau die drei Geschlecht^ruppen. Die biblische 
Darstellung in Gen. 6 bis 9 setze ich als bekannt voraus. 

Der babylonische, keilschriftliche Sintflutbericht, der aus der Tontafel- 
bibliothek des Assyrer - Königs Assurbanipal — des Sardanapal der Bibel — 
in Ninive stammt'} und bei den englischen Au^frabungen im Jahre 1873 ge- 
funden wurde, lautet folgendermassen "} : 

Die Götter, unter ihnen insbesondere Bei, beschliessen. Über die 
Menschen wegen ihrer Sünden ein Strafgericht zu verhängen, das in 
der Vernichtung der Menschen durch eine grosse Flut bestehen sollte. 
Einer aber unter den Göttern, Ea, ersieht einen unter den Menschen 
aus, Atrachasis, der »sehr Weise«, aus der Stadt Schurippak, um ihn 
zu retten. Er lässt ihn durch einen Traum den Ratschluss der Götter 
erkennen, befiehlt ihm, zu seiner Rettung ein Schiff zu bauen und 
lebende Wesen aller Art mit hineinzunehmen: 

Du Mann aus Schurippak, baue cla Schiff, 
Verla» deinen Besitz, denk an das Leben! 
Lass die llabi^ zutUck, und rette das Leben! 
Brinj; Lebenasamen aller Art auf daa SchiS! 
Daa Schifi, das du jelit bauen soUit. 
Wohlberechnet seien qeine Mafse. 

Atrachasis befolgt diesen Befehl Eas, baut das Schiff nach den 
vorgeschriebenen Massen, versiebt es mit zahlreichen Zellen, verpicht 
es mit Erdpech und bringt auf dasselbe seine Familie und Verwandt- 
schaft, ferner zahme und wilde Tiere aller Art. Kurz vor Beginn der 
Flut, deren Anfang ihm durch ein besonderes, göttliches Zeichen mit- 
geteilt wird, tritt er selbst in das Schiff ein und verschliesst das Tor, 
während der Steuermann die Lenkung des Schiffes übernimmt. Darauf 
bricht die Sintflut herein, die als eine Entfesselung aller elementaren 
Mächte, vor allem als eine gewaltige Sturmflut, verbunden mit dichter 
Finsternis, geschildert wird. Das ganze Land wird infolge der immer 
höher steigenden Wasser zum Meere, in dem die Menschen als Leichen 
umherschwtmmen. Sechs Tage und Nächte wütet die Flut. Am 

') Dieser Bericht stammt aus der Zelt um 650 t. Chr.; doch sind FragmeDte einer — wie ea 
scheint — gleichlautenden Iiucbrift, die aus dem 3. Jahrtausend stammen dUrile, j^efundeit. 

■) Wörllleh nach Prot Dr. H. Zimmern, »Biblische und bab)-lotii»che Urgeschichte; der alte 
Orient 1L( 



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— 304 — 

siebenten Tage tritt Ruhe ein und hört die Flut auf. Atrachasis Öffnet 
das Luftloch und sieht das angerichtete Verderben: 
Er kniet oiedcr, sitzt weinend da. 
Uebcr seine Wangen flieMen die TrSnen. 
Da taucht Land auf; das SchttT treibt demselben zu und wird an 
einem Berge Nissir festgehalten. Sechs Tage lang hält der Berg Nissir 
das Schiff fest. Als der siebente Tag herankam, so erzahlt Atrachasis weiter: 
Da llesB ich eine Taube hinaus und lieiB sie los, 

Es flog die Taul» hin und tier. 

Da aber keiD Ruheplatz da war. kehrte sie wieder lurück. 

Ua liesa ich einr' Schwalbe hinaus und iiesi sie los. 

Es flog die Schwalbe hin und her. 

Da aber kein Ruheplatz da war, kehrte sie wieder lurllck. 

Da liess ich einen Raben hinaus und liesi ihn loa. 

Es flog der Rabe, sah das Wasser abnehmen, 

Frass und krächzte, kehrte aber nicht zurück. 

Da lässt Atrachasis alles, was sich in dem Schiff befindet, hinaus, 
und bringt ein Opfer dar, dessen süssen Geruch die Götter woh^efallig 
einatmen. Bei, der Hauptvcranstalter der Sintflut, ist zuerst erzürnt, 
da er den Atrachasis' und die Seinigen gerettet sieht Aber .auf Vor- 
stellungen Eas hin, der ihm rät, nicht wieder durch eine Sintflut und 
einen damit verbundenen allgemeinen Untergang die Sünden der 
Menschen zu bestrafen, sondern statt dessen Hungersnot, ' Pest und 
wilde Tiere als Züchtigungsmittel über die Frevler zu bringen, wird 
Bei Schliesslich mit der Rettung des Atrachasis ausgesöhnt; ja er ver- 
leiht sogar diesem und seinem Weibe göttliche Natur und entrückt sie 
in die Feme, an die Mündung der Ströme, zu einem Leben der Un- 
sterblichen, 
Bei einem Vergleich der drei Schilderungen finden wir zunächst einen Unter- 
schied in dem Motiv, welches die Veranlassung für das Strafgericht war. Bei den 
Masai ist es der erste von den Menschen begangene Mord, während die Bibel und 
die babyionische Erzählung allgemein die Schlechtigkeit und Sündhaftigkeit 
der Menschen als Grund nennen. Für die Bibel trifft dies indes meines Er- 
achtens nur scheinbar zu. Hier liegen der Darstellung zwei Quellen, die Priester- 
schrift und der Jahvist zu Grunde. Gen. 6 beginnt mit der Jahve-Quelle, die 
in den ersten Versen erzählt, dass sich die Söhne Gottes mit den Töchtern der 
Menschen vermischten, und dann in den Versen 5 bis 8 den Grund fiir das 
Strafgericht gibt: »Und Jahve sah, dass gross war die Bosheit des Menschen 
auf der Erde und alles Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse den 
ganzen Tag<, und weiter den Entschluss Gottes: »Und Jahve sprach: ich werde 
den Menschen, welchen ich geschaffen habe, vertilgen von der Oberfläche des 
Erdbodens.» Im weiteren Verlauf der Erzählung wechseln beide Quellen mehr- 
fach. Der Schluss stammt aus der Priesterschrift, und da verbietet Gott 
(Gen. 9, 6) den Menschen ausdrücklich und ausführlich den Mord und setzt die 



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- 305 — 

Todesstrafe darauf: »Wer Blut des Menschen vergiesst, durch den Menschen 
soll sein Blut vergossen werden. < Diese Vermahnung und Androhung passt 
nun aber so recht an diese Stelle des biblischen Berichts erst dann, wenn ein 
Mord die Veranlassung zur Sintflut bildete- Ich folgere daraus, dass die Priester- 
schrift als Grund fiir das Strafgericht in dem in der Bibel nicht vorhandenen 
Anfang ihrer Sintflutschilderung einen Mord angab, und zwar den ersten von 
einem Menschen begangenen. Daraus würde sich auch die Schwere der Strafe 
erklären, die bei der Ermordung Habeis so gering ist und nicht in Ueberein- 
stimmung steht mit der Drohung Gottes in Gen. 9, 6. Wenn aber die Priester- 
schrift den ersten Mord zur Sintflut setzte, so kann sie ihn nicht auch dem 
Kain zuschreiben, und tatsächUch gehört dieses Stück dem Jahvisten an. Dass 
dieser nun als Grund für die Sintflut an Stelle des ersten Mordes die allge- 
meine Verderbnis nannte, ■ erklärt ausser dem Umstand, dass er jenes Ver- 
brechen bereits dem Kain zugeschrieben hatte, auch die tiefste moralische 
Verkommenheit des Volkes Israel zu der Zeit, während welcher er schrieb. 

Allen drei Darstellungen ist gemeinsam der göttliche Befehl an den Heros, 
zu seiner und seiner Familie Rettung und zur Neubelebung der Erde mit 
Menschen und Tieren die Arche zu bauen. Die biblische und die Masai-Dar- 
stellung berühren sich, wie überall, besonders eng durch ihre monotheistische 
Auffassung, und stehen darin in krassem Gegensatz zu dem Inhalt der baby- 
tonischen Tontafeln. Weiter ist gemeinsam die Vogelaussendung und die Art 
der Vögel: zuerst solche, die auf der Erde ihr Futter finden, und danach die 
Aasfresser. Dass die Bibel und Babel als solchen den Raben kennen und die 
Masai dafür den Aasgeier haben, erklärt sich aus den örtlichen Verhältnissen: 
dort angebautes Kulturland, hier Steppe. Auch die Wahl der Schwalbe der 
babylonischen Darstellung hat darin ihren Grund. Die Vorliebe der Bibel für 
die Taube mag sich daraus erklären, dass dieser Vogel ein Opfertier war. Da- 
durch, dass die Taube einen Oelzweig mit heimbringt, wird es wohl sicher, 
dass ihre zweite Aussendung in der Erzählung erat entstand, nachdem die 
Israeliten ansässig geworden waren. Ebenso sind Einteilung (Zellen), Masse 
und Bauart (Erdpech) der Arche, wie sie die biblische und babylonische Dar- 
stellung geben, spätere, wohl aus Babel in die Bibel getragene Zusätze. Der 
Unterschied in der Oertlichkeit, wo die Arche landet: bei den Israeliten und 
in Babel der Berg, bei den Masai die flache Steppe, wird durch die Ver- 
schiedenheit der Wohnplätze bedingt. Die israelitische Anschauung ist aber 
wohl auch hier und damit vielleicht in dem Mythus, der Noah zum Begründer 
des Weinbaues macht, von Babylon becinflusst. 

Als der Sintflutheld aus der Arche tritt, sieht er nach dem Bericht der 
Masai und Israeliten den Regenbogen, der auch in beiden Fällen als ein Zeichen 
Gottes gilt, dass sein Zorn vorüber ist. Was die Bibel mit frommen Worten 
sagt, drückt der wilde Masai naiver aus, indem er vier Regenbogen statt eines 
annimmt und dadurch schon die Erscheinung ausdrücklich als etwas Ueber- 



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— 30Ö — 

natürliches, als ein Zeichen Gottes kennzeichnet. Das Dankopfer fehlt bei den 
Masai, während wir es in der biblischen und babylonischen Mythe linden, und 
mag daher von Babel zu den Israeliten gekommen sein, wie ja überhaupt die 
Ausbildung ihrer Kultusformen von dort stark beeinflusst wurde. Eine weitere 
Ucbereinstimmung zwischen dem biblischen und dem Masai-Mythus besteht in 
der Herleitung dreier Stämme von den Söhnen des Sintfluthelden, 

Die Keniter der Bibel. — Die Schmiede der Masai. 

Die Bibel nennt als ersten Schmied den Tubal-Kain, den Sohn Lamechs 
von seiner zweiten Frau, der Zilla (Gen. 4, 22). Der Name besteht aus zwei 
Worten, von denen zuerst das letztere betrachtet werden soll. Kain wird an 
zwei Stellen der jahvistischen Quelle genannt: zuerst Gen. 4, 2 als ältester 
Sohn Adams und als erster Ackerbauer und dann in demselben Kapitel Vers 17 
in dem Verzeichnis der Urväter. In Gen. 5 bringt die Priesterschrift die Tafel 
der Urväter und nennt den Kain darin Kenan (Vers 9), d. h. Schmied. Kenan 
ist nun dasselbe Wort wie ol kononi (P. el konono) der Masai oder Kinangod- 
schant (P. kinaAodiga] der Tatoga, bei welch beiden es auch Schmied bedeutet. 
Den andern Teil des Namens, Tubal, finden wir bei den Somal in tumil, bei 
den Abyssiniern in dubalanza, bei den Galla in tumtu, überall in der Bedeutung 
»Schmied«. 

Nach Gen. 4 war Kain ein Ackerbauer und wurde ebenso wie der erste 
Schmied bei den Masai, der auch Ackerbauer gewesen war, von seinem Volke 
getrennt. Der Masai verachtet den Ackerbauer so tief, dass es seiner Denkungsart 
vollkommen entspricht, wenn Gott auf Kain und seine Opfergabe von den Früchten 
des Erdbodens nicht schaut, auch wenn Kain sonst ein braver Mensch und nicht 
— wie die Jahve- Schrift in Gen. 4 berichtet — der erste Mörder gewesen wäre. 

Die Nachkommen Kains nennt der Jahvist Keniter (4, Moses 24, 2i, 22). 
Wie tief die Keniter in der Wertschätzung Israels stehen, ersehen wir aus drei 
Stellen der Bibel. In Gen. 4, ! i erzählt der Jahvist, dass der Fluch Gottes 
auf ihnen ruht, indem er schildert, wie Gott den Kain verflucht In Gen. 15, 19 
^Jahvist) werden die Keniter an der Spitze der Stämme genannt, welche von 
Israel vernichtet werden sollen, und im 4. Moses 24, 25 (Jahvist) singt Bileam: 
»aber doch muss Kain vertilgt werden». Also überall Hass und Verachtung 
gegen die Keniter, genau dieselben Empfindungen, welche die Masai gegen die 
Schmiede hegen, gleichgültig, ob diese das Handwerk ausüben oder nicht und 
nur Nachkommen von Schmieden sind. Den Ursemiten galten die Schmiede, 
weil sie durch Anfertigung von Messern und Waffen zur Uebertretung des — 
auch in Israel bestehenden — göttlichen Befehls, welcher das Blutvergiesi^en 
verbietet, verleiten, als von Gott nicht geliebt, sondern verdammt, und daher 
ihnen als verachtungswürdig, unglückbringend und unrein']. 

*) Efnirn Bi^ireU für ilaa hohe Aller dieser Anschauung sehe ich in dem Im achten Gebot der 
Masai erwähnten Gebraucli des Rohisplitters ; verKl. weiter unten. 



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— 307 — 

Ich vermute hiernach, dass die biblischen Keniter nicht als ein besonderer 
Volksstamm angesehen werden können, sondern dass sie vielmehr die Nach- 
kommen ^er Schmiede aus der Zeit sind, als die Israeliten noch unkultivierte 
Nomaden waren, und dass damals die Schmiede in Israel dieselbe tiefe soziale 
Stellung hatten wie heute bei den Masai und den oben genannten, wie auch 
noch andern Semitenvölkern. 

Warum nennt nun aber die Bibel die Keniter einen besonderen Stamm, 
warum nennt sie sie nicht ein Volk von Schmieden und warum spricht sie 
nirgends aus, dass die Schmiede Israels einst eine tiefe soziale Stellung ein- 
nahmen? Auf diese Fragen gibt zum Teil die Bibel selbst, zum Teil auch die 
Beobachtung, welche man noch heute an den Masai machen kann, Auskunft. 

Betrachten wir zunächst die erste Frage. Ebenso wie die Masai, hatten 
auch die nomadisierenden Israehten bestimmte Weidegründe, innerhalb deren 
Grenzen sie umherwanderten. War das Gras auf dem einen Fleck abgeweidet, 
so wurden die mit Rinderhäuten eingedeckten Hütten abgebrochen und man zog 
auf eine nicht weit entfernte Stelle. Im Gegensatz hierzu bleiben die Schmiede 
längere Zeit, oft auch dauernd, solange nicht kriegerische Ereignisse sie zur 
Flucht zwingen, an einem Ort wohnen. Ihr Viehbesitz ist meist gering, denn, 
sobald er grösser wird, nehmen dem Schmied die Nichtschmiede nach Recht 
und Brauch mit Gewalt den Hauptteil davon ab. Die Weide im Umkreis ihres 
Kraals wird ihnen, den Gemiedenen, von niemandem streitig gemacht und ge- 
nügt daher für ihre wenigen Stücke Vieh das ganze Jahr hindurch. Dann aber 
sind die Schmiede auch an bestimmte Plätze gebunden, nämlich an solche, wo 
sich eisenhaltiger Sand und Holz, letzteres zur Herstellung von Holzkohlen, 
vorfindet. Da diese Bedingungen nur an verhältnismässig wenigen Stellen vor- 
handen sind, entstehen Kolonien von Schmieden. Ihr meist geringer Viehbesitz 
macht sie bald abhängig von Ackerbauern, bei denen sie Vegetabilien kaufen 
müssen. Sind solche aber nicht in erreichbarer Nähe oder verhindern die eigenen 
Volksgenossen den Verkauf von Schmiedeprodukten — Waffen — an ansässige 
Stämme, so beginnen die Schmiede notgedrungen selbst den Boden in geringem 
Umfang zu bepflanzen und werden dadurch auch zu Ackerbauern. Diese halbe 
Ansässigkeit trennt sie noch mehr vom eigenen Volke, als sie durch die vor- 
erwähnte Geringschätzung schon geschieden wurden. Kommt dann Krieg oder 
Hungersnot, z. B. durch Dürre oder Viehseuche, hinzu, so kann die Schmiede- 
kolonie vollkommen vom eigenen Volk getrennt werden. So geschah es auch 
wohl, als die Israeliten infolge von Hungersnot nach Aegypten gedrängt wurden, 
dass die halbansässig gewordenen Schmiede zurückblieben. Diese können sich 
nun durch engeren Anschluss an die Ackerbauer, etwa in Süd-Kanaan, oder 
dadurch, dass sie ein fremder Stamm durch Freundschaft oder Krieg zur An- 
siedlung bei sich zwang, und infolge der dadurch ermöglichten Vermischung 
durch Zwischenheirat zu einem eigenen Volk herausgebildet oder einem solchen 
eine für das Auge und Empfinden der nach rund 500 Jahren wieder mit ihnen 



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in Berührang kommenden Israeliten charakteristische Physiognomie g^eben 
haben, welche diese veranlasste, sie Keniter zu nennen. Diese Vermutung hatte 
aber nur dann eine Berechtigung, wenn man annehmen dürfte, dass die Israeliten 
schon bei ihrer Rücltkehr aus Aegypten »das Volk der Keniter« kannten und 
— was hier zu demselben Ende führt — die ehemaligen Schmiede bei Völkern 
aufgenommen waren, welche ihnen, den Schmieden, ihre Töchter zu Frauen 
gaben. Letzteres möchte ich nach meinen Beobachtungen an den aus Arabien 
stammenden afrikanischen Völkern bezweifeln. Dass aber auch ersterc An- 
nahme kaum haltbar ist, scheint aus dem lebendigen Zorn des Jahvisten gegen 
die Keniter hervorzugehen, denn sie sind es, die er vor allen Heiden ganz 
besonders mit beredten Worten verurteilt. Man käme so zu der Annahme, 
dass »das Volk der Keniter« erst später, und zwar nicht lange vor der Ab- 
fassung der Jahve-Schrift entstanden sein mag, und dass ferner die ehemaligen 
Schmiede der Israeliten sich von fremder Blutmischung ziemlich frei erhalten 
haben mögen. Dann könnte man, um zu erklären, dass die Bibel die Keniter 
als ein anderes Volk hinstellt, vermuten, dass die Israeliten zur Zeit der Ent- 
stehung der Jahve-Schrift bereits stark vermischt waren. Diese Vermutung 
würde im Einklang mit den biblischen Mitteilungen stehen und dadurch weiter 
unterstützt werden, dass der Autor so eindringlich gegen eine Vermischung 
mit den Töchtern der Heiden redet und diesen Umstand sogar als Veranlassung 
zur Sintflut hinstellt. Aber wir brauchen auch wohl diese Annahme nicht, denn 
die Bibel versteht unter einem fremden Volk doch in allererster Linie nicht 
ein anderes politisches Gemeinwesen oder eine Gemeinschaft somatisch anders 
gearteter Menschen, sondern Leute, deren Kultus in Widerspruch zu dem der 
Israeliten stand. 

Die zweite Frage, warum die Bibel die Keniter nicht als ein Scbmiede- 
volk bezeichnet, erklärt sich zum Teil schon aus dem eben Gesagten: durch 
ihre Ansässigwerdung hatten sie eben im aligemeinen das Handwerk mit dem 
Ackerbau vertauscht, und sie ergibt sich zum andern Teil aus dem Folgenden. 

Warum spricht nun die Bibel nii^ends direkt aus, dass die Schmiede als 
eine niedrige Kaste galten? Wenn es nach dem Obigen auch nicht wahr- 
scheinlich ist, dass ein Teil der Schmiede mit Israel nach Aegypten zog, so 
soll die Möglichkeit, dass dies doch der Fall gewesen sein könnte, nicht aus- 
geschlossen werden. Wie würde es diesen Schmieden nun ei^ngen sein? 
Nehmen wir mit der Bibel an, dass die Israeliten ^nials ein frommes Volk 
waren und von den Aegyptern geknechtet wurden, so dürfte jeder dieser 
Umstände im Laufe der langen Gefangenschaft genügt haben, das alte Vorurteil 
gegen die Schmiede in der Praxis zu beseitigen und sowohl die Glaubens- als 
auch die Stammesgenossen fest zusammenzuschliessen. Es bleibt aber noch 
eine andere Möglichkeit. Nehmen wir an, dass letzteres nicht gelang und dass, 
wie es entsprechend noch heute bei den Semitenvölkern Innerafrikas der Fall 
ist, damals eine Ehe zwischen Angehörigen von Schmieden und Nichtschmiedeo 



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— 309 — 

unerlaubt war, so ergab sich fiir die ob ihrer Kunst in der Herstellung von 
Waffen an den verschiedenen Orten verwendeten und zur Beschleunigung der 
dauernden Sesshaftwerdung im Land von einander getrennten Schmiede die 
Notwendigkeit, durch Vermischung mit Aegyptern in diesen aufzugehen. Ent- 
stand dadurch fiir die Israeliten ein Mangel an Schmieden, so konnte dem 
abgeholfen werden, indem Leute aus Familien, die nicht ursprünglich zu der 
Schmiedekaste gehörten, das Handwerk in Aegypten erlernten und dort wie 
auch später ausübten. Nach Analogie der Masai würden solche Leute durch 
Ausübung des Schmiedeberufs in der allgemeinen Achtung des Volkes nicht 
sinken. Aber auch wenn ich annehme, dass ein Teil der Schmiede mit Israel 
von Aegypten zurück kam, so musste, bedingt durch die Ausgestaltung des 
religiösen Kultus, in dessen Dienst der Schmied sein Handwerk zur Verfertigung 
von Gefässen und andern Gerätschaften stellte, seine soziale Stellung eine 
bessere werden. Er, dem die Ausstattung der Tempel oblag, konnte länger 
nicht ein verachteter, gemiedener, unreiner Mann bleiben. 

Spricht das Alte Testament also nii^ends direkt aus, dass die Schmiede 
eine niedrigere, eine verachtete Kaste bildeten, so enthält es meines Erachtens 
in seinem ältesten Teil doch noch Reminiszenzen daran, dass der Schmied auch 
den Israeliten in der Vorzeil als unrein galt. 

Ist der Schmied unrein, so werden es auch die Gegenstände, * welche er 
berührt, insonderheit diejenigen, welche als Produkte seiner Kunst aus seiner 
Hand hervorgehen. Da nun im alltäghchen Leben die Schmiedeprodukte 
unentbehrlich sind, hilft man sich durch eine Reinigungszeremonie. Der Tatoga 
ebenso wie der Irakumann taucht einen aus der Schmiedewerkstatt abgeholten 
neuen Gegenstand in das Wasser eines entfernten Baches und wäscht sich dabei 
gleichzeitig die Hände. Die Masai bestreichen die aus der Hand des Schmiedes 
kommenden Sachen — Speer {Blatt und Schuh), Schwert, Messer, Rasiermesser, 
Axt, Nähale, Pinzette, Pfeilspitzen, Brenneisen, Kuhglocken, grosse und kleine 
Beinschellen sowie verschiedene Schmuckgegenstände — und ebenso ihre Hände, 
welche diese Sachen berührten, mit Fett, um ihnen die vom Schmied her 
anhaftende Unreinheit zu nehmen. Ob die alten Israeliten einen ähnlichen 
Brauch hatten, ist mir unbekannt, doch halte ich es für wahrscheinlich. 

Was für das profane Leben ausreichend erscheint, braucht ni»ht auch 
dem religiösen Kultus zu genügen; im Gegenteil, man wird von vornherein 
annehmen können, dass man da empfindlicher ist. So bedienten sich die 
Masai an Stelle des eisernen Messers eines Rohrsplitters zur Durchschneidung 
der Nabelschnur des Neugeborenen, gemäss ihres achten Gebots. Nun berichten 
auch einige biblische Stellen, welche aus der ältesten Zeit Israels, aus der Zeit 
des Nomadentums, erzählen, vom Gebrauch des Steinmessers und andere vom 
Verbot des eisernen Messers für Zwecke des Kultes. So lesen wir im 
4. Kapitel des 2. Buches Mose im 25. Vers: >Da nahm Zippora einen scharfen 
Stein und beschnitt die Vorhaut ihres Sohnes.« Und im 5. Kapitel des 



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— 3'o — 

Buches Jostia betieht Jahve diesem: iMache dir Steinmesser und beschneide 
wiederum die Söhne Israels zum zweiten Male. Da machte sich Josua Stein- 
messer und beschnitt die Söhne Israels am Hügel Araloth.* Das Verbot für 
den Gebrauch des eisernen Werkzeugs finden wir im 20. Kapitel des 2. Buches 
Mose: »Und wenn du mir einen Altar von Stein machest, so baue sie nicht 
bebauen, denn eisernes Werkzeug hast du darüber geschwungen und sie ent- 
weihte') Hier wird also direkt gesagt, dass die Steine durch das Behauen 
mit eisernem Werkzeug entweiht werden. Beschneidung und Altar sind aber 
die ältesten und zugleich auch die wichtigsten Einrichtungen des israelitischen 
Kultes. Wie die Steine des Altars nicht durch die Berührung mit dem durch 
den Schmied unrein gewordenen Meissel unrein gemacht werden sollten, so 
musste auch die Benutzung des eisernen Messers zur Beschneidung, durch 
welche der Israelit ja gerade religiös gereinigt werden sollte, verpönt sein. 

Besonders zu beachten ist hier, dass von den angezogenen drei Bibelstellen 
die ersten beiden dem Jahvtsten, die letzte einer Verarbeitung von Jahvisi und 
Elohist angehört Der Jahvist ist aber — wie ich schon oben erwähnte — 
diejenige Quellenschrift, welche allein den Kain und die Keniter sowie die 
Verbindung beider kennt und welche auch als die älteste der im Pentateuch 
zusammengearbeiteten gilt. Ich glaube hieraus folgern zu dürfen, dass die der 
Jahve-Schrift zu Grunde liegenden Quellen noch von der Unreinheit der Schmiede 
gewusst haben, wodurch der Beweis für das Bestehen dieser Anschauung im 
ältesten Israel erbracht wäre. 

Dass sie später verloren ging, erklärt sich zur Genüge auch daraus, dass 
die Israeliten zwischen nicht-semitischen Völkern ansässig wurden, denen die 
Schmiede nicht als unrein galten, und zwischen semitischen, welche durch die 
Einwirkung der andern sie wahrscheinlich ebenfalls nicht mehr kannten, sowie 
weiter durch die Beeinflussung, welche ihre Psyche durch die sofortige und in 
der Folge dauernde Vermischung mit diesen Völkern erlitt. Mit dem Verlust 
jener Au^assung verlor sich auch die Scheu vor der Verwendung des eisernen 
Messers zur Beschneidung, wogegen man den Altar noch in der Makkabäerzeit 
(1. Makk. 4, 47) aus unbehauenen Steinen errichtete, aber nur, weil dies aus- 
drücklich im mosaischen Gesetz (2. Moses 20, 25) geboten war, während über 
den Gebrauch des Steinmessers zur Beschneidung nichts darin enthalten ist. 

Sind nun die Keniter die Nachkommen der Schmiede der Israeliten aus 
vorägyptischer Zeit, d. h. aus der Nomadenzeit Israels, so erklärt sich ihre Zer- 
streuung am Sinai, in Kanaan, unter den Amalekitern und Midianitem aus der 
Tatsache, dass sie, wie heute noch bei Naturvölkern, so damals auch bei Kul- 
turvölkern, als Verfertiger von Waffen immer die wertvollsten Kriegsgefangenen 

') Man hat die Vorschrift dahin auigdegt, dass die natlirllch-ursprilngliche Beschaffenheit des 
Altart dielen bclonderB Gott ivilrdig machte. Dieie Annahme ist aber im Hinblick auf die genane 
Vorsclirift über die Einteilung der StiflshOtte und des Tempels, die künsüeriscbe Einrichtiuii;, die 
kostbare Prie»terkleldiuig mii dem edelsieinbes etilen Bruslachild a>w. nicht haltbar. 



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— 3" - 

sind und waren. Auch die Bibel gibt Kunde, dass dies in den Kriegen gegen 
Israel galt. Nach 2. Kön. 24, 14- wurden von Nebukadnezar alle Schmiede 
Jerusalems gefangen genommen, und nach i. Sam. 13, 19 waren alle Schmiede 
Israels von den Philistern weggeführt worden. 

Da die andern Pentateuchquellen ebensowenig wie der Mythus der Masai 
den Kain bezw. eine ihm entsprechende Persönlichkeit als den ersten Mörder 
kennen, und da es ferner ganz und gar nicht in den Gedankenkreis eines Natur- 
volkes passt, sich schon den ältesten Sohn des ersten Menschenpaares als Mörder 
seines Bruders und dadurch als Hindernis zur schnellen Vermehrung der Menschen 
auf der Erde vorzustellen, vermute ich, dass die Legende des Jahvisten von 
Kains Brudermord erst in einer späteren Zeit entstand. Für die traditionelle 
Verachtung der Keniter konnte im fortgeschrittenen Israel mit seinen höher 
geachteten Schmieden kein Raum mehr sein. Man brauchte einen andern Grund, 
um die im Heidentum aufgegangenen Stammesgenossen, die eben durch ihre 
Stammeszugehörigkeit ganz besonders geeignet waren, durch Zwischenheirat 
heidnischen Einfluss und heidnische Untugenden nach Israel hineinzutragen, als 
verächtlich und schlecht hinzustellen. Hierzu scheint es natürlich, wenn sich 
bei einem Volke, welches schon im Zustand des kulturarmen Nomadentums ein 
tieferes Religionsgeliihl hatte, eine Legende bildete, die geeignet war, die 
Keniter als Nachkommen eines wegen des schwersten Verbrechens von Gott 
verfluchten Stammvaters aufzufassen. Eine solche Legende konnte um so eher 
entstehen, als — wie ich schon oben erwähnte — den Ursemtten die Schmiede 
als Verführer zur Ueberiretung des göttlichen Befehls gegen das Blutvergiessen, 
als von Gott nicht geliebt und ihnen daher als verachtungswürdig und unrein 
galten. In der ursemitischen Anschauung sind die Schmiede als Verführer zum 
Mord verurteilt, in der Bibel wird Kain als Mörder selttst verdammt 



Der Betrug um die Erstgeburtsrechte. 

Zur Zeit der El dertim, so berichtet der Mythus der Masai, lebte ein 
Mann Namens Narabä. Dieser hatte einen Sohn, dem man den Namen Mutari 
gab, weil er g^en Sonnenuntergang geboren wurde. Als Mutari erwachsen 
war, heiratete er das Weib NasiAgoi, die nach dem Strauch e' nasegö genannt 
worden war, weil ihre Mutter, als sie das Kind unter dem Herzen trug, nichts 
anderes als die Wurzeln jenes Strauches essen wollte. Als NasiAgoi schwanger 
war, trug sie Drillinge, und als sie gebar, kamen zunächst nur zwei Kinder, 
zwei Söhne, zur Welt Der zuerst Geborene war schon stark behaart am 
Körper und hatte auch bereits einen Bart, weshalb er den Namen 'L ol munjoi 
(= der Bärtige) erhielt. Den andern nannte man 'L en jergc^, weil ihn die 
Mutter bald nach der Geburt in ein nicht enthaartes, weiches Kalbleder {en 
jergog) einhüllte. Erst drei Monate später wurde das dritte Kind, ebenfalls ein 
Knabe, geboren. Er bekam den Namen Ndarassi = der Verweiler. Während 



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— 312 — 

der übermässige Haarwuchs 'L ol munjois mit dem Alter noch bedeutend zu- 
nahm, bekam 'L en jergog nur einen ganz -geringen Bart, und Ndarassi blieb 
vollkommen bartlos. Eines Tages, als der alte Vater sehr krank war, gingen 
die beiden älteren Brüder zu einem Bittfest, das in der Nähe gefeiert wurde, 
um Gott um die Genesung des Vaters zu bitten. Ndarassi ging nicht mit, 
sondern blieb daheim im Kraal. Inzwischen wurde der Vater viel kränker, und 
da er fühlte, dass er bald sterben würde, rief er nach 'L ol munjoi als dem 
Aeltesten, um ihn zu segnen. Als Ndarassi die Rufe des Vaters hörte, zerschnitt 
er schnell ein Ziegenfell und band sich die Teile desselben auf Brust, Schultern 
und um die Wangen. So trat er in die dunkle Hütte und betrog den Vater 
wie Jakob den Isaak. Als dann der älteste Bruder heimkam und den sterben- 
den Vater um seinen Segen bat, verschied dieser, nachdem jener noch aus 
seinem Mund von der gelungenen Täuschung Ndarassis erfahren hatte. Den 
letzten Worten des Alten gemäss, übernahm Ndarassi das Erbe. 'L ol munjoi 
zog gekränkt fort, kehrte aber nach einer Weile mit einer Anzahl Krieger 
zurück, um den Betrüger zu bekämpfen. Doch dieser ging ihm friedlich ent- 
gegen und bot ihm Geschenke und Freundschaft an, die 'L ol munjoi annahm, 
wodurch der Zwist beigelegt wurde. 

Auf den ersten Blick scheint diese Legende mit der, welche uns in Gen. 2$, 
27 und 33 überliefert ist, identisch zu sein, doch weisen beide Redaktionen 
einen sehr wichtigen, wenn auch für unser Empfinden nicht ebenso augenfälligen 
Unterschied auf, der, aus den Anschauungen der Masai heraus, sofort erklärt, 
weshalb tn der Bibel die Tat Jakobs nicht so scharf verurteilt wird, wie man 
erwarten sollte. In der Erzählung der Masai waren die drei Brüder vieh- 
züchtende Nomaden, während Gen. 25, 27 den Esau als Jäger bezeichnet, wo- 
gegen Jakob ein Viehzüchter ist. Ich habe an anderer Stelle dieser Studie 
erwähnt, dass der Masai mit verächtlicher Geringschätzung auf den ol dorobbo 
herabsieht. Dasselbe Empfinden dürfen wir aber auch als bei den Israeliten 
gegenüber den Jägern bestehend annehmen. Denn es findet sich bei den 
semitischen Völkern zum mindesten sehr häufig.') Von diesem Gesichtspunkt aus 
betrachtet, liegt in der Tendenz der biblischen Erzählung also in erster Linie die 
Uebervorteilung des Jägers durch den Viehzüchter. Ein Seitenstück hierzu fand 
ich in folgender Erzählung der Masai: 

»In der Urzeit, als die Menschen sich noch von wilden Pflanzen 
nährten, berief Gott zwei Brüder. Er zeigte ihnen Hirtenstab und 
Bogen und belehrte sie über den Gebrauch dieser Dinge. Danach 
befahl er ihnen, ihre Augen mit der Hand zu verdecken. Als dies 
geschehen, hielt Gott den Hirtenstab empor und fragte, wer von ihnen 
das hochgehaltene Ding haben wollte. Der eine sah durch die Finger, 
erkannte den Hirtenstab und bejahte schnell. Er wurde ein Viehzüchter, 

') Ich {.-ind CB bei den Abjssiuieni, Som^l, GaJIa, Tatoga UDil den ImkaleuteD. 



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— 313 — 

während der andere, der die Hand fest vor die Augen gehalten und 
nichts gesehen hatte, ein armer Jäger wurde.i') 

Ich glaube kaum fehl zu gehen, wenn ich annehme, dass der israelitische 
Mythenschatz an Stelle der einen in der Bibel enthaltenen Erzählung ursprunglich 
deren zwei kannte, die in ihren Grundzügen sich mit denen der Masai deckten 
und von denen die eine lediglich die Wiedet^abe einer geschichtlichen Episode 
darstellt, während die andere den Charakter einer religiösen Mythe trug. Dass 
dieser Charakter bei der späteren Zusammenziehung beider Erzählungen 
besonders erhalten blieb, zeigt noch die biblische Fassung, und zwar am 
deutlichsten die des Jahvisten.') Es wird hieraus erklärlich, dass die Quelle 
der Jahveschrift nicht die Schilderung, wie ein Bruder den andern durch 
Betrug um das Recht der Erstgeburt brachte, in den Vordergrund stellte, 
sondern in der den Israeliten — ebenso wie den Masai — eigenen Selbst- 
hcrrlichkeit die geistige Inferiorität und allgemeine Minderwertigkeit des 
armen, verachteten Jägers gegenüber ihnen, den wohlhabenden Viehzüchtern 
in einer Form zum Ausdruck brachte, die ihr eigenes besseres Los als einen 
durch ihre geistig höhere Qualität mit Gottes Einverständnis erreichten Erfolg 
hinstellte. Die Quelle der Elohimschrift *) scheint dagegen die mythische 
Bedeutung des StofTes nicht gekannt und ihn lediglich als Schilderung eines 
historischen Vorgangs aufgefasst zu haben. Daher finden wir hier auch eine 
Missbilligung für Jakobs Handlungsweise in den Versen 32 bis 36 des 27. Kapitels. 

Hervorzuheben ist ferner die Aehnlichkeit der Namen Narabä und Abraham, 
welch letzterer aus einem ähnlich klingenden Urnamen entstanden sein dürfte, 
sowie die übereinstimmende Charakterisierung beider bei beiden Völkern: sie 
sind reich an Viehherden, klug und fromm. Letzteres ergibt sich im Masai- 
mythus aus der Ratstellung, die Narabä bei dem von Gott eingesetzten ol oiboni 
einnimmt. Weiter sind beide durch ein sehr hohes Alter ausgezeichnet, sowie 
dadurch, dass sie in diesem Alter noch heiraten und dass den Hochbetagten 
der Erbe geboren wird. Eine Verschiebung besteht allerdings insofern, als in 
der Bibel die Mutter des Erben nicht die im hohen Alter geheiratete Ketura, 
sondern die bereits in der Jugend gefreite, aber bis zu ihrem 90. Jahre unfrucht- 
bare Sara ist. 

In beiden Ueberlieferungen wird der Umstand, dass der Erbe dem bereits 
hochbetagten Vater geboren wird, nicht nur erwähnt, sondern ausdrücklich 

') In »pSlerer Zeit, als bei den Ma»ai der Urgrund für die Verachlnog der Sehiniede in \'cr- 
g-euenheit geiaten war, erhielt diese EnäUang eine Erweiterung derart, daas auch die Schmiede ein- 
bezogen wurden. Gott hielt da drei Dinge in der Hand: Hirtenstab, Bogen und Hammer. Auf die 
Frage Gotiee, wählte sofort der ipätere Masai den Hirtenetab, der zweite, der hier auch durch die 
Finger iah, aber scbUchtemer all der erste war, wühlte den Bogen, bo dass fUr den letzten, der 
nichts gesehen hatte, nur der Hammer flbrig blieb. Sowohl diese wie die obige ErzShlung betCehen 
bei den Maaai heate nebeneinander. 

*) Gen. 25, 37 bis 34 geliört dem Jahiisten an. 

*} Die Darstellung in Gen. 27, i bis 45 ist eine Zusammenztehnng des in der Jahre- und 
Elohimachilft eahaltenen Stoffes. 



=, Google 



— 314 - 

betont und mit einer göttlichen Acusserung motiviert. In Gen. 17, 16 ff. ver- 
heisst Gott dem Abraham die Geburt des Isaak, und in der Masaitraditton wird 
dem Narabä die Zeugung des Mutari durch die von Gott den Masai gegebene 
Erlaubnis, mehr als eine Frau zu heiraten, ermöglicht Der Mythus der Masai 
kennzeichnet aber den ErBen noch weiter als einen > Spätgeborenen (, indem er 
berichtet, dass Mutari am Abend geboren wurde, und dieser Umstand be- 
stimmend für die Wahl des Namens war. 

Für die Wahl des Namens Narabäs war die ihm angeborene Schwäche in 
den Beinen massgebend. Das Gehen Ael ihm sehr schwer, weshalb er sich auf 
Reisen stets eines Esels bediente. Dass auch Abraham einen solchen zu be- 
nutzen pflegte, geht aus dem 3. Vers des 22. Kapitels der Genesis hervor, wo 
von der Reise Abrahams ins Land Morijas zur Opferung Isaaks erzählt wird: 
»Und Abraham stand des Morgens früh auf und gürtete seinen Esel und nahm 
zwei Knechte (Knaben) mit sich und Isaak, seinen Sohn, und spaltete Holz zum 
Brandopfer und stand auf und ging an den Ort, von dem (der) Gott ihm gesagt 
hatte.! Dass Abraham den Esel mitgenommen hätte, damit dieser das Brenn- 
holz trage, ist wohl ausgeschlossen, denn die leichte Bürde, welche der Knabe 
Isaak nachher (Vers 6) allein weiter trug, konnte bequem von den zwei Knechten 
getragen werden. Es ist daher anzunehmen, dass sich Abraham unterwegs des 
Esels zum Reiten bediente. Da es nun im Text heisst, er gürtete seinen 
Esel, und die Möglichkeit, dass Abraham nur einen einzigen Esel besessen 
hätte, durch die Stellen Genesis 12, 16') und 24, 34,*) wonach er viele E^el 
besass, ausgeschlossen wird, so bedeutet hier die Verwendung des Possessiv- 
pronomens: er gürtete den Esel, dessen er sich gewöhnlich bediente. 
Zu beachten ist noch, dass die angezogene Stelle die einzige aus der alten Zeit 
ist, welche den Esel in obiger Weise erwähnt. Ich glaube daraus folgern zu 
dürfen, dass ihr nicht eine, dem Autor zufallig in den Sinn gekommene, All- 
täglichkeit, sondern eine ausdrückliche Ueberlieferung zu Grunde liegt. 

Nach Genesis 12, 10 iwar Hungersnot im Lande und Abram zog hinab 
nach Aegypten, daselbst als Fremdling zu weilen, denn schwer war die Hungers- 
not im Lande,* Auch die Ueberlieferung der Masai erzählt von einer Hungers- 
not zu Lebzeiten Narabäs. Als seine Frau Dujessi das zweite Kind, die Tochter, 
gebar, war die Not eben durch reichliche Regenfalle beendet, weshalb das Kind 
den Namen Namonjak = die Glückliche bekam. 

Die Aehnlichkeit in den die Entbindung der Rebekka und der NasiAgoi 
begleitenden Umständen und im Aeussern der neugeborenen Kinder ist so 

') Gen. iz, 16: >Und dem Abram tat er (Pharao) Gutes ihretwegen (der Sarai, wegen ihrer 
Schönheit), und er halle Kleinvieh and Rinder und Esel und Knechte und M&gdc und Eselinnen nnd 
Kamele. 

*) Gen. 34, 34: »Und er sprach: Ich bin Abrahams Knecht und Jahve hat meinen Herrn sehr 
^«cpict und er ist gross geworden, und er hal ihm geget)en Kleinvieh und Rinder und Silber und 
Gold und Knechte und Mägde und Kamele und Esel.« 



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— 3"S — 

augenfällig, dass eine weitere Erörterung nicht nötig erscheint. Es sei nur noch 
erwähnt, dass auch der Talmud mehrere Fälle kennt, in denen bei Zwillings- 
geburten die Geburt des zweiten Kindes erst erhebliche Zeit nach der des 
ersten erfolgte, und dass da in einem Fall die Pause zwischen beiden Geburten 
drei Monate betragr. Da dies physiologisch unmöglich ist, so dürften sich wohl 
die Berichterstatter in ihren Angaben auf mythische Ueberlieferungen stützen. 



Moses- Marumi, Musana usw. 

Das, was die israelitische Ueberlieferung auf die Person des Moses kon- 
zentriert hat, fiihrt die Tradition der Masai auf mehrere Persönlichkeiten, unter 
denen besonders Marumi und Musana zu nennen sind, zurück. 

Moses' Vater ist nach 2. Moses 6, 20 Amram. Marumis Vater, Geraine, fuhrt 
den Beinamen Eramram, d. h. der Stotterer, der nicht nur ihm persönlich zu- 
kommt, sondern, weil das Stottern in der Familie erblich ist, zu einer Art 
Familiennamen geworden war. Von den Kindern Geraines stottert nur Marumi, 
Latwt und Meria dagegen nicht. Nadh der biblischen Erzählung stottert Moses, 
wie er in 2. Moses 4, 10 bekennt, indem er zu Gott spricht: >Ich bin kein 
Mann der Rede, weder seit gestern, noch seit vorgestern, noch seit du redest 
zu deinem Knechte; denn schweren Mundes und schwerer Zunge bin ich.< 
Das.s Aaron nicht stottert, bezeugen die Worte Gottes im 14. Vers desselben 
Kapitels: ilst da nicht Aaron, dein Bruder, der Levitf Ich weiss, dass er sehr 
wohl redet.« Auch Mirjam stottert nicht, wenigstens enthält der Pentateuch 
nichts, was darauf schliessen liesse. 

Marumi ist ein kluger und frommer Mann, ebenso wie der biblische Moses, 
und ebenso wie diesem, gibt Gott jenem seine Befehle für die Menschen kund, 
nachdem er ihnen auf dem Berg, wohin er sie gerufen hatte, erschienen war. 
Die Ucberbringung des Hauptbefehls zur Beschneidung, womit Marumi beauflagt 
wird, konnte dem Moses nicht mehr zufallen, da sie die biblische Mythe bereits 
dem Abraham zuschreibt. Jedoch bringt das 4. Kapitel des 2. Buchs des 
Pentateuch den Moses in ganz auffallender Weise mit der Beschneidung in Zu- 
sammenhang. Dort wird nämlich berichtet, dass Moses bei seinem Sohn die 
Beschneidung unterlassen hätte. Als dann Jahve den Moses traf, Ael er ihn 
an und suchte ihn zu töten. Da nahm Zippora einen scharfen Stein und be- 
schnitt die Vorhaut ihres Sohnes und wandte dadurch den Zorn Jahvcs von 
Moses ab. Moses erhält also hier mit besonderem Nachdruck eine Wiederholung 
. des Befehls zur Beschneidung von Jahve selbst. So wird der Zusammenhang 
der biblischen Tradition mit der der Masai deutlich erkennbar. Noch klarer 
wird die Verbindung beider dadurch, dass es gerade diese Stelle und nicht 
jene andere, in der von dem Beschneidungsbefehl an Abraham berichtet wird 
(1. Moses 17), ist, die zum ersten Male das zur fraglichen Operation verwendete 
Instrument bezeichnet, wie dies auch das von 'Ng ai dem Marumi übet^ebene 



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- 3IS - 

Gebot tut. So erscheint die Erzählung von der Zippora als eine im Laufe der 
Zeit entstandene Umbildung der Tradition der Masai. Dieser Eindruck wird 
noch dadurch bestärkt, dass jene Legende in 2. Moses 4, 24 — 26 der ältesten 
Schrift, den um das Jahr 900 v. Chr. entstandenen Jahvisten angehört, während 
das 17. Kapitel der Genesis dem in oder bald nach dem babylonischen Exil 
verfasstcii Priesterkodex entstammt. 

Weiter erhält sowohl Moses als Marumi von Gott den Befehl zum Kampf 
gegen die Heiden, die Ungläubigen. Marumi bekommt allerdings nur den Befehl 
zum erbitterten Krieg, nachdem der zum milden, unblutigen Kampf schon an 
die Greise Metene und RisS gegeben war. In der Bibel erhält Moses allein 
diese Befehle, zuerst in milderer Form in 2. Moses 3, 8, wo ihm für sein Volk 
das Land der Kanaaniter, Hetthiter, Amoriter, Phcrissiter, der Hewiter und 
Jebusiter zugewiesen wird; dann in schärferer Form in 4, Moses 25, 17, wonach 
Gott zu Moses spricht: »Befeindet die Midianiter und schlaget siec, und in 
5. Moses 3, 2, wo Gott dem Moses den Kampf gegen Og, den Köa^ von 
Basan, befiehlt 

Ferner ist noch auf die Lautähnlichlceit in den Namen LÄbot und Aaron, 
sowie M^ria ui^d Mirjam hinzuweisen. In betreff der Altersfolge der Kinder 
Geraines — Marumi, Labot, Meria — und der Kinder Amrams — Mirjam, 
Aaron, Moses — neige ich zu der Ansicht, dass die erstere Reihenfolge die 
ursprünglichere ist, denn ich hörte nicht selten bei innerafrikanischen Semiten 
und Semito-Nigritiero die Ansicht, dass das älteste Kind die grösste Aussicht 
habe, dem Vater ähnlich zu werden, seine Vorzüge und Gebrechen zu erben, 
und wurde auch im vorliegenden Fall Geraine — Marumi ausdrücklich von den 
Leuten daraut aufmerksam gemacht. 

Den Namen Mosis glaube ich in dem des ol aigwenani Musana') wieder- 
zuerkennen. In der Tradition ist, wie wir sahen, Musana durch Einführung der 
fortlaufenden siebentägigen Woche mit dem Moralunterricht an ihrem letzten 
Tage, dem esubat 'n olori*) (= guter Tag, Glückstag), bekannt, ebenso wie nach 
2, Moses 16 und S- Moses 5') Moses der Begründer der siebentägigen Woche 
mit dem Sabbath ist. Dass die israehtische Woche der der Masai vollkommen 
gleicht und dass der esubat 'n oloA das Urbild des Sabbaths ist, bedarf keiner 
weiteren Erläuterung. 

*) Das D In Mnaana iil ein sehr kurzer Laut, der zwischen n nnd o 11(^1. 

') oinbati otubad (m.). eeubat, esubad ((.} ^ got; en oloä der Tag. Die Tcrlängcfte Farm 
oBubate, osubadc oder osubadela kommt hauplsäcbllcli in VerblDdmtf; mii dem Adjektir kitok = 
gtota Tor und stelgeit dann desicD Begriff zu einem beionden akzentuierten Superlativ. 

*) 2. Mo«e» i6. 25 — 16. Und Mose sprach: Esiet es (nämlich das Man) heute, detio Ruheoe 
ist heule dem Jahvc; heute fiudel ihr es nicht aal dem Feld. Sech« Tage sollt ihr e« sammeln. 
aber nm siobcnicn Tag ist Ruhetag, an dem wird es nicht sein. 5. Moses 5, iz — 14: Beobachte 
den Sabbathtag, ihn lu heiligen, ao wie Jahve, dein Gott, dir ßeboten. Scchg Tage sollst du arbeiten 
und tun all dein Geschäit; aber der Kiebcnte Tag ist Ruhetag dem Jahve, deinem Gotte; kein Gecchäft 
BDlIst du tun. du und dein Sohn und deine Tochter naw. 



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9 


10 


i6 


17 


23 


24 


32 

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s Woche mit einem 



— 3'7 — 

Moses ist aber nach 3. Moses 23, 24 und 4. Moses 29, l ff.*) auch der 
Stifter des Neumondsabbaths, des als Sabbath zu feiernden Neumondtages des 
siebenten Monats, der sein Vorbild in dem kitok 'n olort esubat^ hat, welchen 
der ol aigwenani Gulale einrichtete und wozu die Leute durch den Schall der 
als Trompeten dienenden Antilopenhömer — das Lärmbtasen in den an- 
gezogenen Pentateuch-Stellen — zusammengerufen wurden. 

Die Frage danach, was die Zahl 7 bestimmt haben mag, beantwortet die 
Monatseinteilung der Masai, in der wir vier besonders au^ezeichnete Tage finden : 
den vierten als. Neumondstag, den zehnten als Schlusstag der ersten Dekade, 
den siebzehnten als Unglückstag im täglichen Leben und GlUckstag im Krieg, 
den vierundzwanzigsten als Anfangstag der »schwarzen Dunkelheitt (en aimen 
narok). Eine Reihe von sieben weiteren Tagen endet beim dreissigtägigen Monat 
mit dem ersten Tage des fönenden Monats. Es entstehen danach folgende vier 
Reihen von je sieben Tagen: 

45678 
II 12 13 14 IS 

18 19 20 21 22 

25 26 27 28 29 

Nach der Tradition der Masai begann die 
Neumond (also am vierten Tag der Monatsrechnung); der erste esubat 'n olon 
tiel demnach auf den 10., den tomon negera. Der nächste würde nun auf den 
17., den ot onjugi, gefallen sein, an welchem aber, wie die Ueberlieferung aus- 
drücklich berichtet, ein solcher Tag nicht gefeiert werden durfte. Vielleicht 
war dies im Verein mit dem Umstand, dass der Endtag der vierten Reihe so 
wie so in den nächsten Monat fiel, die Veranlassung dazu, nicht bei den alten 
siebentägigen Abschnitten, deren erster immer mit dem Neumond begann, stehen 
zu bleiben, sondern die Reihen ohne Rücksicht auf den Mond weiter laufen zu 
lassen. Diese Erklärung klingt zwar recht bescheiden, aber sie entspricht durch- 
aus der geistigen Qualität der Masai, welche ein Suchen nach einer tieferen 
Begründung kaum rechtfertigen würde. 

Eine Parallele zu der wunderbaren Errettung des drei Monate alten Knaben 
Moses im SchilfkaslJein (2. Mos. 2) finden wir in der »Die Strafe Gottes» über- 

') 3. Mosel 33, 24: Im siebcDteD Monat, am erstea äet MoDats, soll euch Rohefeier leln, 
Gedächtnia de* Lärmblaaen», heilige VertammliuiR'. 4. Moaea 29. i : Und im sinbeoteD Mooac, am 
enien dee Monats, soll euch heilifre Versammlung scio; kein ArbeitageBchäft gollt Ihr tnii; der Tag 
dei Lärmblaseos soll es euch sein. 

*) Die Assyrer leillen die ersten 18 Tage jeden Monats, det mit dem Neumond begann, In vier 
Abechnitte »on je sieben Tagen; der IctJle Tag jedes AbsclinlctB galt als Unglüclutag, an dem ver- 
schiedene Venicblungen verboten waren; vergl. 2. Abschnitt XVII Über die Aehnlichkeit des TOr- 
stehenden mit dem der Masai. Den Ursprung der andern, fünftägigen, babylonischen Woche und der 
zehntägigen det Aegyptor, welche beide in jedem Monat mit dem ersten Tage desselben, dem Neu- 
iDondslag, beginnen, finden wir in det Einteilung des Monats nach Dekaden bei den Masai wieder. 



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- 3-8 - 

schriebenen Erzählung*) (im XXIII. Kap, des 2. Abschn, der vorlieg. Studie). 
Wie die dort geretteten Knaben die Rächer der ihrer Mutter zugefügten Schmach 
werden, so wird der errettete Moses durch die Fügung Gottes zum Ueberwioder 
des das Volk Israel knechtenden und unterdrückenden Pharao. 

Hervorzuheben ist noch, dass Gott in der Tradition der Masai nur, Inder 
israelitischen Ueberlieferung meistens auf einem Berg erscheint, und zwar ent- 
weder in einem Feuer: auf dem Sinai am Tage der Gesetzgebung (2. Mos. 19, 18) 
und als er den oben genannten Greisen den Kampf gegen die Ungläubigen be- 
fiehlt, oder in einer Wolke: in den beiden Fällen, in denen er dem Marumi 
erscheint, und ferner in den vielen andern, wovon die Bibel im 2. Mos. 16, 10; 
2. Mos. 19, 9; 2. Mos. 34, 5 und 4. Mos. 11, 2$ berichtet. 

Die Beschneidung. 

Nach dem Mythus der Masai hat Gott ihnen die Beschneidung der Knaben 
und Mädchen befohlen und diesen Befehl durch Marumi übersandt. 

Gott sprach: »Die Masai sollen die Kinder beschneiden.« Nach Genesis 17 
ist die Beschneidung ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und dem Volke 
Israel, d. h. zunächst also, dass der Befehl Gottes zur Beschneidung nur für die 
Israeliten, nicht aber für andere Völker gegeben ist, wodurch die Beschneidung 
für Israel ein Stammeszeichen wurde. Ein solches ist sie aber im Gegensatz si 
den vielen andern Völkern, welche die Sitte der Beschneidung beobachten, 
auch noch heute bei den Masai, und zwar nicht nur in der Anschauung der 
Leute, sondern, weil die Masai das einzige Volk") mit jener eigentümlichen Form 
der Knabenbesch neidung sind, auch in Wirklichkeit. 

Nun wissen wir aber — ich komme noch darauf zurück — von einer 
Reihe älterer, d. h. früher aus Arabien gedrängter Semitenvölker, dass sie die 
Circumcision der Knaben ebenfalls übten. Hierdurch entsteht die Frage: wie 
war es möglich, dass die Israeliten, und zwar schon in ihrer ältesten Mythe, 
die damals in Arabien — wie es scheint — ganz allgemeine Beschneidung 
ausdrücklich als ihr Stammeszeichen betrachteten? Sollte es etwa möglich sein, 
dass sie ursprünglich die Beschneidungsform der Masai gehabt und diese später 
aus politischen oder andern Gründen mit der einfachen Circumcision vertauscht 
hätten, ähnlich wie sie zur Zeit der Makkabäer (i. Makk. i, 16) bestrebt waren, 

') Auch die babyloDische Legc^nde hat diesen Stoff benutzt. Von Küiug Sargon I. wird erühll. 
dagB er nach dem Tode seine» Vaters tob der in grosser Bedrängnis lebenden Mutter im Welt 
Cebratht sei;. in Aiupfran am Euphrat Rcbar sie mich heiDilich. legte mich in ein Kästchen tod 
Schilfrohri TeiichloM mit Erdpccli meine Tür, le^te mich in den Flusa, der mich anf seines Welioi 
htnabtcng zu Ahki, dem Wasserträger. Der nahm mich auf in der FreundlicUkeit seines Hecieos, 
zog mich auf als sein Kind, machte mich zu seinem Gärtner — da gewann Istar, die Tochter dn 
MimmeiskonifTs, mich lieb und erhob mich zum Könl^ über die Menschen. (Aus Friedrich Delltisirlii 
VortraE 3Hal>el und Blbelt.) 

'1 Diese Form der Beschneidung findet sich nur noch bei einem Geschlecht des SemitenTOlke« 
• der Tatoga. 



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- 3'9 - 

ihren Gegnern das Vorhandensein des Praeputium vorzutäuschen, ein Verfahren, 
dessen sich aus Niitzlichkeitsgründen u. W. niemals ein anderes Volk bedient 
hatte? Jedenfalls dürften z. B. bei der Sesshaftwerdung der Israeliten ungleich 
wichtigere politische und wirtschaftliche Interessen als zur Zeit der Makkabäer 
für die Nützlichkeit einer Aenderung in der Form der Beschneidung gesprochen 
haben. Der Einwendung, dass die Juden im zweiten Jahrhundert v. Chr. als 
Kulturvolk bedeutend anpassungsfähiger wie als ansässig werdendes Naturvolk 
waren, kann man entgegenhalten, dass in der späteren Zeit die Beschneidung 
auch von viel höherer nationaler und religiöser Bedeutung als damals war. 

Was sagt nun aber die Bibel? Sie enthält zunächst nichts, was darauf 
schliessen hesse, dass die Israeliten während ihres Aufenthaltes in Aegypten die 
Beschneidung nicht geübt hätten.') Dagegen müssen wir bei der hohen Bedeutung 
dieser Operation annehmen, dass ein Unterlassen derselben ausdrücklich über- 
liefert worden wäre. Nun berichtet im $, Kapitel Josua aus der Zeit gleich 
nach der Ueberschreitung des Jordan der aus einer Vereinigung von Jahve- und 
Elohim-Schrift bestehende Teil {Vers 2 und 3): >Zu selbiger Zeit sprach Jahve 
zu Josua: mache dir Steinmesser und beschneide wiederum die Sohne Israels 
zum zweitenmal. Da machte sich Josua steinerne Messer und beschnitt 
die Söhne Israels am Hügel Araloth.*) (Vers 8 und 9:) Als nun das ganze 
Volk völlig beschnitten war, blieben sie an ihrer Stelle im Lager, bis sie genesen 
waren. Und Jahve sprach zu Josua: Heute habe ich die Schande Aegyptens 
abgewälzt von euch.« Die Verse 4 — 7 sind hier nicht zu berücksichtigen, denn 
sie stammen von einem späteren Redaktor, und die Richtigkeit ihres Inhaltes, 
wonach die Israeliten die Beschneidung während des Zuges durch die Wüste 
unterliessen, ist zweifelhaft, weil einmal kein älterer Autor davon berichtet, und 
dann auch nirgends — wie man erwarten müsste — ein entsprechender gött- 
licher Befehl überliefert wird. 

»Und Jahve sprach zu Josua: Heute habe ich die Schande Aegyptens ab- 
gewälzt von euch.« Was heisst das: die Schande Aegyptens? Ich verstehe 
diese Worte so: Heute habe ich von euch genommen, was euch in Aegypten, 
d. h. von den Aegyptern, als Schande ausgelegt wurde. Was konnte den 
Israeliten aber in Bezug auf die Beschneidung männlicher Individuen dort so 
ausgelegt werden? Die Circumcision doch sicher nicht, denn sie war ja in 
Aegypten ein Vorrecht der Priester- und Krieger-Kaste. Wenn es aber weder 
das Unbeschnittensein noch die Circumcision gewesen ist, was den Israeliten 
bei den Aegyptern zur Schande gereichte, deren Hohn herausforderte, so könnte 
es sehr wohl eine andere Form der Beschneidung gewesen sein! War diese 
aber die bei den Masai noch heute übliche, so werden auch die Worte des 



') Die Stell« z. Mos. 4, 24 — 36 kaoti hier nlcbt tn Hcirarht kommen, da ihr Inbalt der M^lbe 
aDgehört; vergleiche den vor^;cD Absatz iMosei-MarumJc. 
•) = am Hügel der Vorhäute. 



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— 320 — 

2. Verses: »und beschneide wiederum die Sötine Israels zum zweitenmal«*) 
ohne künstliche Auslegung verständlich, denn durch eine zweite Operation, durch 
Abschneiden des bei den Masai wie ein herabhängendes Zäpfchen erscheinenden 
Teils des Praeputium, wird ein Zustand erreicht, der dem Auge als einfache 
Circumcision erscheint. 

Weiter begegnen sich die Masai und Israeliten in der Veranlassung zur 
Beschneidung- Dadurch, dass Gott dem Maiumi mit dem Befehl zur Beschneidung 
sowohl die zur fraglichen Operation nötigen Instrumente übergab, als auch die 
Verwendung des zur Beschneidung der Mädchen dienenden Messers zur Durch- 
schneidung der Nabelschnur des Neugeborenen anordnete und daran anschliessend 
ihm den Lenden^rtel für die Wöchnerin einhändigte, ei^bt sich als engste 
Gedankenverbindung: Beschneidung — Zeugung — Entbindung. Die Be- 
schneidung gilt daher hier als ein, wenn auch nicht zur Zeugung nötiges, so 
doch dazu erwünschtes und sie förderndes Mittel. Denselben Gedanken finden 
wir in der Bibel, wo Gott in Gen, 17, 6, als er dem 99jährigen, kinderlosen 
Abraham das Zeichen des Bundes i. e. die Beschnetdung ankündigt, sagt: »Und 
ich mache dich gar sehr fruchtbar und mache dich zu Völkern.« 

Nach vorstehendem scheint die Knabe nbesch neidung ihre Entstehung der 
Anschauung zu verdanken, dass sie die Zeugungsfahigkeit des Mannes erhöhe, 
vielleicht indem sie dem Entstehen einer Phimosis vorbeugt. Sie wurde dadurch 
zu einer Vorbereitung zur Ehe und wird demgemäss noch bei den Masai, wie 
auch andern Naturvölkern erst nach Eintritt der Pubertät ausgeführt. Eine 
spätere Zeit machte sie (ur Israeliten und Masai zum Stammeszeichen und 
verlegte sie als solches bei ersteren in die früheste Kindheit. Aus dem 
Stammeszeichen wurde dann durch den — sowohl in Israel wie bei den Masai 
lebendigen — Glauben an die göttliche Bevorzugung vor andern Völkern ein 
sichtbares Zeichen derselben, woraus sich die Erklärung der Beschneidung 
als Symbol der religiösen Reinheit*) ableitet, als welches sie die Bibel oft 
bezeichnet. 

Reinlichkeitsrücksichten — wie man so oft hört — verdankt die Be- 
schneidung ihre Entstehung sicher nicht, denn dem Wunsche nach Sauberkeit 
konnte in anderer Weise einfacher und ohne eine doch immerhin nicht ganz 
ungefährliche Operation genügt werden. Weiter kommt hinzu, dass wir diese 
Sitte auch vorzugsweise gerade bei solchen Völkern finden, die durchaus keinen 
besonderen Wert auf Reinlichkeit legen. Ferner aber bezweifle ich auch, dass 
der Nutzen der Beschneidung im Punkt der Reinlichkeit wirklich so gross ist, 
denn bei den nur sehr dürftig bekleideten Naturvölkern ist der fragliche Teil 

') Ein sonst Im ganzen Alten TcBtameni in dieser Form nie wiederkehrender Pleonasmus; 
wörtlich genauer nich dem liebräiBChen Text hcisst die Stelle: vKehre wieder »u beschneiden die 
Sohne Israels zum zweiten Male.« 

') Dost die Beschneldung bei den Isracliien — wie man annimmt — eist Im Eiil religiöae 
Hedeutung erlangt halte, widerlegt m. E. der Gebraath des Steinmessers in Mhester Zeit 



aydOOgIc 



— 321 ~ 

so viel mehr der Einwirkung von Staub usw. und der Verletzung durch Dornen, 
stachlige Blätter, Blüten und Gräser ausgesetzt, als er es sonst wäre. 

Auch die Beschneidung der Mädchen lässt sich bei Naturvölkern als eine 
Vorbereitung zur Ehe auffassen. Bei den Masai spricht dafiir ausser dem Zeit- 
punkt, zu dem sie vorgenommen wird, auch die Lebensweise der Mädchen vor 
und nach der Operation. Clitoride excisa libido diminuitur et cohabitandi cupiditas 
retinetur. Dies hat, wie auch aus den Enthaltsamkeits Vorschriften der Masai 
während Schwangerschaft und Säugezeit hervorgeht, nach Ansicht der Leute 
einen grossen Nutzen für das werdende und säugende Kind. 

Wie wir wissen, kennt die Bibel keine Beschneidung der Mädchen. Dass 
eine solche aber schon zur ältesten biblischen Zeit in Aegypten üblich war, 
lehrt der 15. der britischen Papyri, in welchen von der Beschneidung des 
Mädchens Tatemi, der Tochter der Nefori aus Memphis, die Rede ist. Auch 
hier wurden die Mädchen im Alter der Pubertät beschnitten.') 

Man hat die Frage aufgeworfen, ob nicht vielleicht die Israeliten die 
Beschneidung von den Aegyptern angenommen haben, und eine dies bejahende 
Vermutung stützt sich auf die biblische Angabe, wonach Abraham unbeschnitten 
nach Aegypten zog, wo er von dem dort fiir die Priester und Krieger bestehenden 
Gesetz der Beschneidung erfahren haben müsse, und ferner auf die Stelle in 
Gen. 17, nach welcher er die Beschneidung an sich und dem Ismael, dem von 
ihm mit der ägyptischen Sklavin Hagar gezeugten Sohn, am selben Tage vor- 
nahm. Wäre Abraham eine historische Persönlichkeit und die mit seinem 
Namen verknüpften Begebenheiten historische Ereignisse, so wäre diese Ver- 
mutung ja nicht ganz unbegründet. Da aber Abraham der Mythe angehört,') 
so ist sie nichts anderes als eine müssige Spekulation, die sich nicht einmal 
darauf zu stützen vermag, dass sie dem Verfasser des biblischen Mythus die 
Absicht, in ihrem Sinne verstanden zu werden, unterschieben könnte. 

Je weiter und tiefer die Ethnologie in die Naturvölker eindringt, um so 
klarer sehen wir einmal, dass der engeren und weiteren Verwandtschaft in der 
Rasse auch eine ebensolche in dem geistigen Leben und seinen Aeusserungen 
entspricht, und ferner, dass diese Völker trotz jahrhundertelanger Nachbarschaft 
mit andern, wenn nicht von diesen gewaltsam gezwungen, keine Tendenz zeigen, 
sich deren ethnographische Grundzüge zu eigen zu machen. Wo es sich daher 
nicht positiv nachweisen lässt, dass ein Volk vom andern eine ins Volksleben 
tief eingreifende Sitte angenommen hat, oder dass diese Sitte in dem sie 
umgebenden Milieu fremd dasteht, wird man fiir die Uebereinstimmung in der 
Ethnographie dieselbe Ursache wie für die Gemeinschaft der Rasse annehmen 
müssen, nämlich die gemeinsame Urheimat, die, wie es bei Naturvölkern noch 

') Ploaa, »Da« Kiod in Brauch ud<1 Sine iler VSlker«. 

*) D. b, der Abraham, welcher nach der GeneBls den Befehl im BeschneiduQK erhält; der 
Figur des biblischen Abraham scheint eben eine rnTthische und eine liiitorische Person zu Gnmde 

Merkst, Muii. 21 



ayCiÜOglc 



— 322 — 

am deutlichstea erkennbar ist, nicht nur die somatischen Merkmale, sondetii 
auch die Psyche des Volkes geprägt hat. 

Wie steht es nun mit der Rassenverwandtscbaft der ältesten Völker, von 
denen wir wissen, dass sie die Beschneidung ausgeübt habend Es steht fest, 
dass auch die den Israeliten verwandten Volksstämme, die Amoniter, Edomitcr 
und Moabiter, wie die Araberstämme des nördlichen Teils der Halbinsel die 
Sitte der Beschneidung beobachteten.') Weiter wissen wir, dass die Aegypter 
und Babylonier die Beschneidung ausübten, und schliesslich wissen wir nun 
auch, dass alle diese Völker entweder reine Semiten waren oder doch in ihnen 
das semitische Element sehr stark vorherrschte. 

Nun soll aber hiermit keineswegs gesa^ sein, dass die Beschneidung 
ursprünglich allen Semiten') und nur ihnen eigen gewesen wäre; im Gegenteil, 
es erscheint töricht, die Frage nach Zeit und Ort der Entstehung dieser Sitte, 
die auch bei so vielen nichtsemitischen Völkern besteht, beantworten zu wollen. 
Am wahrscheinlichsten dürfte es wohl sein, dass die Beschneidung aus einer 
Zeit stammt, deren Geschichte wir aus den Funden von Knochenresten usw. 
zusammenzuflicken versuchen. Wenn man nach dem altisraelitischen Gebot, 
wonach die Beschneidung mit einem Steinmesser ausgeführt werden soll, auf 
ihre Entstehung in der Steinzeit schliessen dürfte, so könnte man nach dem 
Verbot, welches den Gebrauch des Rohrsplitters dazu verwirft, eine noch ältere 
Zeit vermuten. 

Anders verhält es sich mit der Frage, ob es vielleicht den Semiten all- 
gemein eigen gewesen ist, die Beschneidung auf einen göttlichen Befehl zurück- 
zuführen. Dass sie die Israeliten darauf zurückführten, wissen wir aus der 
Bibel. Auf eine ähnliche Anschauung bei den Aegyptern deutet das Gesetz, 
wonach Unbeschnittene nicht in die Geheimnisse des Tempels und der Wissen- 
schaft eingeweiht werden durften. Wie die Babylonier über diesen Punkt 
dachten, ist mir unbekannt Die muhammedanischen und christlichen Völker- 
schaften können aus naheliegenden Gründen fiir die Beantwortung der vor- 
liegenden Frage nicht in Betracht kommen. Es bleiben daher nur die inner- 
afrikanischen Völker, welche von Islam und Christentum noch unbeeinflusst 
sind. Unter diesen fand ich nun sowohl bei den Masai wie auch bei dem 
Semitenvolk der Tatoga und den Semito- Nigritiern der Landschaft Iraku den 
Glauben, dass die Beschneidung den Menschen von Gott befohlen worden sei. 

Hervorzuheben ist schliesslich noch, dass auch die Tradition der Masai den 
Gebrauch des Rohrsplitterä (os saAgasch) zur Operation am menschlichen Körper 
in ältester Vorzeit kennt. Als der Engel Ol dirima den Masai die zehn Gebote 
überbrachte, erwähnte er im (S.) Gebot den Gebrauch des os sangasch-Splitters 

') Nach Ploss, »Das Kind in Brauch und Sitte der Völker«. 

^ So (aml Icfa I. B., dags ein (ieschleclit der schon öfter in diesen Zeilen erwäbotcn Tato^ 
die Beachneidunc nicht aiiiUbt. Ausgerdom wiesen wir, dais in Ae(^pten das gemeine Volk nicht 
beschiiilten wurde. 



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- 323 — 

zur Durchschneidung der Nabelschnur. Später verbietet Gott den Masai die 
Verwendung desselben, denn ein Verbot ist es, wenn er beßchlt, dass von nun 
an das ol tnoronja zum gleichen Zweck zu gebrauchen sei. Wir finden demnach 
hier eine weitere Parallele zwischen der israelitischen Tradition und der Ueber- 
lieferung der Masai, denn da sich das gesamte israelitische Gesetz aus Befehlen 
und Verboten Gottes zusammensetzt, dürfen wir wohl annehmen, dass dem 
traditionellen Verbot des Rohrsplitters in der Mythe eine göttliche Willens- 
äusserung zu Grunde gelegen hat. 

Die Benennung Gottes. 
Eine weitere Uebercinstimmung in den Traditionen der Masai und Israeliten 
finden wir darin, dass Gott in der Zeit vor der Gesetzgebung, deren Epoche in 
der Bibel durch Anfang und Ende des Wirkens Mosis begrenzt wird, einen 
andern Namen als nachher führt und dass bei beiden Völkern die Tatsache des 
Na mens wechseis durch ein götthches Wort gerade aus jener Epoche überliefert 
wird. 2. Mos. 6, 2 und 3, berichtet: >Da redete Gott mit Mose und sprach zu 
ihm: Ich bin Jahwe. Ich bin einst als El Schaddaj ') Abraham, Isaak und Jakob 
erschienen; aber unter meinem Namen Jahwe habe ich mich ihnen nicht offen- 
barte*) Und in der Tradition der Masai spricht der Engel Ol dirima auf Gottes 
Befehl im ersten der zehn Gebote: >Es g^ibt nur einen Gott. Er hat mich 
hierher gesandt. Ihr nanntet ihn bisher E'majan*) oder E'magelani ; *) von nun 
an sollt ihr ihn 'Ng at nennen.« Besonders zu beachten ist noch, dass die 
Bedeutung der Namen El Schaddaj und E'magelani die gleiche ist: der All- 
mächtige, und dass ferner E'majan der Vergebende, der Verzeihende heisst, ein 
Epitheton, welches in der Bibel Gott Öfter beigelegt wird, z. B. 2. Mos. 34, 6, 
wo Jahve dem Moses zuruft: >Jahve, Jahve, ein barmherziger und gnädiger 
Gott, langmütig und reich an Huld und Treue, Huld bewahrend Tausenden, 
vergebend Verschuldung und Missetat und Sünde usw.< 

Die feurige Schlange. 

Die feurige Schlange zur Zeit des 'El gowai kann man auf den ersten 
Blick als eine Wiederholung der versuchenden Schlange im Paradies auffassen. 

Zeitlich fällt die Erzählung aber mit derjenigen von den feurigen Schlangen 
und dem ehernen Schlangenbild in 4. Mos, 21 zusammen, denn beide liegen in 
der Epoche der Gesetzgebung, Für die Beurteilung der letzteren Erzählung 
ist nun zu berücksichtigen, dass das eherne Schlangenbild nach 2. Kön. 18, 4, 
wonach es der König Hiskija etwa um dai Jahr 700 v. Chr. zertrümmerte, 

') d. h. der Allmüchligc. 

'; Nach der Bibel von Kautisrii. 

*) ^ Der Vergebend«?, der \'orieiheDde. 

*; = Der AUmächlLRc 



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— 324 — 

geschichtlich sein dürfte, und dass es vermutlich sein Vorbild in dem ^ypti- 
schen Schlangei^ott Serapis hat, dem dort, wie hier der ehernen Schlange, 
eine Heilung bringende Kraft zugeschrieben wird. Wir hätten demnach in 

4. Mos. 21 eine Verbindung von Geschichte und Mythus, denn diesem gehören 
die feurigen Schlangen ihrem Wesen nach an. Welches das Leitmotiv für die 
Zusammenziehung war, ob ihr Überhaupt ein tieferer Gedanke zu Grunde lag, 
oder ob nicht nur äusserliche Umstände sie veranlasst haben, wie dies in der 
Erzählung, wonach der Viehzüchter Jakob den Jäger Esau um das Recht der 
Erstgeburt betrügt, der Fall zu sein scheint, kann hier nicht untersucht werden. 
Dagegen ist hervorzuheben, dass der Charakter der feurigen Schlange in der 
Ueberlieferung der Masai geeignet sein dürfte, das Entstehen der fraglichen 
Kombination zu begünstigen. 

Das ganze Bild aus der Tradition der Masai dürfte aber auch so wie es 
ist und an der Stelle, wo es steht, in die der Israeliten hineinpassen, und zwar 
als Veranlassung zu den Worten des 1. Gebotes: »Ich bin Jahve, dein Gott... 
Nicht sollen dir sein andere Götter neben mir<, wie es auch als solche zu dem 
1. Gebot der Masai angesehen werden muss. 

Die zehn Gebote. 

Eine Fülle von Uebereinstimmungen finden wir im Gesetz beider Völker, 
sowohl in der Art, wie es den Menschen von Gott gegeben wird, in den die 
Uebei^abe des Gesetzes begleitenden äusseren Umständen, wie in der äusseren 
Form, die es in zehn Abschnitte einteilt, und schliesslich auch im Inhalt 

Das I. Gebot der Masai deckt sich mit dem ersten biblischen in 2. Mos. 
20, 2 — 4: »Ich bin Jahve. dein Gott . . ,, nicht sollen dir sein andere Götter 
neben mir. Du sollst dir kein Gottesbild machen ...» 

Das 2, Gebot finden wir In 2. Mos. 20, 13: »Du sollst nicht töten.« 

Das 3. Gebot bringt der 17. Vers desselben Kapitels in spezialisierter Form: 
»Da sollst nicht begehren das Haus deines Nächsten; du sollst nicht begehren 
das Weib deines Nächsten und seinen Knecht und seine Magd und seinen 
Ochsen und seinen Esel und was irgend deines Nächsten ist.« 

Das 4. Gebot führt Zank und Streit auf Trunkenheit zurück, ebenso wie 
in 5. Mos. 21 ein störrischer und widerspenstiger Sohn ein Schlemmer und 
Säufer genannt wird, der gesteinigt werden soll. 

Das 5. Gebot entspricht dem in 2. Mos. 20, 14 gegebenen: »Du sollst 
nicht ehebrechen.« 

Das 6. Gebot verlangt Wohltun und das Geben von Almosen wie das 
israelitische Gesetz in 5. Mos. 15. 

Entsprechend dem 7. Gebot finden wir auch im Alten Testament fort- 
während den Gedanken, dass nur einer über das Volk herrschen soll, und wie 
denn Gott den Kidofioi als ersten ol oiboni einsetzt, so steht es auch nach 

5. Mos, 17, 15 Jahve zu, den König zu erwählen. 



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~ 32s — 

In dem Schafbock, der nach dem 8. Gebot am Tage, an dem die 
Wöchnerin zum ersten Male nach der Niederkunft ihren Kopf rasiert, geschlachtet 
werden soll, darf man wohl das Lamm des Reinigungsopfers nach 3. Mos. 12 
erkennen. — Dass das israelitische Gesetz das Gebot der Einehe nicht kennt, 
erscheint nicht wunderbar, da nach der Tradition der Masai dies Gebot nur 
kurze Zeit bestand und bereits lange vor der Zeit des Marumi — Moses 
weder aufgehoben wurde. 

Das g. Gebot, welches das Toten der Zuchttiere verbietet, ist lediglich für 
ein von der Viehzucht lebendes Volk geschaßen. Es erscheint daher natürlich, 
dass wir kein entsprechendes Gebot im israelitischen Gesetz finden, denn dieses 
ist nach der Sesshaftwerdung der Israeliten modifiziert worden. 

Die spätere Veränderung zeigt auch ein Vergleich des 10. Gebotes mit 
der Bibel. Dort werden nur zwei Feste als alljährlich zu feiern angeordnet, im 
Gegensatz zu den über 70 Festtagen, an denen den Israeliten jede Arbeit 
untersagt war. So viele Tage kann wohl der Ackerbauer (im Orient) feiern, 
aber nicht der Viehzüchter, denn das Vieh muss täglich zur Weide und Tränke 
gebracht werden, einen gereinigten Stand bekommen, gemolken werden usw., 
kurzum, es erheischt jeden Tag die gleiche Arbeit Das weiterhin in diesem 
Gebot befohlene Opfer scheint seinem Wesen nach das Vorbild des Sühnungs- 
tages {3. Mos. 16, 39) zu sein, der auch, wie jenes, im 7. Monat des Jahres zu 
feiern ist. 

Es erübrigt noch, die äusseren Umstände, welche die Gesetzgebung nach 
der Tradition der Masai und nach dem 19. Kapitel des 2. Buchs Mosis be- 
gleiten, kurz zu betrachten. In beiden Ueberlieferungen ist ein Berg der Ort 
der Gesetzgebung. Auf diesem Berg erscheint der Verkünder des Gesetzes, 
verheisst das Gesetz und gibt denen, die es empfangen sollen, eine Vorberei- 
tungszeit. Die Masaitradition besagt, dass sich die Aeltesten am folgenden 
Tag versammeln mussten, die biblische Ueberlieferung setzt den dritten Tag 
für die Verkündung fest Hier ist der Verkünder Gott selbst, dessen Erscheinen, 
wie sonst auch bei den Masai, in einer dichten Wolke {Vers 9) und in Feuer 
und Rauch (Vers 18) erfolgt. Den Masai verkündet nicht Gott, sondern sein 
Gesandter, der Engel Ol dirima, die >zehn Dinge«. Wie hier nur die Aeltesten 
auf den Betg steigen durften, so darf nach den Versen 12 und 13 das gemeine 
Volk sich dem Berg nicht nahen, ihn nicht berühren. 

Trotz der bestehenden Verschiedenheiten lässt sich aus den Ueberein- 
stimmungen doch zweifellos erkennen, dass die israelitische Tradition niemals 
eine Gesetzgebung und eine Gesetzesänderung als zwei besondere, von be- 
stimmten Ereignissen begleitete Begebenheiten unterschieden hat, wie man es 
aus der so sehr späten Zeit, in welche die Bibel die Sinai-Gesetzgebung verlegt, 
vermuten könnte. Der biblische Autor hat vielmehr nur die infolge der Sess- 
haftmachung, der veränderten Lebensweise und Anschauung nötig gewordenen 
oder modifizierten Gesetze in den traditionellen Rahmen der uralten Gesetz- 



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gebung eingefügt, unter gleichzeitiger Weglassung der aus demselben Grund 
verlorenen oder der infolge ihrer geschmälerten Bedeutung aus dem bevor- 
zugten Platz verdrängten Gebote. 

Einige weitere Berührungspunkte. 

In einer mythischen Erzählung begründen die Masai, weshalb die Hunde 
als unrein gelten und nur von ekelhafter Nahrung leben; Gott selbst hat sie 
dazu verdammt. 

Mit Rucksicht hierauf erscheint es bemerkenswert, dass die Verfasser der 
Jahve- und El oh im -Schrift, also gerade der wahrscheinlich ältesten Quellen- 
schriften des Pentateuch, Gott Aeusserungen in den Mund legen, wodurch die 
Hunde als ekelhafte Tiere hingestellt werden. So berichtet der Jahvist in 
2. Mos. II, 7: Und Jahve sprach zu Mose: . . . »Aber gegen alle Kinder 
Israel wird kein Hund seine Zunge spitzen, vom Menschen bis zum Vieh, auf 
dass ihr erkennet, dass Jahve einen Unterschied macht zwischen Aegypten und 
Israel.« Und die Elohimschrift besagt 2. Mos. 22, 30: >Und heilige Leute sollt 
ihr mir sein, und sollt P'Ieisch von auf dem Felde Zerrissenem nicht essen; 
dem Hunde sollt ihrs vorwerfen.» 



Wie 'Ng ai die Masai, welche seine Befehle übertreten, durch Seuchen 
bestraft, so ist es auch Jahves Art, Plagen zu schicken, wenn die Menschen 
anders sich seinem Willen nicht Tügen wollen und wider ihn murren. Aus der 
Zeit vor der Gesetzgebung kennen wir die zehn Plagen, durch die Jahve die 
Aegypter zwingt, die Israeliten fortziehen zu lassen. Dann später wendet sich 
der Zorn Gottes gegen Israel. 4. Mos. 1 1 berichtet von einer Feuersbrunst im 
Lager am Orte Tabera, sowie einer grossen Niederlage unter dem Volk in 
Kibroth Hatthaawa, dem Ort der Gräber des Gelüstes; nach 4. Mos. 12 bestraft 
Jahve die Mirjam mit Aussatz; im 14. Kapitel desselben Buches wird das 
lästernde Volk mit Pest bedroht und dann mit einer Verlängerung des Aufent- 
halts in der Wüste bestraft, damit niemand der Lästerer in das verheissene 
Land gelange; im 16. Kapitel vernichtet Jahve die aufrührerische Rotte Korah 
mit Feuer. 

Wie bei den Israeliten, so fällt auch bei den Masai die Reihe der als 
Strafe gesandten Plagen ii» die Zeit nach dem Empfang der zehn Gebote. 

In beiden Traditionen finden wir ferner das Bild der Himmelsleiter. Nach 
der Ueberlieferung der Masai bediente sich 'Ng ai ihrer, um vom Himmel herab 
auf die Erde, in das Paradies zu dem ersten Menschenpaar zu gelangen. In 
der Genesis berichtet die Elohimschrift in Kapitel 28, Vers 12 vom Traume 
Jakobs: »Und er träumte, und siehe, eine Leiter war auf die Erde gestellt und 
ihre Spitze reichte an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen hinauf 
und hernieder auf ihr.t 



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— 327 — 

In beiden Traditionen hat das erste Menschenpaar drei Kinder, und zwar 
drei Söhne, von denen der eine — in der Bibel Kain, hier Sisia — im Gegen- 
satz zu den andern sich durch einen schlechten Charakter auszeichnet. Er ver- 
lässt das Land, in dem seine Angehörigen wohnen, und zieht zu einem acker- 
bautreibenden Stamm. Dass letzteres auch für Kain gilt, lehren die Worte in 
Gen. 4, »und Kain ward ein Ackerbauer«, und dann >und er baute eine Stadt.* 
Dort bei den als minderwertig geachteten Ackerbauern siedelt er sich an und 
wird zum Stammvater der verpönten Schmiede. So berichtet die Ueberlieferung 
beider Völker, dass das Schmiedehandwerk nicht im eigenen Volke entstand, 
sondern durch einen missratenen und abtrünnigen Volksgenossen von den gott- 
losen Heiden zu ihnen gebracht wurde. Es ist dies ein weiterer Beweis dafür, 
dass auch bei den Israeliten der Urzeit die Schmiede eine tiefe soziale Stellung 
einnahmen. 

Die Namen des zweiten Sohnes — in der Bibel Habel, bei den Masai 
Nabe — sind lautlich so ähnlich, dass wir, besonders im Hinblick auf das Ge- 
samtbild der besprochenen Uebereinstimmungen, nicht umhin können, sie im 
Ursprung als identisch aufzufassen. Dass auch hier der Bericht der Masai die 
ältere Fassung gibt, bedarf keines weiteren Beweises. Dagegen zeigt sich die 
spätere Veränderung des biblischen Namens in setner Bedeutung Hauch, denn 
diese hängt eng mit dem erst in jüngerer Zeit entstandenen Mythus, der den 
Kain als den ersten Mörder bezeichnet, zusammen. 

Was die Reihenfolge der drei Söhne betrifft, so scheint mir hier nicht 
nur das oben über die Kinder Eramram-Amrams Gesagte zu gelten, sondern 
es ist auch zu berücksichtigen, dass es den Anschauungen eines Naturvolkes 
nicht entspricht, wenn der älteste Sohn und Erbe aus der Heimat wandert und 
den väterlichen Besitz im Stich tässt. 



UL 

Die Maaal und die ältesten Ebräcr cntstammeD demselben Volk. — Die Spallune in der Urheimat. 

— Die Amerol. — Die Kl eberet. — Die Kl eberot = Ebräor. — Ihre NachbarBohaft mit den El dlnet, 
die den Gott JaQ und dai Verbot dei Blulgenuiiea kennen. — Die Amerol dUiften die Amorlter sein, 

— Die biblltchcD Mi-then der Urteil stammeD vom Volk der Aitial 'und dürften durcli die EI eberel- 
Ebräer m den Iiraeliten, durch die Amorlter Dach Kanaan und vod dort nach Babel gekommeD «ein. 

Recht und Sitten können wohl nur eine relativ geringe Handhabe für den 
Nachweis der ursprünglichen Zusammengehörigkeit der Masai und Israeliten 
geben, denn letztere waren zu der Zeit, aus welcher die ältesten Nachrichten 
über sie stammen, al.so im zehnten Jahrhundert vor Christo, während welchem 
die jahvistische Quellenschrift des Pentateuch entstand, bereits ziemlich weit in 
der Kultur fortgeschritten, und zwar in einer ihnen ursprünglich ganz fremden 
Richtung. Aus wilden Nomaden hatten sich damals schon Städtebewohner eines 
geordneten Staatswesens herausgebildet. Umgekehrt dürften aber auch die 



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— 328 — 

Masai im Laufe der Jahrtausende von den zahlreichen Völkern, mit denen sie 
in Berührung kamen, nicht ganz unbeeinflusst geblieben sein, wobei allerdings 
zu berücksichtigen ist, dass die weitaus meisten dieser Völker selbst Semiten 
bezw. Nigrito-Semiten waren und sind. Die Unterschiede, weiche wir in den 
Sitten und im Recht bei beiden Völkern finden, werden daher nicht allzusehr 
in den Vordergrund gestellt werden dürfen. 

Anders liegt es mit der Urgeschichte, der religiösen Urtradition und altem, 
was man unter der Bezeichnung Religion zusammenfasst; denn diese drei Dinge 
bilden ein so_ fest gefügtes homogenes Ganzes, dass fremde Elemente immer 
fremd darin stehen bleiben müssen. Da wir nun gerade hierin eine vollständige 
Uebereinstimmung zwischen den Masai und den Israeliten finden, und auch bei 
den bereits ansässigen Israeliten noch die in ihrer Urgeschichte bezw. ihrer 
religiösen Urtradition begründeten Sitten erhalten sehen, so ergibt sich mit 
zwingender Notwendigkeit die Schlussfolgerung, dass es einmal eine Zeit gegeben 
haben muss, in welcher die beiden Völker ein Volk waren. 

Ueber die Art und Weise, wie die Spaltung in zwei Völker vor sich gii^, 
berichtet die Ueberlieferung der Masai, die wir wegen ihrer natürlichen Ein- 
fachheit und mit Rücksicht auf die wunderbar wort- und sinngetreue Erhaltung 
der andern Traditionen aus der Urzeit wohl als durchaus glaubhaft, der Wahr- 
heit entsprechend ansehen dürfen. 

Danach war infolge von Seuchen und Dürre ein Teil der Masai ziemlich 
vieharm geworden, viele Leute hatten sogar all ihr Vieh verloren und lebten 
als Jäger. Diese Verarmten, welche man 'L amerak oder Ameroi nannte, 
mussten einen Teil ihres Lebensunterhalts durch Einkauf von vegetabilen Lebens- 
mitteln bei benachbarten Ackerbauern decken. Sie wurden so von diesen ab- 
hangig und konnten ihre Wohnsitze kaum weiter als einige Tagemärsche von 
jenen wählen, während die noch wohlhabenden Masai ihrer alten Gewohnheit 
gemäss mit ihren Herden von Weideplatz zu Weideplatz weiterwanderten. Diese 
blieben Viehnomaden, während die andern allmählich zu Ackerbauern werden 
mussten. Die gedachte Abhängigkeit des Nomaden vom Ackerbauer kann im 
natürlichen Verlauf der Dinge immer nur ein vorübergehender Zustand sein 
und muss notwendig dazu führen, dass erstcrer den Ackerbau erlernt, denn die 
selbständige Produktion seines Lebensunterhalts ist die Grundbedingung für 
sein Fortbestehen. Die Weiterentwicklung bedinget nun aber durchaus nicht 
eine sofortige und dauernde Sesshaftwerdung. Diese setzt vielmehr einmal eine 
solche Lebensenergie voraus, wie sie ein durch Armut und Not aus seinen 
bisherigen Verhältnissen herausgerissenes Volk nicht mehr besitzt, und dann 
auch einen nur im Laufe langer Zeiträume durch das allmähliche Einleben in 
neue Interessen und Anschauungen entstehenden inneren Drang zur Sesshaft- 
werdung, der den angeborenen, ererbten Hang zum Nomadentum besiegt. So 
durchlebt ein seiner Herden beraubtes Nomadenvolk ein langes Stadium, wahrend 
dessen es die Bebauung des Bodens langsam erlernt und die gewohnte und 



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— 329 — 

unentbehrliche Fleischkost durch die J^d zu gewinnen sucht. Die dem freien 
Nomaden innewohnende Kriegs- und Raublust, deren Ziel, der Krieg, för ihn 
durch die dabei erbeuteten Viehherden eine wirtschaftliche Hilfsquelle bildet, 
ist ein Moment, welches die Erreichung der dauernden Sesshaftwerdung ver- 
zögert. Denn einmal sind Raufbolde unbequeme Nachbarn, die man gern 
weiter fortdrängt, und dann verlängert die Beute an Vieh das Zwitterdasein des 
gewesenen Herdennomaden. Die Ergiebigkeit der Jagd ist ein anderes Moment 
derselben Wirkung, welche noch eine Steigerung erfahrt, wenn der Jäger das 
Handwerk zu einer Zeit erlernte, in der er sich unter Anlehnung an begüterte 
Volksgenossen als ihr Begleiter zum Jagdnomaden ausbilden konnte. 

Nun erzählt die Ueberlieferung der Masai, dass mit oder besser neben und 
im Anschluss an die Ameroi Volksgenossen lebten, welche schon früher und 
gründlicher als jene verarmt waren und bereits gelernt hatten, die ihnen er- 
sehnte Fleischnahrung auf dem Pirschgang zu erwerben. Wir werden daher 
erwarten dürfen, dass diese erst viel später als jene sesshaft werden konnten 
und dass ihre Etablierung als Ackerbauer damals noch in weiter Ferne lag. 
Unter ihnen nennt die Tradition nun einen einflussreichen Mann, Namens Ol 
eberet. In ihm glaube ich den in i. Moses lO, 21 fT. genannten Stammvater 
der Israeliten, Eber, und in dem nach ihm genannten Geschlecht, den El eberet, 
die Ebräer erkennen zu dürfen. Ich vermute dies nicht nur wegen der laut- 
lichen Aehnlichkeit der Namen, sondern noch aus weiteren zwei Gründen. 

Ol eberet wurde der Begründer des nach ihm genannten Geschlechts der 
El eberet, die bereits damals durch ihre äussere Lebenshaltung von den Ameroi 
geschieden waren und sich bei ihrer Fortentwicklung noch weiter scheiden 
mussten. Hierdurch wird es höchst wahrscheinlich, dass nach der Abwanderung 
der Masai die Bedeutung des Namens, als desjenigen eines von vielen Ge- 
schlechtem eines Volkes, zurücktrat und sich zum Begriff eines Volksnamens 
herausbildete. 

Weiter berichtet die Ueberlieferung der Masai, dass ihre Trennung von 
den zurückbleibenden Ameroi und El eberet zur Zeit, als der Sohn des Ol eberet, 
Ger4ua, lebte, stattfand, und der biblische Bericht in l. Moses 10, 25 erzählt, 
dass zur Zeit Pelegs, des Sohnes Ebers die Erde zerteilt wurde, was aus der 
biblischen Sprache übersetzt und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass 
sich die Israeliten für das auserwählte Volk hielten, neben dem die andern 
Völker minderwertige, verächtliche Heiden waren, nichts anderes heissen dürfte 
als: zu jener Zeit trat im Gesichtskreis der Ebräer unter den ihnen nahe 
stehenden Völkern eine für das Ebräervolk nicht bedeutungslose lokale Ver- 
schiebung ein. 

Ich glaube demnach annehmen zu dürfen, dass den Amai der Urzeit, als 
deren direkte Nachkommen sich die heutigen Masai betrachten, auch der älteste 
nachweisbare Bestandteil der Israeliten angehört, der als Volk der Ebräer 
ursprünglich mit dem Geschlecht der El eberet identisch war. 



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— 330 — 

Ueber das weitere Schicksal der El eberet-Ebräer berichtet die Ueber- 
lieferung der Masai, dass sie besonders Anlehnung an das ackerbautreibende 
Volk der El dinet') fanden und in dessen Nähe wohnten. Es ist hieraus mit 
grosser Wahrscheinlichkeit 7u folgern, dass sie von diesen einige Sitten an- 
nahmen, und diese Vermutung scheint die im Sinne der Identität der E! ebcret 
und Ebräer auch zu bestätigen 

Wie die El dinet kein Blut genossen und vor dem Zerteilen das Schlacht- 
tier aus den geöffneten Halsschlagadern ausbluten liessen, so war es nach dem 
jahvistischen Bericht in i. Moses 9, 4 den Israeliten verboten, blutiges Fleisch 
zu essen, ein Gesetz, welches später bekanntlich zum Schächtritual ausgestaltet 
wurde. Dass das Verbot des Blutgenusses erst durch den Einfluss eines acker- 
bautreibenden Volkes zu den Ebräern gekommen sein kann, lehrt die Tatsache, 
dass den Herdennomaden das Blut ihres Viehes ein wertvolles Nahrungsmittel 
ist, welches entweder allein oder als Zutat zu andern Speisen mit Vorliebe ge- 
nossen wird. 

Eine weitere Beeinflussung finden wir in dem israelitischen Gottesnamen 
jahveh, der aus dem 'n jau der El dinet entstanden sein dürfte. Wie bereits 
bekannt, ist jau auch die assyrische Form für jahveh, so dass vrir hierin einen 
weiteren Beweis für die Zuverlässigkeit der mündlichen Tradition der Masai vor 
uns haben. Zur Etymologie des Wortes jau ist zu sagen, dass nach den An- 
gaben der Masai ihre alte Sprache das Wort hau = gross kannte, wie es sich 
auch noch heute in der Tatogasprache als 'hau vorfindet. Es wird dadurch 



') Die Maiai enählen, die E[ eberel halten zur jCeil, als »ie selbst abwanderteD, dem Volk 
der Kl dinel beaachbart gewohnt. Wir liönen weiter, Jais die Kl dinci der UeberliefenuiK gemäs* 
»ich der Geler oder Adler ^wlssermassen ruia VorpostendienK. lur Sicherung gegen feiodUche 
UeberßUle bedicDtcD. Ich habe diea Im vorigen Kapitel — in einer FuBsnotc — io VerbiDdunK ^< 
bracht mit dem Adlerwappen der Hethiter, b^s iiii hier Dicht der Ort, nach dem Weg zu suchen, 
der von jener Nulibarmaclmng des Geiers oder AiUer« bis lu seiner Verwendung al« Wappentier 
fahrte. Der Vmaland. dass die MaaailraditioD uds jenes Faktum Oberlieferl, zeigt ichon deutlich. 
da»s e« sich hier um eine Merkwürdigkeit der Kl dinet handelt, und zwar der Natur der Sache nach 
vielleicht um die aufiaüendsle dieses Volkes. Ich meine, dass dieser UiDstand sehr wohl die Ver- 
anlassung dazu gewesen sein könnte, das Ililil ilei Geiers oder Adlers, voUslündig oder teilweise, in 
iler Bilderschrift als Zeichen fUr den Xamen dei Landes oder iles Volkes der El dinet zu verwenden. 
Als Parallele zu dem iriedlich oachbarlichen Verkehr, in dem nach der Tradition der Masai die 
El eberet za den El dinet slamien. wäre, im Sinne der Deutung El dinet = Hethiter, der Bericht in 
Genesis 23 aufzufassen, in dem erzählt wird, wie Abraham einen Becrlibnisplati für die Sar^ Idi 
I.ande der Hethiter, zu denen er In freundschaftlichen Beziehungen steht, erwirbt, und welter die 
Stelle Genesis id. 34, welche berichtet, dass Esau. Abrahams Enkel, zwei Hethiterinnen. Judith und 
Basmath, heiratete. — Diese Zeugnisse scheinen mir deshalb von so besonderer Bedeutung, weil sie 
sich auf jene älteste Zelt beziehen, zu welcher die Ebriier noch kulturarme Nomaden waren, ^laa 
mag Über den lilstorisrhen Wert dieser Stelle denken, wie man will, eins wird man unter ollen Um- 
ständen festhalten dDrfen: nämlich, dass diesen Berichten die Krinnening an eine — und zwar nichl 
c(wa kurze, sondern l.^^er währende — entere Berilbrun); der Ebräer mit den Hethitern cn Grunde 
liegt, die stattgehabt hat in einer Zeit, die etwa jm ersten Anfang der ebräischeo Geschichte Uem. 
in jener Epoche, in der die ersten historischen Momente wie Inseln aus ilem Meer der Mjthen 
empörst ieKen. 



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— 331 — 

wahrscheinlich, dass der Stamm dieses Wortes der semitischen Ursprache an- 
gehört und darin die Bedeutung »gross» hat, so dass der Gottesname 'n jau in 
seiner femininen Form mit >die Grosse« zu übersetzen wäre. 

Wenden wir uns nun zu dem andern in der Urheimat zurückgeMiebenen 
Teil des Masaivolkes, den Amerot oder Amöroi. Dass auch die Bibel von ihnen 
Kunde gibt, werden wir nach dem bisher Gerundenen von vornherein als wahr- 
scheinlich annehmen können. Dafür, dass wir in ihnen die Amoriter der Bibel 
wiedererkennen dürfen, scheint mir folgendes zu sprechen: 

Zunächst besteht eine Lautähnlichkeit zwischen den Namen beider. Die 
Möglichkeit der Identität beider Volksnamen wird verstärkt durch die keil- 
schriftliche Bezeichnung für das Amoritervolk. In den Ominatafeln, die aus der 
Zeit um 3000 v. Chr. stammen, werden die Landstriche Syriens und Palästinas 
Amurrü genannt, und die Briefe Hammurabis lehren, da^s mit diesem Wort 
ursprünglich ein Volk bezeichnet wurde, und zwar das, welches die Assyriologie 
bereits sicher als das Amoritervolk erkannt hat 

Weiter berichtet die Bibel in l. Moses [4, 13, das> Abraham mit den 
Häuptlingen der Amoriter ein Kri^sbündnis geschlossen hatte. Man beachte 
wohl: der bei Ur in Chaldäa als Herdennomade »beheimatete« Abraham schloss 
auf einer seiner Wanderungen mit den rund 1000 km entfernt in Palästina an- 
sässigen Amoritern ein Bündnis. Zunächst setzt ein solcher Bund die Gemein- 
samkeit gleicher oder ähnlicher Interessen voraus. Nun ist Abraham aber noch 
Nomade, die Amoriter dagegen sind bereits ansässig {schon oben wurde ver- 
mutet, dass die Ameroi vor den El eberet sesshaft werden mussten). Dasselbe 
Verhältnis haben wir noch heute bei ansässigen Wakuafi und nomadisierenden 
Masai; trotz der Verschiedenheit ihrer Lebenshaltung besteht eine enge Inter- 
essengemeinschaft, denn der ansässig gewordene Masai hat ebenso wie der 
nomadisierende keine andere Sorge, als die um Erhaltung oder richtiger Ver- 
mehrung seines Viehbesitzes, weichem Ziel eben gerade der Krieg dient. Die 
Feldarbeit kümmert ihn nicht, sondern ist Sache der Weiber, und zwar in erster 
Linie solcher, die er hierzu von ackerbautreibenden Stämmen im Krieg erbeutete. 

Weiter dürfen wir aber auch aus dem Bestehen des Bündnisses bei der 
national-exklusiven Stellung des Volkes Israel unbedenklich auf eine, wenn auch 
äusserlich gelockerte, so doch im Empfinden beider Parteien noch bestehende, 
nationale Gemeinschaft schliessen. Dem Charakter des Masaivolkes würde es 
direkt widerstreben, irgend ein — ernst gemeintes — Bündnis mit einem zu 
den El meg gehörigen Volk einzugehen. Für die in späterer Zeit von den 
Israeliten mit .indem Völkern geschlossenen Bündnisse braucht das, was hier 
für die zur Zeit Abrahams noch im Zustand wilden kriegerischen Nomadentums 
Lebenden bestimmend war, nicht mehr zu gelten. 

Leider weiss die orientalische Forschung über die Amoriter noch so gut 
wie nichts oder wenigstens nicht viel mehr. Wir wissen nicht, welche somatisch 
verschieden gearteten Völkerschaften bei der Bildung des historischen Amoriter- 



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— 332 ~ 

Volkes beteiligt waren, und wir kennen weder dessen Ethnographie noch die 
Sitten und Gebräuche, welche jenen vor ihrer Verschmelzung eigen waren. Erst 
wenn die Forschung darüber Licht gebracht haben wird, werden wir genaueres 
wissen, vorläufig können wir nur vermuten. Meine Vermutung in dieser Frage 
geht nun dahin, dass die sesshaft werdenden Ameroi zu einem wesentlichen 
Bestandteil der Amoriter, denen sie auch den Namen gaben, geworden sind. 
Ist es nun richtig, dass die Masai, die Ebräer und die Amoriter dem 
Urvolk der Amai in gedachter Weise entstammen, so ergibt sich in Bezug aut 
Ursprung und Wanderung der in Frage kommenden biblischen Mythen fo^ndes: 
Die Mythen entstammen dem Urvolk der Amai, welches sie seinen Nachkommen, 
den heutigen Masai, direkt vererbte. Durch die El eberet- Ebräer, als ältesten 
Bestandteil der Israeliten, kamen sie zu diesen. Die erst in Kanaan ansässig 
gewordenen Ameroi-Amoriter brachten sie später durch ihre Einwanderung nach 
Babylon, wo sich von ihnen das erhielt, was sich in den dort herrschenden 
Astralkult einfügen liess. Diese Annahme dürfte die Form der in Babel auf- 
gefundenen Berichte jener Mythen befriedigend erklären: von den ursprüi^Uchea 
Erzählungen sind die Bilder, die äusseren Formen erhalten, w<^egen der sie 
ursprünglich belebende Geist der 'Ng ai - Jahve • Religion durch den der 
babylonischen Staatsreligion, die sich als ein auf den Schamanismus der Sumerer 
gepfianzter Astralkult darstellt, verdrängt wurde. 



IV. 

Die Zakonft des Malal-Volks. — Abwägung der Wirkimg der TolkserhaltcndeD und volkMentörenden 
Momente. — PolTgamie. — Emähning. — Fruclitbarteit. — ■ KinderalerbllchWeit. — Freie Liebe. — 
On^aniiatioD. — Kriege. — SenchcD. — Nationalttoli. — Zusammenstoss der Kultur der Masai nül 
der der Eotopäer. — Die Unvereinbaikelt beider schädigt die Masai. — Schädliche Folgen der Ver- 
armung. — Schwierigkeit der Sesihaftwerdung. 

Um der Zukunft des Masaivolks eine Prognose zu stellen, erscheint es 
zunächst nötig, die im Volk, in seinem Charakter und seinen Sitten begründeten 
volkserhaltenden und volkazerstörenden Momente abzuwägen und dann die 
Erscheinungen zu betrachten, die sich beim Zusammentreffen der Masai mit 
den Europäern zeigen. Wir haben viele Beispiele davon, dass die Polygamie 
die Zunahme der Bevölkerung nicht in dem Masse fördert, wie es die Mono- 
gamie in der Regel tut Als Grund für diese Erscheinung findet man ein An- 
häufen von Weibern in den Händen der Reichen und als Folge davon Ehe- 
losigkeit aus Mangel an Frauen bei sehr vielen der wenig Bemittelten und bei 
den Armen. Dass unter solchen Verhältnissen die Polygamie sehr viel Frauen 
brach legt, liegt auf der Hand. Anders aber ist es bei dem Masaivolk, denn 
hier ist ein derartiger Ueberschuss an Frauen — vielleicht teilweise wieder als 
Folge der Polygamie — vorhanden, dass kein Mann ehelos bleibt, ja dass der 
Besitz nur einer Frau zu den Ausnahmen gehört. Hand in Hand damit geht 



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— 333 — 

die nicht so ungleiche Verteilung der Güter; arme Leute gibt es praktisch 
kaum. Ein weiterer Grund, welchem bei vielen polygamischen Völkern der 
Rückgang der Bevölkerungszahl zugeschrieben wird, ist der, dass polygamische 
Ehen in der Regel verhältnismässig kinderärmer als monogambche sind. Auch 
dieser Einwurf kommt hier nicht in Betracht, denn wir haben gesehen, dass 
die Fruchtbarkeit der Masaifrauen eine sehr grosse ist. Um die Polygamie der 
Masai aber in ihrer volkswirtschaftlichen Wirkung ganz zu berücksichtigen, 
müssen wir das Milieu, in welchem sie steht, betrachten. Der polygamische 
Haushalt der Masai lässt sich mit einer Aktiengesellschaft vergleichen, welcher 
der dem Hausvater theoretisch allein gehörige Besitz praktisch gehört. Der 
Hausvater ist Hauptaktionär, die übrigen Anteile sind in den Händen seiner 
Frauen, die diese Anteile durch die Geburt eines Sohnes erwerben. Dadurch 
sind die Frauen, denen Wartung und Pflege des Viehs obliegt, in weitgehendster 
Weise an der Erhaltung des Besitzes interessiert. Dies ist das eine, den Wohl- 
stand mit allen seinen Vorteilen für die Volkswirtschaft fördernde Moment der 
Polygamie bei den Masai. Das andere liegt darin, dass die "vielen Frauen dem 
einen Mann mehr Sohne gebären, als eine Frau dies tun könnte. Männliche 
Nachkommen sind hier aber Mehrer des väterlichen Besitzes. Der Knabe 
wächst zum Krieger heran und bringt die Beute der zahlreichen Raubzüge 
seiner Familie, wodurch die Herde nicht nur vermehrt, sondern durch die Zufuhr 
neuen Blutes auch verbessert wird. 

Die Polygamie ist also bei den Masai eine naturgemässe Institution. Ohne 
sie würden grosse Massen von Frauen ihrem natürlichen Beruf entzogen werden, 
ein Zustand, der bei einem Naturvolk unmöglich erscheint. Sie ist femer eine 
Quelle des Wohlstands, der sich bei einem kulturarmen Nomadenvolk nur 
förderlich für die Volkserhaltung äussern kann. Aus ihm folgt in erster Linie 
eine gute Ernährung, die den Körper gegen die Wirkung von Krankheiten 
widerstandsfähig macht. Hiermit stimmen meine Beobachtungen überein, dass 
bei den Masai im allgemeinen unter Erwachsenen weniger Todesfälle infolge 
Krankheit vorkommen, als dies bei den in ihrer Nähe wohnenden Negern der 
Fall ist. Auch schwerere Krankheiten sind bei ihnen seltener als bei jenen 
und verlaufen- leichter. Gesundheitfördernd wirkt zweifellos auch der Umstand, 
dass Fruchtabtreibung von den Frauen nicht geübt wird. Welche Schäden 
diese Unsitte bei Naturvölkern oft herbeiführt, kann man bei den verschiedenen 
Nachbarn der Masai zur Genüge beobachten, wenn es hiervon allerdings auch 
Ausnahmen gibt. So habe ich eine Anzahl von Dschagga-Frauen getroffen, 
welche diese Operation vier bis sechs Mal durchgemacht haben und angeblich 
sowie scheinbar ohne Schaden. 

Der hohen Fruchtbarkeit steht nun allerdings auch eine ziemlich grosse 
Kindersterblichkeit gegenüber, obwohl Kindesmord ganz unbekannt ist. Förderlich 
für das Kind ist es entschieden, dass die Mutter durch Arbeit nicht ausserhalb 
des Kraals gehalten wird, sondern immer in der Nähe des Kindes bleiben kann. 



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— 334 — 

Günstig wirkt auch die lange, ungefähr zweijährige Säugezett. Schädigend für 
die Gesundheit des Kindes sind dagegen die schlechten Hütten, die immer 
dicker Rauch füllt, ferner die mangelnde Reinlichkeit und die unsachgemasse 
Ernährung. Der bei allen afrikanischen Naturvölkern verbreitete Glaube, dass 
Fett Kraft und Gesundheit gebe, führt dazu, dass dem Säugling trotz alles 
Schreiens und Zappeins unglaubliche Mengen von Butter eingestopft werden. 
Soor, sowie Magen- und Darmaffektionen und Erkrankungen der Atmungsoigane 
sind daher auch die hauptsächlichsten Krankheiten, welche die Säuglinge hin- 
raffen. Wenn man die hohe Sterblichkeit unter den Kindern mit der sehr 
geringen in späteren Lebensjahren vergleicht, und wenn man ferner berück- 
sichtigt, dass man bei Musterung der Masaikraale fast nur gesunde, von Kraft 
strotzende Menschen vorfindet, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, 
dass die Behandlung der Kinder, insbesondere der Säuglinge, unbewusst daraufhin 
abzielt, alle schwächlichen Elemente frühzeitig auszumerzen, und nur die kraftigsten, 
die den Anforderungen des Lebens gewachsen sind, dem Volk zu erhalten. 
Von diesem Gesichtspunkt, dem der Zuchtwahl, aus betrachtet, erscheint die 
hohe Kindersterblichkeit weniger verderblich. Ungünstig auf die Volksvcr- 
mehrung wirkt schliesslich das späte Alter, in welchem die Männer die erste 
Ehe eingehen. Bis ungefähr zum achtundzwanzigsten oder dreissigsten Lebens- 
jahr gehört der Masai dem Kriegerstand an, und erst nach Austritt aus dem- 
selben darf er sich verheiraten. Dieser Umstand macht wieder die freie Liebe, 
wie sie in den Kriegerkraalen besteht, zu einer verständlichen, sozialen Institution. 
Man muss diese Einrichtung auf dem Boden, auf welchem sie wächst, beurteilen, 
um objektiv zu bleiben. Von demselben Standpunkt werden wir die bei den 
Verheirateten bestehende freie Liebe, die uns trotz der vielfachen Einschränkungen 
wie eine fortdauernde Prostituierung der Frau erscheint, milder beurteilen müssen. 
Man wird dies um .so mehr tun können, als dadurch hier die gewerbsmäss^e 
Prostitution ausgeschlossen und infolge dessen die Möglichkeit einer Infektion 
äusserst verringert wird, welch letzterer Umstand zweifellos als volkserhaJtend 
anzusehen ist. Tatsächlich behaupten die Masai, dass früher (vor den grossen 
Viehseuchen) Geschlechtskrankheiten nur sehr selten vorkamen. Unsittlichkeit 
gilt mit Recht als ein volkszerstörendes Moment, und die Geschichte lehrt uns 
an vielen Beispielen, wie ausschweifende und rafißnierte Sinnlichkeit einer der 
Gründe wurde, die den Verfall hochstehender Völker verschuldeten. Doch hier 
bei den Masai handelt es sich nicht um diese unnatürliche Art der Unsitthchkeit. 
Ich möchte ihr Verhalten vielmehr tierisch- natürlich nennen und dabei erwähnen, 
dass der auf die Erhaltung seiner Jugend, Schönheit und Körperkraft ausser- 
ordentlich eitle Masai sich im Geschlechtsgenuss eine weise Massigkeit auferlegt 
Ein hervorragendes volkserhaltend Moment ist eine straffe Organisation. 
Sie kann ein kleines Volk einem grösseren, weniger gut organisierten, überlegen 
machen und hat hier den Masai eine Machtstellung über die Neger gegeben. 
Ein gut organisiertes Steppenvolk weidet nirgends auf der Erde seine Lämmlein 



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in stiller Beschaulichkeit. Kriegs- oder Raubsinn zeichnet solche Leute vielmehr 
immer aus. Der Krieg äussert sich hier zunächst schädlich, da er grosse Massen 
von Männern verschlingt. Uass nur die Hälfte der Hinausgezogenen zurück- 
kehrte, ist öfter vorgekommen; ja sie erzählen auch von Zügen, auf denen alle 
Krieger starben. Anfang der neunziger Jahre — um ein Beispiel heraus zu 
greifen — zogen mehrere Tausend Masaikrieger gegen Unyamwesi. Sie hatten 
sich wenige Stunden westlich des Meruberges versammelt und als Wegfiihrer 
einen Unyamwesi- Mann, Namens Dcg^nja, bei sich, der lange unter ihnen gelebt 
hatte. In der Nacht vor dem geplanten Ueberfall verriet ihn Deg^nja seinen 
Landsleuten. Die Masai wurden abgeschlagen und kehrten um. Weit über die 
Hälfte starb unterwegs auf dem zwöH"- bis vierzehmägigen Marsch an Hunger und 
Durst. Solche männermordenden Kriegszüge sind durchaus keine Seltenheiten, 
sie kehren vielmehr in der Geschichte der Masai fortwährend wieder. Ihnen ist 
sicher in allererster Linie der grosse Ueberschuss an Weibern zuzuschreiben. 

Ueber die Schäden, welche Viehseuchen •) dem Masaivolk in der Zeit vor 
der Okkupation des Landes durch Europäer zufügten, verfüge ich über keine 
sicheren, von Europäern oder wir selbst gemachten Beobachtungen. Es können 
solche auch kaum vorhanden sein, denn die Masai waren damals eine gefürchtete 
Macht, der jede Karawane gern aus dem Wege ging. Ich verlasse mich daher 
auf die Mitteilungen von Greisen. Nach ihrer Erinnerung haben die Seuchen 
es nie vermocht, eine wirkliche Hungersnot hervorzurufen. Sobald man den 
Beginn einer Seuche beobachtete, flohen die Masai in wilder Flucht mit den 
Herden, die kranken Tiere unterwegs liegen lassend. Höchstens soll die 
Hälfte der Herde gefallen sein. Wenn man die Grösse der damaligen Herden 
berücksichtigt, versteht man, dass der überlebende Teil immer noch genug 
Milch und Fleisch liefern konnte. Weiter brachten die Kriegszüge bald Ersatz 
für die gefallenen Tiere und wirkten so Wohlstand erhaltend.*) 

Schliesslich war für die Erhaltung des Masaivolkes auch seine tiefe Ver- 
achtung gegen die umwohnenden Negerstämme günstig. Sie erhielt das Volk 
rein von fremden Elementen, die hier nur eine Verschlechterung der Rasse zur 
Folge gehabt haben würden. 

Die Fabel, dass sich die Naturvölker ruhig und günstig fortentwickelt 
haben würden, wenn nicht die Europäer mit ihrer Verführung störend einge- 
griffen hätten, ist längst als solche erkannt. Anderseits bleibt es aber eine 
nicht zu bezweifelnde Tatsache, dass jene Völker bei der Berührung mit der 

') Das» die Seuchen um 1890 verheerenJer wirklcn, hat Beinen Gnind darin, das« einmal iwei 
Scachen schnell hintecpinander auftraten, Lungenseuchc und Rinderpest, anderseits die Erneuerung der 
Herden durch Kneguüge durch die Militärstationen teils erschwert, teils unmöglich gemaciit wurde, 

*) Einzusclialten ist liier, dass dem neben Ackerbau auch Viehzucht treibenden ansässi|;en 
Neger VieLscuclien etfalirungsgemäss weniR Verluste bringen. Ks liegt dies wolil hauptsächlich 
daran, dnas er nur sehr wenige Stücke seLi eigen nennt und diese in seiner HQtte h.llt, die weit 
von der nächsten entfernt steht. Dadurch fanden die Mas^ die Möglichkeit zur schnellen und nicht 
schwierigen Er^nzung ihrer gelichteten Herden. 



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höheren Kultur zurückgehen und dass viele sogar als Volk verschwinden. Der 
Grund für diese Erscheinung liegt darin, dass jene Völker schon auf einer 
ungesunden Grundlage lebten und ihre Erhaltung Mitteln verdankten, die wir 
einmal als illegal und unmoralisch bezeichnen, weil sie unserm Rechtsbewusstsein 
und unserer christlichen Moral zuwiderlaufen, und die auf wirtschaftlichem Gebiet 
einen Raubbau im krassesten Sinn des Wortes entstehen Hessen. Da nun jeder 
Staat, der ein wildes Land okkupiert, die Pflicht hat, als Förderer und Hüter 
von Recht und Moral aufzutreten und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung 
zu fördern, indem er die Produktion in die Wege unserer modernen Grundsätze 
leitet, so stürzt er damit nur zu oft die Grundpfeiler, auf welche das Bestehen 
eines Naturvolkes sich stützt. 

So verdanken die Masai ihr Bestehen als Nomadenvolk; dessen einzige 
Hilfsquelle in seinem Viehstand Hegt, im seuchenreichen Afrika zum grossen 
Teil dem Umstand, dass sie durch Kriegs- und Raubzüge die Verluste immer 
wieder ersetzen konnten. Sobald ihnen die Möglichkeit zu solchen Zügen 
durch die Errichtung von MiHtärstationen, welche den Opfern der Masai Schutz 
gewähren, genommen oder wenigstens stark vermindert wird, muss naturgemäss 
ein Zustand entstehen, in dem sich eine aHmählich steigende Schwächung der 
Lebenskraft des Volkes vollzieht. Was ihnen früher zum Vorteil wurde, ihre 
Kriegslust und die Feigheit der Neger, wird ihnen nun zum Verhängnis. Beides 
verleitet sie immer wieder zu Raubzügen. Um der dadurch verdienten Bestrafiii^ 
zu entgehen, ziehen sie sich in Gegenden zurück, welche sie früher, als gesund- 
heitsschädlich für Menschen und Vieh, oder wegen minderwertiger Weide, 
mieden. Wären die Masai noch das starke Volk Mbatyans von vor dreissig 
Jahren gewesen, als sie unter den Einfluss der europäischen Okkupation kamen, 
so würden sie vielleicht naph dem Beispiel anderer Naturvölker, wenn auch 
eine starke, so doch nur eine nicht dauernde Schwächung bei dem Zusammen- 
tretfen mit der höheren Kultur davon tragen, um sich dann, wenn sie fiir deren 
Vorteile reif geworden sind, allmählich wieder zu erholen. Doch wir fanden 
die Masai schon in einem Zustand vor, der einem Verfall sehr ähnlich sah. 
Die Viehseuchen ums Jahr j 890, welche, nicht lokal begrenzt, die Herden aller 
Masai dermassen heimsuchten, dass tatsächlich nur elende Reste übrig blieben, 
hatten eine allgemeine und ausserordentlich schwere Hungersnot hervorgerufen. 
Ihr fielen Hunderttausende von Masai, besonders Männer und Knaben, zum 
Opfer, und im Jahre 1S95 fand Verfasser noch die Steppen um den Kihma- 
ndscharo stellenweise wie besät mit den bleichenden Schädeln der Verhungerten 
und der gefallenen Tiere. Wer von den Frauen und Mädchen nicht den Tod 
durch Hunger gefunden hatte, suchte und fand Aufnahme bei ackerbautreiben- 
den Negern, die weibliche Individuen immer gern kaufen oder rauben. Die 
Mutter verkaufte ihr Kind für eine Handvoll Mais und verkaufte sich selbst 
Tags darauf um einen ähnlichen Preis, um dem Verhungern zu entgehen. 
Neger und Karawanen bemächtigten sich der Willenlosen, um sie als Sklaven 



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weiter zu verkaufen. Viele sind seither teils durch Flucht, teils durch Auslösung 
von selten ihrer Angehörigen wieder zurückgekommen, mehr aber befinden sich 
noch in fremden Händen. Letztere sind, wenn ihr Blut auch in der neuen 
Mischung mit Negern vorteilhaft weiterlebt, dem Masaivolk dauernd verloren. 
So sehr hatte das Unglück, dem man so oft eine entgegengesetzte Wirkung 
zuschreibt, die frühere Organisation, das feste Zusammenhalten gelockert, dass 
bald nach dem Erlöschen der Seuchen der unselige Bruderzwist Lenana-Zendeo 
um die Alleinherrschaft über die Mas^ beginnen konnte. Mit seinen fort- 
geset2ten Büi^erkriegen wirkt er mächtig zur Vervollständigung des Vernichtungs- 
werkes der Seuchen. Die Neger, mit denen allein die Masai früher, ausge- 
nommen kleinere Unternehmungen unter sich, die mehr den Charakter von 
Reibereien als den ernster Kämpfe trugen, im Krieg lagen, waren ihnen minder- 
wertige Gegner, Jetzt stehen sich gleichwertige Parteien gegenüber, was die 
Kriege blutiger, vernichtender macht. 

Durch die zunehmende Verarmung, als Folge jener Seuchen und Bürger- 
kriege, vollzieht sich nun bei den Mas^ — ebenso wie früher bei den Wakuafi 
— eine Umwandlung vom Nomadentum zur Sesshaftwerdung, an die Stelle der 
Viehzucht tritt der Ackerbau. Die auf diese Weise vom »Volk« abgefallenen 
gründen teils alleinstehende, teils sich an Negerstämme anlehnende Nieder- 
lassungen, etwas abseits der trockenen Steppe, dort, wo die Bewässerung eine 
genügende zur Anlage von Pflanzungen ist. Dass sie sich hierin besonders 
geschickt erweisen, wird niemand erwarten, aber die Natur, die ihren Kindern 
in den Tropen so weit entgegenkommt, hilft auch hier. Eine massige Bewässerung 
genügt, um . die in den jungfräulichen Boden gesteckten Ranken der Bataten 
anwachsen und Knollen hervorbringen zu lassen- Mais zeigt sich meistens 
ebenso genügsam wie dankbar. Dies sind denn auch die hauptsächlichsten 
Nutzpflanzen, mit denen in der Regel begonnen wird und die man daher in 
allen Ansiedlungen findet. Aber trotz der T^tchtigkeit in der Produktion von 
Feldfrüchten, geht der Uebei^ang zum Ackerbau doch in einer die Bevölkerungs- 
zahl ausserordentlich vermindernden Weise von statten. Zunächst fordert der 
langsam sich vollziehende Akklimatisationsprozess zahlreiche Opfer an Menschen- 
leben Der in der trockenen Steppe von Fieber wenig heimgesuchte Masai 
leidet in feuchten Gegenden, in denen die Moskitos dauernd heimisch sind, 
ziemlich stark darunter. So fand ich zweimal in derselben Neugründung alle 
Erwachsenen und viele Kinder fieberkrank. Eine andere war eben unter Zurück- 
lassung der Kranken von ihren Bewohnern verlassen worden. Die Zurück- 
gebliebenen, hauptsächlich Männer und Knaben, waren durch Fieber arg her- 
untergekommen und litten ausserdem zum grössten Teil an bösartigen Bein- 
geschwüren, deren grosse Ausdehnung — mehrfach bedeckten sie das ganze 
Schienbein vom Knie bis Knöchel — wohl auch auf eine allgemeine Schwächung 
des Körpers durch Fieber und Nahrungsmangel zurückzuführen ist; denn bei 
Nomaden-Masai sind derartige Geschwüre nicht häufig, und wo sie vorkommen, 



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bleiben sie kleiner und zeigen die Tendenz zu schneller Heilung. Andere 
Krankheiten entstehen aus der ungewohnten Kost. Der schnelle Uebergang 
von fast reiner Fleischnahrung zu fast reiner Pflanzenkost stellt an Magen und 
Darm Anforderungen, welchen ein durch Fieber geschwächter Körper nicht 
gewachsen ist. Krankheit und Todesfalle aus dieser Veranlassung sind häufig 
und werden durch den Genuss schlechten Wassers weiter vermehrt. So klagten 
in einer Niederlassung weit über die Hälfte der Leute über schmerzhaften Durch- 
fall und blutigen Stuhl. Ihre Wirkung scheinen alle diese Akklimatisations- 
krankheiten auch in verminderter Fruchtbarkeit der Frauen und erhöhter 
Kindersterblichkeit zu äussern. Mehrfach fiel mir die geringe Zahl von Säug- 
lingen {zweijährige Säugezeit) und älteren Kindern auf. So fand ich Anfang 1902 
in Ngaruka, zwischen Manyara- und Natron-See, bei einem Bestand von ungefähr 
fünfzig Frauen nur zwölf Kinder, darunter drei Säuglinge. Nach Angabe der 
Eltern waren sehr viele Kinder an verschiedenen Krankheiten, besonders Fieber, 
Magen- und Darmaffektionen, gestorben, mehrere auch durch Masaiüberfällc 
umgekommen. Für die sesshaft werdenden Masai sind die noch im >Volk< als 
Nomaden lebenden eine Geissei, die in ihrer Wirkung den eben besprochenen 
Krankheiten nicht nachsteht. Als Abtrünnige gehasst und als Ackerbauer ver- 
achtet, werden die Ansässigen von fortwährenden Raubzügen heimgesucht,' die 
ihnen nicht nur grosse Verluste an Menschenleben bringen, sondern auch jede 
Möglichkeit nehmen, eine Verbesserung ihrer Lebensführung durch Viehhaltung 
^ur Erlangung der für sie so notwendigen Fleisch- und Milchkost zu erreichen. 
Ferner fuhrt der häufige Verkehr mit ansässigen Negern und Karawanen leutcn 
zu einer Vermehrung der Fälle von Geschlechtskrankheiten, Verfrühtes Heiraten, 
das bei den noch als Nomaden lebenden Masai nicht vorkommen kann, ist bei 
den Sesshaften nicht selten und führt oft genug zum Tode der kaum dem 
Kindesalter entwachsenen jungen Frau, deren Knochengerüst trotz erreichter 
Konzeptionsfähigkeit noch nicht ausgewachsen ist. SchliessUch muss noch er- 
wähnt werden, dass zweifellos auch die Sehnsucht nach dem früheren freien 
Leben in den weiten Steppen und das Gefühl der Erniedrigung, selbst zu dem 
so tief verachteten Landbauer geworden zu sein, Momente sind, welche zehrend 
wirken. Letzterer Umstand bringt auch eine Verminderung des Nationalstolzes 
mit sich. Die Schranke, welche Neger aus der Gemeinschaft der Masai fern- 
hielt, fällt. Eine unvorteilhafte, das Volk schädigende Rassenmischung vollzieht 
sich langsam. Bei den Wakuafi ging dieser Vorgang seiner Zeit schneller vor sich. 
Damals hinderte sie